mensch & pferd international
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2020.art03d
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Forum: Finanzierungsmöglichkeiten von Hippotherapie in Deutschland, Schweiz und Österreich
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Ina El Kobbia
Anne-Lise Joray-Tendon
Elke Molnar-Mignon
Bereits vor 10 Jahren wurde in der MuP die Thematik der Finanzierungsmöglichkeiten für Hippotherapie in den deutschsprachigen Ländern aufgegriffen (Frey, Joray-Tendon, Molnar-Mignon 2009). Mit Schwierigkeiten sind nach wie vor alle Länder konfrontiert, die Bemühungen um Anerkennung und Finanzierung durch verschiedene Institutionen und Kostenträger sind in allen drei Ländern sichtbar. Den aktuellen Stand der Finanzierungsmöglichkeiten und eine Übersicht über die Unterschiede in den deutschsprachigen Ländern erhalten Sie in nachfolgender Tabelle.
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16 | mup 1|2020|16-19|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2020.art03d Forum Finanzierungsmöglichkeiten von Hippotherapie in Deutschland, Schweiz und Österreich Ina El Kobbia, Anne-Lise Joray-Tendon, Elke Molnar-Mignon Bereits vor 10 Jahren wurde in der MuP die Thematik der Finanzierungsmöglichkeiten für Hippotherapie in den deutschsprachigen Ländern aufgegriffen (Frey, Joray-Tendon, Molnar-Mignon 2009). Mit Schwierigkeiten sind nach wie vor alle Länder konfrontiert, die Bemühungen um Anerkennung und Finanzierung durch verschiedene Institutionen und Kostenträger sind in allen drei Ländern sichtbar. Den aktuellen Stand der Finanzierungsmöglichkeiten und eine Übersicht über die Unterschiede in den deutschsprachigen Ländern erhalten Sie in nachfolgender Tabelle. M. B. Literatur ■ Frey, R., Joray-Tendon, A., Molnar-Mignon, E. (2009): Finanzierung von Förderung und Therapie mit dem Pferd. Teil 1: Finanzierung der Hippotherapie in Deutschland, Osterreich und der Schweiz. mensch und pferd international 1 (4), 136-142 Die Autorinnen Ina El Kobbia Geschäftsführerin Bundesgeschäftsstelle Deutsches Kuratorium für Therapeutisches Reiten (DKThR) Anne-Lise Joray-Tendon Physiotherapeutin FH, CAS MS, CAS Klinische Expertise in Pädiatrie, CAS Hippotherapie Plus Centre Recontres, Courfaivre, Jura Dozentin an der ZHAW für CAS Hippotherapie Vorstandsmitglied der SGH-K Elke Molnar-Mignon Dipl. Physiotherapeutin, Bobaththerapeutin, Hippotherapeutin (ÖKTR), langjährige physiotherapeutische Tätigkeit im Ambulatorium Mosaik (Aufbau und Leitung der dortigen Hippotherapie), Leiterin der Sektion Hippotherapie des ÖKTR Kontakt Ina El-Kobbia ielkobbia@fn-dokr.de Anne-Lise Joray-Tendon annelise.joray@bluewin.ch Elke Molnar-Mignon molnar_mignon1@hotmail.com Forum: El Kobbia, Joray-Tendon, Molnar-Mignon - Finanzierungsmöglichkeiten von Hippotherapie mup 1|2020 | 17 Hippotherapie Deutschland - Ina El Kobbia (Geschäftsführerin DKThR) Schweiz - Anne-Lise Joray-Tendon (Hippotherapeutin-K) Österreich - Elke Molnar-Mignon (Hippotherapeutin ÖKTR) Welche Form von Hippotherapie wird durch HippotherapeutInnen mit einer Ausbildung bei Ihrem Verband angeboten? Welche Definition liegt zugrunde? Hippotherapie (DKThR)® ist seit 2018 eine in Deutschland eingetragene Marke, die sich jüngst zwei wissenschaftlichen multizentrischen Studien erfolgreich stellte. Die Studien sind international veröffentlicht, im Multiple Sclerosis Journal 2017 und Neuropediatricts 2018, nähere Informationen unter: www.dkthr.de. Hippotherapie (DKThR) ist eine physiotherapeutische Behandlung auf neurophysiologischer Grundlage auf dem Pferd. Sie wird von einem Physiotherapeuten, in Ausnahmefällen von einem Arzt mit Zusatzqualifikation zum Hippotherapeuten, aufgrund einer ärztlichen Verordnung (grundsätzlich) durchgeführt. Das Pferd wird dabei von einem Pferdeführer am Langzügel in der Gangart Schritt geführt (siehe Durchführungsbestimmungen des DKThR, einschließlich Regeln zum Tierschutz sowie humanmedizinische Indikationen- und Kontraindikationenliste). Die Hippotherapie-K® (HTK) ist ein Spezialgebiet innerhalb der Physiotherapie. Sie erfolgt in Zusammenarbeit mit dem Pferd. Es handelt sich um eine anerkannte medizinische Behandlungsmaßnahme, bei der die Bewegungsübertragung des Pferdes auf den Patienten genutzt wird. Der Patient lässt sich von der Bewegung des Pferdes mittragen und mitbewegen. Er übt keine aktive Einwirkung aufs Pferd aus. Die HTK ist somit kein Reiten, auch kein therapeutisches Reiten. Unter Hippotherapie versteht man eine spezielle physiotherapeutische Maßnahme, die das Pferd und dessen dreidimensionale Rückenbewegungen unter medizinischen Gesichtspunkten einsetzt. Ist diese Form der Hippotherapie im Land offiziell anerkannt? Falls ja, von welcher(n) Institution(en)? Die Hippotherapie, in dieser Form durchgeführt, ist seit dem Grundsatzurteil des Bundesfinanzhofes aus 2008 von der Umsatzsteuer befreit. Private Krankenkassen übernehmen im Einzelfall die Hippotherapie, nicht jedoch gesetzliche Krankenkassen. Seit 1981 ist die Hippotherapie nicht mehr als Heilmittel im ambulanten Sektor der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verordnungsfähig. Die Unfallversicherung der Berufsgenossenschaft als auch Pflegekassen übernehmen jedoch die Kosten für Hippotherapie durchaus regelmäßig. Der Verband für Physiotherapie in Deutschland ist ebenfalls Kooperationspartner. Die Hippotherapie-K ist in der Schweiz offiziell anerkannt; für Multiple Sklerose (MS)-Patienten von der Krankenkassegrundversicherung; für die Zerebralparese, Trisomie 21 (neu seit 2016! ) und andere schwere neurologische Bewegungsstörungen bei Kindern bis zum 20. Lebensjahr von der Invalidenversicherung; für Para- und Tetraplegiker bei Unfall die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt SUVA. Die Hippotherapie wurde 1989 vom Obersten Sanitätsrat (vom Bundesministerium für Gesundheit und öffentlichen Dienst) als physiotherapeutische Behandlung anerkannt. 18 | mup 1|2020 Forum: El Kobbia, Joray-Tendon, Molnar-Mignon - Finanzierungsmöglichkeiten von Hippotherapie Gilt die Anerkennung für die Therapie als solche oder gibt es bestimmte Bedingungen, die zu berücksichtigen sind? Die Anerkennung gilt nur nach der hier vorgegebenen Definition. Seit 2016 ist die Ausbildung ein Certificate of advanced Studies (CAS) Hippotherapie an der ZHAW in Winterthur. Die Ausbildung für die Hippotherapie-K verlangt schon viele Voraussetzungen: Eine abgeschlossene Physiotherapieausbildung und neurologische Weiterbildung wie zum Beispiel: CAS MS, Bobath-Erwachsene, Bobath-Kinder; CAS Pädiatrie & vertiefte Pferdekenntnisse und -erfahrungen. Um auf der Therapeutenliste der SGH-K zu stehen, ist man Mitglied der SGH-K. Diese Therapeutenliste wird regelmäßig von Kostenträgern konsultiert. Die SGH-K ist für die jährliche fachliche Fortbildung ihrer Mitglieder verantwortlich. Die Anerkennung gilt als solche. Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Anerkennung / Nichtanerkennung? Konsequenzen der Nichtanerkennung sind, dass Patienten die Kosten selbst tragen müssen; viele der gesetzlich Versicherten können das jedoch nicht leisten. Therapeuten stellen daher regelmäßig nicht den Betrag in Rechnung, den sie zur Abdeckung ihrer Kosten benötigen. Oft wird die Hippotherapie daher durch andere Maßnahmen gegenfinanziert oder durch Spenden zusätzlich gedeckt. Mitglieder, die keine Fortbildungen vorweisen können, werden aus der Therapeutenliste gestrichen. In den meisten Bundesländern erfolgt eine (teilweise) Rückerstattung der Kosten durch die Kassen. Welche grundsätzlichen Finanzierungsmodelle gibt es? Die Finanzierungsmodelle sind sehr unterschiedlich. Regelmäßig sind die Kosten für eine Hippotherapie allerdings wie erwähnt nicht vollumfänglich gedeckt. Ambulante HTK: Invalidenversicherung (IV), Krankenkasse (KK), SUVA für die oben genannten Diagnosen. Stationäre HTK: von den Kostenträgern in der Tagespauschale: MS, Para-Tetraplegie, Schädelhirntrauma (SHT), Cerebraler vasculärer Insult (CVI), Guillaume Barré Stiftungen / privat: bei ambulanter HTK bei SHT, CVI, G. Barré Hippotherapie muss ärztlich verordnet werden. Meist muss die Verordnung für die (teilweise) Rückerstattung durch die Kassen noch chefärztlich bestätigt werden. Gibt es spezifische Regelungen / Sonderregelungen? Welche sind das? In der Rehabilitation profitieren diverse neurologische Diagnosen von der HTK, bei Verlassen der Klinik aber nicht mehr. Jedes Bundesland hat eigene Regelungen. Einzig in Oberösterreich werden die Kosten gänzlich übernommen und unterliegen auch einem Valorisierungsmodell (jährliche Anhebung). Voraussetzungen: ausgebildete Physiomit Hippotherapieausbildung, eine Halle, die während der Therapie für andere gesperrt ist, rollstuhlgerechter Zugang, rollstuhlgerechte Forum: El Kobbia, Joray-Tendon, Molnar-Mignon - Finanzierungsmöglichkeiten von Hippotherapie mup 1|2020 | 19 Toilette, beheizbarer Aufenthaltsraum, Rampe zum Therapiepferd! Die Kosten werden nur entsprechend einem vorliegenden Indikationskatalog (vorwiegend neurologische Erkrankungen) rückerstattet. Weiterhin haben einige Bundesländer Sonderregelungen mit Ambulatorien oder Sondereinrichtungen. Desweiteren gibt es in manchen Bundesländern Sonderverträge mit Institutionen, Ambulatorien. Welche besonderen Schwierigkeiten ergeben sich aus der aktuellen Lage? Die Finanzierungslage hemmt die professionelle Entwicklung der Hippotherapie in Deutschland. HTK ist auch bei SHT, CVI, G. Barré effizient und erwiesen. Leider übernimmt die KK in der ambulanten Therapie die HTK nicht. Wenn der Patient keine Unterstützung bei einer Stiftung findet, muss er die HTK selber bezahlen oder hat keine HTK mehr. In dem bisherigen Verordnungsmöglichkeiten fehlen besonders orthopädische Diagnosen, Beckenboden, evtl. auch gynäkologische Probleme. Gibt es zurzeit Bestrebungen, die Finanzierungslage der Hippotherapie zu verändern? Das Deutsche Kuratorium für Therapeutisches Reiten (DKThR) hat nach dem erfolgreichen Abschluss der wissenschaftlichen Studien den Einsatz und die Dringlichkeit gegenüber der Politik deutlich erhöht. Gleichzeitig steht die Erstellung von Rechtsgutachten an, um die Rechtslage zur Anerkennung der Hippotherapie einer gründlichen Überprüfung zu unterziehen. Ziel: die Finanzierungslage der HTK zu erhalten, Kostengutsprachen zu erhalten und nicht weiter herunterdrosseln zu lassen. Ja - siehe oben. Derzeit in Österreich jedoch nicht möglich, da die politische Situation derzeit unsicher ist (mögliche Zusammenlegung der Kassen). Welche Bestrebungen wären aus Ihrer Sicht besonders wünschenswert? Die Hippotherapie ist kein Massenprodukt wie üblicherweise Medikamente; sie wird es auch nicht werden. Sie bleibt eine besondere Rehabilitationsmaßnahme. Krankenkassen könnten die Kosten dieser Behandlungsform ohne Weiteres leisten. Die Anzahl wissenschaftlicher Studien sollte inzwischen ausreichend sein, um Unterstützung vor allem aus den Gesundheitsministerien dafür zu erhalten. In Europa gibt es momentan wenige aktuelle Studien zur Hippotherapie. Die SGH-K arbeitet momentan an einer Qualitätskontrollstudie, um im späteren Verlauf HTK-Studien initiieren zu können. Hat es aus Ihrer Sicht Verbesserungen / Verschlechterungen in den letzten 10 Jahren gegeben? Die wirtschaftliche Situation ist seit 1981 für Therapeuten dieser Behandlungsform eher gleichbleibend. Der Bekanntheitsgrad der Hippotherapie in der Gesellschaft im Allgemeinen sowie in Fachkreisen im Besonderen ist dabei allerdings im positiven Sinne sehr beachtlich und hat sich enorm verbessert. Die Krankenkassen geben eine Kostengutsprache für die HTK mit immer weniger Sitzungen pro Jahr oder nur noch alle zwei Wochen. Durch verschiedene, nicht adäquate Ausbildungsanbieter besteht die Gefahr einer Verflachung und Vermengung von unterschiedlichen Zielsetzungen und somit die Schwierigkeit für Patienten, bei entsprechend ausgebildeten Therapeuten zu landen!
