eJournals mensch & pferd international 13/4

mensch & pferd international
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd für Kinder mit einer Traumafolgestörung

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Lisa Frost
Der Therapeutische Reitbereich Michaelshoven besteht seit 1990 und ist zertifiziertes Mitglied im Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten. Was 2019 mit einer Idee begann, hat sich mittlerweile zu einem ausgearbeiteten Konzept entwickelt: Das Angebot des Therapeutischen Reitbereichs ist im Konzept der Wohngruppe „Tiger“ als ein wichtiger Bestandteil eines komplexen Hilfesystems für die dort lebenden Kinder im Alter von 6–12 Jahren fest verankert. Jedes Kind erhält ab dem Einzug in die Wohngruppe ein pferdgestütztes Angebot. Die intensivpädagogische Wohngruppe für sechs Kinder arbeitet mit einem traumapädagogischen Schwerpunkt. Zielgruppe sind Jungen im Aufnahmealter von 6–12 Jahren mit Bindungs- und / oder Traumafolgestörungen. In der Wohngruppe finden Kinder einen sicheren Ort, die von frühen und anhaltenden Bindungsstörungen und von den darüber hinaus wirksamen Mehrfachtraumata betroffen sind, insbesondere durch Gewalt­erfahrungen, Vernachlässigung, Entwertung und Missbrauch.
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152 | mup 4|2021|152-158|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2021.art21d Forum Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd für Kinder mit einer Traumafolgestörung Die Kooperation zwischen dem Therapeutischen Reitbereich Michaelshoven und der Wohngruppe „Tiger“ der Diakonie Michaelshoven in Köln Rahmenbedingungen der Kooperation „Monsun ist mein bester Freund. Wenn ich traurig bin, kann ich immer zu ihm gehen“, sagt Paul (10 Jahre), der seit zwei Jahren in der Wohngruppe „Tiger“ der Diakonie Michaelshoven lebt. Aus dem Küchenfenster seiner Wohngruppe kann er auf die Pferdeweide und die Paddocks schauen, denn der Therapeutische Reitbereich liegt mitten im Park auf dem Campus der Diakonie Michaelshoven e. V. Einmal in der Woche nimmt Paul dort an der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd teil, und auch außerhalb dieses Termins sind Monsun und die anderen fünf Pferde immer Teil seines Lebensalltags. Der Therapeutische Reitbereich Michaelshoven besteht seit 1990 und ist zertifiziertes Mitglied im Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten. Was 2019 mit einer Idee begann, hat sich mittlerweile zu einem ausgearbeiteten Konzept entwickelt: Das Angebot des Therapeutischen Reitbereichs ist im Konzept der Wohngruppe „Tiger“ als ein wichtiger Bestandteil eines komplexen Hilfesystems für die dort lebenden Kinder im Alter von 6-12 Jahren fest verankert. Jedes Kind erhält ab dem Einzug in die Wohngruppe ein pferdgestütztes Angebot. Die intensivpädagogische Wohngruppe für sechs Kinder arbeitet mit einem traumapädagogischen Schwerpunkt. Zielgruppe sind Jungen im Aufnahmealter von 6-12 Jahren mit Bindungs- und / oder Traumafolgestörungen. In der Wohngruppe finden Kinder einen sicheren Ort, die von frühen und anhaltenden Bindungsstörungen und von den darüber hinaus wirksamen Mehrfachtraumata betroffen sind, insbesondere durch Gewalterfahrungen, Vernachlässigung, Entwertung und Missbrauch. Der im biografischen Verlauf erworbene Bindungsstil kann einen Risikofaktor für den Entwicklungsverlauf und den Aufbau eines stabilen Selbstkonzeptes darstellen. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der frühe Mangel an wohlwollender Fürsorge und eine damit einhergehende Lebensgrundsicherheit zu einem unsicheren und desorganisierten Bindungsmuster führen (Ahnert 2005, 302). Mittlerweile wurde die Kooperation zwischen Wohngruppe und Therapeutischem Reitbereich zwei Jahre lang erprobt und aufgrund der erfolg- Lisa Frost Forum: Frost - Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd für Kinder mit Traumafolgestörungen mup 4|2021 | 153 reichen Implementierung dieses Modells auf eine weitere Wohngruppe übertragen. Kooperation der Reitpädagogin mit der Wohngruppe „Tiger“ Die verantwortliche Reitpädagogin und Teamleiterin des Therapeutischen Reitbereichs hat nach ihrem Studium der Heilpädagogik eine Weiterbildung beim Deutschen Kuratorium für Therapeutisches Reiten absolviert und nimmt aktuell an der Fachfortbildung „Trauma“ des IPTh teil. Sie steht mit einem festgelegten Stundenumfang der Wohngruppe zur Verfügung. In diesem Rahmen bietet sie für alle Bewohner der Wohngruppe „Tiger“ einmal wöchentlich eine Einheit Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd an (60 Minuten). Dabei wird das Setting immer an den aktuellen individuellen Bedarf jedes einzelnen Kindes angepasst (1: 1 Setting oder Kleingruppe mit zwei Bewohnern). Zusätzlich nimmt die Reitpädagogin an den pädagogischen Teamsitzungen, dem Kinder- und Jugendpsychiatrischen Konsil sowie an der Zielplanung im Dialog (standardisiertes Zielplanungsinstrument innerhalb der Diakonie Michaelshoven) teil. Halbjährlich erstellt sie für jeden Bewohner einen Verlaufsbericht, in dem sie den Entwicklungsprozess des Kindes, die verwendeten Methoden und die Zielerreichung darstellt. Diese enge Zusammenarbeit ist Grundlage der Förderangebote im Therapeutischen Reitbereich und stellt sicher, dass die Themen aus dem Alltag der Bewohner in der pferdegestützten Intervention aufgegriffen und berücksichtigt werden. Die Reitpädagogin arbeitet eng mit einem Diplom-Psychologen (PPT) des Psychosozialen Dienstes der Diakonie Michaelshoven zusammen, welcher der Fall- und Fachberatung der Wohngruppe „Tiger“ zugeordnet ist. Zusammen mit ihm reflektiert sie in monatlichen Terminen die Entwicklung der Kinder sowie die erlebten Fördereinheiten und überprüft die eigenen Interventionen. Daraus ergeben sich neue Impulse und konkrete Handlungsschritte für die weitere individuelle Förderung. In den Teambesprechungen mit den Mitarbeitenden der Wohngruppe „Tiger“ stellt die Reitpädagogin relevante Beobachtungen zur Verfügung und gleicht sie mit den Zielen der KollegInnen ab. Bei einer Neuaufnahme in die Wohngruppe wird das Kind der Reitpädagogin zeitnah vorgestellt. Sie erhält in der Teambesprechung alle wichtigen Informationen und vorhandene Berichte und das Förderangebot startet so schnell wie möglich. Durch die Anbindung an den begleitenden Psychologen ist sichergestellt, dass die Reitpädagogin die Grenzen ihrer Kompetenz wahrt und bei Bedarf Themen der Kinder in einem anderen Kontext aufgegriffen werden oder an weitere TherapeutInnen der Bewohner (Kinder- und JugendpsychotherapeutInnen) weitergeleitet werden. Im Fokus der Arbeit mit den Pferden steht in besonderem Maße die Stabilisierung der Kinder. Durch dieses Setting entsteht ein traumasensibles pädagogisches Milieu. Eine Aufarbeitung von erlebten Traumata findet dort nicht statt. Verankerung der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd im Lebensalltag der Kinder Der Umgang mit dem Pferd und das Reiten werden nicht als „Therapie“ empfunden und erreichen Abb. 1: Der Kontakt mit dem Pferd ermöglicht positive Beziehungserfahrungen. Fotos: Jana Stein / Diakonie Michaelshoven e. V. 154 | mup 4|2021 Forum: Frost - Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd für Kinder mit Traumafolgestörungen damit auch therapiemüde KlientInnen. Die Kinder gehen zum Reiten, zu ihrem Lieblingspferd oder ihrem „besten Freund“. Für die Bewohner der Wohngruppe „Tiger“ ist ihr Lieblingspferd auch außerhalb ihres Reitangebotes immer vor Ort und kann zum Beispiel nach belastenden Situationen aufgesucht werden. Die Pferde sind ein Teil des Alltags der Kinder und stehen immer als Kontaktpartner zur Verfügung. Damit die positiven Erlebnisse mit den Pferden für die Kinder im Gruppenalltag stets präsent sind, wurden während der Arbeit mit den Kindern zahlreiche Fotos gemacht. Diese hängen in Form einer großen Collage in der Küche der Wohngruppe, die den zentralen Aufenthaltsraum darstellt. Damit ist der Kontakt zu den Pferden eine stabilisierende Konstante im Lebensalltag der Kinder, die oft bindungsverletzt und beziehungsenttäuscht sind. Die Gestaltung des Settings Das Setting wird entsprechend der Zielsetzung und den individuellen Bedarfen des einzelnen Klienten gestaltet und wird dem Entwicklungsprozess laufend angepasst. Bewährt hat sich eine Förderung im 1: 1-Kontakt, da dies eine intensive Interaktion zwischen Kind, Pferd und Reitpädagogin ermöglicht und so die aktuellen Themen und Bedürfnisse des Kindes ganz im Fokus stehen können. Neben dem geführten Reiten durch die Natur können das Reiten an der Longe und das Erlernen des selbständigen Reitens in allen drei Grundgangarten Inhalte der Förderung sein. Zum Einsatz kommen auch verschiedene Wahrnehmungsimpulse und -übungen wie das Liegen auf dem Pferdrücken und das gezielte An- und Entspannen einzelner Körperteile. Es wird zudem mit dem in der Halle freilaufenden Pferd gearbeitet. Ziele im pferdegestützten Setting für die Bewohner der Wohngruppe „Tiger“: ■ Emotionale Stabilisierung ■ Erfahren von Selbstwirksamkeit und damit Stärkung des Selbstvertrauens ■ Selbstreflexion: Entwicklung von Gespür für sich selbst und die eigenen Emotionen ■ Erweiterung des Handlungsspielraums im Umgang mit Emotionen und gesteigerte Selbstkontrolle ■ Erlernen einer realistischen Selbsteinschätzung und differenzierten Selbstwahrnehmung (Selbstreflexion) ■ Sensibilisierung für die Wahrnehmung des eigenen Stresslevels mithilfe der Rückmeldung des Pferdes ■ Förderung der Kontakt-, Kommunikations- und Interaktionsfähigkeit ■ Stärkung der Kooperationsfähigkeit und Frustrationstoleranz ■ Abbau von Ängsten und Aggressionen ■ Abbau von Spannungen und Stress durch Loslassen und Bewegt-Werden ■ Übernahme von Verantwortung gegenüber dem Pferd und Erlernen von Rücksichtnahme Abb. 2: Getragen und gehalten werden fördert die physische und psychische Entspannung. Forum: Frost - Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd für Kinder mit Traumafolgestörungen mup 4|2021 | 155 Beständige Beziehungserfahrungen Die auf Vertrauen basierende Beziehungsgrundlage zwischen Klient, Pferd und Reitpädagogin (Beziehungsdreieck) bietet einen geschützten sicheren Rahmen und unterstützt den Einzelnen in der Auseinandersetzung mit seinen individuellen Schwierigkeiten und Grenzen. Urmoneit (2015) betont, dass in dieser Triade neben der Bezogenheit auf mehrere Interaktionspartner auch die Wahrung der Autonomie erprobt werde (ebd. 161). Das Beziehungsdreieck ist geprägt von Beständigkeit und Transparenz. Die Reitpädagogin schafft Sicherheit, Orientierung und Vorhersehbarkeit durch eine klare Struktur, Rituale und den Einsatz eines bestimmten Pferdes über einen längeren Zeitraum, das zu den aktuellen Entwicklungsthemen des Kindes passt. So kann das Kind eine vertrauensvolle Beziehung zu diesem Pferd aufbauen. Das Erleben einer beständigen Beziehung zum Pferd und zur Reitpädagogin ermöglicht positive und stabilisierende Beziehungserfahrungen. Vertrauen zu sich selbst und anderen kann (wieder) gewonnen werden. Förderung von physischer und psychischer Entspannung Die in der Interaktion mit dem Pferd erlebte Wärme und Nähe beim Putzen, Schmusen und insbesondere beim Getragenwerden erfüllen menschliche Grundbedürfnisse nach Sicherheit und Geborgenheit (Grawe 2000). Besonders nach Krisen oder Misserfolgen wirkt sich der Körperkontakt zum Pferd beruhigend aus. So hilft das Pferd bei Krisen in der Wohngruppe dabei, Konflikte zu deeskalieren: Paul kann nach eigenen Worten wieder besser mit den MitarbeiterInnen in der Wohngruppe in Kontakt treten und eine Krisensituation nachbesprechen, wenn er zuvor bei Monsun sein durfte. Auch das minutenlange Liegen auf dem Pferderücken, verbunden mit dem Spüren der Atmung der Tiere, nutzen die Kinder gerne für sich zur Entspannung und genießen es sehr. Ressourcenorientierung Gerade Kinder, die in ihrem bisherigen Leben oftmals grenzverletzende Erfahrungen gemacht haben, sind in ihrem Weltbild erschüttert und verhalten sich dementsprechend misstrauisch. Die Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd für Kinder mit einer Traumafolgestörung stellt die Kompetenzen des Klienten in den Fokus (Hediger / Zink 2017, 132). Die Förderung macht Stärken deutlich, da der Motivator Pferd die Bereitschaft der Kinder erhöht, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Die Reitpädagogin kann durch das Medium Pferd Grenzen setzen, die dem Wohle des Pferdes dienen und somit eine höhere Akzeptanz durch die Klienten erfahren. Das Erleben der eigenen Ressourcen und Kompetenzen in der Interaktion mit dem Pferd stärkt das Selbstbewusstsein der Kinder. Paul hat gelernt, sein Pferd Monsun eigenständig zu lenken und selbst die Zügel in die Hand zu nehmen. Wenn ein so großes, starkes Tier seinen Signalen folgt, erlebt er sich als selbstwirksam und sicher. Stolz wie ein König reitet er an der Wohngruppe vorbei und winkt den anderen Kindern und den MitarbeiterInnen zu. Das Erleben von Selbstwirksamkeit stärkt die Überzeugung der Kinder, neue heraufordernde Situationen mitgestalten und bewältigen zu können (Frey 2016). Die Kinder zeigen in der Interaktion mit dem Pferd und in dem geschützten Rahmen verborgene oder oftmals instabile Kompetenzen in beständiger Weise und zeigen damit den Fachkräften den Weg. Hier wird erneut deutlich, wie wichtig die Vernetzung zwischen Reitpädagogin und dem pädagogischen Team der Wohngruppe ist, damit wahrgenommene Ressourcen zurückgemeldet werden. Die Pferdeherde als Vorbild für das Zusammenleben In der Pferdeherde hat jedes Tier seinen Platz, es gibt klare Regeln sowie Auseinandersetzungen und Aushandlungsprozesse. Gleichzeitig findet das Pferd in der Herde 156 | mup 4|2021 Forum: Frost - Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd für Kinder mit Traumafolgestörungen Sicherheit und Orientierung (Gerweck 1997, 37). Die Herde und das einzelne Pferd sind für die Kinder der Wohngruppe „Tiger“ ein Modell für die Auseinandersetzung mit sich selbst, mit eigenen Ängsten, Grenzen, Stärken und Schwächen, aber auch Bedürfnissen. Die Kinder lernen schnell, die Pferde zu lesen und deren Körpersprache zu deuten. Sie beobachten den Umgang der Pferde untereinander interessiert und leiten daraus Fragen ab, die eine Brücke zu Gesprächen über sie selbst bilden. Da das Pferd als Stellvertreter im Zentrum dieser Gespräche steht, ist es leichter, sich mit den eigenen Themen auseinander zu setzen (Romanczuk-Seiferth / Schwitzer 2019, 149). Für Paul war die Frage, ob sich sein Lieblingspferd denn in der Herde sicher und wohl fühle, der Beginn eines Gespräches über die eigene Sorge, wo denn sein Zuhause sei und wo sein Platz in seiner Familie sei, wenn er dort nicht mehr lebe. Einbezug des Familiensystems Bei Bedarf kann das Familiensystem der Kinder mit einbezogen werden, durch Besuche während der Reiteinheit oder in Form von gemeinsamen Aktionen mit dem Pferd. Gemeinsame positive Erlebnisse stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl, lassen die Ressourcen der einzelnen Familienmitglieder in den Vordergrund treten und geben nicht zuletzt den Kindern die Möglichkeit, als Experte für ihr Lieblingspferd in eine neue Rolle zu schlüpfen. Schwerpunkt der Arbeit mit Familien ist dabei die Gestaltung einer „quality-time“ und nicht die Aufarbeitung von Konflikten. Wohl aber dienen Beobachtungen der Reitpädagogin in Bezug auf die Interaktion der Familienmitglieder untereinander dazu, das ganze System differenzierter zu verstehen und in einem anderen Setting bestimmte Themen noch einmal aufzugreifen, wie z. B. im Elterngespräch mit dem zuständigen Psychologen. Herausforderungen in der Kooperation Nach nunmehr zweijähriger Erprobung der Kooperation lässt sich festhalten, dass die Basis eine gelingende und umfassende Kommunikation zwischen der Reitpädagogin und der Wohngruppe darstellt. Dabei haben wir festgestellt, dass die Kommunikation eine feste Struktur, bspw. in Form der gemeinsamen Teambesprechungen, benötigt. Genauso wichtig ist aber auch der schnelle Informationsfluss im Alltag. Die Reitpädagogin benötigt z. B. vor der Arbeit mit dem Kind die Information, wenn dieses sich zuvor in einer hochgradigen Krise befand, und die Wohngruppe muss Abb. 4: Der Kontakt zu den Pferden stärkt die Kinder. Abb. 3: Durch das Pferd entsteht eine Brücke zu Gesprächen über sich selbst. Forum: Frost - Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd für Kinder mit Traumafolgestörungen mup 4|2021 | 157 umgehend informiert werden, wenn es wichtige Aussagen der Kinder während der Zeit mit den Pferden gab. Besondere Vorkommnisse müssen schriftlich von der Reitpädagogin festgehalten und in die Dokumentation der Gruppe eingefügt werden. Das alles benötigt Zeit! Die zu Beginn der Kooperation von der Reitpädagogin geplante Zeit erwies sich schnell als zu wenig und musste deshalb nach oben korrigiert werden. Ein weiterer wichtiger Punkt einer sich ergänzenden Zusammenarbeit ist die Haltung, dass der Termin im Therapeutischen Reitbereich nicht als Sanktion für regelverletzendes Verhalten in der Wohngruppe gestrichen werden darf. Ganz im Gegenteil kann der Umgang mit dem Pferd sich stabilisierend auf das Kind in solchen Phasen auswirken. Deshalb wurde klar formuliert, dass Konflikte aus dem Zusammenleben in der Wohngruppe dort bleiben und geklärt und nicht in den geschützten Rahmen der Heilpädagogischen Förderung mit dem Pferd übertragen werden. Das schließt nicht aus, dass gemeinsam mit dem Kind andere Wege zum Umgang mit Wut, oder die Möglichkeit Trauer zu zeigen, mit dem Pferd erarbeitet werden. Die Arbeit mit Kindern mit einer Traumafolgestörung ist für die zuständige Reitpädagogin nur dann gut zu leisten, wenn sie im Sinne einer guten Selbstfürsorge auf eigene Belastungsgrenzen achtet und sich bei Bedarf Unterstützung einholt. Hierbei kann der Austausch mit dem zuständigen Psychologen, aber auch die kollegiale Beratung oder Supervision hilfreich sein. Fazit Den Bewohnern der Wohngruppe „Tiger“ bietet die Kooperation mit dem Therapeutischen Reitbereich die Möglichkeit eines sicheren geschützten Ortes, verbunden mit neuen wichtigen Lern- und Beziehungserfahrungen. In seinem Lieblingspferd kann jedes Kind einen zusätzlichen Beziehungspartner finden, der Bedürfnisse nach Nähe und Geborgenheit erfüllt. Die Stärken, die die Kinder hier in der Interaktion mit dem Pferd zeigen und an sich selbst wahrnehmen, öffnen für uns pädagogische Fachkräfte den Blick auf die Ressourcen jedes einzelnen Kindes und ermöglichen uns, die Kinder auch in krisenbelasteten Zeiten weiter engagiert zu begleiten. In einem Arbeitskontext, in dem von den Mitarbeitenden immer ein Höchstmaß von Reflexionsbereitschaft, Geduld und Konstanz gefordert wird, bietet das vorliegende Konzept eine Entlastung auch für das Team der Wohngruppe „Tiger“. Die Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd ermöglicht Stabilisierung, Ausgleich und eine geliebte Beschäftigung für die Bewohner und trägt damit zu einem guten Gruppenklima bei. Insbesondere in Krisensituationen erleben die MitarbeiterInnen es als Entlastung und Hilfestellung, dass der Kontakt zu den Pferden als stabilisierende Maßnahme deeskalierend und beruhigend auf die Kinder wirkt. Unabhängig von Sprache zeigen die Kinder im Umgang mit dem Pferd ihre innersten Bedürfnisse und geben uns Fachkräften damit wichtige Hinweise und Antworten. Nicht zuletzt ermutigen die in der Interaktion mit dem Pferd erlernten Kompetenzen die Kinder dazu, auch im Alltag neue Handlungsstrategien zu erproben. Ziel ist die Übertragung und Integration neuer Kompetenzen in den Alltag. Das beschriebene Konzept der Verankerung der Heilpädagogisches Förderung mit dem Pferd in einem stationären Wohngruppenkonzept kann somit weiterempfohlen werden. Literatur ■ Ahnert, L. (2005): Frühe Bindung. Entstehung und Entwicklung. Ernst Reinhardt Verlag, München ■ Frey, D. (2016): Psychologie der Werte. Von Achtsamkeit bis Zivilcourage Basiswissen aus Psychologie und Philosophie. Springer Verlag, Berlin Heidelberg ■ Grawe, K. (2000): Psychologische Therapie. Hogrefe Verlag, Göttingen ■ Gerweck, G. (1997): Die Psyche des Pferdes. Sein Wesen, seine Sinne, sein Verhalten. Franckh- Kosmos Verlag, Stuttgart 158 | mup 4|2021 Forum: Frost - Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd für Kinder mit Traumafolgestörungen ■ Hediger, K., Zink, R. (2017): Pferdegestützte Traumatherapie. Ernst Reinhardt Verlag, München ■ Romanczuk-Seiferth, Schwitzer, S. (2019): Pferdegestützte Psychotherapie in der Behandlung von Traumafolgestörungen. In: Psychotherapeutenjournal 2 / 2019, 146-155 ■ Urmoneit, I. (2015): Pferdgestützte systemische Pädagogik (2. Auflage). Ernst Reinhardt Verlag, München ■ Konzept der Wohngruppe „Tiger“ (2018): Intensivpädagogische Wohngruppe für Jungen ab sechs Jahre. ■ Konzept Therapeutischer Reitbereich Michaelshoven (2021): Konzept Tiergestützte Interventionen. Die Autorin Lisa Frost Diplom-Heilpädagogin, Reitpädagogin DKThR, Teamleitung Therapeutischer Reitbereich der Diakonie Michaelshoven in Köln, Ausbilderin im Gesundheitssport mit Pferd, Bewegungsberaterin Prävention durch Reiten, aktuell Teilnahme an der Fachfortbildung „Trauma“ des IPTh Kontakt Lisa Frost · Therapeutischer Reitbereich Michaelshoven, Kinder- und Familienhilfen Michaelshoven gGmbH Pfarrer-te-Reh-Str. 1 · 50999 Köln l.frost@diakonie-michaelshoven.de Weiterbildungen für soziale Fachkräfte: Reittherapie, Reitpädagogik & Pferdegestützte Psychotherapie www.ipth.de Für Ihre berufliche Zukunft mit dem Partner Pferd. Fortbildungen für alle interessierten Personen! Fordern Sie dazu gerne unser neues Jahresprogramm an! Anzeige