mensch & pferd international
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2017.art10d
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Forum: Ganzheitliche Entwicklungsförderung durch pferdegestützte Intervention für Kinder im Vorschulalter
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Stephanie Hühner
Pferdegestützte Interventionen können Kinder im Vorschulalter durch vielseitige Bewegungserfahrungen positiv beeinflussen. Wie Kinder mit, aber auch ohne Pony oder Pferd wertvolle Bewegungserfahrungen im Setting Reitanlage und Umgebung sammeln können, wird im Folgenden vorgestellt. Darüber hinaus werden Voraussetzungen, Ziele, aber auch Grenzen einer solchen Maßnahme beschrieben.
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58 | mup 2|2017|58-64|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2017.art10d Forum Ganzheitliche Entwicklungsförderung durch pferdegestützte Intervention für Kinder im Vorschulalter Stephanie Hühner Pferdegestützte Interventionen können Kinder im Vorschulalter durch vielseitige Bewegungserfahrungen positiv beeinflussen. Wie Kinder mit, aber auch ohne Pony oder Pferd wertvolle Bewegungserfahrungen im Setting Reitanlage und Umgebung sammeln können, wird im Folgenden vorgestellt. Darüber hinaus werden Voraussetzungen, Ziele, aber auch Grenzen einer solchen Maßnahme beschrieben. Bewegungserfahrungen Bewegungserfahrungen spielen für Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren sowohl hinsichtlich der Entwicklung der motorischen Fähigkeiten als auch der sozialemotionalen Entwicklung eine elementare Rolle. Über eine gut ausgeprägte Motorik kann sich der Bewegungsraum von Vorschulkindern erweitern und z. B. zu einer Steigerung des Selbstbewusstseins führen (Wilkening u. a. 2008, 21). Über das freie Spiel kann Kindern Raum gegeben werden, in dem sie ihre Bewegung frei ausleben und durch Ausprobieren ihres Handelns ihr Selbstwertgefühl steigern können. Denn über Experimentieren ihrer eigenen Handlungen findet ein Erkunden der Umgebung statt (Wilkening u. a. 2008, 21). Diese Lebensphase ist somit durch ein hohes Maß an Bewegungsdrang und Lust an Aktivitäten geprägt, für die die pferdegestützte Intervention einen entsprechenden Rahmen bereitstellt. Dabei muss nicht ausschließlich mit dem Tier gearbeitet werden, es kann auch das Umfeld und der Umgang mit dem Pferd in die Arbeit einbezogen werden. Tätigkeiten wie beispielsweise das Ausmisten des Stalls, das Putzen des Pferdes oder der Ausrüstung und Vorbereitungen für das Reiten oder Voltigieren sowie später auch das Wegräumen können dazu genutzt werden. Diese Aufgaben bieten viele Bewegungsmöglichkeiten, die zu bewältigenden Wege sind meist relativ lang und die Arbeit im Stall, beispielsweise das Schieben der Schubkarre, erfordert eine gewisse Kraftanstrengung. Aber auch die Aufgaben mit und auf dem Pferd werden dem Bewegungsdrang der Kinder gerecht. Dazu gehören Bewegungsspiele rund um das Pferd sowie das Sitzen und Turnen auf dem Pferderücken. Die Bewegungsübertragung über den Pferderücken regt zu einem Bewegungsdialog zwischen Pferd und Kind an, welcher u. a. zu einer Verbesserung der Körperwahrnehmung führt. Des Weiteren findet eine Anknüpfung an das bekannte Gefühl beziehungsweise die Erfahrung des Getragenwerdens im Säuglings- und Kleinkindalter statt. Meist lässt dies positive Erinnerungen in dem Kind aufsteigen, was das Reiten / Voltigieren zu einem insgesamt positiven Erlebnis werden lässt (Klüwer 2005). Allerdings wird nicht nur das Bewegungsverhalten und somit die Erweiterung der grobmotorischen Fähigkeiten über die Intervention mit dem Pferd unterstützt, sondern auch Fähigkeiten im Bereich der Feinmotorik können weiter ausgebildet werden. Wie bereits erwähnt, sind die Forum: Hühner - Ganzheitliche Entwicklungsförderung durch pferdegestützte Intervention … mup 2|2017 | 59 Aufgaben rund um das Pferd vielfältig. So enthält die Vorbereitung des Tieres beispielsweise mit dem Verschließen von Schnallen an der Trense eine feinmotorische Übung. Da den Themen in der pferdegestützten Intervention kaum Grenzen gesetzt sind, könnte man themenspezifische Übungen mit aufnehmen. Ein Beispiel wäre das Thema Indianer. Neben dem Reiten / Voltigieren könnte der Kopfschmuck der Indianer nachgebaut und mit Federn oder Malereien verziert werden. Dementsprechend müssten die Kinder mit einer Schere ihren Schmuck aus Pappe ausschneiden, mit Stiften bemalen und die Federn aufkleben. Der hohe Aufforderungscharakter des Pferdes trägt dazu bei, diese Bastelaktionen zu einer besonderen Erfahrung für die Kinder zu machen. Darüber hinaus bieten sich auch Aktivitäten wie beispielsweise das Bemalen des Pferdes mit Fingerfarben an. Kognitive Entwicklung Kognitive Fähigkeiten entwickeln sich über die Interaktion mit der Umwelt. Demnach lernen die Kinder neue Fertigkeiten, indem sie ihren Lebensbereich handelnd erkunden. So steht den Kindern in der pferdegestützten Intervention ein Raum zur Verfügung, in dem sie mit nur wenigen für die Sicherheit notwendigen Regeln im Umgang mit dem Pferd, ihr Bedürfnis des Handelns ausleben können. Über die Arbeit mit dem Pferd kann zudem die Perspektivenerweiterung unterstützt werden. Laut Piaget leben Kinder in der sensomotorischen Phase den Egozentrismus aus und sind nicht in der Lage, eine Erweiterung ihrer Perspektive durchzuführen. Dieses gelingt nach Untersuchungen ab dem fünften Lebensjahr, sodass über das Medium Pferd eine Hilfestellung für die Perspektivenerweiterung gegeben ist. Die Kinder müssen während der Arbeit mit dem Pferd auf dieses achten und werden auf dessen Bedürfnisse hingewiesen. Sie lernen Rücksicht auf das Lebewesen Pferd zu nehmen, dies wird in kleinen Schritten erarbeitet. So hat der Pädagoge die Aufgabe, die Bedürfnisse des Tieres kindgerecht und verständlich zu erklären, beispielsweise das es gründlich geputzt werden muss, damit es keine Scheuerstellen von der Ausrüstung bekommt. Weiterhin sind Erklärungen zu den artspezifischen Verhaltensweisen relevant wie der Herdentrieb oder das Fluchtverhalten der Tiere. Dementsprechend kann man den Kindern erklären, dass ein Pferd vor plötzlich auftretenden lauten Geräuschen erschrecken kann und sie ihr Verhalten entsprechend anpassen müssen. Grundsätzlich sollten die Kinder in Teilschritten an die Perspektivenerweiterung herangeführt werden. Wenn sie in der Lage sind, die Perspektive des Pferdes wahrzunehmen, kann das zunächst auf die Gruppe und deren Mitglieder und später auf den Alltag übertragen werden. Auch die Sprachentwicklung kann über die Intervention mit dem Pferd gefördert werden. Kinder mit drei Jahren sind bereits in der Lage, komplette Sätze inklusive Nebensätzen zu bilden, auch wenn zum Teil noch grammatikalische Fehler auftreten. Die „linguistische Kompetenz“ (Schneider / Lindenberger 2012, 195) wird in diesem Alter entwickelt und ermöglicht dem Kind das Verstehen neuer Sätze und das Bilden eigener Sätze. Dementsprechend können diese Fähigkeiten durch den Anreiz des Tieres weiterentwickelt werden, da im Bezug auf das Pferd Absprachen getroffen werden müssen, wer z. B. zuerst auf das Pferd darf oder wer welchen Huf auskratzt. Die Kinder sollen lernen, ihre Wünsche und Bedürfnisse zu äußern und werden auch dazu animiert beziehungsweise aufgefordert. Spätestens wenn sie auf dem Pferd sitzen und reiten / voltigieren, sollten sie dem Pädagogen mitteilen können, was sie tun wollen und was nicht. Eventuell können sie dazu eine Begründung geben, damit der Pädagoge den Hintergrund besser nachvollziehen kann. Denn es ist ein Unterschied, ob das Kind eine Unlust oder Angst äußert. Allerdings ist der Pädagoge in dieser Altersklasse der Kinder dazu angehalten, ihre Körpersprache und etwaige Reaktionen des Pferdes zu beachten, da die 60 | mup 2|2017 Forum: Hühner - Ganzheitliche Entwicklungsförderung durch pferdegestützte Intervention … Kinder nicht unbedingt in der Lage sind, ihre Wünsche und Bedürfnisse verbal verständlich zu kommunizieren. Weiterhin entwickeln Vorschulkinder in dieser Phase die pragmatische Kompetenz. Diese beinhaltet die Fähigkeit, ein Gespräch dahingehend zu führen, dass es der Handlung entspricht und zielgerichtet ist. Dementsprechend benötigen Kinder dieser Altersgruppe Unterstützung bei der Entwicklung dieser Kompetenz. Die pferdegestützte Intervention stellt dafür ein gutes Lernfeld dar, weil sich aufgrund des Pferdes eine Abweichung des Themas wenig zeigt. So kann der Pädagoge das Gespräch immer wieder auf die Handlung und das Ziel lenken, in diesem Fall das Pferd und sein Umfeld sowie das Reiten. Meist sind diese Hilfestellungen des Pädagogen bis zum siebten Lebensjahr notwendig, bereits davor nehmen sie stetig ab. Vor allem im Gruppenprozess ist diese Kompetenz gut zu erlernen, da durch die Dynamik zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern beispielsweise missverständliche Situationen oder Streitthemen entstehen können, welche das Erarbeiten einer gemeinsamen Lösung erfordern. Ein Beispiel dafür stellt das Ausmachen der Reihenfolge für die Reiteinheit dar. Viele Kinder leben dabei ihren Egozentrismus aus, weil die anderen Perspektiven hierbei für sie irrelevant sind. Jeder möchte seinen Lieblingsplatz in der Reihenfolge und meist ist dies der erste Platz. Dabei schweifen Kinder häufig vom Thema ab und brauchen bei der Klärung pädagogische Unterstützung, damit das Gespräch weiterhin auf die Handlung und das Ziel, die Reihenfolge zu klären, gerichtet bleibt. Aber nicht nur auf der verbalen Ebene, sondern auch auf nonverbaler Ebene findet bei den Kindern Kommunikation statt. Das Pferd eignet sich für diese Aufgabe, weil es selber hauptsächlich nonverbal agiert. Zudem nimmt es über seine Sensibilität Gefühle wie Nervosität, Angst, aber auch Freude und Entspannung wahr. Dementsprechend reagiert es mit seinem Verhalten. Der Pädagoge kann dies in Erklärungen aufgreifen, um beispielsweise die Lautstärke der Kinder zu regulieren. Er kann das Verhalten des Pferdes und seine artspezifischen Merkmale (hier: sehr gutes Gehör) erläutern. Weiterhin kann er zum Beispiel während einer Freilaufsituation mehrerer Pferde das Herdenverhalten auch in Bezug zu menschlichem Gruppenverhalten erörtern. Denn bei Pferden sind deutlich Sympathie und Antipathie zu erkennen, indem Pferde entweder beieinander oder voneinander entfernt stehen. Sozial-emotionale Entwicklung Mit dem Eintritt in den Kindergarten verändert sich viel für ein Kind. Zum einen findet meist zum ersten Mal eine Trennung zwischen Eltern und Kind statt und zum anderen muss es sich mit neuen Bezugspersonen und einem Gruppengefüge arrangieren sowie einen Platz in der Gruppe finden. Über den Einsatz der pferdegestützten Intervention können diese Veränderungen erleichtert werden, weil im Umgang mit dem Pferd eine Zusammenarbeit erforderlich ist. Dabei kann es sich zunächst um das gemeinsame Ausmisten des Stalls oder Putzen des Tieres handeln und später um das Spiel mit dem Pferd und den anderen Kindern. Während des Reitens / Voltigierens müssen sich die Kinder beim Warten in Geduld üben und können in dieser Zeit dem Reiter zugucken und bei dem eigenen Durchgang die Übungen und Aufgaben nachahmen. Sie lernen mit- und voneinander, indem sie Aufgaben gemeinsam erledigen und sich gegenseitig beobachten. Jedem Kind kann eine eigene spezifische Aufgabe in der Arbeit mit dem Pferd zugewiesen werden. Hat ein Kind seine Aufgabe erledigt oder gelingt sie ihm nicht alleine, so sollen die Kinder sich gegenseitig bei ihren Aufgaben unterstützen und miteinander arbeiten. So wird ein Gruppenprozess in Gang gesetzt, welcher von gegenseitiger Hilfe geprägt wird. Wie bereits beim Erlernen der Perspektivenübernahme beschrieben, ist das Einigen auf eine Reihenfolge eine sinnvolle Übung. Die Kinder müssen sich auf ihr Gegenüber einlassen, dabei müssen sie lernen, zurückzustecken beziehungsweise nachzugeben aber auch, sich durchzusetzen. Parallel wird Emotionsregelung in diesem Prozess eingeübt. Denn die Kinder sollten entsprechend der Situation ausschließlich einen Teil ihrer Emotionen preisgeben und das richtige Maß finden. Ein Kind wird in einer Gruppe Gleichaltriger eher akzeptiert, wenn es bereits seine Emotionen regulieren kann. Ein weiterer Aspekt der sozialen Entwicklung ist das Spiel. Im Miteinander des Spielens entstehen gruppenrelevante Prozesse vergleichbar mit denen beim Einigen auf eine Rei- Forum: Hühner - Ganzheitliche Entwicklungsförderung durch pferdegestützte Intervention … mup 2|2017 | 61 henfolge. So muss sich bei einem Spiel auf das Thema und die Rollenverteilung geeinigt werden. Während dieser Abläufe wird ein wichtiger Bestandteil der sozialen Entwicklung eingeübt: die Kooperationsfähigkeit. Die einzelnen Entwicklungsbereiche können jedoch nicht klar voneinander abgetrennt werden, da hier eine Überschneidung aufgrund des Abbaus des Egozentrismus und des Lernens und Umsetzens der Perspektivenübernahme stattfindet. All dies fließt in das Erlernen der kooperativen Fähigkeit mit ein. Das Spiel beinhaltet allerdings auch einen kreativen Aspekt. Die Fantasie wird über das Spiel entwickelt und ausgelebt. Kindergartenbeziehungsweise Vorschulkinder sind bereits in der Lage, einen „Wechsel des Realitätsbezugs“ (Wicki 2010, 89) durchzuführen. Diese Fähigkeit wird durch pferdegestützte Angebote weiter angeregt, da sie durch verschiedene Themen wie Indianer, Märchen oder Zirkus sehr vielfältig gestaltet werden können. Wenn man beispielsweise ein Projekt über einen gewissen Zeitraum mit den Kindern besucht, könnte am Ende eine Aufführung stehen. Dafür könnten Kostüme selber kreiert und / oder Aufgaben mit oder ohne Pferd eingeübt und von den Kindern vorgeführt werden. Dabei erleben die Kinder Gefühle wie Nervosität vor einem Auftritt oder Stolz beim Gelingen der Aufgabe während der Vorführung. Der Kreativität ist keine Grenze gesetzt. Oft entsteht für die Kinder dadurch ein größerer Anreiz und eine höhere Motivation. Bedingungen und Voraussetzungen für eine praktische Umsetzung Rahmenbedingung / Setting / Material Die Anlage, auf der die Intervention mit dem Pferd durchgeführt wird, sollte einige Voraussetzungen in Bezug auf die Altersgruppe erfüllen. Es sollte zumindest ein Reitplatz vorhanden sein, damit das Reiten / Voltigieren auf einem befestigten Platz stattfinden kann. Eine Umzäunung wäre sinnvoll, um einen klar abgegrenzten Rahmen beziehungsweise Raum zu schaffen. Zusätzlich könnte man an dieser Orientierungspunkte für die Kinder anbringen, welche aus Bildern bestehen sollten, damit die Kinder sie erkennen und sich danach richten können. Als Rückzugsort oder Ausweichmöglichkeit bei schlechtem Wetter wäre eine Reithalle oder überdachter Platz von Vorteil. Um das Angebot abwechslungsreich zu gestalten, stellt ein entsprechendes Ausreitgelände eine sinnvolle Alternative zur Arbeit auf dem Platz bzw. in der Reithalle dar. Als erweitertes Lern- und Themenfeld sollte das Ausreitgelände möglichst naturnah sein und einen geringen Straßenbzw. Verkehrsanteil aufweisen, nicht zuletzt aus dem Grund, dass die Kinder in dem Alter noch keine allzu große Raumorientierung und kein hohes Gefahrenbewusstsein entwickelt haben und dies wegen Unaufmerksamkeit eine zu große Gefahr darstellt. Des Weiteren sollte eine Aufenthaltsmöglichkeit mit dazugehörigen Sanitäranlagen gegeben sein. In einem Aufenthaltsraum können eventuell Snacks und Getränke in den Pausen zu sich genommen werden, bei kaltem Wetter könnten sich die Kinder in einem Aufenthaltsraum aufwärmen. Einen weiteren Aspekt stellen die Umsetzungsmöglichkeiten für den Anteil ohne Pferd dar. So sollte ein Stall zum Ausmisten oder eine Weide zum Aufsammeln der Pferdeäpfel vorhanden sein, um den Kindern den Lebensraum der Pferde näher zu bringen. Ihnen sollten ebenfalls die Futtermittel erläutert, eventuell auch mit ihnen zubereitet und den Tieren gegeben werden. Zudem sollte den Kindern bei Vorhandensein ein Heuboden nicht vorenthalten werden, auf dem das Raufutter wie Heu und Stroh gelagert wird. Für Kinder stellt dieser etwas Besonderes und Spannendes dar. Um themenspezifisch mit ihnen arbeiten zu können, muss ein Raum für kreatives Arbeiten gegeben sein. Dort sollte die Möglichkeit zum Basteln und Bauen bestehen. Damit die Kinder die Chance haben, eigenständig arbeiten zu können, sollten die angegebenen Orte klar 62 | mup 2|2017 Forum: Hühner - Ganzheitliche Entwicklungsförderung durch pferdegestützte Intervention … strukturiert und kind- und altersgerecht gekennzeichnet sein. Dies könnte man mit Zeichnungen umsetzen, die an den Örtlichkeiten befestigt werden. So könnten beispielsweise schlafende Pferde den Stall, fressende Pferde den Weg zur Weide, Äpfel und Möhren die Futterkammer und ein gesatteltes Pferd die Sattelkammer symbolisieren. Dies gilt auch für Orientierungspunkte an der Reitbahn oder in der Reithalle, entsprechend den standardisierten Bahnpunkten für Reit- und Bahnvierecke. So kann an jedem Buchstaben ein entsprechendes Bild mit gleichlautendem Anfangslaut hängen wie bei dem A ein Affe oder ein Apfel. Für Kinder stellt es eine Unterstützung dar, um ihnen beispielsweise Plätze für Spiele zuzuordnen. Damit während der Arbeit mit dem Pferd für die Kinder keine langen Pausen aufkommen, wenn sie nicht an der Reihe sind, sollten stets alle eine Aufgabe haben. Um dies gewährleisten zu können, kann zusätzlich zum Pferd Material eingesetzt werden. Dies können u. a. Pylonen sein, welche bestimmte Räume oder Orientierungs- und Wartepunkte für die Kinder kennzeichnen. Dadurch kann eine Unterstützung bei der Raumorientierung gegeben werden. Ein Beispiel wäre ein Laufspiel, bei dem die Kinder immer außerhalb der Hütchen entlang laufen. Damit findet eine Gefahrenvermeidung statt, da sie somit nicht vor das sich bewegende Pferd laufen können. Ebenso können auch Hindernisstangen aus dem Springsport genutzt werden. Allerdings nicht zum Springen, sondern ausschließlich auf dem Boden liegend, um über sie hinüber zu reiten oder ebenfalls als optische Orientierungshilfe. Bei einem Führparcours beispielsweise können zwei Stangen auch erhöht auf Ständern parallel zueinander platziert werden, jedoch ausschließlich zum Hindurchreiten. Ein Ball sollte auch vorhanden sein, mit diesem können für die Koordination förderliche Übungen spielerisch durchgeführt werden. Einander von dem Pferderücken aus den Ball zuwerfen und auffangen gehört zu diesen Übungen, auch das Hochwerfen und wieder Auffangen trainiert die koordinativen Fähigkeiten. Ebenso gibt es viele Varianten für das Spiel mit einem Würfel. Es können unterschiedliche Zahlen an die Kinder verteilt werden, die sich zum Beispiel eine Übung für den Reiter ausdenken sollen, wenn ihre Zahl gefallen ist oder den Zahlen werden verschiedene Aufgaben und Übungen zugeordnet. Als letzte Materialien sollen Ring und Reifen vorgestellt werden. Damit kann man zunächst Ringe werfen spielen, allerdings beinhaltet dieses Spiel auch entwicklungsfördernde Varianten wie die Steigerung des Körpergefühls während ein Ring bis zum Reifen auf dem Kopf des Kindes liegt oder das Trainieren der Koordination, wenn ein Kind den Ring von seinem Fuß nehmen soll, während es auf dem Pferd reitet. Die Reifen sind ebenfalls vielseitig einsetzbar, sie können nicht nur als Ziel für Ringe oder Ähnliches genutzt werden, sondern auch zum Hineinstellen der Kinder, damit jedes einen festen Platz hat, an dem es sich orientieren kann. Medium Pferd Den wichtigsten Bestandteil in der pferdegestützten Intervention stellt das Medium Pferd dar. Das Pferd sollte bestimmte Eigenschaften innehaben, um es für Kindergarten- und Vorschulkinder einsetzen zu können. Es eignet sich besonders gut, wenn es bestimmte körperliche Merkmale mitbringt, welche im Folgenden genannt werden. So sollte das Pony für die Handlichkeit und den Umgang mit den im Durchschnitt 1,10 m großen Kindern eine angemessene Größe haben. In diesem Fall wäre das circa zwischen 1,10 m und 1,35 m. Zudem sollte das Gangwerk des Pferdes geeignet sein. Dementsprechend nicht zu kurz und nicht mit einer zu hohen Bewegungssequenz, aber auch nicht zu schwungvoll. So sollte dieses sich für die Kinder angenehm anfühlen und somit einen Dialog ermöglichen und fördern. Dementsprechend wäre ein untaktmäßiger Schritt, ein „hölzerner “ Trab oder Galopp für die Arbeit nicht förderlich, da die Kinder dadurch eine Disharmonie erfahren und somit Forum: Hühner - Ganzheitliche Entwicklungsförderung durch pferdegestützte Intervention … mup 2|2017 | 63 eine Dialoganbahnung unterbunden würde. Ein taktmäßiger Schritt wirkt auf Kinder beruhigend und entspannend. Im Gegensatz dazu steht ein muskeltonusfördernder Trab, bei dem aufgrund der Schwungbewegung eine erhöhte Aufmerksamkeit vom Reiters gefordert wird, um ein Rutschen zu verhindern. Trotzdem sollte diese Gangart für die Kinder angenehm zu sitzen sein und nicht aufgrund von zu viel Schwung zu Verkrampfungen führen. Der Galopp sollte gleichmäßig sein, also jeder Sprung dem nächsten gleichen, um den Kindern ein Gefühl von Sicherheit und Einschätzbarkeit zu vermitteln. Dies wäre bei einem ungleichen Galopptakt nicht gegeben. Des Weiteren muss das Pony ein gewisses Alter erreicht haben. Es sollte nicht jünger als 6 Jahre sein, damit ein gewisser Ausbildungsstand gegeben ist. Das Pony sollte mit einem Kind Schritt, Trab und Galopp gehen können und dies auch an der Longe. Es muss selber ausbalanciert sein, um eventuelle Gleichgewichtsschwächen der Kinder ausgleichen zu können. Die Gangarten des Pferdes müssen geregelt sein, es darf also nicht zu schnell, aber auch nicht zu langsam gehen. Es braucht ein gewisses Grundtempo. Wünschenswert ist, wenn das Pony während seiner Ausbildung nicht ausschließlich als Reitpferd, sondern auch als Voltigierpferd trainiert wird, damit die Kinder einige Übungen auf dem Pferd turnen können. Durch langsame Gewöhnung kann es lernen, die Übungen zu akzeptieren und nicht als negativ zu empfinden. So wie es an die Übungen vom Reiter gewöhnt werden muss, sollte es sich auch mit den Materialien oder Spielgerätschaften vertraut machen lassen. Aus einer guten, ausgeglichenen Ausbildung entwickelt sich meist ein geeignetes Pony für die pferdegestützte Intervention. Allerdings reicht eine Ausbildung alleine nicht aus. Das Pony muss gewisse Eigenschaften wie ein adäquates Temperament für diese Arbeit mitbringen. Dies beinhaltet, dass ein Pony gelassen ist, sich nicht direkt erschrickt und selten aus der Ruhe bringen lässt. Der Pädagoge muss sich auf das Pony verlassen können. Unarten wie Bocken oder Steigen schließen ein Pferd selbstverständlich aus. Die beschriebenen Eigenschaften dürfen allerdings nicht im Sinne einer gewissen Abgestumpftheit verstanden werden, sondern das Tier soll weiterhin sensibel für Situationen und Stimmungen der Menschen sein. Ein letztes aber durchaus wichtiges Merkmal für ein Pony stellt das Aussehen dar. Erfahrungsgemäß sind Ponys mit einem hohen Wiedererkennungswert für Kinder besonders attraktiv. Insbesondere eine entsprechende Fellfärbung wie beispielsweise eine Scheckung o. ä. wird von den Kindern oft als besonderes ansprechend wahrgenommen. Grenzen Die pferdegestützte Intervention beinhaltet aber auch Grenzen. An erster Stelle steht hier die Abklärung von spezifischen Aspekten oder Kontraindikationen. Dazu gehören beispielsweise Allergien, Ängste, Vorerkrankungen (Epilepsie) oder ausgeprägte Verhaltensauffälligkeiten, die eventuell eine Eins-zu-Eins-Betreuung erfordern. Insgesamt erfordert es immer eine entsprechende Sorgfalt, den Kindern Angebote mit dem Pony zu ermöglichen, die Sicherheit der Kinder muss dabei selbstverständlich stets im Vordergrund stehen. Der zweite Aspekt stellt die Gruppengröße im Verhältnis zum Betreuungsaufwand dar. Arbeitet ein Pädagoge alleine mit den Kindern, muss die Gruppengröße klein gehalten werden. Es sollten nicht mehr als fünf Kindergartenkinder in einer Gruppe sein, um den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu werden. Dies kann vom Pädagogen allein bewältigt werden, wenn er sich auf der Reitanlage aufhält. Bei einem Ausritt wird zumindest eine weitere Person benötigt, entweder um das Pony zu führen oder die Kinder im Blick zu haben. Beabsichtigt man mehrere Ponys für einen Ausritt mitzunehmen, sollte pro Pony eine Person dabei sein und zusätzlich eine für die Kinder. Fazit Durch die hier vorgestellte Intervention mit dem Pony kann die Persönlichkeitsentwicklung von dreibis sechsjährigen Kindern positiv beeinflusst werden. Der Schwerpunkt dieser Maßnahme liegt auf einem ganzheitlichen Ansatz und zielt auf eine Ressourcenorientierung, eine Förderung der Persönlichkeitsentwicklung, der Eigen- und Fremdwahrnehmung sowie eine Kompetenzerweiterung und die daraus resultierende Steigerung des Selbstbewusstseins ab. So soll der Einsatz des Ponys als Unterstützung der kindlichen Entwicklung wahrgenommen werden, da diese Phase den weiteren 64 | mup 2|2017 Forum: Hühner - Ganzheitliche Entwicklungsförderung durch pferdegestützte Intervention … Lebensweg über die gemachten Erfahrungen relevant prägt. Die Begegnungen mit Ponys und Pferden haben positive Auswirkungen auf Kinder und sollten aus diesem Grund vor allem Stadtkindern, die nur noch wenige Naturerfahrungen machen, nicht vorenthalten werden. Literatur ■ Klüwer, B. (2005): Selbsterfahrung auf dem Pferd. In: Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten (Hrsg.): Psychotherapie mit dem Pferd. Beiträge aus der Praxis. FN, Warendorf,10-19 ■ Schneider, W., Hasselhorn, M. (2012): Frühe Kindheit (3-6 Jahre). In: Schneider, W., Lindenberger, U. (Hrsg.): Entwicklungspsychologie. 7. Aufl. Betz, Weinheim / Basel, 187-210 ■ Wicki, W. (2010): Entwicklungspsychologie. Ernst Reinhardt, München / Basel ■ Wilkening, F., Freund, A. M., Martin, M. (2008): Entwicklungspsychologie. Workbook. Beltz, Weinheim / Basel Stephanie Hühner Dipl. Pädagogin, Reit- und Voltigierpädagogin (DKThR), Gruppenleitung in der Gruppe für Menschen mit erworbenen Hirnschädigungen der Werkstätten der AWO Dortmund GmbH. Anschrift Stephanie Hühner · Erbstollenstr.17 · D-58454 Witten steffi.huehner@gmail.com Die Autorin
