mensch & pferd international
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Forum: Weiterbildung in der pferdegestützten Therapie und Pädagogik: Qualität als Sicherheitsfaktor
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Annette Gomolla
Uta Heselhaus
Therapeutisches Reiten gibt es in Deutschland seit über 40 Jahren. Doch aus dem „Nischendasein“ der Anfangsjahre ist dieser Therapiezweig längst heraus gewachsen. Durch viel Engagement von Fachkräften, wissenschaftliche Untersuchungen und nachweisbare Erfolge sind pferdegestützte Interventionen heute zu einem anerkannten Therapiefeld geworden. Mit zunehmender Bekanntheit veränderte sich aber auch die Ausbildungslandschaft stark: Ein immer breiteres Ausbildungsangebot zeigt heute neue und andere Wege der reittherapeutischen Arbeit auf – doch nicht immer mit solider Qualifikation.
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mup 3|2017|115-117|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2017.art18d | 115 Forum Weiterbildung in der pferdegestützten Therapie und Pädagogik: Qualität als Sicherheitsfaktor Annette Gomolla, Uta Heselhaus Therapeutisches Reiten gibt es in Deutschland seit über 40 Jahren. Doch aus dem „Nischendasein“ der Anfangsjahre ist dieser Therapiezweig längst heraus gewachsen. Durch viel Engagement von Fachkräften, wissenschaftliche Untersuchungen und nachweisbare Erfolge sind pferdegestützte Interventionen heute zu einem anerkannten Therapiefeld geworden. Mit zunehmender Bekanntheit veränderte sich aber auch die Ausbildungslandschaft stark: Ein immer breiteres Ausbildungsangebot zeigt heute neue und andere Wege der reittherapeutischen Arbeit auf - doch nicht immer mit solider Qualifikation. Für Personen, die sich als Reittherapeuten oder - pädagogen weiterbilden möchten ebenso wie für Eltern, die Therapieplätze für ihre Kinder suchen oder Einrichtungen, die mit Gruppen zum therapeutischen Reiten kommen wollen, scheint die Vielfalt der Angebote wie ein oft unübersichtlicher Dschungel. Seit vielen Jahren fordern verschiedene Interessengruppen eine offizielle Anerkennung und Qualitätssicherung von Weiterbildungen und Ausbildungsinstituten. Viele Bestrebungen wurden unternommen, einheitliche und qualitative Weiterbildungsrichtlinien zu erarbeiten. So haben sich beispielsweise die Mitglieder des FATP (Forum der Ausbildungsträger einer Therapie mit dem Pferd), wozu die Ausbildungsanbieter DKThR, Förderkreis ThR, ÖKThR und SG-TR gehören, zu einer übergreifenden Kooperation in Sachen Ausbildung entschlossen. Darüber hinaus haben die Weiterbildungsträger ESAAT (European Society for Animal Assisted Therapy) und ISAAT (International Society for Animal Assisted Therapy) Zertifizierungen im Bereich der tiergestützten Therapie entwickelt. Allerdings sind die Kriterien für den pferdegestützten Bereich vielen Fachleuten nicht ausgereift und spezifisch genug. Leitlinien für mehr Qualität in der Ausbildung Der Berufsverband für Fachkräfte Pferdegestützter Interventionen hat sich von Beginn an dieses sensiblen und wichtigen Themas angenommen. So wurden von einer Arbeitsgruppe, bestehend aus Fachkräften des Verbandes und Vertretern verschiedener Weiterbildungsinstitute, detaillierte Leitlinien für die Ausbildung von pädagogisch und therapeutisch mit dem Pferd arbeitenden Fachkräften erarbeitet. Als Grundlage wurden bestehende, gut evaluierte Weiterbildungen herangezogen und sowohl die Ausbildungsinhalte als auch die Weiterbildungsinstitute in intensiven fachlichen Diskussionen eingehend geprüft. Ziel der Leitlinien ist es, einheitliche Ausbildungsstandards für Reittherapeuten und -pädagogen zu entwickeln, wodurch auch eine einheitliche Außendarstellung gegenüber Kostenträgern, Institutionen und anderen Fachbereichen möglich wird, die Pferdegestützte Therapie gerne als Reitunterricht oder noch lapidarer als „Ponyreiten“ abtun. Die Leitlinien 116 | mup 3|2017 Forum: Gomolla, Heselhaus - Weiterbildung in der pferdegestützten Therapie … machen noch einmal deutlich, dass es in der Pferdegestützten Therapie um seriöse pädagogische, therapeutische und heilpädagogische Arbeit mit behinderten und psychisch kranken Menschen geht. An der Seriosität von Weiterbildungsanbietern, die keine oder viel zu geringe Zugangsvoraussetzungen verlangen und auch nicht bereit sind, in das Ausbildungs- Curriculum die vom Berufsverband formulierten Standards zu integrieren, sind hingegen durchaus Zweifel angebracht. Denn eine fundierte Ausbildung dient nicht zuletzt auch dem Schutz und der Sicherheit der Klienten, die die verantwortliche und wertvolle Arbeit der Fachkräfte und ihrer Pferde in Anspruch nehmen. Ausbildungsinstitute sind Mitglied im Berufsverband PI Der Berufsverband PI sieht es als seine Aufgabe an, qualifizierte Weiterbildungsanbieter zu zertifizieren und in den Verband aufzunehmen. Vor Aufnahme prüft er die jeweiligen Ausbildungsinhalte und den Umfang. Damit will der Berufsverband in naher Zukunft in der Lage sein, gegenüber Klienten und Weiterbildungsinteressierten Empfehlungen für qualifizierte Ausbildungen im Bereich der Pferdegestützten Interventionen auszusprechen. Absolventen der zertifizierten Institute finden dann im Berufsverband PI auch eine adäquate berufspolitische Vertretung, die umfassende Möglichkeiten hat, auf das gesamte Feld der PI einzuwirken und insbesondere auch eine stärkere Position gegenüber Kostenträgern einzunehmen. Bisher sind folgende Weiterbildungsträger zertifizierte Mitglieder im Berufsverband PI und verpflichten sich, die Ausbildungs-Leitlinien des Verbandes einzuhalten: ■ IPTh (Institut für Pferdegestützte Therapie) ■ PIRT (Plennschützer Institut für Reiten und Therapie) ■ AGRT (Arbeitsgemeinschaft Reiten und Therapie) ■ Centro Hipico ■ ITAT (Institut für Tiergestützte Ausbildung und Therapie) Die Leitlinien im Detail Die vom Berufsverband PI entwickelten Leitlinien geben einen Mindestrahmen für Weiterbildungen vor, die ihre Absolventen sehr spezifisch in der therapeutischen und pädagogischen Arbeit unter Einsatz des Pferdes schulen. Grundberuf und reiterliche Qualifikation als Grundlage der Weiterbildung An Weiterbildungen im Feld der Pferdegestützten Therapie dürfen nur Personen aus sozialen / therapeutischen Grundberufen teilnehmen. Reiterlich sollten Personen einen Nachweis erbringen, dass sie in der Lage sind, ein Pferd reiterlich grundlegend auszubilden oder ein eingerittenes Pferd auf einem nötigen reiterlichen Stand zu halten. Der Berufsverband fordert den Nachweis von Reitabzeichen der verschiedenen etablierten Reiterverbände (z. B. VFD, EWU, IPZV oder FN). Die Ausbildung vom Reitpferd zum Therapiepferd durch korrekte und systematische Bodenschulung sollte innerhalb der Weiterbildungsmaßnahmen erfolgen, da sie in direktem Bezug zur therapeutischen und pädagogischen Arbeit mit dem Pferd steht. Qualifikation der Bildungsanbieter Die Weiterbildungsmaßnahmen können von privaten oder öffentlichen Trägern oder Vereinen durchgeführt werden. Die Leitung der Weiterbildung (didaktische und therapeutische Leitung) muss eine Fachperson innehaben, die selbst über einen sozialen / therapeutischen Grundberuf sowie über fachliche Qualifikation zur Planung und Umsetzung von Bildungsprozessen verfügt. Qualitätsstandards der Weiterbildungsmaßnahme Die Institution, die die Weiterbildung anbietet, sollte über ein Qualitätsmanagement-Programm verfügen, das intern umgesetzt oder extern überprüft wird. Das QM-System muss vom Weiterbildungsträger bei Aufnahme in den Berufsverband PI vorgelegt werden. Dozenten der Weiterbildungsmaßnahmen Dozenten müssen fachlich hoch qualifiziert, als Dozent geschult sein und spezifische praktische Erfahrung vorweisen können. Lehrinhalte und Stundenumfang In Präsenz- und Selbstlernzeiten, Praktikum und eigener Fallarbeit sollten die Weiterbildungen mindestens einen Umfang von 300 Unterrichtseinheiten (UE) umfassen. Dabei sollte die Präsenzzeit im konkreten Unterricht zu pferdegestützten Inhalten nicht unter 180 Unterrichts- Forum: Gomolla, Heselhaus - Weiterbildung in der pferdegestützten Therapie … mup 3|2017 | 117 einheiten liegen. Praktikum und eigene Fallarbeit kommen hinzu. Hippologie und Therapiepferdeausbildung Die Teilnehmer müssen innerhalb der Weiterbildung dazu befähigt werden, ein für die Therapie und Pädagogik geeignetes Pferd auszuwählen. Weiterhin müssen die angehenden Fachkräfte darin ausgebildet werden, ein solide reiterlich ausgebildetes Pferd für die Therapie weiter vorzubereiten mit Führtraining, sicherem Stehen an Aufstiegshilfen, Gewöhnung an Material und Klientenverhalten, ggf. Langzügelarbeit, Führpositionen, Umgang mit Stress und Angstsituationen beim Pferd. Die Fachkraft muss geschult sein in Materialkunde und pferdegerechtem Training und Einsatz. Weitere Inhalte von mindestens 40 UE sind umzusetzen zur Ethologie, zu hippologischen Grundlagen und zum pferdegerechtem Einsatz der Pferde in der Therapie. Themen aus dem psychologischen / pädagogischen / therapeutischen Umfeld Therapeutische Grundhaltungen ■ Entwicklungspsychologische und -physiologische Grundlagen ■ Grundlagen und Hintergründe zur Pferdegestützten Therapie und Pädagogik ■ Befundung und Therapieplanung in der PI ■ Methodische Umsetzung in der PI ■ Arbeit mit Menschen mit Behinderung in der PI ■ Bei reittherapeutischer Weiterbildung, die auf die Arbeit mit Menschen mit psychischer Erkrankung vorbereitet: Psychische Störungen, Symptomatik verschiedener Krankheitsbilder in der Kindheit, Jugend und Erwachsenenalter; Arbeitsweisen der PI bei diesen Störungsbildern ■ Qualitätssicherung in der PI ■ Selbsterfahrung Die Weiterbildung muss einen bedeutenden Anteil Selbsterfahrung am Pferd beinhalten. Fallarbeit und Supervision Innerhalb der Weiterbildung sollen Teilnehmer unter Fallsupervision stehen. Prüfung Am Ende der Weiterbildungsmaßnahme muss eine Prüfung abgelegt werden. Die Autorinnen Dr. Annette Gomolla Dipl. Psychologin, M. A. Erwachsenenbildung, 2. Vorsitzende Berufsverband PI, Berittführerin, Traumatherapeutin, Hypnosetherapeutin, seit 15 Jahren als Reittherapeutin und seit über 12 Jahren in der Weiterbildung am Institut für Pferdegestützte Therapie tätig, ebenfalls Forschungsarbeit im Feld PI, arbeitet in eigener Praxis PI mit vier Pferden. Uta Heselhaus Kommunikationswissenschaftlerin, Heilpraktikerin Psychotherapie, Reittherapeutin SG-TR, Gestalttherapeutin, Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle des Berufsverbands PI, seit 2012 freiberuflich als Reittherapeutin tätig. Anschriften Dr. Annette Gomolla · Bruder-Klaus-Straße 8 D-78467 Konstanz · a.gomolla@ipth.de Uta Heselhaus · Bahnstraße 13 · D-47509 Rheurdt uheselhaus@gmx.de
