mensch & pferd international
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Forum: Feedback
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Silvia Röthlisberger
Der folgende Beitrag ist eine Zusammenfassung der Diplomarbeit des Nachdiplomstudienganges für pferdegestützte Therapie (PT-CH). Sie zielt darauf ab, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Interventionsmöglichkeiten die pferdegestützte Therapie im Bereich der Kommunikation anbieten kann. Sie grenzt sich dadurch ein, dass sie das Horsemanship als Methode bzw. Intervention nutzt. Die Arbeit stützt sich auf wissenschaftliche Theorien und verknüpft diese mit der Haltung und Methode des Horsemanship nach Heinz Welz. Im Schlussteil werden die Erkenntnisse für die Nutzung in der Praxis zusammengetragen.
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176 | mup 4|2018|176-181|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2018.art24d Silvia Röthlisberger Forum Feedback Horsemanship als Intervention im Bereich der Kommunikation Der folgende Beitrag ist eine Zusammenfassung der Diplomarbeit des Nachdiplomstudienganges für pferdegestützte Therapie (PT- CH). Sie zielt darauf ab, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, welche Interventionsmöglichkeiten die pferdegestützte Therapie im Bereich der Kommunikation anbieten kann. Sie grenzt sich dadurch ein, dass sie das Horsemanship als Methode bzw. Intervention nutzt. Die Arbeit stützt sich auf wissenschaftliche Theorien und verknüpft diese mit der Haltung und Methode des Horsemanship nach Heinz Welz. Im Schlussteil werden die Erkenntnisse für die Nutzung in der Praxis zusammengetragen. Der Mensch ist durch seine Körperlichkeit an seine Umwelt und seine Mitmenschen gebunden. Der Ausdruck davon sind soziale Interaktionen und die Kommunikation. Dank der Sprache hat der Mensch die Möglichkeit, sich auszudrücken und in Beziehung mit der Umwelt zu treten. Die Sprache ist jedoch störanfällig und die Kommunikationsmuster, welche einen stimmigen Austausch mit der Umwelt verhindern, sind potenziell problematisch. Sie können zu Unverständnis und Missverständnissen im sozialen System führen. Den gelingenden Austausch mit der Umwelt, welcher mit der eigenen Gefühlswelt kongruent ist, erachtet die Autorin als wichtigen Faktor für eine gelingende Lebensführung. Aus eigener Erfahrungen weiß sie, dass Pferde gute Lehrmeister im Bereich der Kommunikation sind. Sie können den Ausdruck unserer Gefühle wahrnehmen und reagieren sensibel darauf. Um die Reaktionen der Tiere zu deuten, bedarf es Erfahrung und Übung. Der Mensch in Interaktion mit der Umwelt und den sozialen Systemen Der Mensch lebt in ständigem Austausch mit seiner Umwelt. Als sozialem Wesen ist es ihm ein Grundbedürfnis, in Beziehung zu treten und zu interagieren. Ohne ein Gegenüber kann er keine Identität entwickeln. Der Mensch braucht ein „Du“, um ein „Ich“ zu entwickeln (Koch-Engel 2008, 145). Die zwischenmenschlichen Kontakte entstehen über Kommunikationsprozesse und die dafür eingesetzte Sprache ist ein zentrales Merkmal des menschlichen Wesens. Gemäß Watzlawick (1982, 185) behindern gestörte Kommunikationsmuster den Menschen in seiner Entwicklung und Lebensführung. In dem Artikel wird von einer systemischen Perspektive ausgegangen und die Autorin schließt sich dabei Watzlawicks Postulat an, dass die Verhaltensweisen des Menschen im Zusammenhang mit seiner sozialen Umgebung betrachtet werden sollten ( Watzlawick et al. 1982, 48). Die Wirkmechanismen der Kommunikation Interessant für das Setting der pferdegestützte Therapie sind die digitalen und die analogen Anteile der Kommunikation. Bei der digitalen Nachrichtenübermittlung wird die Bedeutung Forum: Röthlisberger - Feedback mup 4|2018 | 177 einem Symbol zugeschrieben, beispielsweise einer Zeichnung, einem Namen oder einer Zahl. Das Symbol ermöglicht, Informationen über Dinge zu vermitteln und Wissen weiterzugeben (Olbrich 2003, 85). Die digitale Kommunikation beinhaltet auch die gesprochene Sprache und die Schrift. Bei der analogen Kommunikation werden gemäß Watzlawick die Beziehungsaspekte vermittelt. Dabei weist jegliche Mitteilung zusätzlich zum reinen Informationsgehalt auch einen Beziehungsaspekt auf und zwar in der Art, dass der Beziehungsden Inhaltsaspekt bestimmt (Watzlawick et al. 1982, 56). Als Beispiel verweist Watzlawick auf folgende Ausführungen von Bates: „Wenn ein Tier, ein Mensch […], eine drohende Haltung einnimmt, so kann der Partner daraus schließen, „er ist stark“ oder „er will kämpfen“, doch dies ist nicht der Sinn der ursprünglichen Mitteilung“ (Watzlawick zit. nach Bates 1982, 99). Sondern es sind Vorschläge und Fragen zu den Regeln der künftigen Beziehung. Wie diese Aussage zu interpretieren ist, obliegt dabei dem Interaktionspartner. Kommt es dabei zu widersprüchlichen Deutungen der analogen Kommunikation, kann das dazu führen, dass die Deutung des Empfängers nicht der eigentlichen Absicht des Senders entspricht (Watzlawick et al. 1982, 97). Die fehlerhafte Interpretation von analogen Botschaften kann verständlicherweise zu großer Verwirrung führen, vor allem dann, wenn die Fehlinterpretationen anschließend nicht korrigiert werden können. Gemäß Watzlawick kommt es bei Störungen in der menschlichen Kommunikation immer zu einem teilweisen Verlust der Fähigkeit, den Beziehungsaspekt in Worten auszudrücken. Deshalb bietet sich die analoge Kommunikation als Kompromiss an. Man vermag durch die analoge Kommunikation das auszudrücken, wofür man keine Worte findet (Watzlawick et al. 1982, 99). In der Verständigung zwischen Tier und Mensch wird die analoge Kommunikation verwendet, weil Tiere nur begrenzte Möglichkeiten haben, die digitale Sprache zu verstehen. Wie gut Pferde die analoge Sprache entschlüsseln können, zeigt die Geschichte des Klugen Hans. Dieses Pferd sorgte im Jahr 1904 für Aufmerksamkeit, da es angeblich rechnen und die Ergebnisse mitteilen konnte. Es stellte sich jedoch heraus, dass das Pferd die richtigen Resultate aus den Verhaltensweisen der Anwesenden herauslesen konnte, indem es ihm gelang, kleinste, dem Menschen unbewusste, analoge Signale zu erkennen und zu deuten (Watzlawick 2001, 41). In der Lebenswelt von Tieren hilft diese überlebenswichtige Fähigkeit bei der Einschätzung, ob vom Gegenüber Gefahr ausgeht oder nicht (Watzlawick 2001, 45). Bei der Kommunikation verweisen die Tiere gemäß Watzlawick immer auf die Beziehung. Somit reagieren Tiere bei der Mensch-Tier-Interaktion auch primär auf den Beziehungsaspekt der Kommunikation. Er führt dazu das Beispiel von Bates auf, dessen Katze beim Öffnen des Kühlschranks um seine Beine streicht und miaut. Das Miauen bedeutet dabei nicht, „ich will Milch“, sondern appelliert an die Beziehungsform. Die Katze drückt damit aus, „sei meine Mutter“, denn dieses Verhalten tritt nur zwischen Jungtieren und Eltern, jedoch nicht zwischen erwachsenen Tieren auf (Watzlawick et al. 1982, 63). Das Tier versteht dabei nicht die Worte (digitale Kommunikation), sondern die Gestik, den Tonfall u. v. m. der analogen Kommunikation (Watzlawick et al. 1982, 63 ff.). Olbrich (2003, 87) verweist darauf, wie wichtig die analoge Kommunikation ist, um Verbundenheit auszudrücken. Gemäß ihm ist sie die frühe Sprache der Beziehung und wird dann gesprochen, wenn intensives Erleben ausgedrückt wird: „Wenn eine Person in der analogen Kommunikation - mit Menschen ebenso wie mit Tieren - ihr tieferes Erleben ebenso wie ihre Kognitionen ausdrücken kann, wenn sie darüber hinaus positive ebenso wie negativ bewertete Teile von sich, ja von ihrer Persönlichkeit mitteilen kann, dann steht ihr die Möglichkeit offen, an größere Bereiche ihrer inneren Realität heranzukommen […]“ (Olbrich 2003, 86). Gemäß Olbrich verlangen Tiere eine kongruente und stimmige Bezogenheit und unterstützen dadurch den Menschen, eine für sich stimmige verbale und nonverbale Kommunikation herzustellen. Dadurch kann sich die Person als „ … einfach und wahr erfahren und sich einfach und wahr mit ihrem Gegenüber austauschen […]. Schon das ist therapeutisch wertvoll“ (Olbrich 2003, 87). Gemäß Olbrich (2003, 87) kann durch einen stimmigen Ausdruck paradoxe Kommunikation vermeiden werden, weil die Kongruenz innerhalb der Person und zwischen den Kommunikationspartnern verbessert wird. 178 | mup 4|2018 Forum: Röthlisberger - Feedback Im Folgenden zeigt Olbrich anhand der Schichtenlehre von Rothacker auf, wie diese Kongruenz entstehen kann. Die Theorie der Schichtenlehre besagt, dass der Mensch aus verschiedenen Seinsschichten besteht, welche miteinander kommunizieren. Idealerweise läuft dies konfliktfrei ab und der Mensch kann sich als Ganzes wahrnehmen. Die Schichten sind mit bestimmten Funktionen ausgestattet. Die höheren Schichten sind dabei von den Prozessen der tieferen Schichten abhängig. Die tieferen Schichten ermöglichen es dem Menschen, mit der Umwelt mitzuschwingen. Da dies über die Ebene der Tiefenperson geschieht, können insbesondere auch diejenigen, welche über keine Verhaltenssteuerung (mehr) verfügen, mithilfe der analogen Kommunikation mit anderen Lebewesen mitleben. Diese unterbewusste Ebene, auf welcher gefühlsmäßig kommuniziert wird, macht einen Großteil des Zusammenlebens des Menschen aus (vgl. Olbrich zit. nach Rothacker 2003, 1985 ff.). Olbrich geht davon aus, dass Personen, die mit einer Vielzahl von Lebewesen zusammenleben, intensiver mit den inneren Schichten in Kontakt bleiben (Olbrich 2003, 187). Im nachfolgenden Teil werden in einer Kurzfassung die grundlegendsten Faktoren des Horsemanship hinsichtlich ihres Einsatzes für die Pferdegestützte Therapie beschrieben. Aufgrund der Vielfalt in der Praxis wurde ein spezifischer Ansatz ausgewählt: Grundlagen, Haltung und Methode des Horsemanship nach Heinz Welz. Die Methode von Welz (2002, 183) wurde für diese Arbeit ausgesucht, weil er sich darauf beruft, dass der Mensch ein Gefühl und ein Verständnis für die Pferde und deren Verhalten entwickeln muss. Seine Methode zielt darauf ab, den Mensch dabei zu unterstützen, feinfühliger gegenüber den Tieren zu werden und auf ihrer Ebene zu kommunizieren. Es geht darum, die Technik zu lernen, um die Pferde besser verstehen zu können und eine gute Beziehung zum Tier aufzubauen. Damit dies gelingt, braucht es die Bereitschaft sich einzulassen, zuzuhören und zu verstehen. Im Gegensatz zum instinktorientierten Pferd hat der Mensch die Möglichkeit, sein Verhalten zu reflektieren und es dadurch zu verändern (Welz 2002, 17). Heinz Welz bezieht sich auf die althergebrachte Weisheit, dass es für die Reiterei Gefühl braucht. Über das Gefühl kommunizieren nach Welz der Geist und der Körper und sie geben Informationen über die eigene Befindlichkeit preis. Dies bedingt, die Gefühle bewusst wahrzunehmen, sich mit diesen Prozessen auseinanderzusetzen und ein Bewusstsein darüber zu erlangen. Ein bewusster Umgang mit den Gefühlen ermöglicht es, die daraus entstehenden Reaktionen zu beherrschen (Welz 2002, 38). Das Joining Das Joining ist ein Wegweiser, wie Horsemanship angewendet werden kann. Es soll dabei helfen, Gefühle zu entwickeln, Gefühle wahrzunehmen, auszutauschen und den Anderen durch Gefühle zu bewegen (Welz 2003, 16). Grundsätzlich findet es im Roundpen statt und das Pferd kann sich frei bewegen. Gemäß Welz ist das Joining ein lautloses Kommunikationssystem, das Pferde anwenden. Auf eindeutige körpersprachliche Signale erfolgen eindeutige Reaktionen. Ziel des Joining ist, dass der Mensch die Rolle als Leittier einnimmt. Dies ist gelungen, wenn sich das Pferd dem Mensch anschließt und ihm folgt. Dafür muss sich das Pferd dazu entscheiden, dass der Mensch vertrauenswürdig ist. Dann kann es zur Ruhe kommen und ihm folgen, denn in seinen Augen ist der Menschen fähig, für sein Wohlergehen zu sorgen (Welz 2002, 92). Welz beruft sich darauf, dass Verständnis und Vertrauen die Grundlage zur Zusammenarbeit sind (Welz 2002, 140). Für eine genaue Anleitung des Joinings wird auf das Buch von Hein Welz „Pferdeflüstern kann jeder lernen“ verwiesen. Als Beispiel aus der Praxis wird die Arbeit mit einem Klienten mit einer Autismus-Spektrums- Störung (ASS) gewählt. In der Anamnese wurde beim Klienten ein vermeidendes Interaktions- Forum: Röthlisberger - Feedback mup 4|2018 | 179 und Kommunikationsverhalten festgestellt, welches gemäß Theunissen eine charakteristische Eigenschaft von Menschen mit ASS ist und eine Bewältigungsstrategie darstellt (Theunissen 2014, 39). Folgendes Verhalten wurde festgestellt: räumlicher Rückzug, abseits stehen, ausweichen, Distanz halten, wenig sprachliche Kommunikation. Im Umgang mit dem Pferd verhielt er sich ausweichend, gab gerne nach und forderte wenig. Der Körperausdruck wirkte unklar und schwammig. Das Ziel der Intervention war, dass der Klient eine Rückmeldungen vom Therapiepferd erhält, indem er diesem im Kontakt einen aussagekräftigen Bedeutungsinhalt vermittelt. Die Techniken aus dem Horsemanship wurden dabei als Hilfsmittel eingesetzt, damit der Klient seine nonverbalen Botschaften auf verständliche Weise dem Tier vermitteln kann. Die Lektionen liefen dabei immer nach einer mehr oder weniger gleichbleibenden Struktur ab. Zuerst wurden folgende Führübungen durchgeführt: Anhalten, Hinterhand wenden und Rückwärtsrichten. Dies sollte als Kontaktaufnahme und Vorbereitung auf das Joinigs dienen. Dabei zeigte sich, dass es zentral war, mit welcher inneren Präsenz die Übungen ausgeführt wurden. War der Klient abgelenkt oder geistig abwesend, wurde die Beziehung zwischen Therapiepferd und Klient unterbrochen und die Aufgabe für das Therapiepferd unverständlich. Zum Abschluss der Lektion wurde jeweils das Joining durchgeführt. Dabei wird das freilaufende Pferd aufgefordert, sich in eine bestimmte Richtung und in einem bestimmten Tempo zu bewegen. Diese drei Anforderungen stellten den Klienten bzw. dessen Beziehung mit dem Pferd vor größere Herausforderungen. Anzumerken ist noch, dass sich der Roundpen auf Gras befand. Das Therapiepferd bevorzugte, entsprechend dem Naturell der meisten Pferde, das Gras zu fressen. Um es in Bewegung zu versetzten, musste der Klient, entgegen seinen gängigen Verhaltensmustern, aktiv in die Interaktion kommen und diese auch mit einer gewissen Hartnäckigkeit einfordern. Das erfahrene und dem Klienten zugewandte Therapiepferd nahm das Beziehungsanbot gerne an. Jedoch forderte es den Klienten dazu auf, innerlich präsent zu sein. Wenn sich der Klient aus der Beziehung zurückzog, beispielsweise, wenn er sich durch Reize ablenken ließ, machte das Pferd, was es wollte. Der Klient musste sich dann wieder bemühen, in Kontakt mit dem Tier zu kommen. Nach einem gelungenen Beziehungsaufbau und der gelungenen Bewegungsaufforderung wurde der Klient dazu angehalten, das Tempo und die Richtung zu bestimmen. Damit er dies erreichen konnte, musste er neben seiner inneren Präsenz auch seine Körperenergie einsetzen. Ebenfalls mussten sein Timing und seine Taktik stimmen, um den Richtungswechsel beim freilaufenden Pferd herbeizuführen. Damit der Klient seine Hilfen besser an das Pferd bringen konnte, hatte er eine Fahrgerte zur Verfügung. Nur mit der Körpersprache zu arbeiten, wäre für den Klienten zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich gewesen. Die beiden Interaktionspartner (Klient und Pferd) benötigten jeweils einen Zeitraum, in welchen sie sich aufeinander abstimmen konnten. Von außen ersichtlich war, dass das Pferd in dieser Phase meist das Geforderte nicht entsprechend umsetzte. Wenn es jedoch dem Klienten gelang, in der Beziehung zu bleiben, die innere Präsenz aufrechtzuerhalten und seine Körperenergie einzubringen, kam zunehmend eine Verbindung zustande. Von außen wurde erkennbar, dass beide zunehmend auf die Signale reagierten und aktiver interagierten. Dadurch erschien das gesamte Bild dynamischer und lebendiger. Wiederholt kam es dabei zu kurzen Sequenzen, in denen zwei gleichberechtigte Interaktionspartner beobachtet werden konnten, welche sich in einem harmonischen Wechselspiel begegneten. Ob diese Stimmigkeit zustande kam, hing maßgeblich von der inneren Präsenz, der eingebrachten Energie und den ausgedrückten Emotionen des Klienten ab. Die angewendete Technik war zweitrangig, unterstützte jedoch den Klienten im Beziehungsaufbau und gab einen Rahmen und eine Struktur vor. Die Beziehungsqualität hing somit vornehmlich von der analogen Kommunikation ab. Im nachfolgenden Teil werden die vorgestellten Theorieinhalte mit den Grundlagen, Haltung und Methode des Horsemanship vernetzt und daraus Schlussfolgerungen für die Praxis gezogen. Schlussfolgerung für die Praxis Bei der pferdgestützten Therapie treffen zwei unterschiedliche Lebewesen mit für sie spezifischen Kommunikationsmöglichkeiten zu- 180 | mup 4|2018 Forum: Röthlisberger - Feedback sammen. Es braucht eine gemeinsame Grundlage, auf der die Kontakt- und Beziehungsaufnahme hergestellt werden kann. Die Arbeit im Roundpen und das Arbeiten mit spezifischen Techniken schafft einen Rahmen, in welchem eine gelingende Beziehungsaufnahme begünstig wird. Das Roundpen gibt dabei den räumlichen Rahmen vor. In diesem haben die Akteure viel Bewegungsfreiraum und können Nähe und Distanz regulieren. Das Joining ermöglicht es der Klientel, auf pferdegerechte Art ein Beziehungsangebot zu machen. Es bedeutet, sich mit der Kommunikation der Pferde auseinanderzusetzen, und bietet die Möglichkeit, neue Kommunikationsstrukturen zu erlernen. Dadurch wird ein Entwicklungsprozess angeregt, der zu einer kongruenten Kommunikation mit dem Tier einlädt. Horsemanship bietet den Rahmen für Beziehungskontakte und Entwicklungsprozesse. Durch das Ausprobieren, das Wiederholen und den gegenseitigen Bezug erhält der Mensch die Möglichkeit, sich selber und das Pferd feiner wahrzunehmen und lernt mit neuen Verhaltensweisen auf das Gegenüber zu reagieren. Dabei gibt der indirekte Kontakt im Roundpen den Pferden den Freiraum, um auf die Signale der Klientel zu reagieren. Dadurch entstehen Rückkopplungsprozesse, bei denen sich der Mensch und das Pferd zunehmend aufeinander abstimmen. Es ist die Aufgabe der Therapeutin / des Therapeuten, die Interaktion zwischen Pferd und Mensch zu beobachten. Entsprechend der vorhandenen Ressourcen unterstützt er / sie die Klientel darin, die Kommunikationsmuster mithilfe der Metakommunikation zu reflektieren. Das Horsemanship unterstützt dabei die kritische Reflexion des eigenen Verhaltens und es bietet den Klienten Erfahrungsmöglichkeiten, um Handlungsalternativen zu üben. Das Horsemanship unterstützt die Entstehung von Resonanz zwischen Mensch und Pferd. Es hilft dabei, angewandte Kommunikationsmuster zu erkennen, zu reflektieren und fördert das Erlernen von neuen Mustern. Die Pferde bieten sich in der Therapie als Sozialpartner an. In der Interaktion stellen sich Pferd und Mensch gleichermaßen die Frage, in welcher Beziehung sie zueinander stehen. Wie wir von Watzlawick wissen, spielt der Beziehungsaspekt immer eine tragende Rolle bei Kommunikationen. Der Beziehungsaspekt ist auch die Grundlage, wenn wir mit Pferden in Kontakt kommen. Pferde fragen sich im Kontakt mit uns immer, wie wir zu ihnen stehen, ob sie sich bei uns sicher fühlen und sie uns folgen können. Aufgrund der Informationen, welche wir den Tieren vermitteln, werden sie diese Fragen für sich beantworten und entsprechend reagieren. Über die Reaktionen der Tiere können wir Schlussfolgerungen ziehen, wie die Tiere uns wahrnehmen. Mithilfe des Joining kann damit im therapeutischen Rahmen aufgezeigt werden, welche teils unbewussten und unreflektierten Botschaften gesendet und von den Pferden entschlüsselt werden. Dadurch kann ersichtlich werden, wenn die Klientel eine nicht stimmige Kommunikationsform gewählt hat. Es ist die Aufgabe der Therapeutin / des Therapeuten, dies aufzunehmen, und wenn die Klientin / der Klient Bereitschaft dazu zeigt, zu bearbeiten. Im Kontakt mit dem Pferd können über dessen Reaktionen Botschaften, die nicht mit dem Gefühl übereinstimmen, erkannt werden. Es lässt sich schlussfolgern, dass bei Störungen in der Kommunikation nicht-kongruente Botschaften übermittelt werden. Die Aussagen sind dann nicht stimmig und verursachen deshalb Verwirrungen und Störungen im System. Gemäß der Schichtenlehre von Rothacker trägt ein guter Kontakt mit den inneren Seinsschichten zu einer stimmigen Kommunikation mit dem Gegenüber bei. Gemäß Olbrich spricht die analoge Kommunikation mit den Tieren den Menschen ganzheitlich an. Dies ermöglicht den Zugang zur tieferen persönlichen Innenwelt und ermöglicht einen stimmigen Austausch mit der Umwelt. Durch das Joining kann die Verbundenheit zwi- Forum: Röthlisberger - Feedback mup 4|2018 | 181 schen Pferd und Mensch gefördert werden. Wenn man Olbrichs Argumentation folgt, sollte es dann ebenfalls die Verbindung zwischen den Seinsschichten stärken. Die nonverbale Kommunikation während des Joinings kann den Zugang zu einer archaischen, emotionsvollen Kommunikation öffnen, welche bei tiefer Verbundenheit auftritt. Wenn das Joining gelingt und ein Gefühl der Verbundenheit zwischen Pferd und Mensch entsteht, fördert dies den Kontakt mit den inneren Schichten und den Zugang zu den Gefühlen. Konsequenzen für die Praxis Störungen der Kommunikation können durch das Fehlen von Stimmigkeit zwischen Gefühl und dem ausgedrückten Verhalten bedingt sein. Dies führt zu entsprechenden Reaktionen des Gegenübers. Pferde zeigen dies auf und reagieren darauf. Sie sind jedoch nicht nur die Spiegel unseres Verhaltens, sie haben selber eigene Bedürfnisse, welche sie ausleben. Im Sinne der Systemtheorie kommt es dadurch zu Rückkoppelungsprozessen. Diese laden die Klientel zu Interaktionen ein. In einem gegenseitigen Austausch wird das Verhalten angepasst, es werden neue Strukturen erlernt und in die bestehenden Strukturen integriert. Dies führt gesamthaft zu einer höheren Komplexität der vorhandenen Strukturen. Deshalb sollen die Pferde in der Therapie nicht nur Befehle und Anweisungen befolgen. Sie benötigen Freiraum, um die Signale der Klienten zu entschlüsseln und um darauf zu reagieren. Ihre Reaktion werden genutzt, um das Verhalten der Klientel zu reflektieren, Erkenntnisse daraus zu gewinnen und um ihrerseits das Verhalten anzupassen. Dies führt zu einem lebendigen entwicklungsfördernden Prozess. Das Horsemanship bietet sich in verschieden Bereichen als Interventionsmöglichkeit an. Für die Therapeutin / den Therapeuten bedeutet dies, die Rolle des Vermittlers zwischen Pferd und der Klientin / des Klienten einzunehmen. Es obliegt der Verantwortung der Fachfrau / des Fachmannes PT, diesen Prozess zu strukturieren, den Raum und den Rahmen zu geben. Dafür bringt die Fachperson interdisziplinäres Wissen aus den beteiligten Disziplinen mit und die Reflexionsfähigkeit, um ihre Arbeit zu überprüfen und anzupassen. Am wichtigsten erscheint es jedoch, dass die Arbeit von dem Wissen getragen ist, dass soziale Wesen sich gegenseitig erspüren und fühlen können. Dass sie aufeinander reagieren, miteinander in Beziehung treten und dass dieser Kontakt für die Interaktionspartner Bedeutung und Wichtigkeit hat. Literatur ■ Koch-Engel, M. (2008): Zum nichtsprachlichen Verstehen zwischen Mensch und Pferd: Horsing. In: Fachgruppe Arbeit mit dem Pferd in der Psychotherapie (FAPP), Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten. (DKThR) (Hrsg.): Psychotherapie mit dem Pferd. FN, Warendorf, 145-160 ■ Olbrich, E. (2003): Kommunikation zwischen Mensch und Tier. In: Olbrich, E., Otterstedt, C. (Hrsg.): Menschen brauchen Tiere. Franckh-Kosmos, Stuttgart, 84-90 ■ Rothacker, E. (1965): Die Schichten der Persönlichkeit. J. Bouvier, Bonn ■ Theunissen, G. (2014). Menschen im Autismus- Spektrum. Kohlhammer, Stuttgart ■ Watzlawick, P. (2001): Wie wirklich ist die Wirklichkeit. Wahn, Täuschung, Verstehen. Piper, München ■ Watzlawick, P., Beavin, H. J., Jackson, D. (1982): Die menschliche Kommunikation. Formen Störungen Paradoxien. 6. Aufl. Hans Huber, Bern ■ Welz, H. (2003): Entdecke den Horseman in dir. Elf Schritte zu Gelassenheit und Sicherheit mit dem Pferd. Franckh-Kosmos, Stuttgart ■ Welz, H. (2002): Pferdeflüstern kann jeder lernen. Die erfolgreichsten Joining-Techniken Schritt für Schritt. Franckh-Kosmos, Stuttgart Die Autorin Silvia Röthlisberger Sozialarbeiterin BA, Sozialberatung, Abklärungen und Mandatsführung im Kindes- und Erwachsenenschutzbereich Anschrift Hauptstr. 127 · CH-3852 Ringgenberg silvia_roethlisberger@gmx.ch
