eJournals mensch & pferd international 12/2

mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2020
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Forum: EtAP (Ergotherapeutisches Assessment mit Pferd)

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2020
Maria Schläffer
Die Befunderhebung wird als wichtigster Schritt im ergotherapeutischen Prozess gesehen. Bei der klassischen Befunderhebung im Therapieraum kommt es oft vor, dass sich die anschließende Therapie mit Pferd als unpassend herausstellt. Daraus ergibt sich die Frage, inwiefern sich das Pferd in die Befunderhebung integrieren lässt. Zur Konzeption des EtAP wurden als Methodik 4 quantitative Untersuchungen gewählt. Die Prozesshaftigkeit stand im Vordergrund. Gesammelte Daten, die mehrere Stufen der Interpretation durchliefen, strukturierten maßgeblich die nächsten Schritte. Ergebnis ist das EtAP, das 14 Klientenaufgaben enthält, die aussagekräftige Daten über 8 ergotherapeutische Befundungsbereiche liefern.
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mup 2|2020|69-77|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2020.art10d | 69 Forum EtAP (Ergotherapeutisches Assessment mit Pferd) Ein Diagnostikinstrument in der pferdegestützten Ergotherapie Maria Schläffer Die Befunderhebung wird als wichtigster Schritt im ergotherapeutischen Prozess gesehen. Bei der klassischen Befunderhebung im Therapieraum kommt es oft vor, dass sich die anschließende Therapie mit Pferd als unpassend herausstellt. Daraus ergibt sich die Frage, inwiefern sich das Pferd in die Befunderhebung integrieren lässt. Zur Konzeption des EtAP wurden als Methodik 4 quantitative Untersuchungen gewählt. Die Prozesshaftigkeit stand im Vordergrund. Gesammelte Daten, die mehrere Stufen der Interpretation durchliefen, strukturierten maßgeblich die nächsten Schritte. Ergebnis ist das EtAP, das 14 Klientenaufgaben enthält, die aussagekräftige Daten über 8 ergotherapeutische Befundungsbereiche liefern. Einleitung Die positiven Wirkfaktoren vom Pferd in der Ergotherapie erleben wir Praktiker tagtäglich in unserer Arbeit mit Menschen und Pferd. Um aber Vermutungen und Theorien über die heilsame Wirkung der Eigenschaften des Pferdes in der therapeutischen Arbeit zu überprüfen, zu beweisen oder zu widerlegen, ist es notwendig, dass wissenschaftliches Arbeiten in diesem Bereich passiert. Die Forschergruppe Breitenbach et al. beklagt die bisherige Theorielosigkeit bzw. Theoriearmut und konstatiert, dass für tiergestützte Interventionen theoretisch fundierte Konzeptionen und Angebote „dringend nötig wären, um das pädagogische und therapeutische Handeln zu reflektieren, kritisch zu bewerten und letztendlich weiter zu entwickeln“ (Vernooij/ Schneider 2013, 220). Abb. 1: Der Ergotherapeutische Prozess in der Ergotherapie mit Pferd (Graphik: Mathias Neundlinger / Synowaytion) 70 | mup 2|2020 Forum: Schläffer - EtAP (Ergotherapeutisches Assessment mit Pferd) Auch aus Sicht der evidenzbasierten Medizin sind weitere Forschungsarbeiten notwendig, um eine statistisch erwiesene Wirksamkeit der tiergestützten Methoden zu belegen (Germann-Tillmann et al. 2014). Obwohl in der Ergotherapie mit Pferd der gleiche therapeutische Prozess wie in der „klassischen Ergotherapie“ verfolgt wird (Abbildung 1) und die Befunderhebung eines Klienten bzw. seiner ergotherapierelevanten Probleme als der vielleicht wichtigste Schritt im therapeutischen Prozess gesehen wird, da von seinen Ergebnissen maßgeblich die Richtung der nachfolgenden Schritte als Basis einer gut fundierte Behandlung bestimmt wird, gab es bis dato im deutsch- und englischsprachigen Raum kein Assessment bzw. keine standardisierte ergotherapeutische Befunderhebung, in die das Pferd mit integriert ist. Die Autorin wollte diesen Aspekten entgegenwirken und hat im Rahmen einer Dissertation mit einem unterstützenden Wissenschaftler- Team aus Wien und Graz sowie 21 ErgotherapiekollegInnen aus Österreich, Deutschland und der Schweiz das EtAP (Ergotherapeutisches Assessment mit Pferd) entwickelt. Methode Forschungsfragen / Hypothesen Ist es möglich, ein ergotherapeutisches Diagnoseinstrument zu schaffen, - bei dem das Pferd dabei (integriert) ist? - welches wissenschaftlich fundiert ist? [Exkurs: Hinter jeder Testentwicklung steht eine Testtheorie, die klare Vorgaben liefert. Damit sich ein Test „wissenschaftlich“ nennen darf, muss er die Eckdaten dieser Testtheorie erfüllen.] - welches die 3 Haupttestgütekriterien (Validität, Objektivität und Reliabilität) erfüllt? [Exkurs: Nach diesen Haupttestgütekriterien folgen bei einem psychologischen Test 7 Gütekriterien: Skalierung, Normierung, Testökonomie, Nützlichkeit, Zumutbarkeit, Unverfälschbarkeit und Fairness (Schermelleh-Engel et al. 2006) zitiert in (Eid / Schmidt 2014, 45).] Um Antworten auf die zuvor genannten Forschungsfragen zu finden, wurden, nachdem die Konzeption eines Assessments vorgelegt worden ist, 4 Außenvalidierungen am Expertenurteil durchgeführt. Es handelte sich hierbei um 4 quantitative Untersuchungen, um qualitative Merkmale eines Assessments zu validieren bzw. weiterzuentwickeln. Dabei stand die Prozesshaftigkeit des Vorgehens im Vordergrund. Daten wurden gesammelt und durchliefen mehrere Stufen der Erhebung und Interpretation. Das bedeutet, dass die Ergebnisse eines Schrittes die Ergebnisse des nächsten maßgeblich strukturieren und eng anhand von bestehendem bzw. erhaltenem Datenmaterial analysiert werden. Konzeption 1. Literaturrecherchen zum Thema Befunderhebung in der Ergotherapie mit Pferd in deutscher und englischer Sprache und solche, die auf die Situation in Ländern wie Österreich, Deutschland, Schweiz, den USA und Kanada Bezug nehmen. 2. Persönlicher Kontakt / Erhebung mittels E- Mail und eine mündliche Befragung via Skype mit den Fragestellungen, ob spezielle Befundungsinstrumentarien für die Ergotherapie mit Pferd verwendet werden und ob das Pferd bei der Befunderhebung integriert ist. 3. Diskussion und Wissenssammlung im Kollegenkreis (9-köpfiges Therapeutinnen-Team) in Bezug auf Befundungsbereiche, die primär und eindeutig der Ergotherapie zugeordnet werden. 4. Erarbeitung der Items , mögliche Testaufgaben am und rund um das Pferd wurden praktisch entwickelt. Praktische Erprobung der Items mit 12 Klienten, die der Autorin zur Ergotherapie (mit Pferd) zugewiesen wurden. Eine zweite Ergotherapeutin und eine Reittherapeutin waren als Supervisorinnen anwesend. (Hauptaugen- Forum: Schläffer - EtAP (Ergotherapeutisches Assessment mit Pferd) mup 2|2020 | 71 merke, die Items betreffend, waren die Praktikabilität der Durchführung und die Aussagekraft im Sinne einer ergotherapeutischen Aktivitätsanalyse der unterschiedlichen Items. Hauptaugenmerk, die Befundungsbereiche betreffend, war, zu analysieren, ob alle für die Ergotherapie relevanten Befundungsbereiche enthalten sind.) 5. Anfangsversion des EtAP erstellen 6. Validität/ Reliabilität  Erste und zweite externe Beurteilung : Für die externen Validierungen wurden die 31 Items an einer Person ohne ärztliche Diagnose gefilmt und an 21 Experten zur Beurteilung und Analyse weitergegeben. Als Experten wurden ErgotherapeutInnen gewählt, die in unterschiedlichen ergotherapeutischen Beschäftigungsbereichen tätig waren, die unterschiedlich lange Berufserfahrung in Jahren hatten und die aus Österreich, Deutschland und der Schweiz stammten. Dabei wurden die Items anhand der Expertennennungen den Befundungsbereichen zugeteilt. Aufgabe der Experten war zusätzlich, jedes Item zu analysieren, eine generelle Rückmeldung zum EtAP zu geben und es wurde um Verbesserungs- und Änderungsvorschläge gebeten. 7. Objektivität  Dritte externe Beurteilung : Die adaptierten Items wurden an 10 KlientInnen gefilmt. Gemeinsam mit der überarbeiteten Vorgängerversion des Protokollbogens wurde an dieselben Experten diese DVD zur Beurteilung und Analyse weitergegeben. 8. Interpretation der dritten Expertenbeurteilung / Adaptierung / Entwicklung der EtAP-Box (1. Auflage) 9. Vierte externe Beurteilung : Praktische Erprobung durch 8 Therapeutinnen mit der Zusatzausbildung „Ergotherapie mit Pferd“ 10. Analyse, Feedback, neuerliche Adaptierung und Fertigstellung des EtAP (2. Auflage) Ergebnisse Ad 1) In den Literaturrecherchen im September 2013 und im Jänner 2015 fanden sich in den Datenbanken (scholar.google. at/ .ch / .de, medpilot.de, tripdatabase.com, pubmed.gov, physiotherapeuten.de, www.doaj.org) keine verwertbaren Ergebnisse. Viele Berichte zur Therapie mit Pferd, wenige Berichte zu Ergotherapie mit Pferd, aber keine Berichte zu ergotherapeutischen Befunderhebung mit Pferd und auch keine Hinweise dafür, dass das Pferd in irgendeiner Form in der ergotherapeutischen Befunderhebung integriert wird, wurden gefunden. Ad 2) Die Umfrageergebnisse, die durch die Befragung via Skype im Juli 2013 im Rahmen des Arbeitskreises „Ergotherapie mit Pferd“ (Österreich) erhoben wurden, ergaben, dass unter den 21 Ergotherapeutinnen mit Zusatzausbildung Ergotherapie mit Pferd in Österreich kein standardisierter Test und kein spezielles Befundungsinstrumentarium für die Arbeit mit dem Pferd verwendet wird. Verwendet werden Eigenkreationen oder adaptierte Kreationen von Kolleginnen. Ergotherapeutinnen, die den Befunderhebungsprozess als sehr wichtigen Teil des ergotherapeutischen Prozesses ansehen, berichteten, dass es Usus ist, dass das Pferd bei der Befunderhebung nicht integriert ist, sondern dass die Befunderhebung im klassischen Ergotherapieraum, die Therapie dann mit Pferd im Setting Stall und Umgebung und die Evaluierung bzw. der Vergleich von Status Prä und Status Post der Therapie wieder im Ergotherapieraum stattfindet. Ad 3) Im September 2013 gingen als ergotherapeutische Befunderhebungsbereiche aus der Diskussion und Wissenssammlung des 9-köpfigen Therapeutinnen-Team, bestehend aus sechs Ergotherapeutinnen, zwei Physiotherapeutinnen und einer Logopädin, folgende Bereiche hervor: Feinmotorik, Grobmotorik, Praxie (Handlungsplanung und Bewegungsplanung), Wahrnehmung, Gedächtnis, E / ADL(Erweiterte / Aktivitäten des täglichen Lebens), Kognition, Aufmerksamkeit, Impulskontrolle, Volition (Willenskraft zur be- 72 | mup 2|2020 Forum: Schläffer - EtAP (Ergotherapeutisches Assessment mit Pferd) wussten Umsetzung von Zielen und Motiven) und Sozialverhalten hervor. Ad 4) Bei der Entwicklung der Items (Testaufgaben), die zeitgleich mit der Festlegung der ergotherapeutischen Befundungsbereiche stattfanden, waren zwei Ergotherapeutinnen als Supervisorinnen anwesend. Mögliche Einzelschritte (Items) am und rund um das Pferd wurden praktisch durchgeführt, analysiert und gegebenenfalls adaptiert. 31 Items [z. B.: Pferd mittels Knoten anbinden, Putzutensilien erkennen, Longe einhängen, Transfer auf das Pferd (von der Rampe), Pferd belohnen / füttern, Abmisten etc.] sind dabei entstanden. Nach der Auswahl der Items wurden die Itemformulierungen, also wie die Klientenaufgabe konkret in der Testsituation formuliert wird, nach wissenschaftlichen Kriterien festgelegt. Ad 5) Anhand dieses Datenmaterials wurde in der Folge die Anfangsversion des EtAP „Ergotherapeutische Assessment mit Pferd“ erstellt. Das Layout des Protokollbogens wurde an den ET 6 - 6, den Entwicklungstest für Kinder von 6 Monaten bis 6 Jahren von F. Petermann, I. A. Stein und T. Macha (2008), angelehnt. Diese Version wurde zur ersten und zweiten externen Beurteilung vorgelegt. Ad 6) Die Überprüfung der Validität [Exkurs: Die Validität gilt als das wichtigste Haupttestgütekriterium. Sie gibt den Grad der Genauigkeit an, mit dem ein Testverfahren das misst, was es zu messen vorgibt (Becker / Steding-Albrecht 2006)] wurde im Mai und Juli 2014 mittels zwei quantitativer Untersuchungen durchgeführt. Die Rücklaufquote betrug 100 %. Im August 2014 lagen die Einschätzungen von 21 externen Experten, dokumentiert in 7161 Kästchen, vor. Die positiven Zuordnungen pro Item und Befundungsbereich wurden ausgezählt, um die Höhe der empirischen Übereinstimmung und somit die Validität eines Items im Befundungsbereich, zu bestimmen. Um dem EtAP eine möglichst hohe Validität mitzugeben, wurde die InterraterReliabilität (IRR) mit mindestens 86 % festgelegt. [Exkurs: Ein Test wird dann als reliabel bezeichnet, wenn man bei einer Wiederholung der Messung unter gleichen Bedingungen zu gleichen Ergebnissen kommt (Becker / Steding-Albrecht 2006). Die Interrater-Reliabilität gibt die Messgenauigkeit des Mittels der Urteiler wieder.] Items mit einer IRR unter 86 % wurden nicht oder modifiziert in die nächste Version des EtAP aufgenommen. Diese Version wurde für die zweite externe Expertenbeurteilung vorgesehen, die im Prinzip genauso ablief wie die erste Expertenbeurteilung, nur dass die Ausgangsbasis eine andere war (veränderte Items und Befundungsbereiche). Bezugnehmend auf die Ergebnisse (in Zahlen) und das Feedback der Experten in Form von schriftlichen Bemerkungen wurden folgende Änderungen getroffen: ■ Die in einer Version vorhandenen Befundungsbereiche E / ADL (Erweiterte / Aktivitäten des täglichen Lebens), Impulskontrolle und Volition wurden mangels ausreichender IRR wieder entfernt. ■ Nachdem eine deutsche Kollegin in den Videos kein Stockerl (welches man „dem Hund wirft“) fand, wurde der EtAP von Begriffen des regionalen Sprachgebrauchs bereinigt. Aus „Umgang mit dem Stockerl“ wurde „Umgang mit dem Hocker“. ■ Befundungsbereiche wie Sozialverhalten, Interaktion mit dem Pferd, Muskeltonus und bimanuelle Aktivitäten sowie deren Definitionen kamen dazu. ■ Der Befundbereich Gedächtnis wies nur 2 Expertenübereinstimmungen auf und wurde in den Befundbereich Kognition integriert. ■ Der Befundbereich Sozialverhalten erhielt in der ersten Expertenbeurteilung nur 4 Expertenübereinstimmungen, wurde daraufhin neu definiert und nach der zweiten Expertenbeurteilung in der Version 4 am Ende des Assessmentbogens Forum: Schläffer - EtAP (Ergotherapeutisches Assessment mit Pferd) mup 2|2020 | 73 in Form einer beschreibenden Beurteilung der psychosozialen Kompetenzen integriert. ■ In der ersten Expertenrunde fehlte vielen Experten ein Item für die Mensch-Tier-Beziehung. Ein neues Item wurde entwickelt, gefilmt und innerhalb eines neuen Befundungsbereiches in die nächste Version aufgenommen. Ad 7) Die dritte externe Beurteilung im November 2014 diente dem Nachweis der Objektivität. [Exkurs: Bei der Objektivität des EtAP geht es darum, dass die Messergebnisse unabhängig von der durchführenden Therapeutin und unabhängig von umgebenden Faktoren (z. B. Ort, Zeit) die gleichen sind. Die Durchführungsobjektivität wird mithilfe von standardisierten Bedingungen (z. B. gleiche Testinstruktion) sichergestellt. Die Auswertungsobjektivität und Interpretationsobjektivität wird durch die Erklärung der konkreten Vorgehensweise bei der Testdurchführung gewährleistet (Pospeschill 2010).] Hierzu wurden 10 Klienten (5 Kinder, 5 Erwachsene) bei der Durchführung der vorläufigen Version des EtAP gefilmt. Dieser Film wurde 20 ErgotherapeutInnen vorgelegt. Diese sollten beurteilen, ob die Durchführung der Items unter, innerhalb oder über der Norm lagen. Diese Norm basierte auf 3 Säulen: ■ Auf ergotherapeutischem Wissen aufgrund von standardisierter Ausbildung in den Fachhochschulen, ■ ergotherapeutischem Wissen im Sinne von Spezialist sein in der Beurteilung durch Aktivitätsanalyse und ■ auf der DVD, worauf die „korrekte“ Item-Ausführung demonstriert wurde. Von 10 Experten bekam die Autorin eine Rückmeldung. Die Ergebnisse (14100 Einzelergebnisse) wurden statistisch ausgewertet. Hierbei ging es primär um die Stärke der Übereinstimmung der Rückmeldungen. Dazu wurde der Kappa-Koeffizient verwendet. Dieser stellt nach Cohen den „Gold Standard“ zur Bewertung der Übereinstimmungsgüte von Daten unterschiedlicher Bewerter oder wiederholter Beurteilungen dar und gibt Aufschluss über die Stabilität und Zuverlässigkeit der Diagnose bzw. des Testverfahrens (Grouven et al. 2007). Es kam zur erneuten Anpassung des EtAP gemäß der Auswertung der Rückmeldungen der Experten. Ad 8) Nachdem das EtAP im Rahmen einer Forschungstätigkeit entwickelt wurde, folgte im Dezember 2017 eine Zusammenarbeit mit dem Team der Synowaytion, einer Firma für integrative Innovation aus Salzburg, die das EtAP designmäßig zu einem einzigartigen und marktreifen Serienprodukt weiterentwickelt haben, welches nun über www.etaptest.com erhältlich ist. Endresultat ist ein validierter Test, bestehend aus einer Testbox mit validierten Utensilien, Protokollbögen, Zubehör für die Testaufgaben, einem Manual zum EtAP mit den Kapiteln Einleitung, Entwicklung, Befundungsbereiche, Durchführung, Auswertung und dem Quellenverzeichnis (Abbildung 2 und Abbildung 3). Abb. 2: EtAP-Box samt validierten Testmaterialien (Quelle: Mathias Neundlinger / Synowaytion) 74 | mup 2|2020 Forum: Schläffer - EtAP (Ergotherapeutisches Assessment mit Pferd) Ad 9) Nach der Fertigstellung der 1. Auflage des EtAP wurde dieses von 8 Therapeutinnen mit der Zusatzausbildung „Ergotherapie mit Pferd“ an jeweils 10 Personen praktisch erprobt (Jänner- März 2018). Ad 10) Die gesamten Ergebnisse wurden ausgewertet und haben in Folge das EtAP wieder verändert und wurden im Manual und am Protokollbogen korrigiert. Es wurden z. B. ■ Itemsinstruktionen umformuliert, ■ relevante Befundungsbereiche erweitert (z. B.: Bei Item 2 (Pferd mittels Knoten anbinden) kam der Befundungsbereich bimanuelle Aktivitäten dazu), ■ Bezeichnungen der validierten Testmaterialien verändert (z. B.: weiche Bürste  Bürste mit weichen Borsten). Dadurch entstand die 2. Auflage im Juli 2018. Die Forschungsfragen konnten durch die Entwicklung des EtAP mit „ja“ beantwortet werden, das EtAP ist evidenzbasiert-optimiert (enthält nur „diagnostisch wertvolle“ Items), praxisorientiert [14 Items sollen vom Klienten in einer Therapieeinheit (50 min) gelöst werden, die aussagekräftige Daten über 8 ergotherapeutische Befundungsbereiche liefern.] und es kann mit seinen 14 Aufgaben genauso aussagekräftige Ergebnisse liefern wie die 31 Items der Anfangsversion und es kann darüber hinaus die Forschung fördern, indem es Erhebungen standardisiert, vergleichbar und kommunizierbar macht. Das EtAP als ergotherapiebasiertes, betätigungsorientiertes Befundungsinstrument verfolgt folgende Ziele: ■ validiertes Befundungsinstrument für die ergotherapeutische Diagnostik mit Pferd ■ Sammlung von Informationen durch einen modellbasierten, systematischen Suchvorgang ■ Einstufung der Klienten auf einer möglichst objektiven und überprüfbaren Basis ■ Assessment für Klienten jeder Altersgruppe und unabhängig von deren (ärztlichen) Diagnosen ■ professionelle Kommunikation zwischen den Kollegen ■ austauschbare und vergleichbare Ergebnisse für den objektiven Vergleich von Messungen an verschiedenen Orten, von verschiedenen Ergotherapeuten, zu verschiedenen Zeitpunkten ■ Forschungstool für die standardisierte Erhebung vor, während und nach einer Therapie Testablauf/ Praktische Durchführung Auch durch die spezifische Gestaltung eines Assessments sind nicht alle darauf wirkenden Einflussfaktoren kontrollierbar, wie zum Beispiel das Setting, die Tageszeit oder die Eigenschaften der Untersuchungsleiterin. Dies sind und bleiben Abb. 3: Validiertes Testmaterial EtAP-System (Quelle: Mathias Neundlinger / Synowaytion) Forum: Schläffer - EtAP (Ergotherapeutisches Assessment mit Pferd) mup 2|2020 | 75 deutliche Einflüsse auf den individuellen Verlauf eines Assessments (Petermann / Macha 2005). Die Durchführung und Bewertung des EtAP muss in hohem Maße standardisiert erfolgen. Diese spezielle Form der Diagnostik erfordert Zusatzwissen und ergänzende Fähigkeiten. Dieses Wissen sollte im Rahmen von Fortbildungen erworben werden. Ergebnisse werden durch optimale Testbedingungen begünstigt: ■ Zur Übung sollte das Assessement wenigstens 5-mal vorab durchgeführt werden. ■ Um ein valides Testergebnis zu erhalten, ist es verpflichtend, die normierten Utensilien des EtAP-Systems zu verwenden sowie die Testinstruktionen (Handlungsanweisung zur Aufgabendurchführung) genauso zu geben, wie sie im Manual beschrieben sind. ■ Je nach Alter und Fähigkeit beträgt die Durchführungsdauer (Instruktion und Ausführung) 45 bis 60 Minuten (durchschnittlich über alle Altersgruppen hinweg 55 min). Es gibt Abbruchkriterien, die im Manual detailliert angeführt sind. Die relativ geringe Durchführungsdauer ist ein Beitrag zur hohen Testökonomie. ■ Im Abschnitt Material / Vorbereitung ist das benötigte Material aufgelistet, das für die Durchführung des jeweiligen Items benötigt wird. ■ Der Abschnitt Beschreibung erläutert, wie die Aufgabe durchgeführt wird. ■ Der Abschnitt Bewertung / Ergebnis liefert die Kriterien zur Bewertung als gelöst oder nicht gelöst. ■ Im Abschnitt Ergotherapeutischer Befundungsbereich werden die Bereiche aufgelistet, die mit der jeweiligen Aufgabe überprüft werden. ■ Die Protokollierung findet während der Durchführung der Diagnostik statt. Der Protokollbogen befindet sich auf einem Klemmbrett, an diesem ist ein Stift befestigt. ■ Neben jedem Item befindet sich neben der Gelöst/ Nicht Gelöst-Spalte Platz für Bemerkungen. Die Beurteilung im Sinne einer Aktivitätsanalyse wird hier vorgenommen. Aber auch Antworten auf Fragen wie z. B. „Wie war die Qualität der Ausführung, wie lange hat Klient dafür benötigt, was war auffällig daran? “ können hier beantwortet werden. ■ Unter der tabellarischen Auflistung befindet sich eine Zeile mit der Summe der Items (gesamt). Hier ist die maximal erreichbare Punktzahl ersichtlich. ■ In den untersten 2 Zeilen werden in beschreibender Form die psychosozialen Kompetenzen (z. B.: Antrieb, Motivation, Kommunikation, Umgang mit Grenzen) und die Interaktion mit dem Pferd eingetragen. ■ Die abschließende Beurteilung der Assessement-Durchführung und die Interpretation der Testergebnisse werden nach den Vorgaben im Manual durchgeführt. ■ Die Summe der gelösten Items unter Items (gelöst) liefert eine schnelle Übersicht über die Ausprägungen innerhalb des Befundungsbereiches. ■ Die zusätzliche Beurteilung im Sinne einer Aktivitätsanalyse wird als Kernkompetenz der Ergotherapie angesehen. ErgotherapeutInnen betrachten komplexe Bewegungen und damit auch Aktivitäten, indem sie einer gewissen Systematik folgen und diese Analyse rundet das tabellarische Ergebnis des EtAP ab. Diskussion Das EtAP entstand nach den Regeln der modernen Testtheorie. „Die Testtheorie als Teilgebiet der Psychometrie beschäftigt sich mit der Entwicklung und Formalisierung von psychometrischen Modellen für psychologische Tests.“ (Eid / Schmidt 2014, 34). Gleichzeitig ist 76 | mup 2|2020 Forum: Schläffer - EtAP (Ergotherapeutisches Assessment mit Pferd) die klassische Testtheorie teilweise sehr veraltet. Dadurch stellen sich folgende Fragen: Ist diese Testtheorie eine optimale Grundlage ■ für ein ergotherapeutisches Diagnostikinstrument? ■ für ein zeitgemäßes, handlungsorientiertes, klientenzentriertes und evidenzbasiertes Assessment? Falls nein, muss man sich verdeutlichen, dass es vielmehr so sein kann, dass die Summe der gelösten Items des EtAP nur ein Randprodukt ist und verstärkt die Bemerkungen, die bei jedem Item im Sinne einer Aktivitätsanalyse, der Kernkompetenz der Ergotherapie, eingefügt werden, in den Vordergrund zu rücken sind. Diskussionsbedarf bietet auch der Bereich Normierung: Erstens ist das Testgütekriterium Normierung beim EtAP momentan noch in Bearbeitung. Die Summe der gelösten Items liefert zwar eine schnelle Übersicht über die Ausprägungen innerhalb des Befundungsbereiches. Da die Normierung des EtAP noch aussteht, wird die Summe als Richtwert gesehen. Wird in diesem Bereich nicht die volle Punktzahl erreicht, wird momentan davon ausgegangen, dass in diesem Befundungsbereich Defizite bzw. Auffälligkeiten vorliegen. 80 Menschen ohne ärztliche Diagnose in unterschiedlichen Altersgruppen (Altersgruppen: 3 Personen von 0.0-6.11a, 3 Personen von 7.0-12.11a, 3 Personen von 13.0a -unbegrenzt, 1 Person ohne Altersvorgabe) wurden bislang mit dem EtAP befundet. Die Ergebnisse (in Zahlen) sind in späterer Folge Grundlage für die Normierung des EtAP. Eine höhere Anzahl an Probanden bzw. Rückmeldungen sind zukünftig notwendig. Zweitens ist die Beurteilung von Norm bei komplexen Handlungen sehr schwierig. Gelöst bzw. nicht gelöst lässt sich augenscheinlich leicht beurteilen, aber ist z. B. das Item 7, „Stiege alternierend raufgegen“, als gelöst zu beurteilen, wenn der Klient die Stufen zwar laut Iteminstruktion schafft, der Körpertonus oder Bewegungsfluss aber nicht passend sind oder der Klient die verbale Instruktion nicht versteht, beim Hinzeigen auf die Stufen das Item aber gut bewältigt? Im Bereich der Graphomotorik, einem sehr wichtigen Aufgabengebiet der Ergotherapie, konnten keine geeigneten Items entwickelt werden und Graphomotorik konnte dadurch im Bogen als Befundungsbereich nicht integriert werden. Das könnte daran gelegen haben, dass für die Fähigkeit des Schreibens zwar Voraussetzungen (z. B. taktil-propriozeptive Wahrnehmung, Haltung, Schulter- und Armfunktion) notwendig sind, die in der Ergotherapie mit Pferd gut befund- und therapierbar wären, die eigentliche Therapie aber klassisch im Sitzen (auf einem nicht bewegten Sessel) stattfindet. Feinheiten wie z. B. die Hand-Hand-Koordination oder die (ökonomische) Stifthaltung können in dieser Sitzposition besser erarbeitet werden (Becker / Steding-Albrecht 2015). Zusätzlich muss bei der Diagnostik von Graphomotorikstörungen „gemäß der späteren Therapie von proximal nach distal… ‘gedacht‘ werden. Feindosierte Schreibbewegungen sind nur bei optimaler Einstellung des Armes und der Hand möglich. Andererseits sollte das Ziel der Therapiesequenz immer im Fokus bleiben und bei optimalem Verlauf dazu führen, dass das Kind am Ende der Sequenz mit dem Stift etwas zu Papier bringt.“ (Becker / Steding-Albrecht 2015, 319) Das ist im Setting Stall und Umgebung nicht professionell zu bewerkstelligen. Unmöglich war es, für Items im Bereich „Interaktion mit dem Pferd“ verwertbare Ergebnisse zu erhalten. „Ist Beziehung nicht in Zahlen zu messen? “ fragte mich ein beisitzender Philosoph in der Prüfungskommission bei der Defensio meiner Dissertation. Weil die Beziehung des Klienten zum Pferd alle EtAP Befundungsbereiche beeinflusst und wesentlich für die Entscheidung für oder gegen die Therapie mit Pferd ist, wird im EtAP dieser Bereich, der ja auch einen deutlichen Unterschied zu allen anderen Assessements ohne Pferd ausmacht, von der Therapeutin gesondert deskriptiv beurteilt. Forum: Schläffer - EtAP (Ergotherapeutisches Assessment mit Pferd) mup 2|2020 | 77 Fazit Das EtAP wurde als standardisiertes Befundungsinstrumentarium entwickelt, um, wie von Hartje gefordert, Vermutungen und Theorien über die heilsame Wirkung der Ergotherapie mit Pferd gemäß den Ansprüchen der evidenzbasierten Praxis dokumentieren zu können (Hartje 2009). Darüber hinaus ist das EtAP als Forschungstool geeignet, um evidenzbasierte Forschung im Bereich Ergotherapie mit Pferd zu ermöglichen und zu fördern. Eine klare Übernahme des Pferdes als therapeutisch-ergänzendes Hilfsmittel in die Medizin würde dann wahrscheinlicher, und auf dieser Basis könnten anerkannte Ergebnisse einen Rahmen für allgemein gültige Empfehlungen bilden (Hartje 2009). Abgesehen von allen beantworteten Fragen, und bekanntlich wirft in der Forschung jede Antwort 10 neue Fragen auf, ist für Theres Germann- Tillmann, Lily Merklin und Andrea Stamm Näf unumstößlich, dass „der Umgang mit Tieren eine Echtheit, Direktheit und Einfachheit beinhaltet, die wir von Mensch zu Mensch oder Mensch zu Maschine vergeblich suchen“ (Germann-Tillmann et al. 2014, 32). Literatur ■ Becker, H., Steding-Albrecht, U. (2006): Ergotherapie im Arbeitsfeld Pädiatrie. Thieme, Stuttgart ■ Becker, H., Steding-Albrecht, U. (2015): Ergotherapie im Arbeitsfeld Pädiatrie. 2. Aufl. Thieme, Stuttgart ■ Eid, M., Schmidt, K. (2014): Testtheorie und Testkonstruktion. Hogrefe Verlag, Göttingen ■ Germann-Tillmann, T., Näf, A. S., Merklin, L. (2014): Tiergestützte Interventionen. Der multiprofessionelle Ansatz. Verlag Hans Huber, Bern ■ Grouven, U., Bender, R., Ziegler, A., Lange, S. (2007): Der Kappa-Koeffizient. 132 (S 01), DMW - Deutsche Medizinische Wochenschrift, 132. 65-68. https: / / doi.org/ 10.1055/ s-2007-959046 ■ Hartje, W. C. (2009): Therapieren mit Pferden. Heilpädagogisches Reiten - Hippotherapie -Psychiatrie. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart/ Hohenheim ■ Petermann, F., Stein, I. A., Macha, T. (2006): Entwicklungsdiagnostik mit dem ET 66. 3. veränderte Aufl.: Harcourt Test Services, Frankfurt am Main ■ Pospeschill, M. (2010): Testtheorie, Testkonstruktion, Testevaluation. 1. Aufl. UTB, Stuttgart ■ Schermelleh-Engel, K., Kelava, A., Moosbrugger, H. (2006): Gütekriterien. In: Petermann, F., Eid, M. (Hrsg.): Handbuch der Psychologischen Diagnostik. Hogrefe, Göttingen, 422-433 ■ Steding-Albrecht, U., Jehn, P. (2015): Ergotherapie Vom Behandeln zum Handeln. Lehrbuch für die theoretische und praktische Ausbildung. 5. Aufl., Thieme, Stuttgart ■ Vernooij, M. A., Schneider, S. (2013): Handbuch der Tiergestützten Intervention. Grundlagen - Konzepte - Praxisfelder. 3. korrigierte und aktualisierte Aufl. Quelle & Meyer, Wiebelsheim Die Autorin Dr. Maria Schläffer MSc, MEd [Ergotherapeutin, Reittherapeutin HPV (DKThR), Ergotherapeutin mit Pferd (OKTR)] fühlt sich neben ihrer praktischen Arbeit der Forschung, speziell dem Thema Ergotherapie mit Pferd, verpflichtet. Anschrift Dr. Maria Schläffer · Wengerberg 58 · A-5721 Piesendorf maria.schlaeffer@sbg.at