mensch & pferd international
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Forum: Die Arbeit mit Projektion und Übertragung in der Pferdegestützten Intervention
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Sabine Baumeister
Ines Kaiser
Wissenschaftliche Studien belegen, dass der Mensch nur einen kleinen Teil seines Bewusstseins auch tatsächlich bewusst erlebt und dass der größere Anteil im unbewussten Bereich liegt. Unser Unterbewusstsein ist also ganz wesentlich beteiligt an unserem Erleben der Welt und der Lebewesen, mit denen wir in Interaktion treten. Bei der Projektion werden psychische Inhalte, vor allem Affekte, Stimmungen und Impulse, aber auch Bewertungen anderen Personen zugeschrieben. Dabei handelt es sich um Inhalte des Selbst, wie sie in ihren bewussten und unbewussten Anteilen im Ich in der Selbstrepräsentanz auftreten.
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mup 3|2017|109-114|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2017.art17d | 109 Forum Die Arbeit mit Projektion und Übertragung in der Pferdegestützten Intervention Sabine Baumeister, Ines Kaiser Wissenschaftliche Studien belegen, dass der Mensch nur einen kleinen Teil seines Bewusstseins auch tatsächlich bewusst erlebt und dass der größere Anteil im unbewussten Bereich liegt. Unser Unterbewusstsein ist also ganz wesentlich beteiligt an unserem Erleben der Welt und der Lebewesen, mit denen wir in Interaktion treten. Bei der Projektion werden psychische Inhalte, vor allem Affekte, Stimmungen und Impulse, aber auch Bewertungen anderen Personen zugeschrieben. Dabei handelt es sich um Inhalte des Selbst, wie sie in ihren bewussten und unbewussten Anteilen im Ich in der Selbstrepräsentanz auftreten. Im Laufe unseres Lebens und durch Persönlichkeitsentwicklung oder Therapie können unbewusste Anteile an die Oberfläche gebracht und somit bewusst gemacht und integriert werden. Dieser Prozess wird u. a. Schattenarbeit genannt. Die Pferdegestützte Intervention eignet sich hervorragend für die Schattenarbeit, denn in der Interaktion mit dem Pferd kommen viele Aspekte unseres Unbewussten hervor. Dies geschieht hauptsächlich dadurch, dass Klienten diese ungesehenen Aspekte auf das Pferd oder auch auf den Therapeuten projizieren oder in der direkten Interaktion mit dem Pferd, wenn dieses auf die Haltungen, Gefühle oder Impulse des Menschen reagiert. In diesem Artikel möchten wir anhand praktischer Beispiele zeigen, in welcher Art Therapeuten mit Projektionen innerhalb der Pferdegestützten Intervention arbeiten können und welchen Mehrwert der Einsatz eines Pferdes bei der Arbeit bietet. Definition der Begrifflichkeiten Die Begriffe der Projektion, Übertragung und Gegenübertragung gehören heute zu den Grundlagen jeder psychodynamisch orientierten Psychologie und Psychotherapie. Es gibt kein aktuelles Erleben ohne Verbindung zur Erinnerung; vergangene Erfahrungen werden in die aktuell erlebte Gegenwart übertragen, und die entsprechende Reaktion, die Gegenübertragung von davon betroffenen Beziehungspartnern, steht damit in mehr oder weniger engem Zusammenhang. Es geht also bei einer Übertragung um die Neuinszenierung von Erinnerung unter veränderten äußeren Bedingungen, um einen Vorgang, der unbewusst abläuft und sich ständig wiederholt (Barwinski 2010). Das Wissen um diese Dynamik müssen sich vor allem diejenigen aneignen, die in pädagogischen und therapeutischen Berufen tätig sind, damit sie sich im Spannungsfeld ihres Berufsalltags besser orientieren können (Holderegger 2014). Projektion Das Wort „Projektion“ kommt von lateinisch proiectio, was „das Hinwerfen“ und „das Vorwerfen“ bedeutet. Auch der psychologische Begriff der Projektion kann umgangssprachlich grob als „(unbewusster) Vorwurf“ übersetzt werden, und als ein „Hineinsehen“ von etwas in 110 | mup 3|2017 Forum: Baumeister, Kaiser - Die Arbeit mit Projektion und Übertragung … eine Person oder Situation, was dort nicht oder nicht im vorgeworfenen Ausmaß vorhanden ist. Projektion bezeichnet in der Neurosenlehre allgemein - und von Schulen unabhängig - einen Abwehrmechanismus. Der Begriff Projektion umfasst das Übertragen und Verlagern eines innerpsychischen Konfliktes durch die Abbildung eigener Emotionen, Affekte, Wünsche und Impulse, die im Widerspruch zu eigenen und / oder gesellschaftlichen Normen stehen können. Eine solche Projektion richtet sich auf andere Personen, Menschengruppen, Lebewesen oder Objekte der Außenwelt. Übertragung Die Übertragung ist eine Unterform der Projektion. Der Begriff der Übertragung stammt aus der Tiefenpsychologie, insbesondere der Psychoanalyse. Er bezeichnet dort den Vorgang, dass ein Mensch alte - oftmals verdrängte - Gefühle, Affekte, Erwartungen (insbesondere Rollenerwartungen), sowie Wünsche und Befürchtungen aus der Kindheit unbewusst auf neue soziale Beziehungen überträgt und reaktiviert. Ursprünglich können diese Gefühle auf die Eltern oder Geschwister bezogen gewesen sein, bleiben aber auch nach der Ablösung aus dem Elternhaus in der Psyche präsent und wirken dort weiter. Dieser Vorgang ist zunächst weitestgehend normal und weit verbreitet, kann aber, wenn die übertragenen Gefühle sich gegenüber tatsächlichen gegenwärtigen Beziehungen als nicht angemessen erweisen, zu erheblichen Problemen und Spannungen führen. Gegenübertragung Als Gegenübertragung bezeichnet man eine Form der Übertragung, bei der ein Therapeut auf den Patienten (bzw. auf dessen aus Übertragungsphänomenen hervorgehenden Handlungen und Äußerungen) reagiert und seinerseits seine eigenen Gefühle, Vorurteile, Erwartungen und Wünsche auf diesen richtet. Der Therapeut verlässt hierbei aus verschiedenen Motiven - in der Regel vorübergehend - seine neutrale Position. Früher galt die Gegenübertragung als störender Einfluss, den der Therapeut sich bewusst machen und beseitigen sollte. Heute betrachtet man die Gefühle des Therapeuten gegenüber dem Patienten auch als „Resonanzboden“, durch den er Informationen über den Patienten gewinnt. Pferde und Projektionen Mensch und Pferd haben sich mit Beginn der Domestizierung in einem koevolutiven, wechselseitigen Veränderungsprozess intensiv geprägt (Papke 1997, 93). Das Pferd ist ein bedeutender Träger unserer Kulturgeschichte und wurde zum Symbol menschlicher Taten, Erfahrungen, Wünsche und Phantasien. Die Verbundenheit zum Pferd verankerte sich über Jahrtausende tief im Menschen, sodass die mit dem Pferd antizipierten symbolischen Bilder noch heute mit Emotionen wie Angst, Freude, Zärtlichkeit, Freiheit, Liebe oder Hass besetzt sind (Herzig 1994, 79). Noch immer scheinen Pferde Sehnsüchte im Menschen zu wecken, die seit Jahrtausenden archaisches Erbe sind. Dies wird mehr oder weniger verschüttet im Menschen getragen. Pferde sind groß und stark, aber auch sanft und sensibel, sie bringen uns schnell in Kontakt mit unseren teilweise unterdrückten Sehnsüchten, Emotionen und Ängsten. Die besondere psychische Nähe des Menschen zum Pferd qualifiziert es in herausragender Weise. Pferde sind Meister der nonverbalen Kommunikation. Als Beutetiere sind sie darauf angewiesen, auf kleinste Signale in der Umwelt adäquat und schnell zu reagieren. Sie leben, wie wir Menschen, in Gruppen und sind in höchstem Maße soziale Lebewesen. In ihrer Kommunikation sind Pferde daher sehr klar, sie drücken über ihre Körpersprache relativ direkt ihre innere Befindlichkeit aus. Sie sind immer im „Hier und Jetzt“ und kommunizieren analog. Keine zweideutigen Signale, keine versteckten Absichten. Sie sind authentisch und unterscheiden nicht zwischen Fühlen und Handeln. Forum: Baumeister, Kaiser - Die Arbeit mit Projektion und Übertragung … mup 3|2017 | 111 Dieses ehrliche Feedback wird von Menschen häufig besser angenommen als das eines andern Menschen. Aufgabe des Therapeuten ist es, die Rückmeldungen der Pferde zu erkennen, sie - wenn nötig - zu übersetzten und diese Impulse aufzugreifen und so einzusetzen, dass der Klient daran wachsen kann. Projektionen in der Pferdegestützten Intervention Wie zuvor schon beschrieben, finden innerhalb der therapeutischen und pädagogischen Arbeit ständig Projektionen statt. Kaum eine Interaktion ist gänzlich frei davon. Es erscheint uns sinnvoll, verschiedene Bereiche zu nennen, in denen es wichtig ist, Projektionen zu erkennen und mit ihnen zu arbeiten. Dabei werden drei Arbeitsbereiche unterschieden: Psychotherapeutische Arbeit am Pferd Es werden bewusst Räume mit dem Pferd geschaffen, in denen Projektionen und Übertragungen entstehen können, und diese werden dann mit dem Klienten thematisiert und bewusst gemacht. Ziel ist, dass der Klient eine erweiterte Wahrnehmung von sich selbst und seinem Verhalten gewinnt. Heilpädagogische Arbeit am Pferd Es werden Aktivitäten angeboten, die den Klienten einladen, eigene Themen auf das Pferd zu projizieren, sodass der Therapeut Informationen über den Klienten sammeln kann, ohne direkt zu fragen. Dabei können die Themen mit dem Klienten thematisiert werden oder nicht. Selbstreflexion des Therapeuten In der Gegenübertragung geschieht es auch den Therapeuten immer wieder, auf Projektionen und Übertragungen der Klienten zu reagieren. Dabei ist eine Selbstreflexion unerlässlich, die im Rahmen einer Intervision mit einem vertrauten Kollegen oder einer Supervision stattfinden kann. Beispiele aus der psychotherapeutischen Arbeit Fallbeispiel zur Projektion Klientin: 46-jährige Frau Pferd: 10-jähriger Berberwallach Kontext: Die Klientin kommt zu einer ersten Sitzung. Ihr Anliegen ist, mit ihren Themen (Überforderung und Beziehungskonflikte in der Familie und am Arbeitsplatz) zu arbeiten. Vor der Begegnung mit dem Pferd findet ein Gespräch zur Differenzierung der Themen im Stall statt. Dann findet ein Beobachten der Pferde statt und die Klientin wird durch einen „Body Scan“ geführt. Dieser dient dem Erforschen der Körperempfindungen, die im Hier und Jetzt präsent sind. Begegnung mit dem Pferd im Round Pen: Vor der Begegnung: Die Klientin bekommt die Aufgabe, mit dem Pferd Kontakt aufzunehmen, um es kennenzulernen und einen ersten Eindruck voneinander zu gewinnen. Dabei soll sie die Aufmerksamkeit auf ihre Selbstwahrnehmung lenken. Die Klientin hat sich das Pferd ausgesucht, da der Wallach auf sie kontaktfreudig und interessiert wirkte. Sie meldet zurück, dass sie sich auf den Kontakt mit dem Pferd freut. Die Begegnung soll zunächst in Stille stattfinden, um einen Raum des Erfahrens und Erforschens zu öffnen. Dies wird durch die aufmerksame stille Präsenz des Therapeuten begleitet. Die Begegnung: Das Pferd geht aktiv auf die Klientin zu, beschnuppert intensiv ihre Jacke und die Taschen. Die Klientin hebt daraufhin die Arme, um ihn wegzuschicken. Dabei geht sie jedoch rückwärts und vermittelt damit eine für das Pferd zweideutige Botschaft. Das Pferd lässt kurz von ihr ab, folgt ihr dann aber weiter mit gespitzten Ohren und einer freundlichen, neugierigen Attitüde. Dies 112 | mup 3|2017 Forum: Baumeister, Kaiser - Die Arbeit mit Projektion und Übertragung … wiederholt sich mehrfach. Es gelingt der Klientin nicht, das Pferd von sich wegzuschicken. Reflexion: In der Reflexion hat die Klientin folgendes rückgemeldet: Sie fand das Pferd aufdringlich und aggressiv. Sie fühlte sich provoziert und „in die Ecke gedrängt“. Gemeinsam mit der Klientin wurde reflektiert: Die Klientin hat eine unterdrückte Aggression, die bislang unbewusst war. Sie kann sich schlecht abgrenzen oder sich anderen gegenüber durchsetzen. Sie hat in der Begegnung ihre unbewusste, unterdrückte Aggression auf das Pferd projiziert. Gesunde Wut hilft uns, Grenzen zu setzen; wenn wir es nicht tun, wird sie unterdrückt und häufig zur Aggression. Fallbeispiel zur Übertragung Klient: 53-jähriger Mann Pferd: 6-jähriger Norikerwallach Kontext: Der Klient hat schon ein paar Sitzungen mit den Pferden gemacht und dabei erlebt, dass sich die Pferde ihm zuwandten und teilweise auch mit ihm gingen. Er hat sich in gutem Kontakt zu den Pferden empfunden und ihre Aufmerksamkeit bekommen. Das hat sein Selbstwertgefühl gestärkt. Sein Anliegen ist es, weiter mit seinen Themen (Sinnkrise und depressive Stimmung) zu arbeiten. Die Vorbereitung der Einheit entspricht im Wesentlichen der oben beschriebenen Vorgehensweise. Im Gespräch wurde das Thema noch einmal geklärt und präzisiert. Im Anschluss an die Beobachtung der Pferde und der Auswahl des Pferdes für diese Einheit, wird der Klient wieder durch einen „Body Scan“ geführt. Begegnung mit dem Pferd im Round Pen: Vor der Begegnung: Der Klient hat sich das Pferd ausgesucht, da der Wallach auf ihn kraftvoll, schön und freundlich wirkte. Er sagt, dass er sich mit ihm „bestimmt gut verstehen wird“. Der Klient bekommt die Aufgabe, mit diesem Pferd Kontakt aufzunehmen, um einen ersten Eindruck voneinander zu gewinnen. Dabei soll er die Aufmerksamkeit auf seine Selbstwahrnehmung lenken. Die Begegnung soll zunächst in Stille stattfinden, um einen Raum des Erfahrens und Erforschens zu öffnen. Dies wird durch die aufmerksame stille Präsenz des Therapeuten begleitet. Die Begegnung: Der Wallach beschnuppert den Klienten kurz, begibt sich dann aber an das andere Ende des Round-Pens und schaut über die Bande hinaus auf die Wiesen. Er beachtet den Klienten wenig. Dieser steht zunächst abwartend in der Mitte des Round-Pens und versucht dann die Aufmerksamkeit des Pferdes zu bekommen, indem er hin und her geht. Der Wallach dreht seinen Kopf ein paar Mal in Richtung des Klienten, richtet seine Aufmerksamkeit dann aber schnell wieder auf das Geschehen außerhalb des Round- Pens. Der Klient unternimmt noch ein paar Versuche ihn einzuladen, mit ihm zu gehen, indem er auf ihn zu und wieder weg geht. Das Pferd nimmt das zur Kenntnis, schaut kurz zu ihm hin, geht jedoch nicht mit. Forum: Baumeister, Kaiser - Die Arbeit mit Projektion und Übertragung … mup 3|2017 | 113 Reflexion: In der Reflexion hat der Klient folgendes rückgemeldet: Er empfand den Wallach als „arrogant und abweisend“. Er war der Meinung, dass das Pferd offensichtlich die Oberhand behalten und „Chef“ sein wollte, um ihn dazu zu bringen „ihm hinterher zu laufen“. Er wollte sich jedoch nicht auf „dieses Spielchen“ einlassen. Er interpretierte das Verhalten des Pferdes als manipulierend und kontrollierend. Das hat ihn zunehmend wütend gemacht. Gemeinsam mit dem Klienten wurde in der Reflexion erarbeitet: Der Klient hat eine sehr dominante, kontrollierende Mutter, die ihm in seiner Kindheit wenig Raum für eigene Impulse ließ. Aus dieser für ihn als sehr einengend und manipulierend erlebten Erfahrung hat der Klient viel unterdrückte Wut seiner Mutter gegenüber. Mit dem Pferd hat es eine Neuinszenierung dieser Dynamik ergeben und er hat das Verhalten seiner Mutter auf das Pferd übertragen. Weitere Schritte in der Arbeit In der weiteren Arbeit mit den Klienten ist es wichtig zu erforschen, welche Situationen in ihrer Kindheit zu diesem Verhalten geführt haben und wie es heute in ihrem Leben wirkt. In dem geschützten Rahmen der Therapie können unterdrückte Gefühle zum Ausdruck gebracht werden, um einen anderen Umgang damit zu erlernen, der für die Klienten im Erwachsenenleben sinnvoll und konstruktiv ist. Voraussetzungen für diese Arbeit Eine sehr gute Therapeut-Pferd-Beziehung ist unerlässlich, da es für Pferde auch unangenehm sein kann, Projektionsfläche zu sein. Daher muss der Therapeut die ganz feinen Signale des Pferdes lesen können, um eine Überforderung zu vermeiden. Es ist wichtig, Projektionen zurückzunehmen, d. h., sie bewusst zu machen und anzunehmen, dass sie von uns ausgehen. Nur dann kann auf Dauer konstruktiv gearbeitet werden. Der Therapeut muss seine eigenen Projektionen und Übertragungen erkennen können, sodass im Falle einer Gegenübertragung eine entsprechende Reflexion möglich ist. Weitere Anwendungsbeispiele Auch in der heilpädagogischen Arbeit kann der Therapeut den Klienten mittels einfacher Übungen einladen, seine Empfindungen, Gefühle, Präferenzen und Bedürfnisse auf das Pferd zu projizieren. Dabei kann die folgende Übung angeboten werden: Beobachten der Pferde, entweder ein einzelnes Pferd oder eine Herde. Die Beobachtung kann durch folgende Fragen unterstützt werden: „Was beobachtest du an diesem Pferd? “ „Welches Pferd spricht dich besonders an und warum? “ „Welches Pferd findest du weniger sympathisch und warum? “ „Was sind die Bedürfnisse von diesem Pferd in diesem Moment? “ „Wie geht es diesem Pferd“? Dabei ist immer wieder festzustellen, dass Klienten an einem Pferd das sehen, was sie vielleicht ■ selbst brauchen oder sich wünschen (eigene Bedürfnisse am Gegenüber erkennen); 114 | mup 3|2017 Forum: Baumeister, Kaiser - Die Arbeit mit Projektion und Übertragung … ■ an sich selbst nicht mögen, unsympathisch finden oder kritisieren (z. B. das Pferd ist manipulierend, unaufmerksam, herrschsüchtig …); ■ selbst empfinden (z. B. findet der Klient dass das Pferd traurig aussieht, weil er eigentlich selbst traurig ist); ■ sich selbst nicht erlauben - z. B. ein Pferd grenzt sich deutlich ab, indem es die Ohren anlegt, als es sich von einem anderen Pferd gestört fühlt und der Klient würde sich gern selbst auch öfters abgrenzen, nur wagt er es nicht. Diese Aspekte können mit dem Klienten thematisiert werden, wenn der Klient bereit ist, diese Reflexion zu machen und der Therapeut sich in der Lage fühlt, diese zu begleiten. In jedem Fall aber enthalten diese Aussagen für den Therapeuten wichtige Informationen und geben ihm Anhaltspunkte für die Arbeit mit den Wünschen, Bedürfnissen und Ängsten seines Klienten. Fazit Klienten projizieren ihre unbewussten Anteile auf die Pferde und den Therapeuten. Pferde sind keine Menschen. Sie bieten dadurch eine wunderbare Projektionsfläche, da die auf sie projizierten Eigenschaften, Verhaltensweisen und Absichten meist ganz offensichtlich nicht zutreffen. Das Auflösen der Projektion ist mit dem Pferd einfacher, da das Pferd weder wertet noch manipuliert und keine verborgenen Absichten hat. Projektionen sind in der Therapie willkommen, sie ermöglichen es, Schattenanteile und verborgene Konflikte bewusst zu machen und dadurch Veränderung und Entwicklung zu bewirken. So entsteht ein größerer Verhaltensspielraum. Auch der Therapeut ist nicht frei von Projektionen und kann diese während der Arbeit in der Gegenübertragung dem Klienten gegenüber erleben. Auch hier dient die Selbstreflexion der persönlichen Weiterentwicklung. Literatur ■ Barwinski, R. (2010): Die erinnerte Wirklichkeit. Asanger, Kröning ■ Herzig, L. (1994): Das Pferd in der Behandlung psychosomatisch kranker Menschen. In: Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten (Hrsg.): Die Arbeit mit dem Pferd in Psychiatrie und Psychotherapie (Sonderheft). FN, Warendorf, 78-80 ■ Holderegger, H. (2002): Das Glück des verlorenen Kindes: primäre Lebensorganisation und die Flüchtigkeit des Ich-Bewußtseins. Klett-Cotta, Stuttgart ■ Papke, A. (1997): Das Pferd als Medium in der psychologischen Psychotherapie mit Kindern und Jugendlichen - Psychodiagnostische und psychotherapeutische Wirkungsmomente des Einsatzes von Pferden in der Kindergruppenpsychotherapie. Inauguraldissertation zur Erlangung des Grades einer Doktorin der Philosophie am Fachbereich Erziehungswissenschaft. Berlin: Psychologie und Sportwissenschaft der Freien Universität Berlin Die Autorinnen Sabine Baumeister Dipl. Kauffrau, Trainerin, Tomatis Therapeutin, zertifizierte Reittherapeutin, Vorstandsmitglied der ESAAT, des Bundesverbandes für therapeutisches Reiten und tiergestützte Therapien sowie der Association for Animal Assisted Therapy Luxembourg, Leiterin von Equimotion. Ines Kaiser Körperpsychotherapeutin und ausgebildet in pferdegestütztem Erfahrungslernen von Linda Kohanov, Co- Leiterin bei Equimotion, Vorstandsmitglied der Association for Animal Assisted Therapy Luxembourg. Sie unterrichtet Themen wie Schattenarbeit, Selbstreflexion, Beziehung und Grenzen in der Therapie. Anschriften Sabine Baumeister · Neie Wee 10 · L-6858 Münschecker sbaumeister@equi-motion.lu Ines Kaiser · Rue Alexandre Fleming 14 · L-1525 Strassen Ines.Kaiser.lu@gmail.com
