mensch & pferd international
2
1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
71
2017
93
Forum: Auf die Mensch-Tier-Beziehung kommt es an
71
2017
Simone Pülschen
Anlässlich der Equitana 2017 trafen sich am Stand des Ernst Reinhardt Verlags Linda Tellington-Jones und Professor Ewald Isenbügel, die der MuP als Fachbeirätin bzw. Herausgeber seit der Gründung der Zeitschrift zur Verfügung stehen, zu einem Gespräch mit Dr. Simone Pülschen von der Europa-Universität Flensburg. Frau Tellington-Jones und Professor Ewald Isenbügel sind seit vielen Jahren befreundet, treffen sich regelmäßig und tauschen sich über ihre Arbeit mit Tieren, insbesondere mit Pferden, aus.
2_009_2017_003_0118
118 | mup 3|2017|118-120|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2017.art19d Simone Pülschen Forum Auf die Mensch-Tier-Beziehung kommt es an Ein Gespräch mit Linda Tellington-Jones und Ewald Isenbügel Anlässlich der Equitana 2017 trafen sich am Stand des Ernst Reinhardt Verlags Linda Tellington-Jones und Professor Ewald Isenbügel, die der MuP als Fachbeirätin bzw. Herausgeber seit der Gründung der Zeitschrift zur Verfügung stehen, zu einem Gespräch mit Dr. Simone Pülschen von der Europa-Universität Flensburg. Frau Tellington-Jones und Professor Ewald Isenbügel sind seit vielen Jahren befreundet, treffen sich regelmäßig und tauschen sich über ihre Arbeit mit Tieren, insbesondere mit Pferden, aus. Kennengelernt haben sich beide 1970 in Kalifornien auf einer Materialsammlungsreise mit Ursula Bruns. Als Professor Isenbügel über Berührungen der Headschen Zonen (Hautabschnitte, die eine Beziehung zu bestimmten inneren Organen besitzen und bei einer Erkrankung des Organs den Schmerz auf das Hautgebiet übertragen) eine Verbindung zu einem ihm fremden Pferd in Vorbereitung auf einen Ausritt herstellte, wurde sofort eine bemerkenswerte Übereinstimmung ihres Handlings und ihres Zugangs zu Pferden deutlich. Dieses Kennenlernen ist jetzt über vierzig Jahre her und Frau Tellington-Jones ist mittlerweile als Tiertrainerin insbesondere für die Tellington TTouch Methode für Pferde bekannt, die bereits auf andere Tiere und den Menschen sehr erfolgreich übertragen wurde. Wie vielen sicherlich bekannt ist, wird über den Einsatz unterschiedlicher Berührungen und Bewegungen des Pferdekörpers die Bereitschaft des Pferdes, in einer gewaltfreien Umwelt mit dem Menschen zu interagieren und zu lernen, gestärkt, sodass Verhaltensänderungen herbeigeführt und auch eine Verbesserung des Gesundheitszustandes erzielt werden kann. Linda Tellington-Jones, die über eine klassische Ausbildung verfügt, entwickelte im Jahre 1978 die „Tellington Equine Awareness Method - T.E.A.M“ und der sogenannte „Tellington TTouch“ folgte im Jahr 1983. Es ist ihr ein besonderes Anliegen, darauf zu verweisen, dass ihre Methode erlernt und weitergegeben werden kann, sodass es jedem möglich ist, eine tiefe und innige Beziehung zum Pferd herzustellen. Hier Abb. 1: Equitana 2017, v.l.n.r.: Linda Tellington Jones, Simone Pülschen, Ewald Isenbügel Fotos: Ernst Reinhardt Verlag Forum: Pülschen - Auf die Mensch-Tier-Beziehung kommt es an mup 3|2017 | 119 Simone Pülschen sieht sie auch einen Unterschied zur Arbeit von Professor Isenbügel, dessen Gefühl für Tiere sie als „angeborene Gabe“ bezeichnet, welches ihn als Ergänzung zu seinem wissenschaftlichen Hintergrund in ihren Augen zu einem einzigartigen Wissenschaftler auf seinem Gebiet macht. Professor Isenbügel, der von 1972 bis 2005 neben seiner Professur für Zoo-, Heim- und Wildtiermedizin an der Universität Zürich im dortigen Zoo als Zootierarzt tätig war und den heutigen Tierarzt dort heute noch unterstützt, erinnert sich sehr gerne an eine weitere Begebenheit, die ihn und Linda Tellington-Jones verbindet. Nach einer bakteriellen Lungenerkrankung von drei neugeborenen Schneeleoparden im Züricher Zoo hätten Fachleute diesen keine Überlebenschance mehr eingeräumt. Professor Isenbügel habe aber erreichen könne, dass Frau Tellington-Jones mit den Tieren arbeiten durfte, und ihr sei es über ihre einzigartige Verbindung zu Tieren gelungen, eine Besserung der drei Jungtiere zu bewirken, sodass alle drei überlebten. Beide Gesprächspartner erinnern sich gerne an diese Zeit und der Respekt für die Arbeit und Gabe des jeweils Anderen wird immer wieder deutlich. Es gäbe viele Geschichten zu erzählen, die die Verbindung beider Fachleute zu Tieren eindrucksvoll verdeutlichen. Auf die Frage, welche Verbindung sie zum Themengebiet der Zeitschrift hat, berichtete Frau Tellington-Jones über ihre Aktivitäten und Verbindungen sowohl zum Therapeutischen Reiten als auch zum Reitsport für Menschen mit Behinderung. Bei den Paralympics 1996 in Atlanta hat sie mit ihrem Team die Pferde der Reiter mit ihrer Methode behandelt, und bereits seit den 1960er Jahren ist sie über eine Tätigkeit als Ausbilderin für Jugendliche mit geistigen und körperlichen Behinderungen mit dem Therapeutischen Reiten verbunden. Wann immer sie damit wieder in Kontakt kommt, ist es ihr ein besonderes Anliegen, die positive Wirkung von Pferden auf die menschliche Psyche zu betonen. Es ist ihrer Erfahrung nach die Intensivierung der Pferd-Mensch-Beziehung, über die die Entwicklung angestoßen wird und hierbei v. a. der positive Effekt für das Selbstbewusstsein der Klienten, der im Vordergrund steht. In den Angie- Kursen für Kinder - benannt nach „Angie“, einem Schutzengel der Tiere, auf den im Buch „Die Linda Tellington-Jones Reitschule“ immer wieder Bezug genommen wird - nimmt dieser Aspekt neben dem Entwickeln von Verständnis und dem Aufbau einer innigen Beziehung zum Pferd einen hohen Stellenwert ein. Diesen Arbeitsansatz hält Frau Tellington-Jones auch für die therapeutische oder heilpädagogische Arbeit für sehr fruchtbar. Fachkräften auf diesem Gebiet legt sie ans Herz, die Beziehung zum Therapiepartner Pferd über Boden- und Beziehungsarbeit zu stärken, sodass sowohl die Beziehung zwischen Klient und Pferd als auch die Beziehung zwischen Fachkraft und Pferd gestärkt wird und das Pferd die Wertschätzung erhält, die es verdient. Professor Isenbügel bekräftigt an dieser Stelle, dass die Beziehungsgestaltung den entscheidenden Punkt jedweder Arbeit mit Pferden und anderen Tieren darstellt: „Das Vertrauen zwischen Mensch und Pferd macht den entscheidenden Unterschied! “ Abb. 2: Ewald Isenbügel, Linda Tellington-Jones 120 | mup 3|2017 Forum: Pülschen - Auf die Mensch-Tier-Beziehung kommt es an Zwar würden heute in regelmäßigen Abständen vermeintlich neue, oftmals als revolutionär verkaufte Trainingsmethoden für Pferde auftauchen, auf die Beziehungsgestaltung und letztlich die Bindung zum Pferd könne aber in keiner Trainingsmethode verzichtet werden. Das ist es, was maßgeblich zum Erfolg der Pferdeausbildung beitrage. Auf die Ausbildung von Therapiepferden angesprochen, stellt Linda Tellington-Jones ebenfalls wieder die Beziehungsgestaltung in den Vordergrund. Es ist Aufgabe des Therapeuten, Vertrauen zum Pferd aufzubauen und so dem Klienten den Beziehungsaufbau zu ermöglichen. Professor Isenbügel verweist hier insbesondere auf seine Erfahrung in der Arbeit mit Island- Pferden. Über seine Frau und deren Ausbildung bei Marianne Gäng habe er seine Beziehung zum Therapeutischen Reiten intensiviert und das Island-Pferd, welches ihm seit vielen Jahren sehr am Herzen liegt und für das er sich Zeit seines Lebens engagiert, als besonders geeigneten „Co-Therapeuten“ kennengelernt. Über Größe, Aussehen und insbesondere seiner wuscheligen Mähne gelänge es diesem Pferdetypen besonderen schnell, die Verbindung zwischen Mensch und Pferd zu intensivieren. Professor Isenbügel, selbst Dressurreiter mit Ausbildung bis Klasse S, geht davon aus, in seinem Leben Hunderte von Pferden geritten zu haben, aber es sei doch die Verbindung zu dem einen Island-Pferd gewesen - und hier gäbe es für jeden Menschen nur das eine Pferd im Leben, von dem er träumt -, welches für ihn von so zentraler Bedeutung bei seiner Arbeit mit Pferden gewesen sei. Diese Verbindung habe für ihn noch einmal besonders deutlich gemacht, dass Beziehungsaufbau und das Herstellen von Vertrauen nur mit viel Zeit und Ruhe gelingen kann. Diese abschließenden Worte sind es auch, die beide Pferdeexperten den Lesern der MuP besonders für ihre therapeutische oder pädagogische Arbeit ans Herz legen: Die Beziehung zum Tier und das Herstellen von Vertrauen machen den entscheidenden Unterschied. Dieser Beziehungsaufbau ist es, den Therapeuten und Pädagogen im Rahmen ihrer Arbeit bei Klienten unterstützen sollten, damit auch diese vom Pferd profitieren können und ihm die Wertschätzung entgegen bringen, die es verdient. Die Autorin Dr. Simone Pülschen Sonderpädagogin und Reitpädagogin (DKThR), derzeit tätig als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sonderpädagogik der Europa-Universität Flensburg, Abtl. Sonderpädagogische Psychologie. Anschrift Dr. Simone Pülschen · Europa-Universität Flensburg · Institut für Sonderpädagogik · Abtl. Sonderpädagogische Psychologie Auf dem Campus 1 · D-24943 Flensburg
