eJournals mensch & pferd international 9/4

mensch & pferd international
2
1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2017.art26d
101
2017
94

Forum: Späteinsteiger im Reitsport - Chancen und Herausforderungen

101
2017
Madita Vennebörger
Sarah Kühl
Betrachtet man die Verteilung der Altersgruppen im Reitsport in Deutschland, zeigt sich deutlich, dass hier eine Verschiebung zugunsten der älteren Erwachsenen stattfindet. Die Unter-20-Jährigen machen einen immer geringeren Anteil an der Gesamtbevölkerung aus und die Gruppe der Über-20-Jährigen nimmt stark zu (Destatis 2015). Auch anhand des Altersmedians in Deutschland, der im Jahre 1990 bei 37 Jahren lag und im Jahre 2013 bereits bei 45 Jahren, lässt sich veranschaulichen, dass die Gesellschaft einen Wandel innerhalb der Altersstruktur erfährt (Destatis 2015).
2_009_2017_4_0006
mup 4|2017|177-184|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2017.art26d | 177 Forum Späteinsteiger im Reitsport - Chancen und Herausforderungen Madita Vennebörger, Sarah Kühl Betrachtet man die Verteilung der Altersgruppen im Reitsport in Deutschland, zeigt sich deutlich, dass hier eine Verschiebung zugunsten der älteren Erwachsenen stattfindet. Die Unter- 20-Jährigen machen einen immer geringeren Anteil an der Gesamtbevölkerung aus und die Gruppe der Über-20-Jährigen nimmt stark zu (Destatis 2015). Auch anhand des Altersmedians in Deutschland, der im Jahre 1990 bei 37 Jahren lag und im Jahre 2013 bereits bei 45 Jahren, lässt sich veranschaulichen, dass die Gesellschaft einen Wandel innerhalb der Altersstruktur erfährt (Destatis 2015). Doch in welchem Maße tangiert diese Entwicklung den Sektor des Reitsports? Bedenkt man die Tatsache, dass derzeit überwiegend Kinder mit dem Reiten anfangen (das Durchschnittsalter bei Reitbeginn lag im Jahr 2011 zwischen 11,6 und 12,5 Jahren; IPSOS 2011), lässt sich bereits eine Problematik in Form zahlenmäßig abnehmender Reiter vermuten. Bestätigt wird dies bei einer genaueren Betrachtung der Mitgliederzahlen des Dachverbandes des Pferdesports in Deutschland, der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN). Hier zeigt sich eine Abnahme von 737.103 Mitgliedern im Jahre 2010 auf 697.126 Mitglieder im Jahre 2015, wobei rund zwei Drittel der verlorenen Mitglieder unter 18 Jahre alt waren (Deutsche Reiterliche Vereinigung 2014). Es zeigt sich somit, dass der durch den demographischen Wandel begründete Wegfall von Kindern und Jugendlichen als wichtigste Zielgruppe eine Problematik für den Reitsport - und den Sportsektor insgesamt - darstellt. Gleichzeitig kann jedoch auch ein zunehmendes Sportinteresse in den höheren Altersgruppen beobachtet werden. Im Rahmen der Gesundheitsberichterstattung des Bundes wurde festgestellt, dass der Anteil an Frauen und Männern, die sich sportlich betätigen, im Vergleich der Jahre 2003 und 2012 deutlich von 59 % bei den Frauen und von 61 % bei den Männern auf 66 % bei beiden Geschlechtern im Jahre 2012 angestiegen ist (Robert Koch Institut 2014). Auch Breuer (2004) berichtet, dass im Laufe der Jahre (1985 - 2001) die Sportnachfrage in der Bevölkerung Deutschlands zugenommen hat und dies im besonderen Maße in der Altersgruppe ab 45 Jahren zu beobachten ist. Folglich ist ein Trend hin zum Sport im fortgeschrittenen Alter in den letzten Jahren deutlich zu erkennen und somit bieten erwachsene Sportler eine durchaus attraktive Zielgruppe. Im Vergleich zur Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen unterscheiden sich die erwachsenen Sportanfänger jedoch sowohl hinsichtlich der körperlichen Fitness als auch bezüglich der individuellen Lebenssituation mit Familie, Kindern und Beruf deutlich. Verschiedene Quellen haben sich bereits mit den Barrieren dieser Zielgruppe im Hinblick auf unterschiedliche Sportarten befasst. Häufig genannte Herausforderungen stellen beispielsweise die eigene schlechte Gesundheit oder die mangelnde Zeit 178 | mup 4|2017 Forum: Vennebörger, Kühl - Späteinsteiger im Reitsport für Freizeitaktivitäten der Befragten dar. Auch eine fehlende Begleitung sowie mangelnde Angebote, die auf erwachsene Sporttreibende zugeschnitten sind, werden als Problematiken identifiziert (Lees u. a. 2005; Moschny u. a. 2011). Die größte Barriere der Altersgruppe der 35bis 49-Jährigen stellt das Zeitmanagement dar, wodurch diese Zielgruppe folglich auf flexible Zeiten der Sportangebote angewiesen ist, um Sport in den alltäglichen Ablauf einbauen zu können (Rudman 1989). Um die Zielgruppe der erwachsenen Sportanfänger zu binden, ist es unabdingbar, sich auch mit den Motivatoren für die sportliche Aktivität dieser Altersgruppe zu beschäftigen. Bei den Motiven erwachsener Sporteinsteiger spielen vor allem gesundheitliche Beweggründe eine sehr wichtige Rolle. Die Menschen wollen fitter werden und gesünder altern. Aber auch gesellige Aspekte und der Spaß an der körperlichen Betätigung spielen eine große Rolle hinsichtlich der Motivation (Jones u. a. 2011; Allender u. a. 2006). Viele diese Motive konnten in einer eigenen qualitativen Vorarbeit auch für die erwachsenen Reiteinsteiger ermittelt werden. Das Ziel dieser Arbeit ist es, diese Motive quantitativ zu festigen und somit die Eigenschaften der Zielgruppe der erwachsenen Reiteinsteiger genauer zu definieren. Material und Methoden Die Grundlage der Studie bildet eine eigens konzipierte Online- Umfrage, welche mit Hilfe der Befragungssoftware Enterprise Feedback Management Software Survey (EFS) von Questback erstellt wurde. Die Online-Umfrage hat von Anfang Februar bis Mitte März 2016 stattgefunden. Zugrunde lagen 220 vollständig ausgefüllte Fragebögen, die in die Auswertung einflossen. Die anschließende Auswertung der abgeschlossenen Fragebögen erfolgte mit Hilfe der gängigen Statistiksoftware SPSS Statistics, Version 23, von der International Business Machines Corporation (IBM). Ergebnisteil Soziodemographische Daten Das Durchschnittsalter der Teilnehmer an der Stichprobe liegt bei knapp 48 Jahren. Dabei haben die Probanden durchschnittlich im Alter von 39 Jahren mit dem Reitsport begonnen und das Maximalalter bei Eintritt in den Reitsport liegt bei 62 Jahren. Der Frauenanteil der Stichprobe liegt bei 65,4 %, wodurch für Reitsportstudien ein ungewöhnlich hoher Männeranteil von 34,6 % verzeichnet werden konnte. Der Großteil der Befragten hat mindestens ein Kind (65,4 %) und ist verheiratet (64,5 %) oder lebt in einer festen Partnerschaft (13,8 %). Charakterisierung der Stichprobe Mit der Entscheidung, das Reiten zu erlernen, hat sich fast die Hälfte der Befragten einen Kindheitstraum erfüllt (48,4 %). Dabei hat ein Großteil auf einem Lehrpferd mit dem Reitsport begonnen (56,6 %) und das sowohl auf Vereinslehrpferden (20,7 %) als auch auf Lehrpferden in Privatbetrieben (35,9 %). Hinsichtlich der ausgeübten Hauptdisziplin geht der größte Anteil der Stichprobe hauptsächlich Ausreiten (31,8 %) oder dem Dressurreiten nach (26,3 %). Ebenfalls vertreten, mit anteilig jeweils unter 10 %, sind die Disziplinen des Wanderreitens, des Westernreitens, der Bodenarbeit, der klassisch-barocken Reitweise, des Gangpferdereitens, des Springreitens und des Jagdreitens. Über drei Viertel der Probanden ist im Besitz von mindestens einem Pferd (77,4 %), wovon 31,8 % sogar im Besitz mehrerer Pferde sind und weitere 9,2 % eine Reitbeteiligung haben. Im Hinblick auf die Eigenschaften eines Pferdes wurden die Probanden aufgefordert, die Relevanz aufgelisteter Eigenschaften auf einer fünfstufigen Likert-Skala anzugeben, welche von „sehr wichtig“ bis „überhaupt nicht wichtig“ betitelt wurde. Wie in Abbildung 1 zu erkennen ist, spielen vor allem Eigenschaften, die auf die Zuverlässigkeit Forum: Vennebörger, Kühl - Späteinsteiger im Reitsport mup 4|2017 | 179 „Welche Eigenschaften eines Pferdes sind für Sie wichtig oder spielen keine Rolle? “ eher wichtig sehr wichtig Verlässlichkeit 24,90% 70,50% Turniererfolge 2,30% 0% 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Abstammung 5,10% 0,50% Alter 11,50% 3,20% Rasse 16,10% 7,40% Größe 27,60% 11,50% Ausbildungsstand 36,90% 11,10% Fleiß 38,70% 12,00% Motivaton 50,20% 23,00% Rittigkeit 41,90% 34,60% Gutmütigkeit 33,20% 52,50% Geländesicherheit 26,70% 64,10% Gelassenheit 24,00% 68,20% Charakter 23,50% 71,00% Temperament 27,60% 13,40% des Pferdes hinweisen, bei den Befragten eine große Rolle. Die relevanten Eigenschaften eines Pferdes sind für die Befragten vor allem die Verlässlichkeit, der Charakter und die Gutmütigkeit. Diese Eigenschaften stuften jeweils über 90 % der Probanden als „sehr wichtig“ oder „eher wichtig“ ein. Auffällig ist auch, dass die Probanden kaum Wert auf das Vorhandensein von Turniererfolgen legen, da lediglich 2,3 % diese Eigenschaft als „eher wichtig“ erachten und keiner der Probanden die Turniererfolge als „sehr wichtig“ empfindet. Ebenso sind die Abstammung und das Alter eines Pferdes für die Probanden keine ausschlaggebenden Eigenschaften hinsichtlich eines Pferdes, da jeweils weniger als 15 % diese Eigenschaften als „sehr wichtig“ oder „eher wichtig“ eingestuft haben. Bezüglich der Haltung der eigenen Pferde ist der Großteil in Pensionsställen eingestallt (48,9 %). Etwa ein Viertel der Probanden (23,5 %) hält das Pferd oder die Pferde privat oder zuhause und 19,8 % haben ihr/ e Pferd/ e auf einem Schulbetrieb untergestellt. Lediglich 7,8 % haben ihr/ e Pferd/ e auf einer Vereinsanlage untergebracht. In gleicher Weise wie bei den oben aufgeführten Pferdeeigenschaften wurden auch die Eigenschaften eines Reitstalls bezüglich ihrer Relevanz von den Befragten auf einer fünfstufigen Likert-Skala eingeordnet. An erster Stelle steht bei den Probanden die artgerechte Haltung der Pferde, denn 90,8 % empfinden diese Eigenschaft als „sehr wichtig“ und weitere 9,2 % als „eher wichtig“. Die zweitwichtigste Eigenschaft ist die Kompetenz des Betriebsleiters, welche 56,2 % als „sehr wichtig“ und 30 % als „eher wichtig“ einordnen. Auch ein gutes Ausreitgelände ist 47,5 % „sehr wichtig“. Ähnlich wie bei den Turniererfolgen eines Pferdes, welche die Probanden als kaum relevant erachten, ist auch die Möglichkeit an Wettkämpfen teilzunehmen im Hinblick auf einen Reitstall lediglich für 3,7 % wichtig (0,9 % „sehr wichtig“, 2,8 % „eher wichtig“). Zudem Abb. 1: Relevanz der Eigenschaften des Pferdes 180 | mup 4|2017 Forum: Vennebörger, Kühl - Späteinsteiger im Reitsport geben 94 % der Probanden an, dass sie an keinerlei Turnieren teilnehmen. Und entgegen den Ergebnissen der Vorstudie, in der eine Mitgliedschaft für die Probanden lediglich die Turnierteilnahme ermöglicht, ist der Anteil an Mitgliedern von Vereinsorganisationen mit 48,8 % in dieser Stichprobe trotz der wenigen Turnierteilnehmer relativ hoch. Im Hinblick auf die möglichen Herausforderungen, denen Späteinsteiger beim Eintritt in den Reitsport begegnen können, wurden die Probanden nach Problemen gefragt, die ihnen im Reitsport bereits widerfahren sind (siehe Abb. 2). Die häufigste Herausforderung für die Probanden besteht in der praktischen Umsetzung theoretischen Wissens. Über die Hälfte der Befragten gibt diese Problematik als ihnen bekannt an (56,7 %). Für 54,8 % ist ein mangelndes Körpergefühl eine bekannte Problematik, und immerhin etwas weniger als die Hälfte der Befragten ist bereits Angst oder Beklommenheit vor der Herausforderung beim Reiten begegnet (48,8 %). Ebenfalls abgefragt wurde, wie wichtig den Späteinsteigern im Reitsport ausgewählte Aspekte bezüglich des Reitunterrichts sind. In Abbildung 3 sind die Eigenschaften abgebildet und dargestellt, wie hoch der Anteil an Befragten ist, welche die jeweilige Eigenschaft als „sehr wichtig“ und „eher wichtig“ eingestuft haben. Deutlich erkennbar ist, dass nahezu alle Eigenschaften, die mit dem Trainer korrelieren, als besonders wichtig eingestuft werden. Der harmonische Umgang des Trainers mit den Pferden wird hierbei von allen Probanden als wichtige Eigenschaft eingestuft („eher wichtig“: 18 %“, sehr wichtig“: 82 %). Aber auch der Wissensstand des Trainers sowie die Sympathie zum Trainer werden mit über 90 % als enorm relevant empfunden. Neben den Eigenschaften des Trainers spielen aber auch für 81,6 % der Befragten ein abwechslungsreicher Unterricht sowie für 70,1 % das harmonische Miteinander zwischen den Teilnehmern eine große Rolle in Bezug auf den Reitunterricht. Aspekte wie die Alterszusammensetzung (28,6 %) oder das Alter des Trainers (3,2 %) emp- „Sind Ihnen einige der folgenden Probleme beim Reiten schon einmal begegnet? “ 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % Schwierigk. bei der praktischen Umsetzung 56,70 % Mangelndes Körpergefühl 54,80 % Angst/ Beklommenheit 48,80 % Kopflastiges Reiten 45,20 % Zu viele Teilnehmer pro Unterrichtseinheit 37,30 % Geringe Fitness/ Ausdauer 30,40 % Unpassender Trainer 27,20 % Scham / Hemmungen 16,10 % Kein geeignetes Pferd gefunden 14,30 % Reitstall bietet kein Angebot für Erwachsene 12,00 % Abb. 2: Herausforderungen im Reitsport Forum: Vennebörger, Kühl - Späteinsteiger im Reitsport mup 4|2017 | 181 finden nur wenige der Befragten als „sehr wichtig“ und „eher wichtig“. Diskussion Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit zeigen, dass die hier befragten Späteinsteiger einige Besonderheiten und Eigenschaften aufweisen, welche eine genauere Betrachtung dieser Zielgruppe notwendig machen, um gegebenenfalls spezifische Angebote zu entwickeln oder die erwachsenen Reitanfänger besser an den Sport binden zu können. Charakterisierung der Späteinsteiger Hinsichtlich der in dieser Arbeit befragten Späteinsteiger fiel ein deutlich höherer Männeranteil auf, welcher für den von Frauen dominierten Reitsport eher ungewöhnlich ist. Der Frauenanteil in Reitsportstudien liegt derweilen um die 90 % (Gille u. a. 2011; Schneider 2012) und folglich stellt sich hier bereits eine Besonderheit der Zielgruppe dar, welche einen Frauenanteil von lediglich zwei Drittel aufweist. Die Erkenntnis, dass Männer ein höheres Einstiegsalter im Reitsport aufweisen, scheint hierbei eine mögliche Erklärung des hohen Männeranteils darzustellen (IPSOS 2001), ebenso wie die Tatsache, dass der Männeranteil unter den Reitern mit zunehmendem Alter ansteigt (IPSOS 2001). Folglich bietet die Zielgruppe der Späteinsteiger bereits hinsichtlich der Geschlechterverteilung ein größeres Potenzial an möglichen Reiteinsteigern, aber auch eine andere Klientel, als man es im Reitsport im Allgemeinen gewohnt ist. Dementsprechend sollte die Möglichkeit von spezifischen und unterschiedlichen Angeboten für männliche und weibliche erwachsene Reitanfänger durchdacht werden. Allerdings ist für die spezifische Entwicklung solcher Angebote eine genauere Betrachtung hinsichtlich geschlechtsspezifischer Besonderheiten bei erwachsenen Reitanfängern Voraussetzung. Die Entwicklung weg vom wettbewerbs- und leistungsorientiertem Reiten (Gille u. a. 2011) ist in der hier befragten Zielgruppe besonders deut- Abb. 3: Wichtige Aspekte bezüglich des Reitunterrichts „Wie wichtig sind Ihnen folgende Aspekte bezüglich des Reitunterrichts? “ eher wichtig sehr wichtig Harm. Umgang des Trainers mit d. Pferden 18,00 % 82,00 % Wissensstand des Trainers 26,30 % 71,00 % Abwechslung 37,80 % 43,80 % Sympathie zum Trainer 48,40 % 42,40 % Reitweise des Trainers 30,00 % 39,60 % Einzelunterricht 29,00 % 38,70 % Harmonie zwischen den Teilnehmern 40,60 % 29,50 % Geselligkeit auch außerhalb des Unterrichts 21,20 % 12,90 % Alterszusammensetzung 20,30 % 8,30 % Gruppenunterricht 14,30 % 5,50 % Alter des Trainers 2,80 % 1,40 % 0 % 20 % 40 % 60 % 80 % 100 % 182 | mup 4|2017 Forum: Vennebörger, Kühl - Späteinsteiger im Reitsport lich zu erkennen, denn 94 % der Befragten geben an, an keinerlei Turnieren teilzunehmen. Des Weiteren ist auch die Möglichkeit, auf einem Betrieb an Wettkämpfen teilzunehmen, für nicht einmal 5 % der Befragten von Relevanz. Der Trend weg vom Turniersport ist keine reitsportspezifische Entwicklung, denn das allgemeine Interesse am Freizeitsport steigt seit einigen Jahren sportartenunabhängig an (Scheerder / Vos 2011). Zudem nimmt der Anteil an Sportlern zu, welche ihren Sport nicht organisiert ausüben (Zellmann / Opaschowski 2004). Jedoch ist knapp die Hälfte der Befragten der vorliegenden Stichprobe Mitglied in einer Vereinsorganisation, wenn auch nicht zum Zwecke einer Turnierteilnahme. Folglich scheinen die Späteinsteiger entgegen dem Eindruck aus der qualitativen Vorstudie durchaus Vorteile in Mitgliedschaften von Vereinsorganisationen zu sehen, doch welche diese sind, lässt sich anhand dieser Forschungsarbeit nicht weiter ermitteln, wobei die Ergebnisse aus der qualitativen Vorstudie geselliges Zusammensein und Hoffeste ebenso wie Weiterbildungsmöglichkeiten als Motive vermuten lassen. In dem Zusammenhang der geringen Turnierambitionen ist es nicht überraschend, dass diese Zielgruppe auch hinsichtlich der Auswahl der Pferde dem Aspekt der „Turniererfolge“ nahezu keine Bedeutung beimisst. Den Befragten sind charakterliche Eigenschaften, welche mit der Sicherheit und Zuverlässigkeit, die ein Pferd bietet, in Zusammenhang stehen, von großer Bedeutung. Die Zielgruppe der Späteinsteiger ist auf der Suche nach Pferden, welche verlässlich sind, geländesicher und vor allem einen guten Charakter hinsichtlich Gutmütigkeit und Gelassenheit besitzen. Es werden folglich sogenannte „Verlasspferde“ in dieser Zielgruppe sehr geschätzt und die sportliche Leistung der Vierbeiner steht hierbei nicht im Vordergrund. Diese Erkenntnis ist nicht nur für Leiter von Reitschulen mit Erwachsenen als Kundenstamm relevant, sondern kann auch hinsichtlich der Vermarktung von Pferden bezüglich ihrer Eignung eingesetzt werden. Eine mögliche Ursache für das besondere Augenmerk auf die Sicherheit, die ein Pferd dem Reiter vermittelt, lässt sich aus den Herausforderungen erkennen, welche den Befragten im Reitsport bereits begegnet sind. Denn hier geben nahezu die Hälfte der Probanden an, bereits das Gefühl von Angst oder Beklommenheit beim Reiten verspürt zu haben. Unter diesem Gesichtspunkt scheint es nachvollziehbar, dass sicherheitsrelevante Eigenschaften bei einem Reitpferd sehr hohe Priorität in dieser Zielgruppe aufweisen. Zudem korreliert die Risikobereitschaft negativ mit dem Alter (Figner u. a. 2009), wodurch es nicht überrascht, dass eine Zielgruppe von erwachsenen Reitanfängern ein hohes Maß an Risikobewusstsein aufweist. Des Weiteren ist aus der Literatur zu entnehmen, dass sowohl im Reitsport (Ikinger u. a. 2013), als auch im Allgemeinen Frauen als ängstlicher klassifiziert werden als Männer (Hinz / Schwarz, 2001). Zwar ist der Frauenanteil in dieser Studie Die Autorinnen Madita Vennebörger BA Biowissenschaften an der Universität Osnabrück, MA Pferdewissenschaften an der Georg-August- Universität Göttingen, Trainer C Leistungssport, seit August 2016 als Assistentin der Geschäftsführung auf einem Pensions- und Schulbetrieb im Münsterland beschäftigt. Dr. Sarah Kühl Dipl.-Kauffrau an der Leuphana Universität in Lüneburg mit dem Schwerpunkt Marketing und Gründungsmanagement, MA Pferdewissenschaften an der Georg-August-Universität in Göttingen, seit Juni 2013 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Marketing für Lebensmittel und Agrarprodukte der Universität Göttingen. Anschriften Madita Vennebörger · Erlenweg 82 · 48653 Coesfeld m.venneboerger@web.de Sarah Kühl · Sarah.kuehl@agr.uni-goettingen.de Forum: Vennebörger, Kühl - Späteinsteiger im Reitsport mup 4|2017 | 183 geringer als in üblichen Reitsportstudien, jedoch ist der Großteil der Befragten weiblich, was unter Umständen das höhere Risikobewusstsein erklären kann. Somit lässt sich festhalten, dass bei der Arbeit mit Späteinsteigern ein hohes Augenmerk auf sicherheitsrelevante Aspekte wie zum Beispiel eine ruhige Umgebung während des Unterrichts gelegt werden sollte. Vor allem Trainer von erwachsenen Reitanfängern sollten sich der Herausforderungen dieser Zielgruppe bewusst sein, nach Möglichkeit für zuverlässige Pferde sorgen und vor allem die Ängste der Reitanfänger ernst nehmen. Ebenso sollten Lösungswege für angstbedingte Blockaden erarbeitet werden, um bei den Späteinsteigern ein sicheres Reitgefühl zu schulen. Besonders auffällig im Hinblick auf die soeben genannten Herausforderungen ist, dass vor allem Aspekte, die mit der körperlichen Umsetzung einhergehen, von zahlreichen Befragten als bekannt angegeben wurden. Dies entspricht der zunehmenden körperlichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit im Alter, der jedoch durch körperliche Aktivität entgegengewirkt werden kann (Leach 2000). Hier scheint eine wesentliche Aufgabe im Hinblick auf die Arbeit mit Späteinsteigern zu liegen, nämlich die körperliche Fitness und das Erlernen von neuen und unbekannten Bewegungsabläufen zu schulen. Folglich sollten sich Trainer, die mit dieser Zielgruppe arbeiten oder zukünftig arbeiten werden, dieser Problematik bewusst sein und gegebenenfalls situativ Lösungsalternativen zur Umsetzung beziehungsweise zur erleichterten Umsetzung von Bewegungsabläufen parat haben. Möglicherweise sind auch Fortbildungen in Bezug auf Fitness von Erwachsenen oder der körperlichen Mobilität sinnvoll, wie beispielsweise das Bewegungstraining nach Eckhart Meyners oder die Ergänzungsqualifikation (FN) Ausbilder im Gesundheitssport mit Pferd. Hierbei werden sowohl auf dem Pferd als auch am Boden Übungen gelehrt, durch die das Körpergefühl, die konditionellen und koordinativen Fähigkeiten geschult werden können. In Bezug auf die Ergebnisse der Eigenschaften des Unterrichts wird klar ersichtlich, dass diese Zielgruppe hohe Ansprüche an die Qualität eines Trainers stellt. Nicht nur die Sympathie spielt hier eine enorme Rolle für die befragten Späteinsteiger, sondern auch der Wissensstand des Trainers sowie seine eigene Reitweise und die Art und Weise, wie ein Trainer mit den Pferden umgeht. Somit lässt sich festhalten, dass die Zielgruppe der Späteinsteiger bei einem Trainer ein hohes Maß an Wissen, Einfühlungsvermögen und eigenen reiterlichen Fähigkeiten erwartet. Diesen Erwartungen sollte sich ein Trainer, der im Bereich des Erwachsenen-Reitanfängerunterrichts tätig ist, durchaus bewusst sein und sich dementsprechend schulen und weiterbilden. Literatur ■ Allender, S., Cowburn, G. & Foster, C. (2006): Understanding participation in sport and physical activity among children and adults: a review of qualitative studies. Health education research 21(6), 826-835, https: / / doi.org/ 10.1093/ her/ cyl063 ■ Breuer, C. (2004): Zur Dynamik der Sportnachfrage im Lebenslauf. Sport und Gesellschaft - Sport and Society 1, 50-72, https: / / doi. org/ 10.1515/ sug-2004-0105 ■ Destatis (2015): Bevölkerung Deutschlands bis 2060 - 13. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung. Statistisches Bundesamt, Wiesbaden ■ Deutsche Reiterliche Vereinigung (2014): Jahresbericht 2014. FN, Warendorf ■ Figner, B., Mackinlay, R. J., Wilkening, F., Weber, E. U. (2009): Affective and deliberative processes in risky choice: Age differences in risk taking in the Columbia Card Task. Journal of Experimental Psychology. Learning, Memory, and Cognition 35, 709-730, https: / / doi. org/ 10.1037/ a0014983 ■ Gille, C., Holschen-Taubner, S., Spiller, A. (2011): Neue Reitsportmotive jenseits des klassischen Turniersports. Eine empirische Untersuchung. Sportwissenschaften - The German Journal of Sports Science 41, 34-43 ■ Hinz, A., Schwarz, R. (2001): Angst und Depression in der Allgemeinbevölkerung: Eine Normierungsstudie zur Hospital Anxiety and Depression Scale. Psychotherapie Psychosomatik 184 | mup 4|2017 Forum: Vennebörger, Kühl - Späteinsteiger im Reitsport Medizinische Psychologie 51(5), 193-200, https: / / doi.org/ 10.1055/ s-2001-13279 ■ Ikinger, C., Münch, C., Wiegand, K., Spiller, A. (2013): Reiterleben, Reiterwelten - Zielgruppen zwischen Reitweisen, Motiven und der Liebe zum Pferd. Georg-August-Universität Göttingen ■ IPSOS. (2001): Faszination Zukunft - Neue Perspektiven im Pferdesport. FN-Marktanalyse „Pferdesportler Deutschland 2001“. FN, Warendorf ■ Jones, H., Millward, P., Buraimo, B. (2011): Adult participation in sport - Analysis of the Taking Part Survey. Department for Culture, Media and Sport (DCMS). In: www.gov.uk/ government/ publications/ adult-participation-in-sport-analysis-ofthe-taking-part-survey, 23.03.2016 ■ Leach, R. (2000): Altern und körperliche Aktivität. Der Orthopäde 29(11), 936-940, https: / / doi. org/ 10.1007/ s001320050545 ■ Lees, F. D., Clark, P. G., Nigg, C. R., Newman, P. (2005): Barriers to Exercise Behavior Among Older Adults: A Focus-Group Study. Journal of Ageing and Physical Activity 13, 23-33, https: / / doi.org/ 10.1123/ japa.13.1.23 ■ Moschny, A., Platen, P., Klaaßen-Mielke, R., Trampisch, U., Hinrichs, T. (2011): Barriers to physical activity in older adults in Germany: a cross-sectional study. International Journal of Behavioral Nutrition and Physical Activity 8, 2-10, https: / / doi. org/ 10.1186/ 1479-5868-8-121 ■ Robert Koch Institut (2014): Daten und Fakten: Ergebnisse der Studie „Gesundheit in Deutschland aktuell 2012“ Beiträge zur Gesundheitsberichterstattung des Bundes. Berlin: RKI ■ Rudman, W. J. (1989): Age and Involvement in Sport and Physical Activity. Sociology of Sport Journal 6, 228-246, https: / / doi.org/ 10.1123/ ssj.6.3.228 ■ Scheerder, J., Vos, S. (2011): Social stratification in adults’ sport participation from a time-trend perspective. Results from a 40-year household study. European Journal for Sport and Society 8, 31-44, https: / / doi.org/ 10.1080/ 1613 8171.2011.11687868 ■ Schneider, J. (2012). „Was macht das Pferd mit uns? “ - Implizite Studie zu Persönlichkeitsunterschieden zwischen Reitern und Nicht-Reitern für die Deutsche Reiterliche Vereinigung. Warendorf. In: www.pferde-fuer-unsere-kinder.de/ aktuelles/ downloads/ ,25.11.2015 ■ Zellmann, P., Opaschowski, H. W. (2004): Dem Sportverein „laufen“ die Mitglieder davon. (Institut für Freizeit- und Tourismusforschung, Hrsg.) In: www.freizeitforschung.at/ data/ forschungsarchiv.html, 08.12.2015 S T A U F E N - B U C H H A N D L U N G Marktstraße 31• 73033 Göppingen Tel. 71 61 / 74175 • Fax 0 71 61 / 1 3743 www.staufen-buch.de Email: staufen-buch@t-online.de Rosemann Pferde und Kinder spielend motivieren 978-3-88542-893-0 18,90 e Motivausstecher Stute mit Fohlen Nr. Motiv Stute 6,95 e Anzeige_MPU1/ 8_5_17.qxd 20.08.2017 11: 14 Uhr Seite 1 Anzeige