mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2021.art08d
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2021
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Emotionen als Prädiktoren für den Interventionserfolg in pferdegestützten Coachings
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2021
Lisa Tometten
Kathrin Schütz
In der vorliegenden Studie wurden Emotionen als Erfolgsfaktoren in pferdegestützten Coachings untersucht. 53 Personen nahmen an den Coachings teil und füllten Fragebögen zu ihren Emotionen und zum Coaching-Erfolg zu drei Messzeitpunkten aus. Die Ergebnisse zeigten signifikante Veränderungen der Aktivierung, Gelassenheit und negativen Emotionen im Coachingverlauf. Die Gelassenheit konnte die Problemsichtverbesserung und die Aktivierung konnte die Zufriedenheit mit dem Coaching vorhersagen. Emotionsfördernde Techniken können in der Praxis gewinnbringend im Coaching mit Pferden genutzt werden. Limitationen der Studie werden diskutiert.
2_013_2021_2_0003
52 | mup 2|2021|52-61|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2021.art08d Lisa Tometten & Kathrin Schütz Schlüsselbegriffe: Pferdegestützte Intervention, Coaching, Aktivierung, Emotionsregulation In der vorliegenden Studie wurden Emotionen als Erfolgsfaktoren in pferdegestützten Coachings untersucht. 53 Personen nahmen an den Coachings teil und füllten Fragebögen zu ihren Emotionen und zum Coaching-Erfolg zu drei Messzeitpunkten aus. Die Ergebnisse zeigten signifikante Veränderungen der Aktivierung, Gelassenheit und negativen Emotionen im Coachingverlauf. Die Gelassenheit konnte die Problemsichtverbesserung und die Aktivierung konnte die Zufriedenheit mit dem Coaching vorhersagen. Emotionsfördernde Techniken können in der Praxis gewinnbringend im Coaching mit Pferden genutzt werden. Limitationen der Studie werden diskutiert. Emotionen als Prädiktoren für den Interventionserfolg in pferdegestützten Coachings Tometten, Schütz - Emotionen als Prädiktoren für den Interventionserfolg mup 2|2021 | 53 Stellen Sie sich bitte folgende Situation vor: Sie stehen auf einem Sandplatz mit zwei Pferden. Nun sollen Sie sich ein Pferd aussuchen, einen Strick an seinem Halfter befestigen und einen Parcours mit ihm absolvieren. Vor Ihnen befindet sich ein Slalom aus mehreren Pylonen. Dort liegen außerdem eine Plane, die Sie gemeinsam mit dem Pferd überqueren, und zwei weitere Stangen, zwischen denen Sie mit dem Pferd rückwärtsgehen sollen. Wie fühlen Sie sich angesichts dieser Aufgabe? Wie werden Sie sich fühlen, wenn Sie sie gemeistert haben? Und was können Sie dabei über sich selbst und Ihren Umgang mit unbekannten Situationen lernen? Im Rahmen eines Coachings werden Sie die Möglichkeit haben, diese und ähnliche Fragen gemeinsam mit Ihrem / Ihrer Coach zu reflektieren. Pferdegestützte Coachings können für verschiedene Themen der Coachees eingesetzt werden, wobei u. a. die Entwicklungs- und Handlungsorientierung, exemplarische Lernprozesse und Herausforderungen (physisch und psychisch) im Vordergrund stehen (Friesenhahn 2017, 54). Zu diesem Zweck werden die Pferde von den Coachees beobachtet oder es gibt eine Begegnung im Rahmen verschiedener Übungen. Die Pferde dienen als nonverbaler Spiegel und erfüllen dabei drei zentrale Funktionen: Sie können den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Coach und Klient unterstützen, als Quelle für Feedback dienen und die Aktivierung von Emotionen erleichtern (Friesenhahn 2015, 46 f; 2017, 37, 40). Dabei gibt es sowohl Coachees, die Pferdeerfahrung haben als auch solche, die keine Erfahrung mit den Tieren aufweisen (Schütz 2020, 148). In einer Studie zur Wirkung von pferdegestützten Coachings auf die Selbstwirksamkeitserwartung zeigte sich bei Menschen ohne Pferdeerfahrung ein deutlicherer Anstieg als bei Menschen mit Pferdeerfahrung (Schütz / Steinhoff 2019). Obwohl es sich bei pferdegestützten Interventionen im Allgemeinen und bei pferdegestützten Coachings im Speziellen um ein relativ junges Forschungsfeld handelt, deuten zusammenfassende Analysen bereits auf positive Effekte pferdegestützter Therapien auf emotionale Erfolgsmaße hin (Graves 2010; Selby / Smith- Osborne 2013). Speziell im Coaching mit Pferden konnten schon positive Zusammenhänge zu psychologischen Variablen wie der Selbstbewertung und Selbstwirksamkeitserwartung festgestellt werden (Schütz / Steinhoff 2019). Obwohl Pferde die Aktivierung von Emotionen erleichtern sollen (Friesenhahn 2015, 47), wurde in vorherigen Untersuchungen bislang kein Fokus auf die Emotionen als Wirkfaktoren gelegt. Um dieser Forschungslücke zu begegnen, wurden für die vorliegende Studie pferdegestützte Coachings mit standardisierten Fragebögen begleitet und evaluiert. Dabei wurden insbesondere die Emotionen der Coachees (positiv, negativ, Aktivierung, Gelassenheit) fokussiert und mit Erfolgsmaßen des Coachings (Problemsichtverbesserung, Zufriedenheit mit dem Coaching) in Verbindung gebracht. Emotionen in Lern- und Coachingprozessen Emotionen - also augenblickliche, an die Höhen und Tiefen des Tages gebundene Erfahrungen, die Menschen machen (Robinson / Clore 2002, 934) - lassen sich auf zwei orthogonalen Dimensionen betrachten (Bradley et al. 1992, 379): (1) Valenz, also positive und negative Emotionen, und (2) Aktivierung ( Arousal ), die hoch oder niedrig sein kann. Diese Unterteilung wird in den gängigen Fragebögen zur aktuellen Befindlichkeit (Kuhl / Kazén 2003; Thompson 2007) in Form der Subskalen aufgegriffen. Beide Dimensionen spielen eine wichtige Rolle in Lernprozessen. So hängen positive Emotionen zum Beispiel mit einer höheren Motivation, einer geringer empfundenen Aufgabenschwierigkeit, einem besseren Verständnis und einer besseren Transferleistung zusammen (Um et al. 2012). Negative Emotionen hingegen erschweren zum Beispiel die korrekte Zuschreibung von Informationsquellen (Baumann / Kuhl 2003), wenn sie nicht adäquat 54 | mup 2|2021 Tometten, Schütz - Emotionen als Prädiktoren für den Interventionserfolg reguliert werden können. Auch in Coachingprozessen (ohne Pferde) zeigen sich positive Effekte: Coachees, deren positive Emotionen und Visionen im Coaching fokussiert wurden, zeigten weniger Ärger und eine größere Exploration ihrer persönlichen Stärken während eines Feedbacks aus verschiedenen Perspektiven (Howard 2015). Das Phänomen des Arousals wird schon seit mehreren Jahrzehnten wissenschaftlich untersucht. So wiesen durch spezielle Instruktionen gestresste und somit aktivierte Personen höhere Kreativitätswerte auf als die Vergleichsgruppen (entspannt vs. stark gestresst durch zusätzliche Störgeräusche; Martindale / Greenough 1973). Außerdem konnten Personen Lerninhalte, die mit emotional bedeutsamen Situationen verknüpft waren, langfristig besser erinnern, der kurzfristige Abruf wurde aber erschwert (Kleinsmith / Kaplan 1964). Auch die Emotionsregulierung nach stressigen Situationen ist für die anschließende Arbeitsgedächtnisleistung entscheidend. Personen, die ihre Emotionen erfolgreich regulieren konnten, zeigten bessere Leistungen als Personen, denen dies nicht gelang (Scheibe / Blanchard-Fields 2009). Im Coaching kann der / die Coach durch den Einsatz von speziellen Methoden und Interventionstechniken gezielt Emotionen in den Coachees hervorrufen (Behrendt 2006, 65 f, 74). Für das Erlebbarmachen von Emotionen kann zum Beispiel das Rollenspiel herangezogen werden. Dieses erlaubt es den KlientInnen, die im Berufsalltag relevanten Situationen aktiv zu erleben und zu üben (ebd.). In pferdegestützten Coachings erhält die Übung mit dem Pferd einen ähnlichen Stellenwert und dem Pferd kommt eine Funktion als Spiegel menschlicher Emotionen zu (z. B. Meyer 2009, 42), die bislang zum Teil nur theoretisch begründet ist. Wichtige Voraussetzungen dieser Annahme konnten allerdings bereits empirisch nachgewiesen werden: Pferde sind generell in der Lage, menschliche Emotionen zu erkennen (Smith et al. 2016) und sie reagieren in Coachings trotz gleicher Übungen unterschiedlich auf die Coachees (Schütz et al. 2018). Um weitere Aussagen über die Ursachen und Auswirkungen dieser Reaktionen zu treffen, ist zukünftig weitere Forschung nötig. Nachfolgend wird ein Überblick über die Studie und Hypothesen gegeben. Studienüberblick und Hypothesen Trotz vielseitiger Hinweise auf die positive Wirkung von pferdegestützten Interventionen auf verschiedene psychologische Konstrukte (Graves 2010; Schütz / Steinhoff 2019; Selby / Smith-Osborne 2013) gibt es bislang keine wissenschaftlichen Erkenntnisse über Emotionen als Wirkfaktoren in Coachings mit Pferden. Ziel dieser Studie ist deshalb, einen ersten Blick auf die empfundenen Emotionen der Coachees (positiv, negativ, Aktivierung, Gelassenheit) und den Coaching-Erfolg (Problemsichtverbesserung, Zufriedenheit mit dem Coaching) zu werfen. Studien zu tiergestützten Interventionen zeigen, dass die Anwesenheit von Tieren mit dem Empfinden positiver Emotionen bzw. dem Abfall negativer Emotionen verbunden ist - sowohl im klinischen (Kaminski et al. 2002; Prothmann et al. 2006) als auch im Arbeitskontext (Barker et al. 2005). Die Emotionen wurden in diesen Studien folglich als abhängige Variable betrachtet. Es ist anzunehmen, dass diese Zusammenhänge auch auf Coaching-Prozesse übertragbar sind. Hypothese 1 . Die Klienten erleben von Messzeitpunkt t1 zu Messzeitpunkt t3 (Coaching-Beginn - Coaching-Ende) einen Anstieg der positiven und einen Abfall der negativen Emotionen. Die Begegnung mit einem Pferd, das in seinem Erscheinungsbild größer und beeindruckender ist als die häufig untersuchten Hunde, kann darüber hinaus zu einer Aktivierung - hier Anstieg der Im Coaching sollen gezielt verschiedene Emotionen in den Coachees hervorgerufen werden. Tometten, Schütz - Emotionen als Prädiktoren für den Interventionserfolg mup 2|2021 | 55 Herzrate - führen (Hama et al. 1996). Verstärkt wird der Effekt zusätzlich durch die Anwesenheit einer Videokamera, die in gängigen Stress induzierenden Tests genutzt wird (Kirschbaum et al. 1993, 77). Es ist deshalb anzunehmen, dass die Begegnung mit dem Pferd die Coachees aktiviert. Dieser Effekt sollte in der Reflexion von den Coaches abgepuffert und reguliert werden. Hypothese 2 . Die Aktivierung steigt von Messzeitpunkt t1 zu Messzeitpunkt t2 (Coaching- Beginn - Übung am Pferd) an und die Gelassenheit sinkt. Ein gegenteiliges Bild zeigt sich von Messzeitpunkt t2 zu Messzeitpunkt t3 (Übung am Pferd - CoachingEnde). Nach dem transaktionalen Stressmodell kann nach bewältigten Herausforderungen unter Zuhilfenahme ausreichender Ressourcen Anpassung und folglich auch Lernen stattfinden (Lazarus / Folkman 1987, 146 ff). Dieses Grundprinzip macht sich die Methodik pferdegestützter Coachings zunutze. Die Videoanalyse, ein wichtiger Bestandteil vieler pferdegestützter Coachings, gehört darüber hinaus zu den starken Auslösern für individuelle Selbstreflexion, wird in konventionellen Coachings aber selten eingesetzt (Greif 2008, 87 f). Die Aktivierung von Emotionen und deren Reflexion und Kalibrierung sind fester Bestandteil in etablierten Modellen zu Wirkmechanismen im Coaching (z. B. Greif 2008, 147). Der Praxisbezug wird erlebbar gemacht und die KlientInnen reflektieren die eigenen Gefühle. Im Anschluss können sie auf ein angemessenes Maß reduziert werden. Pferdegestützte Coachings setzen genau an diesem Wirkmechanismus an (Friesenhahn 2017, 52). Zum einen können unbewusste Themen, die noch nicht bewusst waren, durch die Pferdebegegnung sichtbar gemacht werden. Zum anderen können Themen, die kognitiv bereits bewusst waren, nach der Pferdebegegnung auch emotional verarbeitet werden. Hypothese 3 . Die Emotionsveränderungen (t1-t2 und t2-t3) können den Coachingerfolg (Problemsichtverbesserung, Zufriedenheit mit dem Coaching) vorhersagen. Stichprobe Insgesamt nahmen 53 Personen im Alter von 15 bis 56 Jahren ( M = 28.10, SD = 9.33) an den Coachings teil. Die Stichprobe umfasste 9 Männer und 44 Frauen und bestand aus Angestellten (33 %), Studierenden (33 %), Selbstständigen (21 %), (Fach-) ArbeiterInnen (7 %) und SchülerInnen (6 %). 11 Personen hatten keine Vorerfahrungen mit Pferden, wohingegen 42 Personen Erfahrungen in Form von Reitunterricht, eigenen Pferden / Reitbeteiligungen, beruflichem Pferdekontakt bzw. vorherigen Coachings mitbrachten. Insgesamt wurden 15 Coachings durchgeführt (7 Einzel- und 8 Gruppencoachings). Messinstrumente Demografische Variablen . Im Eingangsfragebogen wurden das Geschlecht, das Geburtsjahr, die aktuelle Arbeitsstellung und die Vorerfahrungen mit Pferden erfragt. Emotionen . Die Version BEF-4r-I des Befindlichkeitsfragebogens (BEF) von Kuhl und Kazén (2003) erfasste die Passung von 23 Zustandswörtern zu der momentanen Gefühlslage der Teilnehmenden ( 1 = überhaupt nicht , 4 = sehr ) zu drei Messzeitpunkten. Es wurden die Subskalen Aktivierung (3 Items, α = .73-.81, z. B. „tatkräftig“) und Gelassenheit (3 Items, α = .51-.80, z. B. „ruhig“) genutzt. Der Fragebogen erlaubt darüber hinaus die Aufteilung von 20 Items in zwei Skalen zu den positiven (6 Items, α = .78-.88, z. B. „gutgelaunt“) und negativen Emotionen (14 Items, α = .66-.84, z. B. „traurig“). Coaching-Erfolg . Als Indikatoren für den Coaching-Erfolg wurden die beiden Skalen Problemsichtverbesserung (18 Items, α = .91, z. B. „Ich nehme mein Thema jetzt differenzierter wahr als vor dem Coaching.“) und Zufriedenheit mit dem Coaching (5 Items, α = .85, z. B. „Mit dem Ergebnis des Coachings bin ich zufrieden.“) des Fragebogens zur veränderten Problemsicht (FVP; Maurer 2009) genutzt. Die Items wurden geringfügig verändert, um sie an das Setting des Coachings anzupassen. Die Zustimmung zu den 23 Aussagen wurde mit einem 7-stufigen Antwortformat ( 1 = trifft nicht zu , 7 = trifft voll zu ) erfasst. 56 | mup 2|2021 Tometten, Schütz - Emotionen als Prädiktoren für den Interventionserfolg Durchführung Die Coachings wurden von zertifizierten pferdegestützten systemischen Coaches anhand des Ablaufprotokolls (Tabelle 1) durchgeführt. Jedes Coaching startete mit einem Aufklärungsgespräch, in dem die Coachees über den Ablauf informiert und über Sicherheitsaspekte in Bezug auf den Umgang mit Pferden aufgeklärt wurden. Außerdem wurden die Regeln zum Geben von Feedback erläutert und besprochen. Im Anschluss wurde der erste Fragebogen (t1) ausgefüllt. Das Anlegen und Festhalten des Führstricks wurde an einem Holzpferd geübt. Im Anschluss folgten zwei praktische Übungen (Abbildung 2), für die sich die Coachees ein (ihnen unbekanntes) speziell ausgebildetes Coaching-Pferd aussuchten, das sie durch den Parcours führten. Nach der ersten Übung (a. Slalom, b. Plane überqueren, c. über einer Stange stehen bleiben und d. zwischen zwei Stangen rückwärtsgehen) füllten sie einen weiteren Fragebogen (t2) aus. Danach folgte die gemeinsame Reflexion und Auswertung der Übung mit der Gruppe und den (im Hinblick auf Versuchsleiter- und Gruppeneffekte geschulten) Coaches bzw. im Einzelcoaching nur mit den Coaches, bei denen es sich um PsychologInnen handelte. Anschließend absolvierten die Coachees die zweite Übung (ein Dreieck zwischen den Pylonen laufen), welche wieder mit einer Reflexion abgeschlossen wurde. Mit der Analyse der Videos beider Übungen und der Formulierung von positiven Abschlusssätzen, die die Coachees selbst formulierten, wurde das Coaching beendet. Die Abschlusssätze wurden dokumentiert, allerdings nicht in die Analysen aufgenommen, da sie nur einen kleinen Teil des Coachings einnahmen und in zukünftigen Studien gesondert betrachtet werden sollten. Die Teilnehmenden füllten den letzten Fragebogen (t3) aus und wurden verabschiedet. Statistische Analyse Nach der Skalenberechnung der Emotionen wurden ebenfalls Differenzwerte zur Abbildung der Veränderungen über die Messzeitpunkte hinweg gebildet und am Mittelwert zentriert. Zur Überprüfung der Hypothesen wurden t-Tests, einfaktorielle Varianzanalysen mit Messwiederholung (bei Bedarf mit Greenhouse-Geisser-Korrektur) und multiple lineare Regressionen berechnet. Tab. 1: Ablaufprotokoll der Coachings Inhalt Erklärung Aufklärungsgespräch Ablauf des Coachings, Feedbackregeln, Sicherheitsaspekte Fragebogen T1 Einwilligungserklärung, Demografische Variablen, BEF-4r-I Übung am Holzpferd Strick halten, Panikhaken lösen, Pferd führen Übung 1 Parcours: Slalom um vier Pylonen, über eine Plane gehen, über einer Stange anhalten, rückwärts durch zwei Stangen in Form einer Gasse gehen Fragebogen T2 BEF-4r-I Evaluation Selbst- & Fremdwahrnehmung (Gruppe und/ oder Coaches), Alltagstransfer Übung 2 Stern: Mit dem Pferd ein Dreieck laufen Evaluation Selbst- & Fremdwahrnehmung (Gruppe und/ oder Coaches), Alltagstransfer Videoanalyse Videoanalyse, Formulierung eines positiven Glaubenssatzes Fragebogen T3 BEF-4r-I, FVP, Abschlussfragen Tometten, Schütz - Emotionen als Prädiktoren für den Interventionserfolg mup 2|2021 | 57 Ergebnisse Ein Vergleich der Messzeitpunkte t1 und t3 (Hypothese 1; Abb. 3) ergab einen signifikanten Abfall der negativen Emotionen ( t [45] = -4.26, p < .001). Ein Anstieg der positiven Emotionen konnte nicht gefunden werden ( t [45] = .88, p = .384). Hypothese 1 konnte damit für die negativen Emotionen, nicht jedoch für die positiven Emotionen bestätigt werden. Bei der Testung der Hypothese 2 zeigten sich signifikante Unterschiede in beiden Variablen Aktivierung ( F [2,90] = 6.06, p = .003, η² p = .12) und Gelassenheit ( F [1.68,75.43] = 31.21, p < .001, η² p = .41). Die Richtungen der erreichten Veränderungen wurden post-hoc mittels t-Tests errechnet. Die Aktivierung stieg von t1 zu t2 an ( t [45] = 3.58, p < .001) und sank von t2 zu t3 ab ( t [45] = -2.30, p = .03). Die Gelassenheit stieg von t2 zu t3 an ( M = .71, SD = .76; t [45] = 6.32, p < .001). Der erwartete Abfall von t1 zu t2 zeigte sich allerdings nicht ( t [45] = -.84, p = .40). Hypothese 2 wurde daher größtenteils, d. h. für die Aktivierung gänzlich und für die Gelassenheit nur von t2 zu t3, bestätigt. Die Mittelwerte sind zur Veranschaulichung in Abbildung 3 grafisch dargestellt. In Hypothese 3 wurde überprüft, inwiefern die Veränderungen der Aktivierung und Gelassenheit die beiden abhängigen Variablen vorhersagen konnten. Die Regressionsanalysen (Tabelle 2) wurden in Schritt 1 für die Veränderung von t1 1 Übung 1 Übung 2 a. b. c. d. 1 Übung 1 Übung 2 a. b. c. d. Abb. 1: Ablauf der beiden Coaching- Aufgaben 4 3 2 1 0 t1 t2 t3 Aktivierung Gelassenheit Positive Emotionen Negative Emotionen Abb. 2: Mittlere Veränderung der Variablen positive Emotionen, negative Emotionen, Aktivierung und Gelassenheit zu allen drei Messzeitpunkten 58 | mup 2|2021 Tometten, Schütz - Emotionen als Prädiktoren für den Interventionserfolg zu t2 und von t2 zu t3 berechnet. In Schritt 2 wurde die Interaktion hinzugenommen. Es ergaben sich insgesamt zwei signifikante Modelle, die im Folgenden genauer betrachtet werden. Der Interaktionsterm der Aktivierung sagte die Zufriedenheit mit dem Coaching signifikant vorher. Die Zufriedenheit war am niedrigsten, wenn die Aktivierung von t1 zu t2 und von t2 zu t3 abfiel (Abbildung 4). Die Gelassenheit sagte die Problemsichtverbesserung signifikant vorher, wobei nur der Haupteffekt der Veränderung von t2 zu t3 signifikant wurde. Die Problemsichtverbesserung wurde von Personen mit einem Gelassenheitsanstieg am höchsten eingeschätzt. Der Haupteffekt von t1 zu t2 und der Interaktionseffekt verfehlten knapp die Signifikanz. Auf Basis der beiden Modelle wird Hypothese 3 partiell bestätigt. Fazit Ziel dieser Studie war es, die empfundenen Emotionen der Coachees im Coachingverlauf zu erfassen und mit dem Coachingerfolg in Verbindung zu bringen. Wie in Hypothese 1 erwartet, zeigte sich ein Abfall der negativen Emotionen vom Coachingbeginn bis zum Coachingende. Ein Anstieg der positiven Emotionen war überraschenderweise nicht zu beobachten. Dies könnte durch einen Deckeneffekt zu erklären sein, da der Mittelwert der Skala bereits zu Beginn sehr hoch war. In Einklang mit vorherigen Studien (z. B. Selby / Smith-Osborne 2013) konnte die pferdegestützte Intervention die negativen Emotionen der Coachees verringern. Wie sich dieser Effekt im Vergleich zu anderen Interventionen verhält, sollte in Folgestudien mit verschiedenen Kontrollgruppen überprüft werden. Auch Hypothese 2 ließ sich größtenteils bestätigen. Die Aktivierung stieg zur Begegnung Variable Problemsicht Zufriedenheit B 1 B 2 B 1 B 2 Konstante 5.35*** 5.40*** 6.30*** 6.37*** Aktivierung T1-T2 -.04 -.22 .34 .11 Aktivierung T2-T3 .21 .17 .23 .17 Aktivierung T1-T2*T2-T3 - .32 - .43* R 2korr .00 .04 .05 .15 F 1.64 2.02 3.37* Konstante 5.31*** 5.18*** 6.25*** 6.18*** Gelassenheit T1-T2 .58* .45 .52* .45 Gelassenheit T2-T3 .49* .48* .54* .53* Gelassenheit T1-T2*T2-T3 - -.34 - -.19 R 2korr .09 .15 .08 .08 F 2.95 3.47* 2.70 2.20 Anmerkungen: N = 45. * p < .01, *** p < .001. Dunkel hinterlegte Werte verfehlten knapp die Signifikanz (p < .10). Tab. 2: Regressionsanalysen mit den Prädiktoren Aktivierung und Gelassenheit und den abhängigen Variablen Problemsichtverbesserung und Zufriedenheit mit dem Coaching. Die Aktivierung der Coachees ging mit der Zufriedenheit mit dem Coaching einher. Tometten, Schütz - Emotionen als Prädiktoren für den Interventionserfolg mup 2|2021 | 59 mit dem Pferd an und sank danach wieder ab. Ein gegenteiliges Bild zeigte sich für die Gelassenheit. Hier wurde allerdings nur der Anstieg zum Coachingende signifikant. Da der p -Wert abhängig von der Stichprobe ist und die Stichprobe mit N = 53 relativ klein ausfiel, könnte die Tendenz in einer größeren Stichprobe statistisch signifikant sein. Eine zukünftige Replikation der Studie mit einer größeren Stichprobe ist deshalb wünschenswert. Die bislang eher theoretisch angenommene Aktivierung durch die Pferdebegegnung erlangt anhand dieser Daten eine erste empirische Grundlage. In Bezug auf Hypothese 3 konnte die Aktivierung die Zufriedenheit mit dem Coaching vorhersagen. Dabei waren vor allem Personen, deren Aktivierung stetig abfiel, weniger zufrieden mit dem Coaching. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass es sich für in der Praxis tätige Coaches lohnt, das Aktivierungslevel ihrer Coachees im Blick zu behalten und adäquat zu regulieren. Die Pferdebegegnung scheint dies per se zu erleichtern. Besonders in Bezug auf die anschließende Reflexion und den Transfer des Gelernten könnten eine abwechslungsreiche Gestaltung durch verschiedene Methoden und die weitere Anwesenheit des Pferdes hilfreich sein. Die Problemsichtverbesserung war bei Personen am niedrigsten, die zu t2 und t3 einen Gelassenheitsabfall erlebten. Alle anderen Kombinationen ergaben vergleichbare Werte. Auf der Basis dieser Studie kann keine Aussage über das Verhältnis der Relevanz von Coach und Pferd getroffen werden. Bisherige Forschung konnte bereits positive Effekte von Pferden in Interventionen zeigen (Graves 2010; Schütz / Steinhoff 2019; Selby / Smith- Osborne 2013). Mit den Ergebnissen dieser Studie möchten wir ergänzend die Begleitung durch den / die Coach hervorheben. Dass die Coachees sich weniger gelassen in Anwesenheit des Pferdes fühlen, kann Teil des Prozesses sein. Entscheidend ist demnach vor allem, wie diese Gefühle im Anschluss aufgefangen werden. Friesenhahn (2015, 46) definiert die Qualität des Coachings über die Begleitung durch den / die Coach. Das Pferd nimmt demnach nur eine Funktion als „Anstoß für Selbstreflexion“ ein. Diesem Statement möchten wir uns anschließen: Coaching mit Pferden sollte zweckgebunden sein und angemessen begleitet werden. Die reinen Emotionsveränderungen durch die Anwesenheit des Pferdes scheinen nicht auszureichen, um wirkliche Veränderungen zu erzielen. Die Kombination mit der geleiteten Reflexion und die Nutzung von positiven Abschlusssätzen, die in Zukunft Bestandteil weiterer Forschung sein sollte, scheinen einen wichtigen Beitrag zum Coachingerfolg zu leisten. Abb. 3: Grafische Darstellung der Haupt- und Interaktionseffekte der Regressionsanalysen 7 6,5 6 5,5 7 6,5 6 5,5 5 4,5 4 3,5 Abfall T1-T2 Anstieg T1-T2 6,59 6,51 6,37 4,31 5,35 5,36 5,68 6,00 Abfall T1-T2 Anstieg T1-T2 Gelassenheit Aktivierung Zufriedenheit Problemsichtverbesserung Abfall T2-T3 Anstieg T2-T3 Abfall T2-T3 Anstieg T2-T3 60 | mup 2|2021 Tometten, Schütz - Emotionen als Prädiktoren für den Interventionserfolg Literatur ■ Barker, S. B., Knisely, J. S., McCain, N. L., Best, A. M. (2005): Measuring stress and immune response in healthcare professionals following interaction with a therapy dog: A pilot study. Psychological Reports 96(3), 713-729, http: / / doi. org/ 10.2466/ pr0.96.3.713-729 ■ Baumann, N., Kuhl, J. (2003): Self-infiltration: Confusing assigned tasks as selfselected in memory. Personality and Social Psychology Bulletin 29, 487-,497 http: / / doi. org/ 10.1177/ 0146167202250916 ■ Behrendt, P. 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Kathrin Schütz Professorin für Wirtschaftspsychologie, Inhaberin Prof. Dr. Kathrin Schütz - Psychologie im Reitsport, Pferdecoaching Institut® & Pferdecoaching Prof. Dr. Kathrin Schütz® Korrespondenzanschrift Wilhelmstraße 80 · 44137 Dortmund lisa.tometten@kontaktpferde.de · www.kontaktpferde.de Tometten, Schütz - Emotionen als Prädiktoren für den Interventionserfolg mup 2|2021 | 61 ■ Scheibe, S., Blanchard-Fields, F. (2009): Effects of regulating emotions on cognitive performance: What is costly for young adults is not so costly for older adults. Psychology and Aging 24(1), 217-223, http: / / doi.org / 10.1037 / a0013807 ■ Schütz, K. (2020): Pferde, Forschung & Psychologie. Wissenschaftliche Befunde zu Fähigkeiten von Pferden und deren Wirkung auf Menschen. BoD, Norderstedt ■ Schütz, K., Rötters, A., Oebel, L. (2018): Können Pferde als Co-Trainer agieren? Individuelle Reaktionen von Pferden in der Persönlichkeitsentwicklung auf unterschiedliche Klienten. 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Mentalisierungsbasierte Therapie (MBT) ist dann nötig, wenn die Mentalisierungsfähigkeit erst entwickelt werden muss, wie bei komplexen Persönlichkeits- und Traumafolgestörungen. Die MBT gehört zu den wirksamsten Therapien für z. B. Borderline-Persönlichkeitsstörungen. Mentalisierungsfähigkeit fördern
