mensch & pferd international
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Forum: Therapiepferde gesund füttern
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Patricia Wanas
Du bist, was Du isst – dieses Sprichwort gilt nicht nur für uns Menschen, sondern auch für unsere Pferde. Pferde haben sich seit 50 Millionen Jahren entwickelt und sehr erfolgreich der Evolution angepasst. Seit 8000 Jahren werden sie domestiziert. In der Natur werden sie 30 bis 40 Jahre alt, legen dabei täglich zwischen 20 und 60 Kilometer zurück, sind äußerst soziale Wesen, die außer bei Klärung der Rangordnung und Flucht vor einem Raubtier auch sehr umgänglich, gelassen und entspannt, aber aufmerksam sind. Dabei fressen sie den Großteil der Zeit trockenes Gras, Kräuter, Blätter, Zweige, Wurzeln, Nüsse und Samen. [...]
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124 | mup 3|2019|124-130|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2019.art15d Forum Therapiepferde gesund füttern Patricia Wanas Du bist, was Du isst - dieses Sprichwort gilt nicht nur für uns Menschen, sondern auch für unsere Pferde. Pferde haben sich seit 50 Millionen Jahren entwickelt und sehr erfolgreich der Evolution angepasst. Seit 8000 Jahren werden sie domestiziert. In der Natur werden sie 30 bis 40 Jahre alt, legen dabei täglich zwischen 20 und 60 Kilometer zurück, sind äußerst soziale Wesen, die außer bei Klärung der Rangordnung und Flucht vor einem Raubtier auch sehr umgänglich, gelassen und entspannt, aber aufmerksam sind. Dabei fressen sie den Großteil der Zeit trockenes Gras, Kräuter, Blätter, Zweige, Wurzeln, Nüsse und Samen. Das Durchschnittsalter unserer Pferde beträgt derzeit 11 Jahre. Manche Menschen sperren die Tiere in Gitterboxen, erlauben ihnen einige Stunden Auslauf auf einer kleinen Koppel, manchmal auch noch allein, wo sie ohne Witterungsschutz, ohne Futter und ohne Sozialkontaktmöglichkeiten herumstehen und warten, bis sie wieder in ihr „Wohnklo“ zurück können. Nicht wenige Pferde sehen im Winter wochenlang außer der Box und der Reithalle nichts. Dazu wird in vielen Ställen am Heu gespart, dafür wird umso mehr Kraftfutter gefüttert, das ist billiger und leichter zu bekommen. Ist es wirklich verwunderlich, dass es immer mehr Sehnenschäden, Koliken, verspannte, blockierte und gestresste Pferde, des Weiteren zahlreiche Kotwasserpatienten und Tiere mit erhöhtem ACTH-Wert gibt? Meiner Meinung nach nicht. Deshalb sprechen auch viele kranke Pferde sehr gut auf Futterumstellung und Haltungsoptimierung an. Gott sei Dank gibt es aber auch - besonders unter den Therapiepferdebesitzern - ein Umdenken: Man macht sich Gedanken, wie es möglich ist, seinen wichtigsten beruflichen Partner glücklich und gesund zu erhalten. Was ist dazu wichtig? Neben der Möglichkeit, immer oder meistens Sozialkontakt mit Artgenossen - die man gut leiden kann in einer stabilen, ruhigen Herdenkonstellation - zu haben und Bewegungsfreiheit in allen drei Gangarten, sollte es auch für jedes Pferd die Möglichkeit zum Rückzug oder zum Hinlegen in einem sauber eingestreuten Bereich geben. Die Bedeutung des Raufutters in der Pferdefütterung Wasser, Heu, ein Salzleckstein und eine Mineralleckschale sollten immer angeboten werden. Dabei sollte das Heu bestenfalls sowohl im Freien als auch unter einem Dach zur Verfügung stehen. In der Pferdefütterung sollte das größte Augenmerk auf die hervorragende Qualität des Heus gelegt werden. Von einem schimmligen Ballen nur die verfärbten Stellen zu entfernen und den Rest zu verfüttern ist fahrlässig! Gutes Pferdeheu sollte grobstängelig sein, möglichst grün, nach Kräutern duften, nicht oder kaum stauben, bzw. wenn es staubt, sollte man keinen Hustenreiz bekommen und selbstverständlich muss es giftpflanzenfrei sein. Forum: Wanas - Therapiepferde gesund füttern mup 3|2019 | 125 Der Zuckergehalt für Pferde wäre optimal bei 4 bis 6 %, bei Sportpferden kann er höher sein. Wenn Heu ad libitum gefüttert werden soll, was der artgerechtesten Haltung entsprechen würde, sollte der Zuckergehalt dennoch nicht zu hoch sein. Wenn man gar kein anderes Heu bekommt, kann man Heu mit Zuckergehalt von 10 bis 12 % mit Biostroh mischen und zeitweise in engmaschigen Netzen anbieten. Konventionelles Stroh enthält evtl. Rückstände von Spritzmitteln und Halmverkürzern, daher ist es nicht geeignet, ein Pferd gesund zu erhalten. Vor 20 Jahren galt noch die Lehrmeinung 1 kg Heu und 1 kg Kraftfutter pro 100 kg Pferd. Das wurde schon lange widerlegt. Für den Erhaltungsbedarf mit leichter Arbeit benötigt ein 500 kg Pferd mind. 13 kg Heu, Salz und Mineralstoffe, ein 1000 kg schweres Pferd mind. 23 kg Heu pro Tag. Im Schnitt fressen Pferde an einem Kilogramm Heu 40 bis 50 Minuten, wenn es nicht ad lib. angeboten wird, sollte man darauf achten, dass die Heupausen nie länger als 2 Stunden betragen. Prinzipiell ist die physiologische Kopfhaltung vom Boden aus, also sind hochgehängte Heunetze absolut kontraproduktiv. Bewährt haben sich überdachte Heuraufen oder Heuglocken und zusätzlich kleine Mengen an verschiedenen Stellen im Stall vom Boden oder einer Kiste aus. Es ist nicht zielführend, in einem großen Offenstall nur ein oder zwei große Fressstellen zu haben, und die womöglich noch erhöht: Bei Verabreichung von Heu im Offenstall sollte immer eine Heustelle mehr als Anzahl der Pferde vorhanden sein. Somit kann auch das rangniedrigste Pferd immer stressfrei fressen und die Pferde bewegen sich auch deutlich mehr als bei nur 1-2 Fressstellen. Interessanterweise gibt es in den letzten Jahren eine Zunahme von schmerzhaften Veränderungen in der Halswirbelsäule der Pferde. Die Vermutung liegt nahe, dass dies mit den Heunetzen zusammenhängt. Besser ist es, möglichst den ganzen Auslauf und den Stall zu nutzen, um sie zum Gehen zu animieren. Paddock Trail Ställe mit täglichem Abmisten sind sicher derzeit die beste Stallhaltung, ich hoffe, sie werden in Zukunft Standard bei neu errichteten Stallungen. Wenn der Mensch den Pferden Heupausen verschreibt, führt das immer zu Stress und auch mehr Unruhe im Stall. Die Tiere fressen dann bei der Fütterung deutlich schneller, kauen weniger intensiv, speicheln dadurch ihr Futter nicht optimal ein und haben immer den Hintergedanken, dass sie eine Portion versäumen könnten. In Stallungen, wo das Heu nie ausgeht, sieht man zu jeder Tages- und Nachtzeit manche Pferde liegen oder schlafen, sie fressen ruhig, vertragen sich meistens und es gibt so gut wie nie Koliken oder Verletzungen, bei denen man einen Tierarzt hinzuziehen muss. Sie machen dann auch von sich aus Heupausen von einer halben bis zu einer Stunde. Alles, was länger als 4 Stunden ohne Raufutter beträgt, führt verlässlich zu Magengeschwüren. Wenn ich ein ausgeglichenes, fittes, gesundes und langlebiges Pferd möchte, sollte ich auch sparsam mit dem Kraftfutter und wählerisch mit den Belohnungen sein. Bei bis zu einer Stunde leichter Arbeit (das beinhaltet 20 Minuten Trab und 15 Minuten Galopp) braucht ein Pferd nichts außer gutem Heu ad lib., Wasser, Salz und Mineralstoffe. Abb. 1: Fressen aus einer Heuglocke 126 | mup 3|2019 Forum: Wanas - Therapiepferde gesund füttern Darüber hinaus kann man Voll- und Warmblütern Hafer geben, etwa einen halben Liter bis Liter pro weitere Stunde Arbeit. Der Hafer wird relativ rasch in Glycogen umgewandelt, das in der Leber gespeichert wird und dann auch innerhalb des Tages wieder verbraucht werden sollte. Das passiert bei intensivem Training oder wenn sich eine Herde wirklich viel, schnell und lange genug z. B. bergauf und bergab bewegt. Wird dreimal täglich Kraftfutter gegeben und werden die Pferde aber nicht entsprechend beansprucht, ist irgendwann die Speicherkapazität der Leber voll und das Insulin, das den Zucker aus dem Blut in die Leber abgeben möchte, kann das nicht mehr tun. Irgendwann kommt es dann zur Insulinresistenz mit all seinen Folgeerscheinungen. Vorher sind typische Anzeichen Schreckhaftigkeit, Rückenschmerzen, Probleme mit dem Bewegungsapparat und Hautprobleme. Kaltblüter, Araber und Ponys vertragen gequetschte Gerste besser, wenn sie wirklich viel leisten müssen. Die wird etwas langsamer verstoffwechselt, aber auch hier gilt nur nach strenger Indikation und unbedingt ausschließlich gequetscht. Sehr gut bewährt hat sich auch die Esparsette, eine Pflanze, die verwandt ist mit der Luzerne, aber eine bessere Aminosäurenzusammensetzung hat, nämlich genau die enthält, die wichtig sind für den Muskelaufbau, also Lysin und Methionin, aber dabei nicht so viel überschüssige Energie bringt, dass das Pferd schreckhaft oder überdreht wird, was bei Therapiepferden fatal enden könnte. Auch sehr empfehlen kann ich die Wiesenwuzerl, das sind Bio-Kräuterheupresslinge, die im Vergleich zu vielen anderen eine kurze Faserlänge haben. Wenn Sie Wiesencobs oder Mischfutter mit Strukturanteil kaufen, achten Sie bitte auf die Faserlänge, diese sollte unter 1 cm oder über 8 cm liegen! Physiologie und Anatomie des gesunden Pferdeverdauungstraktes Gehen wir nun einmal die Physiologie und Anatomie des gesunden Pferdeverdauungstraktes durch (Fritz 2016): Im Maul sortiert das Pferd die Futterbestandteile aus, spuckt unerwünschte oder giftige Teile wieder aus und macht sich dann eine Futterrolle aus den Halmen, die 8 cm oder länger sind, die es sich zwischen die Zähne legt und durch das Mahlen immer ein Stück weiter nach hinten schiebt. Vor dem Abschlucken beträgt die Faserlänge 2 bis 5 mm. Pferde mit extrahierten Zähnen oder mit gravierenden Zahnproblemen spucken die Rollen wieder aus, diese werden gerne von Artgenossen als „Fast Food“ aufgenommen, weil sie schon vorsortiert und eingespeichelt sind. Wenn ich dem Pferd jetzt aber Futter mit Strukturanteilen gebe, die eine Faserlänge von 2-8 cm haben, können die Pferde aus diesen keine Rolle machen und sie weiter zerkleinern, diese Fasern gelangen in der Länge bis in den Dickdarm, wo sie dann bis zu einer Woche liegen und oft zu Fehlgärungen führen. Das sind z. B. jene Pferde, die immer Flatulenzen beim Antraben oder Angaloppieren hören lassen, leicht aufgasen, wenn sie länger in der Box stehen oder zu Koliken und angelaufenen Beinen neigen. Des Weiteren ist im Maul die Speichelproduktion enorm wichtig, nicht nur für die Feuchtigkeit und Schleimstoffe, sondern besonders für die pH- Regulation. Ein Pferd tätigt für ein Kilogramm Heu 3000 bis 3500 Kauschläge, produziert 3-5 l Speichel und benötigt dafür etwa 40 bis 50 Minuten. Im Gegensatz dazu sind es bei einem Kilogramm Kraftfutter 800 bis 1200 Kauschläge, nur 1-2 l Speichel und es ist in 8 bis 15 Minuten fertig (Fritz 2016, 16 ff.) Der Magen des Pferdes ist sehr klein und hat nur 8-15 Liter Fassungsvermögen, das macht auch Sinn, denn in der Natur ist er nie leer, weil das Pferd ja fast ständig frisst. Nach 2-6 Stunden sollte das Futter den Magen wieder verlassen. Forum: Wanas - Therapiepferde gesund füttern mup 3|2019 | 127 Im vorderen Bereich des Magens gibt es bei einem pH-Wert von 5-6 einige Milchsäurebakterien, der einzige Platz, wo sie im Pferd natürlicherweise vorkommen. Weiterhin wird hier Stärke und Zucker vorverdaut und Pepsin produziert. Im hinteren Bereich des Magens ist der pH- Wert noch niedriger, bei 2,5 bis 3,5. Nach langen Fresspausen kann er bis 1,3 absinken. Das ist sehr aggressiv. Würde ein Tropfen von dieser Flüssigkeit auf die Haut kommen, wäre an der betroffenen Stelle sofort ein Loch hinein geätzt. Hier kommt es zur Vorverdauung von Proteinen und zur Produktion von Salzsäure. Wenn das Pferd genug Heu zu fressen bekommt, produziert es im Speichel genug Natriumbikarbonat, das die Salzsäure abpuffert und alles im richtigen Gleichgewicht hält; wenn nicht, führt der hohe Salzsäuregehalt zu Magengeschwüren. Da bei 60 bis 80 Prozent der Warm- und Vollblüter Magengeschwüre festgestellt werden, dürfte die sparsame Heufütterung eines der größten selbstgemachten Probleme unserer Zeit sein. Manchmal kommen Magengeschwüre im hinteren Bereich vor, bei Pferden, die Heu ad lib. bekommen, aber sonst unter ständigem Stress stehen. Das kann ein unsympathischer Boxennachbar sein, Mobbing in der Herde, ein unpassender Sattel, ein grober oder gestresster Reiter, schmerzhafte Reitweisen (Rollkur, etc.). Typische Zeichen für Magengeschwüre sind häufiges Flehmen, Gähnen, exzessives Heuwässern des Pferdes, Unwilligkeit beim Satteln, aggressives Verhalten anderen gegenüber bei der Heufütterung u. v. m. (Fritz 2016, 21 ff.). Der Dünndarm hat eine Länge von 20 bis 30 Meter und eine große Oberfläche für eine schnelle Nährstoffaufnahme. Hier verweilt das Futter 1,5 Stunden. Das Pferd produziert in der Leber Gallenflüssigkeit und in der Bauchspeicheldrüse das Pankreassekret, diese beiden neutralisieren den Nahrungsbrei. Weiterhin werden die Verdauungsenzyme für Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße zugesetzt, diese werden dabei abgebaut und können vom Körper aufgenommen werden. Auch viele Mineralien, Spurenelemente und Vitamine werden im Dünndarm aufgenommen. Was dem Pferd fehlt, ist die Gallenblase, da seit Millionen von Jahren kein Bedarf war, so viel Galle zu produzieren, um sie extra abzuspeichern. Pferde können Öle als Energiequelle nur sehr begrenzt nutzen, aber die Nebenwirkungen sind enorm. Wenn ich täglich Öl ins Pferd schütte, blockiere ich die Enzyme im Dünndarm, das Futter bekommt eine Fettschicht, die nicht mehr emulgiert werden kann und damit kann das Pferd nicht einmal mehr sein Heu verwerten. Im Dickdarm schädigt das Öl empfindlich die Darmflora und das Pferd hat eine wesentlich schlechtere Energieausbeute aus dem Futter als ohne Öl. Rechnerisch auf dem Papier mag das Ergebnis wohl passen, aber das Pferd ist darauf ausgelegt, seine Energie hauptsächlich aus Cellulose zu gewinnen. Wenn davon zu wenig vorhanden ist, zapft er seine Aminosäuren an, baut also Muskeln ab. Erst in letzter Instanz versucht er aus der Fettverbrennung Energie zu gewinnen. Es macht schon Sinn, einem Pferd im Winter mal eine Kur von Wildsamen zu gönnen oder hin und wieder eine Handvoll Sonnenblumenkerne, aber bitte nicht tatsächlich Öl füttern, wenn Sie Ihr Pferd langfristig gesund erhalten wollen (Fritz 2016, 26 ff.). Der Dickdarm ist etwa 1 Meter lang und umfasst 33 Liter. Der Grimmdarm ist mit 10 Metern und seinen 50 bis 60 l Fassungsvermögen der größte Teil des Verdauungstraktes. Hier sollte der pH-Wert neutral bis leicht basisch sein. Das Pferd lebt in Symbiose mit den Darmbakterien, die für die mikrobielle Fermentierung der Strukturkohlenhydrate, also Cellulose und Pektin verantwortlich sind. Mit diesen steht oder fällt die Gesundheit des Pferdes, hier ist auch ein wichtiger Teil des Immunsystems beheimatet. Beim Abbau der Pflanzenzellen durch die Bakterien werden Mineralien, Spurenelemente und Vitamine freigesetzt. Außerdem produziert die 128 | mup 3|2019 Forum: Wanas - Therapiepferde gesund füttern Darmflora essenzielle Aminosäuren und aktivierte Vitamine des B- und K- Komplexes. Besonders das aktivierte Vitamin B6 (P5P) ist extrem wichtig für das Pferd und zwar in der Entgiftungsreaktion der Leber. Fehlt dieses, kann das Pferd nicht mehr von der ersten in die zweite Phase gelangen und die Entgiftungsreaktion bricht in der Mitte ab. Hochgiftige Zwischenprodukte entstehen, die der Körper an Zink, Selen, Schwefel und Mangan koppelt, welche ihrerseits dann in den Mangel gehen. Immer mehr Giftstoffe werden im Bindegewebe zwischengelagert, was zu einer vermehrten Anfälligkeit für Sehnen- und Bänderschäden führt und wegen Überlastung der Leber und Niere zu zahlreichen Folgeerscheinungen, wie Hautproblemen, Hufproblemen, chronischem Husten, Stoffwechselkrankheiten, intermittierende Lahmheiten, Darmproblemen wie Kotwasser, Blähungen, Koliken, Durchfällen sowie Mineralisierungsstörungen wie Überbeinen, Zahndemineralisierungen etc. (Fritz 2016, 37 ff.). Do’s and Don’ts der Pferdefütterung Welche Nahrungsmittel sollte man vermeiden, um den Darm nicht zu belasten? Die Silage Meiner Erfahrung - und auch allen angegebenen Literaturangaben außer einer - nach, gehört Silage unbedingt vermieden in der Pferdefütterung, diese führt zu einer enormen Vermehrung der Milchsäurebakterien im gesamten Magen- und Darmtrakt des Pferdes, welche mir die erwünschte Darmflora verdrängen und damit einen Großteil des Immunsystems langfristig lahmlegen. Das Pferd ist völlig übersäuert, ohne dass der Reiter noch aufgestiegen ist. Durch die Senkung des pH-Wertes arbeiten die Verdauungsenzyme ineffizienter, weil sie ihr pH-Optimum dringend benötigen, daraus folgt ein Nährstoffmangel für das Pferd, weil auch das Kraftfutter in den Dickdarm gelangt. Die pH-Senkung im Dickdarm durch die Milchsäure führt zu Dysbiose, Mangel an B-Vitaminen, chronischen Darmschleimhautentzündungen, Überlastung der Leber und ihrer Entgiftungskapazität (Kryptopyrrolurie, kurz KPU). Außerdem kommt es zu Einlagerungen von Säuren und Giftstoffen im Bindegewebe, was dazu führt, dass das Pferd optisch zunimmt, aber leider nicht muskulär, sondern nur aufgeschwemmt und vergiftet. Nicht unmittelbar, aber recht verlässlich mit einer Zeitverzögerung kommt es zu vielen Folgekrankheiten wie Kotwasser, Koliken, Magen-Darmgeschwüren, KPU, Hufrehe, Mauke, Abszessen, Lymphstau, angelaufenen Beinen, Leistungsabfall, Rückenblockaden etc. Es gab früher die Lehrmeinung, dass Silage besser für Huster ist. Wenn ein Pferd staubiges, also meist schimmliges Heu frisst und empfindlich und vorgeschädigt im Respirationstrakt ist, werden zunächst die Symptome des Hustens besser, wenn ich Silage oder Gärheu füttere. Allerdings ruiniere ich mir zeitversetzt, aber verlässlich die letzte gute Darmflora und habe nach längerer Fütterung ein KPU Pferd mit Milchsäurebakterien im Darm, Schimmelpilzen und Fäulnisprozessen. Das führt zu den oben genannten Erkrankungen, ich tausche quasi Pest gegen Cholera. Besser wäre es, hochwertiges Heu eine Zeitlang zu bedampfen und das Pferd möglichst viel an der frischen Luft zu halten und die KPU zu behandeln. Meiner Erfahrung nach erholen sich da die allermeisten Pferde und können danach auch trockenes hochwertiges Pferdeheu fressen, ohne rückfällig zu werden. Ich kenne auch keine Pferde, die auf Heu allergisch sind, aber viele, die auf schimmliges Raufutter mit Allergiesymptomen reagieren, eigentlich eine vernünftige Reaktion des Körpers. Jetzt möchte ich auf ein weit verbreitetes Futtermittel eingehen, dessen Ruf besser ist als seine Wirkung auf das Pferd. Der Mais Mais enthält in erster Linie Stärke, deshalb wird er auch in der Schweine- oder Geflügelmast gerne eingesetzt. Ohne thermischen Aufschluss gelangt die schwer verdauliche Stärke in den Dickdarm des Pferdes und stört dort empfindlich die Darmflora. Ist der Mais geflockt, wird die Stärke aufgeschlossen und damit zu leicht verdaulich für das Pferd. Sie gelangt sehr rasch ins Blut und führt zu erheblichen Blutzuckerschwankungen, ganz besonders, wenn die Pferde dreimal täglich gefüttert, aber nur einmal täglich bewegt werden und das nicht so stark, dass der Körper den Zucker des Maises wieder verbrannt hat. Pferde sind von Natur aus auf relativ kleine Blutzuckerschwankungen eingestellt, durch Maisfütterung entstehen hohe Amplituden des Blutzuckers, der zu Insulinresistenz führen kann. Forum: Wanas - Therapiepferde gesund füttern mup 3|2019 | 129 Mais liefert dem Pferd wenig Proteine und die sind von minderer Qualität. Geflockter Mais wird im Pferd sehr rasch in Zucker umgesetzt, den das Pferd aber nicht sauber verstoffwechseln kann und zu Milchsäure abbaut, welche dann im Bindegewebe eingelagert wird. Dann zieht sich der Körper Wasser hinzu, um es zu verdünnen und das Pferd nimmt optisch zu, allerdings nicht an Muskulatur, sondern durch Wasser im Bindegewebe. Nicht zufällig sieht man in Stallungen, wo viel Mais gefüttert wird, viele Pferde mit Sehnenproblemen, angelaufenen Beinen, Allergien und Leistungsabfall. Auch bei den Belohnungen bitte darauf achten, dass kein Mais enthalten ist, gerade Therapiepferde werden viel belohnt von den Kindern, da summiert sich der ungesunde Effekt leicht auf eine Überdosis. Lieber eine Biokarotte in kleinen Scheiben als Belohnung verwenden oder Kräuterleckerlis ohne Zucker. Weizen Weizen enthält Gluten (Klebereiweiß), der nicht nur beim Menschen zu immer mehr Problemen führt, insbesondere Diabetes, sondern auch beim Pferd fast immer zu Schleimhautentzündungen des Magen-Darmtraktes führt. Also alle glutenhaltigen Lebensmittel beim Pferd vermeiden, ganz besonders Brot, das nebenbei noch viele andere schädliche Stoffe für das Pferd beinhaltet. Gerade Reitställe sind beliebte Anlaufstellen für die Entsorgung von überschüssigem Brot - bitte den Pferden zuliebe davon Abstand zu nehmen! Melasse Melasse ist ein Abfallstoff aus der Zuckerproduktion, in Fertigmischungen und Leckerlis dient sie als Staubbinder und Geschmacksregulanz. Allerdings ist sie auch ein hervorragender Nährboden für Bakterien und Pilze, besonders, wenn der Müslisack einmal geöffnet ist. Melasse macht wie der Mais starke Blutzuckerschwankungen und führt die Pferde oft in eine Insulinresistenz. Wenn der Zucker aus dem Blut nicht mehr raus kann, verdickt das Blut und kann dann in der Niere nicht mehr ordentlich gefiltert werden. Die Leber ist dadurch doppelt geschwächt, weil sie mehr zu entgiften hätte, aber weniger kann, da die Darmflora die erforderlichen Stoffe nicht mehr liefert, besonders das P5P. So entsteht ein Teufelskreis, aus dem das Pferd nicht mehr selber raus kommt. Daher bitte keinesfalls Würfelzucker füttern, egal, wie brav das Pferd war oder was die Spanische Hofreitschule in der Werbung verkündet! Das Pferd ist NICHT darauf ausgelegt, mit Zucker gesund zu bleiben. Der Mensch übrigens ab einer gewissen Menge auch nicht, aber das ist ein anderes Thema … Rübenschnitzel, Weizenkleie und Co Rübenschnitzel bestehen aus Pektin und Zucker, binden durch Aufquellen teilweise Kotwasser und werden überall gerne als Geschmacksregulanz verwendet. Für die Darmflora wirken sie sich aber negativ aus, sollten also nur kurzfristig in Notfällen gegeben werden, wenn ein Pferd sonst gar nichts mehr frisst. Weizenkleie ist ein Abfallprodukt aus der Mehlherstellung. Da der Mehlkörper komplett abgetrennt ist, enthält es kein Gluten mehr, dafür aber sehr viel Phosphor und außerdem Phytate, die Calcium und Magnesium wegfangen. Weizenkleie muss immer nass gefüttert werden, da sonst Magensteine entstehen können. Die meisten Pferde fressen sie Abb. 2: Gute Fütterung, gute Haltung - gesunde Pferde 130 | mup 3|2019 Forum: Wanas - Therapiepferde gesund füttern sehr gerne, sie wird auch oft als Geschmacksregulanz verwendet. Bei schwerfuttrigen Pferden, zu Verstopfungskoliken neigenden oder total erschöpften Tieren kann man hin und wieder ein Mash kochen mit Leinsamen, Haferflocken, Weizenkleie und etwas Salz. Bierhefe bzw. Biertreber enthält zwar biologisch aktive B-Vitamine, aber sie siedelt sich im Dickdarm an und produziert dort Alkohol aus Zucker und Wasser. Weiterhin fördert sie die Ansiedlung von Milchsäurebakterien im Darm mit den oben genannten Folgen. Leinenextraktionsschrot ist ein Abfallprodukt aus der Leinölherstellung, enthält die Proteine des Leinsamens, und kann bei Sportpferden als Proteinlieferant eingesetzt werden bei geringer Ölbelastung. Nicht förderlich hingegen ist Sojaextraktionsschrot. Dieser entsteht als Abfallprodukt bei der Sojaölherstellung, ist fast immer genetisch verändert und hat ein ungünstiges Aminosäuremuster für das Pferd. Viele Pferde bekommen davon Blähungen und schwemmen auf. Kräuter in Form von ätherischen Ölen sollten nicht ins Pferd gelangen, frische oder getrocknete echte Kräutermischungen können die Gesundheit des Pferdes sehr positiv beeinflussen. Was auch nichts im Pferd verloren hat, sind Zitrusfrüchte und Bananen, sie enthalten zu viel Zucker, sind oft schadstoffbelastet und stören empfindlich die Darmflora. Also zusammenfassend kann man sagen, wenn man langlebige, gesunde, motivierte und zufriedene Pferde halten möchte, sei es als Therapie- oder Sporttier, sollte man großzügig und sehr wählerisch bei der Qualität des Heus sein, sparsam und tatsächlich leistungsangepasst beim Kraftfutter, frisches Wasser, den Salzleckstein und die Mineralleckschale bedenken und nebenbei nicht vergessen, dass das Pferd ein Herdentier, ein Lauftier und ein Fluchttier war und ist! Literatur ■ Fritz, C. (2012): Pferde fit füttern. Cadmos Verlag, Schwarzenbeck Weiterführende Literatur ■ Fritz, C. Maleh, S. (2016): Zivilisationskrankheiten des Pferdes. Sonntag Verlag Stuttgart ■ Heuschmann, G. (2008): Finger in der Wunde. 2. Aufl. WuWei Verlag, Schondorf ■ Meyer, H., Coenen, M. (2014): Pferdefütterung. 5. Aufl. Enke Verlag, Stuttgart ■ Schmidt, R. (2011): Pferde artgerecht halten. Müller Rüschlikon Verlag, Stuttgart Die Autorin Dr. Patricia Wanas Studium der Veterinärmedizin in Wien (Promotion 1998), Chiropraktik Ausbildung in Illinois, USA (2001 / 2002), Fachtierärztin für Chiropraktik (2005), Futterexpertin für Pferde, Kinesiologie, zahlreiche Ausbildungen im In- und Ausland mit Schwerpunkt Alternativmedizin Anschrift Dr. Patricia Wanas · Theresia Pampichler Straße 38 A-2000 Stockerau · patricia@wanashelp.at
