eJournals mensch & pferd international 11/2

mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2019.art09d
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Forum: Erste Hilfe beim Pferd

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Armin Hofer
Im Kontext der verschiedenen Sparten der pferdgestützten Interventionen ist das Pferd wohl unser wertvollstes Hab und Gut. Dennoch kann man leider nicht ausschließen, dass mehr oder weniger gravierende Krankheiten und / oder Verletzungen unsere wertvollen Mitarbeiter außer Gefecht setzen. Im Notfall ist man selber meist vor dem Tierarzt vor Ort und dann ist richtiges Handeln wichtig, um weitere Schäden zu vermeiden und gegebenenfalls die Erstversorgung durchzuführen. In folgendem Beitrag wird aus Sicht eines praktizierenden Tierarztes dargestellt, welche Maßnahmen ergriffen werden können. Dabei wird keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit erhoben, der Artikel soll lediglich erste Handlungsmöglichkeiten darstellen.
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mup 2|2019|69-75|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2019.art09d | 69 Forum Erste Hilfe beim Pferd Armin Hofer Im Kontext der verschiedenen Sparten der pferdgestützten Interventionen ist das Pferd wohl unser wertvollstes Hab und Gut. Dennoch kann man leider nicht ausschließen, dass mehr oder weniger gravierende Krankheiten und / oder Verletzungen unsere wertvollen Mitarbeiter außer Gefecht setzen. Im Notfall ist man selber meist vor dem Tierarzt vor Ort und dann ist richtiges Handeln wichtig, um weitere Schäden zu vermeiden und gegebenenfalls die Erstversorgung durchzuführen. In folgendem Beitrag wird aus Sicht eines praktizierenden Tierarztes dargestellt, welche Maßnahmen ergriffen werden können. Dabei wird keineswegs Anspruch auf Vollständigkeit erhoben, der Artikel soll lediglich erste Handlungsmöglichkeiten darstellen. Bevor wir uns nun mit konkreten Beispielen auseinandersetzen, wollen wir kurz einige allgemeine Aspekte darstellen. Zuallererst gilt es zu sagen, dass man als PferdebesitzerIn / -halterIn / ReiterIn dafür verantwortlich ist, das Verletzungs- und Krankheitsrisiko möglichst zu minimieren. Dabei gibt es präventive Maßnahmen, die auf jeden Fall ergriffen werden können. Zuerst sei hier die Minimierung des Verletzungsrisikos durch Ordnung und entsprechende bauliche Gegebenheiten im Stall erwähnt. Angefangen von eventuellen Nägeln, die nicht ordentlich eingeschlagen sind, bis zum regelmäßigen Kontrollieren von Paddock- und Koppelumzäunungen. Eine nicht zu unterschätzende Gefahr stellen hier morsche Zaunpfähle dar, welche unter Umständen zu massiven Pfählungsverletzungen führen können. Ein weiterer Aspekt von großer Wichtigkeit ist die Qualität des Futters und des Stallklimas. Staubarmes, schimmelfreies Futter sollte selbstverständlich sein, ebenso ein regelmäßiges Kontrollieren der Umgebung auf Giftpflanzen. Die Sauberkeit der Stallflächen trägt nicht nur zum Wohlbefinden der Pferde bei (vor allem saubere, gut eingestreute Liegeflächen), sondern auch zu einer gesunden, ammoniakarmen Stallluft, die die Atemwege beeinträchtigen würde. Auch Zugluft sollte absolut vermieden werden. Regelmäßiger Koppelgang und möglichst artgerechte Haltung sollten dem Pferd physischen und psychischen Ausgleich verschaffen und so zum allgemeinen Wohlbefinden beitragen. Außerdem ist es ratsam, eine Notfall-Telefonliste anzulegen, auf der mehrere Nummern von TierärztInnen aus der Umgebung sowie die Nummern aller PferdebesitzerInnen vermerkt sein sollten. Zudem gibt es spezielle Kurse, Seminare oder Schulungen bei denen man sich als ReiterIn, Pferde- oder StallbesitzerIn auf Notfälle vorbereiten kann. Jede / r verantwortungsbewusste PferdehalterIn sollte sich außerdem mit einigem Grundlagenwissen vertraut machen. Dazu gehören die PAT-Werte des Pferdes. Puls, Atmung und Temperatur sind zusammen mit dem sogenannten Schmerzgesicht der erste Schritt zur klinischen 70 | mup 2|2019 Forum: Hofer - Erste Hilfe beim Pferd Auch wenn nicht jede Verletzung oder Krankheit lebensbedrohlich ist, gilt es, einige Grundregeln im Hinterkopf zu behalten - unabhängig vom Schweregrad der Verletzungen bzw. Krankheit. Allem voran gilt: Ruhe bewahren! Versuchen Sie trotz der Ausnahmesituation ruhig zu bleiben. Hysterisches Schreien, hastige Bewegungen und Rennen übertragen Ihre Angst schnell auf das Pferd. Ein panisches Pferd wird mitunter schnell zu einer Gefahr für sich und seine Umgebung. Absichern Bringen Sie sich und alle anderen beteiligten Personen in Sicherheit. Unterschätzen Sie in dieser Situation nicht das Pferd als Gefahrenquelle, achten Sie besonders auf den richtigen Sicherheitsabstand. Ein verletztes Pferd mit Schmerzen kann anders reagieren als Sie es gewohnt sind. Einschätzen Das richtige Einschätzen der Situation und der Schwere der Verletzung / Krankheit etc. ist entscheidend für das weitere Vorgehen. Es bedarf natürlich einiger Erfahrung, um die Lage richtig zu bewerten. Ein paar Hinweise zur Erleichterung der richtigen Einschätzung einiger ausgewählter Notfälle finden sich im folgenden Text. Wenn nötig: Tierarzt verständigen! Im Zweifel gilt: Lieber den Tierarzt rufen. Häufig kann schon der telefonische Kontakt weiterhelfen. Wichtig ist, dass Sie eine gute, möglichst sachliche Beschreibung der Lage liefern können. Dabei können Sie sich an den „W-Fragen“ orientieren: Was ist passiert? Wann ist es passiert? Wer ist beteiligt? Was wurde bisher gemacht? Eventuell Erstversorgung einleiten In einen ordentlich geführten Stall gehört eine Stallapotheke, um die Erstversorgung gewährleisten zu können. Folgende Utensilien sollten darin enthalten sein: - Taschenlampe - Desinfektionslösung (z. B. Betaisodona, Jodseife / Chlorhexidinseife) - Wundspray (z. B. Blauspray oder Zinkspray) - Wundsalbe - Verbandsmaterial (Tupfer, Wundauflagen, Verbandswatte, Mullbinden) - Klebeband (z. B. Panzertape und / oder Gewebeband) - Elastische Haftverbände - Einweghandschuhe - Fiebermesser - Schere und Pinzette - Nasenbremse Verhaltensregeln für Ernstfälle im Stall Abb. 1: Hausapotheke Abb. 2: Verbandsmaterial Abb. 3: weiteres Zubehör Forum: Hofer - Erste Hilfe beim Pferd mup 2|2019 | 71 Untersuchung und somit zur objektiven Einschätzung der Gesundheitssituation Ihres Tieres. Bei einem gesunden, erwachsenen Pferd sollte die Pulsfrequenz zwischen 28 und 40 Schlägen pro Minute liegen. Die Pulsermittlung erfordert einige Routine und sollte deshalb in Ruhe geübt werden. Im Zweifel kann man sich an Atemfrequenz und Temperatur, welche einfacher zu ermitteln sind, orientieren. Die Atemfrequenz eines gesunden erwachsenen Pferdes beträgt 10 bis 14 Atemzüge pro Minute. Um diese zu ermitteln, stellen Sie sich schräg seitlich hinter das Pferd und beobachten die Atembewegungen pro Minute im Brust- und Bauchbereich. Achten Sie hier auf Ihre Sicherheit! Die physiologische Temperatur eines erwachsenen Pferdes liegt zwischen 37,5 ° C und 38 ° C. Die Temperatur wird rektal gemessen. Dazu verwenden Sie einen sauberen, intakten, digitalen Fiebermesser, stellen Sie sich seitlich auf Höhe der Hinterhand Ihres Patienten mit Blickrichtung nach hinten. Heben Sie erst den Schweif an der Schweifrübe sanft an und achten Sie auf die Reaktion des Pferdes, dann führen sie langsam den Fieberthermometer ein und warten die Messperiode ab. Achtung : Einige Pferde reagieren auf das Einführen des Thermometers mit starker Abwehrreaktion! Auch das Fiebermessen gehört in Ruhe geübt und erlernt, damit es im Ernstfall keine zusätzliche Stressquelle für Ihr Pferd darstellt. Sollte ein Pferd so massiv abwehren, dass es auszuschlagen droht, ist es ratsam, eines der Vorderbeine anzuheben. Wieder gilt : Achten Sie auf Ihre Sicherheit und bewahren Sie Ruhe! Als TierbesitzerIn oder ReiterIn ist vor allem die richtige Einschätzung der Lage maßgeblich, damit alle weiteren erforderlichen Maßnahmen eingeleitet werden können. In fast allen Fällen ist ein aufrechter Tetanus-Impfschutz des Pferdes anzuraten. Der Erreger des Wundstarrkrampfes „Clostridium tetani“ ist ein ubiquitär vorkommender Keim, das heißt, er kommt fast überall in unserer Umgebung vor (Staub, Erde, Gras etc.). Die Infektionsgefahr ist beim Pferd tausendfach höher als beim Menschen und kann schon über kleinste Hautwunden (Kratzer) geschehen und führt unbehandelt zur Lähmung und schließlich zum Tod. Abb. 5: Flankenbereich zur Kontrolle der Atmung Abb. 4: Pulsmessung Abb. 6: Fiebermessen 72 | mup 2|2019 Forum: Hofer - Erste Hilfe beim Pferd To-do and Not-to-do Kolik Als Kolik wird in der Tiermedizin jeder krampfartige schmerzhafte Prozess im Abdomen (Bauchraum) des Pferdes bezeichnet. Die Gründe dafür können unterschiedlich sein. Wichtig und mitunter schwierig ist hier das Erkennen, da die Anzeichen nicht immer eindeutig sind. Symptome können mild bis sehr heftig ausgeprägt sein: Angefangen bei nicht fressen wollen, einem hochgezogenen angespannten Bauch, häufigem Umschauen oder gegen den Bauch Schlagen, Schwitzen oder dem typischen Schmerzgesicht bis hin zum Wälzen und Hinwerfen. Jede Kolik sollte als Notfall gesehen werden. Eine Verständigung des Tierarztes sollte unverzüglich erfolgen. Was tun als TierbesitzerIn? Bringen Sie das Pferd in eine sichere, ruhige Umgebung. Dazu eignen sich eine weich eingestreute Box, ein Reitplatz oder ein Paddock. Beobachten Sie den Verlauf der Symptome: Werden sie schlimmer? Wie oft pro Viertelstunde treten welche Symptome auf? Setzt das Pferd Kot ab? Wenn ja, dem Tierarzt den Zeitpunkt des letzten Kotabsatzes bekannt geben sowie Konsistenz beschreiben. Optimal ist es, wenn der zuletzt abgesetzte Kot aufgehoben und dem Tierarzt gezeigt werden kann. Prüfen Sie, ob das Pferd Hunger hätte, nehmen Sie aber Abstand von Fütterungen bzw. Zwangsfütterungen. Bis zum Eintreffen des Tierarztes führen Sie Ihr Pferd im Schritt und reiben verschwitzte Stellen mit Stroh ab. Bei kühler Außentemperatur decken Sie Ihr Pferd ein. Bei stabilem Kreislauf können Sie die Beine mit Wasser kühlen, bieten Sie frisches Trinkwasser an und beobachten Sie Fress- und Tränkverhalten genau. Wenn sich das Pferd nicht hinwirft, lassen Sie es sich bewegen, auch wälzen ist erlaubt. Verletzungen Unter Verletzung fallen verschiedenste Arten von Wunden. Von Schnittwunden über Quetschungen bis hin zu Schürfwunden, um nur einige Beispiele zu nennen. Pferde können sich auf viele verschiedene Arten und an den unterschiedlichsten Stellen verletzen. Im Falle einer Verletzung können Sie versuchen, anhand folgender Aspekte den Schweregrad der Verletzung einzuschätzen: Wo genau ist die Verletzung? Was ist verletzt? Wie alt ist die Wunde? Um welche Verletzung handelt es sich? Zuerst gilt es einzuschätzen, wie alt die sichtbare Verletzung ist. Sollte die Wunde älter als 6 Stunden oder der Verletzungszeitpunkt nicht bekannt sein (in diesem Fall muss davon ausgegangen werden, dass der Zeitpunkt der Verletzung mehr als 6 Stunden zurückliegt), kann man vorerst selber behandeln. Wenn keine Besserung eintritt, empfiehlt es sich, einen Tierarzt hinzuzuziehen. Wenn die Wunde frisch erscheint (frisches Blut sichtbar, nicht eingetrocknet, beobachten des Unfallhergangs), können Sie bei oberflächlichen, leichten Verletzungen unter Vorbehalt vorerst selbst behandeln. Dabei beginnen Sie erst mit einer sorgfältigen Reinigung der Wunde und der Wundumgebung. Benutzen Sie zur Wundreinigung reichlich klares Leitungswasser, arbeiten Sie mit sauberen Händen oder Einweghandschuhen. Die meisten Desinfektionsmittel sind zu stark konzentriert und schaden der Wundheilung. Nach der ersten Grobreinigung können Sie verdünnte Iodlösung (1-2 %) zum Spülen der Wunde verwenden. Die Farbe der verdünnten Lösung sollte dabei leicht bräunlich und durchsichtig sein und erinnert an Apfelschorle. Anschließend können Sie die Wunde mit Zink-, oder Blauspray abdecken oder eine Wundsalbe auftragen. Sollte sich nach dem ersten Saubermachen das Ausmaß der Verletzung schlimmer als vermutet darstellen, ziehen Sie einen Tierarzt hinzu. Im Falle von starken oder anhaltenden Blutungen üben Sie direkten Druck auf die Wunde aus, hierzu eignen sich saubere Handtücher, Decken etc., um die Blutung zu stoppen oder zumindest einzudämmen. Sie können den Druck Forum: Hofer - Erste Hilfe beim Pferd mup 2|2019 | 73 manuell oder mittels Druckverband erhalten. Ein Tierarzt ist unmittelbar zu verständigen. Ist ein Fremdkörper sichtbar? Sollte ein Fremdkörper sichtbar aus der Wunde austreten (z. B. ein Holzpfahl), entfernen Sie diesen nicht. Wenn möglich, und um eine Verschlimmerung der Verletzung zu vermeiden, sollten weit ausstehende Fremdkörper gekürzt werden. Ein Tierarzt ist unmittelbar zu verständigen. Verletzungen an gefährlichen Stellen? Als Verletzungen an gefährlichen Stellen gelten alle Verletzungen in der Nähe synovialer Strukturen (Gelenke, Sehnenscheiden, Schleimbeutel) sowie in Augennähe. Verletzungen in der Nähe synovialer Strukturen können unter Umständen auf diese Strukturen übergreifen und schwerwiegende Folgeschäden verursachen. In diesen Fällen rufen Sie bitte sofort Ihren Tierarzt. Phlegmone Als Phlegmone bezeichnet man eine meist bakteriell bedingte Entzündung der Unterhaut. Zumeist treten diese an den Gliedmaßen auf. Häufigste Ursache ist das Eindringen der Bakterien durch eine Hautwunde, häufig sind diese sehr klein und fast nicht sichtbar. Anfänglich tritt eine Schwellung, abgegrenzt auf den betroffenen Bereich, auf, die im Verlauf deutlich zunimmt und unter Umständen das ganze Bein betreffen kann. In weiterer Folge treten deutliche Lahmheit bis hin zur gänzlichen Entlastung des betroffenen Beins auf. Eine weitere Begleiterscheinung können vermindertes Allgemeinbefinden (Futterverweigerung) und erhöhte Körpertemperatur sein. Betroffene Tiere sollten aufgestallt und nicht bewegt werden. Die betroffene Stelle mit Kühlpads oder fließendem Wasser kühlen. In diesem Fall kontaktieren Sie Ihren Tierarzt. Nageltritt Als Nagetritt bezeichnet man eine Verletzung des Hufes und der damit einhergehenden Strukturen durch einen Fremdkörper (z. B. Nägel, Draht, Glasscherben etc.). Symptome sind plötzlich auftretende Lahmheit in der Bewegung. Wenn ein Nageltritt unbemerkt bleibt, können bereits Entzündungen im Huf entstanden sein, die sich durch Pulsation der Arterie und Wärme des Hufes äußert. Fremdkörper müssen nicht immer sichtbar sein, daher ist eine genaue und gründliche Reinigung unbedingt notwendig. Wenn ein Fremdkörper sichtbar ist, sollte folgendermaßen vorgegangen werden: Da von außen nicht abgeschätzt werden kann, wie weit der Fremdkörper ins Gewebe eingedrungen ist, sollte der Fremdkörper nicht entfernt werden. Wenn der Fremdkörper über den Tragrand des Hufes ragt, sollte er abgezwickt werden, um ein tieferes Eindringen zu verhindern. Nur wenn nicht anders möglich, sollte der Fremdkörper entfernt werden. Dabei ist die Einstichstelle zu markieren, ebenso sollte am Fremdkörper die Eindringtiefe markiert sowie die Einstichrichtung möglichst genau beschrieben werden. Wenn sich der Fremdkörper nicht kürzen lässt, sollte der Huf so verbunden werden, dass der Fremdkörper den Boden nicht berührt, um ein tieferes Eindringen zu verhindern. Das Pferd sollte bis zum Eintreffen des Tierarztes so wenig wie möglich bewegt und ruhiggestellt werden. Der Untergrund dabei sollte sauber, hart und trocken sein (z. B. Stallgasse), Boxen, matschige Koppeln, Reithallen etc. sind dagegen eher ungeeignet. Lahmheit Als Lahmheit bezeichnet man eine Abweichung vom normalen physiologischen Bewegungsablauf. Dieser abnormale Bewegungsablauf gilt gleichzeitig als Symptom, ebenso wie Unwilligkeit beim Reiten und / oder wenn Entlastungshaltungen beobachtet werden können. Die Ursachen sind vielfältig und schwer zu diagnostizieren. In jedem Fall sind Lahmheiten schmerzhaft für das betroffene Tier, daher sollte es nicht geritten oder anderweitig mit ihm gearbeitet werden. 74 | mup 2|2019 Forum: Hofer - Erste Hilfe beim Pferd Im Fall einer Lahmheit können Sie versuchen, anhand folgender Aspekte den Schweregrad der Lahmheit einzuschätzen. Geringgradige Lahmheiten (im Schritt nicht erkennbar, im Trab wahrnehmbar) gelten nicht als Notfall. Bei Schwellung oder spürbarer Wärme kann Kühlung der Gliedmaße zur Schmerzlinderung beitragen. Bei deutlicher Besserung innerhalb eines kurzen Zeitraumes (bis zu maximal drei Tagen) ist Heilung ohne tierärztliche Unterstützung möglich. Ist die Lahmheit länger anhaltend und verbessert sich nicht oder verschlechtert sich sogar, sollte ein Tierarzt zur Diagnostik und Therapie hinzugezogen werden. Hochgradige Lahmheit (Lahmheit deutlich erkennbar bis hin zur gänzlichen Entlastung einer Gliedmaße) ist als Notfall zu sehen. Bei hochgradigen Lahmheiten besteht unter Umständen der Verdacht auf Frakturen oder gravierende Sehnenschäden. Ein Tierarzt ist unverzüglich zu informieren, das Pferd sollte bis dahin absolut ruhiggestellt und so wenig wie möglich bewegt werden. Weitere Krankheitsbilder Augenerkrankung Wässrig: Das Auge kann mit kaltem Kamillen- oder Malventee gereinigt werden. Den Tee einige Minuten ziehen lassen und anschließend nochmals filtern, um Rückstände zu vermeiden. Vor Anwendung unbedingt auskühlen lassen! Häufig haben solche Reizungen umweltbedingte Ursachen wie zum Beispiel Zugluft, Staub oder Insekten. Ursachenforschung sollte betrieben und das Auge gegebenenfalls mit einer Augenmaske geschützt werden (Insekten! ). Eitrig: Den Eiter mit einem sauberen Tupfer entfernen, mit kaltem Kamillen- oder Malventee reinigen (Info: s. o.), lange Schopfhaare einflechten oder zusammenbinden um ein Hängenbleiben in den Augen zu vermeiden. Wenn über einige Tage keine Besserung eintritt oder sich die Symptome verschlechtern: Tierarzt hinzuziehen. Veränderung der Augenfarbe: Tierarzt unverzüglich informieren (Verdacht auf schwere Erkrankung oder Verletzung)! Husten Dabei sollten verschiedene Formen des Hustens unterschieden werden: Husten als akute, infektiös bedingte Erkrankung der Atemwege oder nicht infektiöses, chronisches Hustengeschehen. Unbedenklich ist Husten nur bei einmaligem, nicht wiederholtem Husten bedingt durch Verschlucken. Husten ist kein Notfall, dennoch sind die Pferde nicht leistungsfähig und sollten durch einen Tierarzt therapiert werden. Körpertemperatur und Atemfrequenz messen, auf weitere Begleiterscheinungen achten (Lymphknotenschwellung, Nasenausfluss etc.). Einzelnes Husten ohne Begleitsymptome sollte tierärztlich abgeklärt werden, wird jedoch nicht als Notfall gesehen. Das Pferd kann leicht bewegt werden, sofern sich die Symptomatik nicht verschlechtert. Bei Begleiterscheinungen wie Fieber sollte ein Tierarzt rascher hinzugezogen werden. Weidegang ist wegen frischer Luft förderlich, staubarme Fütterung (Heu anfeuchten oder Alternativen füttern), staubarme Einstreu und gute Luftqualität sind dem Genesungsprozess zuträglich. Hitzeschlag Als Hitzeschlag bezeichnet man eine akute Wärmestauung im Körper, da das Pferd nicht mehr genug Wärme nach außen abführen kann, um die Körpertemperatur im Normbereich zu halten. Ursachen sind eine zu hohe Wärmeproduktion und / oder eventuell zu anstrengende Belastung, bezogen auf das aktuelle Konditionierungsniveau. Besonders zu beachten sind diese Aspekte bei hohen Außentemperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit. Symptome: Schwankender Gang, Schwitzen, unter Umständen extremer Temperaturanstieg bis zu über 40 °C, Puls und Atmung sind erhöht. Forum: Hofer - Erste Hilfe beim Pferd mup 2|2019 | 75 Maßnahmen: Arbeit sofort einstellen, Pferd schattig unterbringen, Temperatur messen, großflächig mit Wasser kühlen, in der Genickgegend mit Kühlpads unterstützen, liegende Pferde nicht auftreiben. Satteldruck Symptome: Schmerzhafte Schwellungen, Scheuerstellen, derbe Knötchen, offene Wunden, langfristig weiße Haare. Unterschiedliche Ursachen: unpassendes Zubehör, defektes Zubehör, ungepflegte Sattelunterlage, Schmutz, unfachmännisches, nicht korrektes Anbringen oder Verschließen von Schnallen. Druckstellen können zumeist vermieden werden, wenn sorgfältig und gut mit Zubehör umgegangen und korrekt gesattelt wird. Bei empfindlichen Pferden können diverse Unterlagen (z. B. ein Lammfell) Abhilfe schaffen. Sollte es dennoch zu einem Druck kommen, kann folgendermaßen geholfen werden: Eine feuchte Decke oder einen nassen, ausgedrückten Schwamm mit Deckengurt an der betroffenen Stelle anbringen, reinigen und desinfizieren, milde Heilsalben auf offene Wunden auftragen. Lokale Entlastung schaffen (Unterlage mit ausgeschnittenem Loch über der betroffenen Stelle). Komplettes Ausheilen ist von höchster Wichtigkeit, um die Arbeitsmotivation des Pferdes zu erhalten, weitere Druckstellen unbedingt vermeiden. Das Zubehör muss kontrolliert werden! Kreuzverschlag Als Kreuzverschlag bezeichnet man eine bewegungsbedingte Myopathie bzw. Muskelentzündung. Bei dieser Stoffwechselstörung der Muskulatur werden große Anteile der Muskelfasern zerstört. Ursachen: Falsche Fütterung, falsches Training oder falsches Trainingsprofil kombiniert mit schlechter Haltung. Ersichtlich wird also, dass ein Kreuzverschlag bei passendem Management vermieden werden kann. Wichtig dabei sind folgende Aspekte: Fütterung mit viel Rau- und wenig Kraftfutter, bewegungsintensive Haltung ohne Stehtage, aber auch keine ungewohnte Extrembelastung. Symptome: Die Bewegungen bzw. der Bewegungsablauf des Pferdes werden kurz nach Arbeitsbeginn oder während der Arbeit zunehmend unwilliger und steifer. Das Pferd zeigt einen hochgezogenen, aufgekrümmten Rücken, die Kruppenmuskulatur ist massiv verkrampft und schmerzhaft. Das betroffene Tier schwitzt zunehmend, Puls- und Atemfrequenz sowie die Körpertemperatur steigen an. Abgesetzter Harn ist rot bis schwarzbraun gefärbt. In hochgradigen Fällen knickt die Hinterhand gänzlich weg oder das Tier ist festliegend und kann nicht mehr aufstehen. Beim Erkennen erster Symptome sollte der Tierarzt unmittelbar und sofort verständigt werden. Das betroffene Tier soll nicht mehr bewegt und stattdessen warmgehalten (eingedeckt) werden. Sollten Symptome auftreten, während das Pferd nicht im Stall steht, sollte das Tier mit dem Hänger in den Stall transportiert werden. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass zahlreiche Verletzungen aber auch Krankheiten durch gutes Fütterungs-, Haltungs- und Bewegungsmanagement vermieden bzw. das Risiko auf ein Minimum reduziert werden kann. Sollte es dennoch zu besagten Situationen kommen, sollte mit Ruhe und Handlungskompetenz Schlimmeres verhindert werden können. Der Autor Mag. Armin Hofer Armin Hofer ist seit September 2014 praktischer Tierarzt in einer Praxis für Klein- und Großtiere in Oberösterreich und schreibt derzeit seine Dissertation an der Universität Giessen. Anschrift Dr. Pfluger Straße 13 / 12 · A-4760 Raab medvet.hofer@gmail.com