mensch & pferd international
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2018.art03d
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Forum: Zertifizierung von Betrieben Pferdegestützter Interventionen. Ein weiterer Schritt zur flächendeckenden Qualitätssicherung
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Kerstin Baumer
Julia Brückner
Elke Jaroschek
Wie wichtig eine qualitativ hochwertige Ausbildung von Fachkräften und Therapiepferden im Bereich der Pferdegestützten Interventionen ist, wurde schon oft dargestellt und diskutiert. Auch der Berufsverband für Fachkräfte Pferdegestützter Interventionen (PI) mit Sitz in Deutschland und Landessektionen in Österreich und der Schweiz setzt sich sehr für eine fundierte Ausbildung der Fachkräfte ein und hat in seinen Leitlinien entsprechend hohe Anforderungen festgelegt. Nur Fachkräfte, die diese Standards durchlaufen haben und einen sozialen Grundberuf ebenso wie eine reiterliche Qualifizierung nachweisen, werden vom Berufsverband als Mitglieder aufgenommen. Eine ausführliche Darstellung hierzu findet sich im Beitrag „Weiterbildung in der pferdegestützten Therapie und Pädagogik: Qualität als Sicherheitsfaktor“ in der Ausgabe 3 / 2017.
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14 | mup 1|2018|14-16|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2018.art03d Forum Zertifizierung von Betrieben Pferdegestützter Interventionen Ein weiterer Schritt zur flächendeckenden Qualitätssicherung Kerstin Baumer, Julia Brückner, Elke Jaroschek Wie wichtig eine qualitativ hochwertige Ausbildung von Fachkräften und Therapiepferden im Bereich der Pferdegestützten Interventionen ist, wurde schon oft dargestellt und diskutiert. Auch der Berufsverband für Fachkräfte Pferdegestützter Interventionen (PI) mit Sitz in Deutschland und Landessektionen in Österreich und der Schweiz setzt sich sehr für eine fundierte Ausbildung der Fachkräfte ein und hat in seinen Leitlinien entsprechend hohe Anforderungen festgelegt. Nur Fachkräfte, die diese Standards durchlaufen haben und einen sozialen Grundberuf ebenso wie eine reiterliche Qualifizierung nachweisen, werden vom Berufsverband als Mitglieder aufgenommen. Eine ausführliche Darstellung hierzu findet sich im Beitrag „Weiterbildung in der pferdegestützten Therapie und Pädagogik: Qualität als Sicherheitsfaktor“ in der Ausgabe 3 / 2017. Mindestens genauso wichtig für ein qualitativ hochwertiges reittherapeutisches Angebot ist aber auch eine Evaluation der gesamten „Rahmenbedingungen“, in denen die pferdegestützten Interventionen stattfinden. Dazu zählen zum Beispiel der Hof mit der zur Verfügung stehenden Infrastruktur (Betriebsstätte), wichtige Sicherheitsfaktoren wie barrierefreie Zugänge, rutschfreie Wege und Aufstiegshilfen, aber auch ganz wesentlich die Form der Pferdehaltung, die vorhandenen Stallungen sowie die Fütterung und der Gesundheits- und Trainingsstatus der Therapiepferde. Umfassender Katalog der AG Zertifizierung Zwei Jahre lang hat die „Arbeitsgruppe Zertifizierung“ des Berufsverbands für Fachkräfte Pferdegestützter Interventionen recherchiert, diskutiert und Informationen zusammengetragen, um einen umfassenden Katalog für die Zertifizierung von Höfen zu entwickeln, auf denen Fachkräfte der PI tätig sind. Da eine Zertifizierung und der damit verbundene Erwerb einer Hof-Plakette aber immer auch mit Kosten verbunden sind, entschloss sich der Vorstand im Sommer 2016, zunächst eine Umfrage unter den Mitgliedern des Berufsverbands durchzuführen. Fast einstimmig sprachen sich die Mitglieder FÜR eine Zertifizierung durch den Berufsverband PI aus. Zwei Drittel befürworteten, dass neben der Anlage auch die Pferdehaltung begutachtet wird, immerhin die Hälfte sprach sich auch für eine Evaluierung des Zustands der Pferde aus. Sehr kontrovers fielen allerdings die Meinungen zu den Kosten einer Zertifizierung aus, da beispielsweise auch von Seiten des Veterinäramtes oder der LAG (Laufstall-Arbeitsgemeinschaft) bereits kostenpflichtige Betriebsprüfungen durchgeführt werden (müssen) und der Kostendruck im Bereich der Pferdegestützten Interventionen ohnehin schon sehr hoch ist. Einige waren der Meinung, dass eine Zertifizierung keine weiteren Kosten verursachen darf, andere waren bereit, bis zu 500 Euro für eine Erstzertifizierung zu bezahlen. Allen befragten Fachkräften dürfte das Dilemma bewusst sein: Nur mit einer Art „Qualitätssiegel“ kann das Berufsbild weiter gestärkt Forum: Baumer, Brückner, Jaroschek - Zertifizierung von Betrieben Pferdegestützter Interventionen mup 1|2018 | 15 und anerkannt werden, können langfristig auch höhere Honorare durchgesetzt werden. Diese jedoch fehlen im Moment oft noch, sodass viele Betriebe kaum kostendeckend wirtschaften und zusätzliche Kosten durch eine Zertifizierung die Bilanz weiter belasten würden. Ein ganz ähnliches Ergebnis zeigte sich bei der Mitgliederversammlung des Berufsverbands PI im Oktober 2016. Auch hier bestätigten alle anwesenden Fachkräfte, wie wichtig es sei, eine solche Zertifizierung und ein entsprechendes „Aushängeschild“ zu haben, um den hohen Qualitätsstandard der reittherapeutischen Arbeit auch für Klienten und Kostenträger noch einmal deutlich zu machen. Doch die vom Berufsverband PI kalkulierten Kosten für jede einzeln durchgeführte Zertifizierung eines reittherapeutischen Betriebes wären für die Mehrheit finanziell einfach nicht zu leisten gewesen. Selbstevaluation und Stichproben Da sich eine Zertifizierung durch Dritte (noch) nicht umsetzen ließ, entschied sich der Vorstand des Berufsverbands PI zunächst für die Möglichkeit einer ausführlichen Selbstevaluation seiner Mitglieder. In Verbindung mit einer Selbstverpflichtung sind die Mitglieder angehalten, ein qualitativ hochwertiges therapeutisches Angebot für ihre Klienten zu bieten, die Bedürfnisse der Therapiepferde zu achten und alle notwendigen Bedingungen für einen sicheren Therapiebetrieb zu gewährleisten. Mit der Selbstevaluation kann eine Stallplakette beim Berufsverband PI beantragt werden. Wer sich einen Eindruck von dem ausführlichen Fragebogen verschaffen möchte, findet das Inhaltsverzeichnis unter www.berufsverband-pi.de Der Fragebogen zur Selbstevaluation, der seit Juli letzten Jahres den Mitgliedern des Berufsverbands PI zur Verfügung steht, gliedert sich in neun große Bereiche: Pferdewirtschaftlicher Betrieb In dieser Kategorie wird der Betrieb beurteilt, in dem die Pferde untergebracht sind. Die Größe des Betriebes und die Lauf- und Weideflächen werden ebenso beschrieben wie die Betriebsart, die Lage und andere Besonderheiten der pferdegestützten Arbeit. Pferdehaltung In dieser Kategorie werden wichtige Kriterien zu Haltung und Auslauf beurteilt. Leben die Pferde in einem festen Herdenverband im Offen- oder Laufstall, haben sie mindestens 8 Stunden am Tag Auslauf auf Weiden oder Paddocks, ganzjährigen Weidegang etc. Bewegungsflächen Hier werden die Anforderungen an Weiden und Ausläufe formuliert. Auf Koppeln und Auslaufflächen bewegen sich die Pferde im Herdenverband, womit wichtige Grundbedürfnisse nach Bewegung und sozialer Interaktion mit Artgenossen erfüllt sind. Stallungen In der Kategorie „Stallungen“ werden die Mindestanforderungen an eine artgerechte Unterbringung der Pferde in Stallungen festgelegt. Die Stallungen sollen luftig, hell, staub- und durchzugsfrei sein. Ebenso muss jedem Pferd eine ausreichend große Fläche zum Liegen, Stehen und Bewegen zur Verfügung stehen. Auch Einstreu und Zustand der Stallungen werden beurteilt. Reitanlage und Nebenräume Hier wird die Reitanlage oder der Hof mit seinen Reitplätzen, Gebäuden, Wegen und anderen Einrichtungen wie sanitären Anlagen, Aufenthaltsräumen etc. beschrieben. Futter und Fütterung In dieser Kategorie werden Menge und Darreichungsform des Futters erfasst. Denn art- und leistungsgerechtes Futter sowie regelmäßige und ausreichende Futterzeiten sind für alle Pferde ein Muss. Konstitution der Therapiepferde Die Anzahl der Pferde, die im Therapiebetrieb arbeiten, wird aufgeführt, ebenso der Anteil der eigenen 16 | mup 1|2018 Forum: Baumer, Brückner, Jaroschek - Zertifizierung von Betrieben Pferdegestützter Interventionen oder Leihpferde. Darüber hinaus wird das Exterieur der Pferde beschrieben und ihr physischer und psychischer Zustand eingeschätzt. Pferdeausbildung und Training Hier werden Angaben zur reiterlichen Grundausbildung der Pferde, zur Führ- und Bodenarbeit sowie zur Arbeit an der Longe und am Langzügel gemacht. Weitere Kriterien sind der Einsatz der Therapiepferde, die entsprechende Planung und Dokumentation sowie die Ausgleichsarbeit. Darunter wird eine sinnvolle und der Konstitution des Pferdes angemessene ausgleichende Bewegung zu den Therapieeinsätzen verstanden. Sicherheitsvorkehrungen In dieser Kategorie geht es um die Sicherheit sowohl von Klienten als auch Mitarbeitern während des Aufenthalts auf dem Hof. Abgefragt werden neben ausreichender Beleuchtung, Notfallapotheke und Erste-Hilfe-Kenntnissen unter anderem auch die Stabilität von Aufstiegshilfen, der einwandfreie Zustand der Reitausrüstung sowie eine gültige Betriebshaftpflichtversicherung. Zwei Anhänge zum Tierschutzgesetz nach §§ 2 und 11 sowie eine ausführliche Checkliste zur Therapiedokumentation runden den Fragebogen ab. In allen Kategorien gibt es Pflichtvoraussetzungen, die erfüllt sein müssen. Von den Kann- Kriterien müssen 80 % in jedem Bereich erreicht werden, um eine Plakette zu erhalten. Der Berufsverband PI behält es sich außerdem vor, die eingereichten Fragebögen durch Stichproben zu überprüfen. Die Zertifizierung in Selbstevaluation hat eine Gültigkeit von fünf Jahren und kostet 50 Euro für die Bearbeitung und Auswertung des Fragebogens sowie den Versand der Stallplakette. Die Autorinnen Kerstin Baumer Vorstandsmitglied im Berufsverband PI bis Oktober 2017, Diplom- Psychologin, Reittherapeutin IPTh, Beraterin, in der Fort- und Weiterbildung von Reittherapeuten beschäftigt ebenso wie freiberufliche therapeutische Arbeit mit Pferden im Schwerpunkt psychisch kranke Erwachsene. Julia Brückner Sonderpädagogin an einer Schule für Erziehungsschwierige in Viersen (NRW), Reittherapeutin AGRT, seit 2010 freiberuflich als Reittherapeutin tätig. Elke Jaroschek Vorstandsmitglied im Berufsverband PI Erzieherin, Reittherapeutin, Mitglied im Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Reiten und Therapie e. V., selbstständig als Reittherapeutin mit vier Pferden auf eigenem Hof tätig. Anschrift Berufsverband für Fachkräfte Pferdegestützter Interventionen D-47638 Straelen · Sanger Weg 41 · info@berufsverband-pi.de
