eJournals mensch & pferd international 13/4

mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2021.art20d
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Pferdegestützte Behandlung von Ticstörungen

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Rachel Wittschier
Katharina Alexandridis
Ticstörungen wie das Tourette-Syndrom zählen zu den seltenen, aber schweren neuropsychiatrischen Erkrankungen, von denen meist Kinder und Jugendliche betroffen sind. Im vorliegenden Beitrag werden der Forschungsstand der multidisziplinären Behandlungsmethoden, insbesondere der Psychotherapie, zur Behandlung von Ticstörungen beschrieben und über Hypothesenbildung eine Umsetzbarkeit des Behandlungswissens im pferdgestützten Setting abgeleitet. Der auf Grundlage dieser Nachforschungen entwickelte pferdegestützte Behandlungsansatz wird theoretisch begründet und mit konkreten Praxis­beispielen detailliert dargestellt. Parallelen zur evidenzbasierten Behandlungsmethode – Habit Reversal Training – und der klinischen Bewegungstherapie bei psychischen Erkrankungen werden diskutiert.
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140 | mup 4|2021|140-151|© Ernst Reinhardt Verlag München Basel, DOI 10.2378 / mup2021.art20d Rachel Wittschier, Katharina Alexandridis Schlüsselbegriffe: Pferdegestützte Interventionen, Ticstörungen, Tourette-Syndrom, Selbstwahrnehmung, Vorgefühl, Gegenbewegung, Tic-Reduktion Ticstörungen wie das Tourette-Syndrom zählen zu den seltenen, aber schweren neuropsychiatrischen Erkrankungen, von denen meist Kinder und Jugendliche betroffen sind. Im vorliegenden Beitrag werden der Forschungsstand der multidisziplinären Behandlungsmethoden, insbesondere der Psychotherapie, zur Behandlung von Ticstörungen beschrieben und über Hypothesenbildung eine Umsetzbarkeit des Behandlungswissens im pferdgestützten Setting abgeleitet. Der auf Grundlage dieser Nachforschungen entwickelte pferdegestützte Behandlungsansatz wird theoretisch begründet und mit konkreten Praxisbeispielen detailliert dargestellt. Parallelen zur evidenzbasierten Behandlungsmethode - Habit Reversal Training - und der klinischen Bewegungstherapie bei psychischen Erkrankungen werden diskutiert. Pferdegestützte Behandlung von Ticstörungen Wittschier, Alexandridis - Pferdegestützte Behandlung von Ticstörungen mup 4|2021 | 141 Hintergrund Der im Folgenden in seinen theoretischen Grundlagen und für die therapeutische Praxis beschriebene Ansatz zur pferdegestützten Behandlung von Ticstörungen entstand aus der pferdegestützten Durchführung eines Habit Reversal Trainings (Woitecki / Döpfner 2015) kombiniert mit Methoden und Inhalten der Bewegungstherapie bei psychischen Erkrankungen (Hölter 2011; Thimme et al. 2021). Es handelt sich um eine theoriegeleitete Konzeptbegründung und Kurzbeschreibung des pferdegestützten Behandlungskonzepts bei Ticstörungen. Kernsymptome von Ticstörungen sind nach DIMDI unwillkürliche, rasche, wiederholte, nichtrhythmische Bewegungen oder Lautproduktionen, die plötzlich einsetzen und keinem erkennbaren Zweck dienen. Normalerweise werden Tics als nicht willkürlich beeinflussbar erlebt, sie können jedoch meist für unterschiedlich lange Zeiträume unterdrückt werden (DIMDI 2020). Im Allgemeinen werden Ticstörungen anhand ihrer Komplexität (einfach, komplex, mit Besonderheiten) und Qualität (motorisch, vokal) voneinander unterschieden (Döpfner et al. 2010). Die aktuelle Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitszustände (ICD-10) klassifiziert Ticstörungen weiter aus, wie aus Tabelle 2 hervorgeht. Die Mehrheit der Betroffenen berichtet zusätzlich zu den sichtbar und/ oder hörbaren Tics über unangenehme Vorgefühle, die den Tics vorgeschaltet sind. Diese werden subjektiv als kitzelnd, stechend, juckend oder verspannend beschrieben. Vorgefühle und das Erleben von Tics als sinnlos und störend machen deutlich, dass die als Tic bezeichnete Bewegungsstörung neben den körperlichen (z. B. Nackenschmerzen) auch psychische und soziale Auswirkungen wie zum Beispiel Schamgefühle und Selbstwertproblematiken hat. Die Auswirkungen der Ticstörung werden von den betroffenen Kindern und Jugendlichen als ihre Lebensqualität stark beeinträchtigend empfunden (Storch et al. 2007, 217ff; Hesapçıoğlu et al. 2014, 323ff; Lee et al. 2020, 2051ff). motorisch vokal Einfach Blinzeln, Schulterzucken, Kopfrucken Räuspern, Husten, Schnüffeln, Pfeifen Komplex Hüpfen, Klatschen, Berühren Wörter, Sätze, Kurzaussagen Besonderheiten Echopraxie, Kopropraxie Palilalie, Echolalie, Koprolalie Tabelle 1: Einteilung von Tics (vgl. Döpfner et al. 2010) Codierungskürzel Bezeichnung Kriterien F95.0 Vorübergehende Ticstörung < 12 Monate F95.1 Chronische motorische oder vokale Ticstörung Nicht beides gleichzeitig > 1 Jahr F95.2 Kombinierte vokale und multiple motorische Tics (Tourette-Syndrom) Beides kommt vor / ist vorgekommen, (nicht zwingend gleichzeitig) > 1 Jahr F95.8 Sonstige Ticstörungen F95.9 Ticstörung, nicht näher bezeichnet Betroffene / r ist bei Beginn > 18 Jahre Tabelle 2: Klassifikation von Ticstörungen nach ICD-10 (DIMDI 2020) 142 | mup 4|2021 Wittschier, Alexandridis - Pferdegestützte Behandlung von Ticstörungen Die Hinzunahme von Pferden in die Behandlung von Ticstörungen kann als wissenschaftliches Neuland betrachtet werden. In medizinischen, psychologischen, pädagogischen und tiergestützten Datenbanken findet sich lediglich eine Interventionsstudie zur pferdegestützten Behandlung von Ticstörungen (Cassimjee et al. 2005, 427 ff). Diese weist bei einer kleinen Stichprobe von betroffenen Kindern und Jugendlichen mit Tourette-Syndrom (n = 8, 9-16 Jahre, ♀ 3 ♂ 5) eine signifikante Verbesserung (p < 0.05) der Exekutiven Funktionen (vor allem die der selbstkorrigierenden Strategien) mithilfe eines Prä-Post- Designs über 3 Monate bei einer pferdegestützten Therapieeinheit pro Woche nach. Abseits der Wissenschaft berichten Betroffene zum Beispiel in Verbandszeitschriften wie „tourette aktuell“ vom Kontakt mit Pferden und dem Reiten zu profitieren (Tourette-Gesellschaft Deutschland e. V. o. J.). Zudem finden sich Berichte in den sozialen Medien von Betroffenen über positive Auswirkungen ihrer „reiterlichen Erfahrungen“ (Gewitter im Kopf - Leben mit Tourette 2019). Positive Auswirkungen sind von wissenschaftlicher Seite aus jedoch noch nicht beleuchtet und mögliche Wirkungsweisen werden nicht postuliert. Fragestellung Die vorliegende Studie soll der Frage nachgehen, inwieweit Ticstörungen in pferdegestützten Settings behandelbar sind und entwickelt Hypothesen zu möglichen Wirkwegen. Ausdifferenziert lautet die Fragestellung: Wie kann ein pferdegestütztes Behandlungskonzept für Kinder und Jugendliche mit Ticstörungen und Tourette-Syndrom theoretisch begründet und praktisch umgesetzt werden? Methodisches Vorgehen Das methodische Vorgehen ist die systematische Literaturrecherche. Aufgrund des jungen Forschungsfeldes wurde die systematische Literaturrecherche dem Schneeballsystem vorgezogen, um zu vermeiden, dass soeben erschienene Werke nicht miteinbezogen werden. Da sich bislang noch keine erprobten pferdegestützten Behandlungskonzepte von Ticstörungen in der Literatur finden lassen, stützt sich die Arbeit auf Ergebnisse anderweitiger pferdegestützter Forschung und auf Forschungsergebnisse der Neuropsychiatrie, Psychotherapie, der Sport- / Bewegungstherapie bei psychischen Erkrankungen sowie der Tanztherapie. Um die Datenbasis zu erweitern, wurden dabei auch Forschungsergebnisse zu komorbiden Krankheitsbildern (z. B. ADHS) mit einbezogen. Hierfür wurden folgende Datenbanken genutzt: der Gesamtkatalog der ZBSport, Pubmed, PSYC- INFO, SURF, researchgate und Google Scholar. Zusätzlich wurden das HETI (Horses in Education and Therapy International) Journal sowie Veröffentlichungen der IAHAIO (International Association of Human-Animal Interaction Organization) in die Auswertung mit einbezogen. Bei der Suche nach relevantem Material wurden nachstehende Schlagwörter verwendet, die in Tabelle 3 zu sehen sind. Ergebnisse Theoretische Begründung einer pferdegestützten Behandlung Die theoretische Einordung pferdegestützter Interventionen erfolgt aus sportwissenschaftlicher Perspektive in Anlehnung an Hölter (2011). Hölter ordnet die klinische Bewegungstherapie bei psychischen Erkrankungen in die Schnittstelle der Bezugswissenschaften Medizin, Psychologie und Sportwissenschaft ein. Analog zu dieser etablierten Einordnung (Hölter 2011; Thimme et al. 2021; Heimbeck / Alexandridis 2012) werden in der vorliegenden Arbeit zur theoretischen Begründung einer pferdegestützten Behandlung von Ticstörungen neuropsychiatrische, psychotherapeutische, bewegungstherapeutische und pferdgestützte Behandlungskonzepte recherchiert. In der Ergebnisdarstellung werden zunächst psychiatrische Ansätze in ihrer Übertragbarkeit in das pferdegestützte Setting beschrieben. Den Großteil der Datenbasis machen Wittschier, Alexandridis - Pferdegestützte Behandlung von Ticstörungen mup 4|2021 | 143 psychotherapeutische Wirkfaktoren, die sowohl aus Quellen psychotherapeutischer Literatur als auch aus Veröffentlichungen zur pferdegestützten Interventionen stammen, aus. Neuropsychiatrisch Aus bewegungstherapeutischer Perspektive sollen bei der Behandlung von Ticstörungen die neurobiologischen und neuroendokrinologischen Grundlagen berücksichtigt werden. „Sport- / Bewegungstherapie hat Auswirkungen auf Wachstum, Differenzierung, Überleben und Reparaturvorgänge von Hirnzellen“ (Markser / Bär, 2014, 19). Diese Effekte sind sowohl für psychiatrische als auch für neurologische Erkrankungen gezeigt worden (Matta Nello Portugal et al. 2013, Vaynman / Gomez-Pinilla, 2005). Aus diesem Grund wurde eine neuropsychiatrische Betrachtung im Kontext der pferdegestützten Behandlung ebenfalls in Betracht gezogen. Da in Deutschland einzig das Neuroleptikum Haloperidol zur Behandlung von Ticstörungen zugelassen ist, aber aufgrund starker Nebenwirkungen nicht eingesetzt wird, folgt die Ticstörungen Sport und Bewegung Pferdegestützte Intervention Tic Sport(s) Reittherapie Ticstörung Bewegung Pferdegestützte Intervention(en) Gilles de la Tourette Syndrome Sport- und Bewegungstherapie Heilpädagogische Förderung mit dem Pferd Tourette-Syndrom Movement Heilpädagogisches Reiten Tourette’s Disease Exercise Horse-Assisted Therapy Tourette’s Syndrome Physical Activity / Education Horse-Facilitated Therapy Tourette Sport Therapy Equine-Assisted Therapy Tic-Störungen Movement Therapy Equine-Facilitated Therapy Ticstörungen Occupational Therapy Animal-Assisted-Therapy (AAT) Tics BOT Animal-Assisted-Activity (AAA) Body-Oriented Therapy Therapeutic Horse (Back) Riding Body Pferd / Horse Tabelle 3: Suchbegriffe der Literaturrecherche Abbildung 1: Bewegungstherapeutisches Verständnis pferdegestützter Interventionen in der Schnittstelle von Medizin, Psychologie und Sportwissenschaft (adaptiert nach Hölter 2011, 77) Medizin - Trainings/ - Bewegungslehre - Sportpsychologie - Sportpädagogik ≥ Psychomotorik - Behindertenu. Rehasport - Psychiatrie ≥ Psychomotorik - Psychosomatik - Neurologie - Allgemeine Psychologie ≥ Psychomotorik - Klinische Psychologie - Psychotherapie - Reittherapie - pferdegestützte Bewegungstherapie - pferdegestützter Gesundheitssport - pferdegestützte Psychotherapie - Heilpädagogisches Reiten / Förderung - Reitpädagogik - Hippotherapie Pferdegestützte Interventionen Psychologie Pädagogik Sportwissenschaft 144 | mup 4|2021 Wittschier, Alexandridis - Pferdegestützte Behandlung von Ticstörungen medikamentöse Therapie bei Ticstörungen für gewöhnlich dem Off-Label-Use (Verordnung von Arzneimitteln außerhalb der von den Arzneimittelbehörden zugelassenen Gebrauchs) (Woitecki / Döpfner 2015). Bei Kindern und Jugendlichen werden in der Regel Tiaprid und Aripiprazol sowie Risperidon angewandt (Schnell et al. 2019). Neuroleptika wirken biochemisch wie Sport- / Bewegungstherapie auf das dopaminerge System und regulieren die Konnektivität der Hirnzellen (Weng et al. 2017). Wirkmechanismen ergeben sich aus der körperlichen Aktivität, die sich auch in pferdegestützten Settings induzieren lässt. Dass die Wirkung dieser Medikamente, wie für die Sporttherapie belegt, auch durch pferdegestützte Interventionen nachweislich ersetzt oder reduziert werden kann, ist nicht empirisch belegt und bleibt so hypothetisch. Da die sport- / bewegungstherapeutische Behandlung von Ticstörungen bislang neurophysiologisch nicht erforscht wurde, stützt sich die weitere Ausarbeitung auf psychotherapeutische - genauer verhaltenstherapeutische - Wirkfaktoren. Psychotherapeutisch Als Methode der ersten Wahl wird bei Ticstörungen die Verhaltenstherapie empfohlen. Die Basis für die Verhaltenstherapie bildet die evidenzbasierte Annahme, dass Tics willentlich unterdrückbar sind und so durch therapeutische Interventionen Hemmkapazitäten gestärkt werden können. Unter die Verhaltenstherapie bei Ticstörungen fallen die Exposure and Response Prevention (ERP), das Habit Reversal Training (HRT) und die Comprehensive Behavioral Intervention for Tics (CBIT) (Fründt et al. 2017). Das HRT als Training der Gegenbewegung oder Training der inkompatiblen Reaktion ist die durch Einzelfallsowie randomisierte Kontrollstudien am besten untersuchte Verhaltenstherapiemethode (Azrin / Peterson 1990; Carr / Chong 2005; Cook / Blacher 2007). Piacentini et al. (2010) zeigten mithilfe von HRT eine Verminderung der Tics um 51 % auf der Yale Global Tic Severity Scale (YGTTS). Auch aktuelle Studien zeigen an, dass HRT als effektiv eingestuft wird und signifikant Ticsymptome, die Beeinträchtigung und die Selbstwirksamkeit, Tics zu unterdrücken, verbessert (Viefhaus et al. 2020). Beim HRT soll der / die PatientIn lernen, unerwünschte Verhaltensweisen bewusst wahrzunehmen. Das Erkennen früher Anzeichen (Vorgefühle) soll daraufhin das Eintreten von Verhaltensketten unterbrechen. Zusätzlich wird zunächst im Rahmen der Therapiesitzungen eine inkompatible Reaktion (Gegenbewegung als Alternativverhalten) für die entsprechenden Tics eingeübt, bevor diese auch auf zahlreiche Alltagssituationen übertragen wird (Automatisierung und Generalisierung) (Müller-Vahl 2014). Alle Methoden und Inhalte der Verhaltenstherapie, insbesondere die des HRT, scheinen dabei auch in einem pferdegestützten Setting realisiert werden zu können. Die Wirkmechanismen der Psychotherapie können zusammengefasst als eine Kombination aus Psychoedukation, Selbstwahrnehmungstraining, Entspannungsverfahren und Training der Gegenbewegung dargestellt werden. Tabelle 4 zeigt, welche dieser Wirkkomponenten sich theoretisch in einer pferdegestützten Version begründen lassen. Pferdgestützt Die vielfältigen Zugänge pferdegestützter Interventionen, u. a. Heilpädagogisches Reiten, Hippotherapie, pferdegestützte Psychotherapie, Reitpädagogik und Reittherapie postulieren Wirkungen auf physiologischer und psychosozialer Ebene (Gomolla 2019). Motivation, Befindlichkeit & Selbstwirksamkeit (psychologischer Aspekt) Die motivationssteigernde Wirkung von Pferden (Gomolla 2019) kann auch für von Ticstörungen Betroffene Im pferdegestützten Setting ergeben sich biochemische Wirkmechanismen aus der körperlichen Aktivität Wittschier, Alexandridis - Pferdegestützte Behandlung von Ticstörungen mup 4|2021 | 145 vorausgesetzt werden. Inwieweit Therapieerfolge bei der Behandlung von Ticstörungen auf psychosoziale Wirkfaktoren zurückzuführen sind, ist nicht untersucht. Es fällt aber auf, dass die klinische Psychotherapie in den veröffentlichten Behandlungsmaterialien motivationalen Aspekten einen hohen Stellenwert zuschreibt (Woitecki / Döpfner 2015). Beetz und Grebe (2012) zeigen in einer Studie mit betroffenen Kindern und Jugendlichen (n = 28) diverser psychischer Erkrankungen (unter anderem Ticstörungen, ADHS etc.) signifikante Verbesserungen der aktuellen Befindlichkeit sowie der Lebensqualität nach acht Einheiten therapeutischen Reitens. Dem kann in Anbetracht des hohen Leidensdrucks von Ticstörungen- / Tourette-Betroffenen besondere Relevanz zugemessen werden. Inwieweit diese psychologischen Aspekte zu einer Reduktion der Ticsymptomatik führten, ist nicht belegt. Einen weiteren der Psychotherapie entlehnten Wirkfaktor stellt die Selbstwirksamkeit dar (Bandura 1977). Das pferdegestützte Setting kann so gestaltet werden, dass KlientInnen sich im fortwährenden Umgang mit Pferden als kompetent erleben und sich davon überzeugen, auch schwierige Situationen bewältigen zu können. Diese Methode des Generierens von Selbstwirksamkeitserfahrungen hat einen hohen Stellenwert für die Übertragung des in der Therapie Gelernten in den Alltag: wenn ein Pferd (als erhabenes Tier) mir folgt, dann kann ich nicht so schwach und machtlos sein. Bezogen auf den Umgang mit Ticstörungen ist denkbar, dass Betrof- Bausteine …im Behandlungszimmer mit PsychotherapeutInnen …im Reitstall mit Pferd und ReittherapeutIn Mehrwert 1 des pferdgestützten Settings mit ReittherapeutIn Selbstwahrnehmungstraining Im Sitzen auf dem Stuhl: - Beschreibung der Tic- Reaktion und Selbstbeobachtung - Selbstbeobachtung und Training der Reaktionserkennung - Training der Wahrnehmung früherer Zeichen eines Tics - Training der Wahrnehmung situativer Einflüsse Im Sitzen auf dem Pferd: - Beschreibung der Tic- Reaktion und Selbstbeobachtung - Selbstbeobachtung und Training der Reaktionserkennung - Training der Wahrnehmung früherer Zeichen eines Tics - Training der Wahrnehmung situativer Einflüsse - Reduktion der Tic-Frequenz erleichtert die Selbstbeobachtung - Klientengerechteres und vielseitigeres Wahrnehmungstraining - buntere, realitätsnähere, situative Einflüsse  motivationssteigernd Entspannungsverfahren Atemübungen und Progressive Muskelrelaxation (PMR) - vor dem Spiegel - auf einer Matte - mit Zuhilfenahme von Büchern / Luftballonimagination Atemübungen und Progressive Muskelrelaxation (PMR) - vom Pferd gespiegelt - im Sitzen / Liegen auf dem Pferd - mit Zuhilfenahme von der Bewegungsübertragung 2 - attraktivere Darbietung unter Einbeziehung des Pferdes - deutlichere Effekte in Bezug auf Entspannung und sensomotorische Integration Training der Gegenbewegung - Erarbeiten einzelner inkompatibler Reaktionen - Einüben und Einsetzen der Gegenbewegung(-en) - Erarbeiten einzelner inkompatibler Reaktionen - Einüben und Einsetzen der Gegenbewegung(-en) - Bewegungsanalyse und Bewegungslernen durch Fachpersonal ermöglicht Methodenvielfalt Tabelle 4: Wirkkomponenten des HRT mit Vorteilen des pferdegestützten Settings Habit Reversal Training (HRT) 1 Der Mehrwert bezieht sich auf Klienten mit Affinität zu Pferden. 2 Die Bewegungsübertragung vom Pferderücken auf den Körper der KlientInnen wirkt im Schritt beruhigend, im Trab belebend, im Galopp selbstwertsteigernd (Abenteuer). 146 | mup 4|2021 Wittschier, Alexandridis - Pferdegestützte Behandlung von Ticstörungen fene erkennen, dass sie, wenn sie ein so großes Tier wie ein Pferd kontrollieren können, sie dieses auch mit ihren Tics schaffen. Entspannung & Rhythmus (physiologisch) Kernziel der Therapie von Ticstörungen - die pferdegestützte Behandlung eingeschlossen - ist die Reduktion von Tics. Die Beobachtung, dass die Bewegungsübertragung im Schritt vom Pferd auf den getragenen Menschen zu einer spontanen Tic-Reduktion führt, soll in dieser Arbeit als eine weitere Hypothese zur Diskussion gestellt werden. Unabhängig von Ticstörungen konnten Forschungsarbeiten belegen, dass von der Gangart Schritt in der reittherapeutischen Arbeit eine entspannende Wirkung ausgeht (Gomolla et al. 2011). Auch eine Studie aus der Tanztherapie (Koch 2011) hat eine differenzielle Wirkung des „Wiegerhythmus“ auf die Reduktion von Angst und Anspannung belegt. Diese Forschungsergebnisse sind bedeutsam, da eine Tic-Reduktion analog zur Stressreduktion ausreichend belegt ist (Tilling / Cavanna 2020). Passend dazu zeigten Naber et al. (2018) in einer kontrollierten Studie eine Stressreduktion bei den zehn KlientInnen der Interventionsgruppe während und nach einer pferdegestützten Therapieeinheit. Diese Stressreduktion wurde durch die signifikant verringerten Entspannungsmarker Herzfrequenz und Kortisol-Level sowie eine erhöhte Herzratenvariabilität nachgewiesen. So lässt sich hypothetisch ableiten, dass eine im Kontext pferdegestützter Behandlungen erreichte Stressreduktion zu einer Verringerung der Tics führt. Neben dem Entspannungs- / Stressreduktionsaspekt begründet Alexandridis (2019) die ticreduzierende Wirkung der Bewegungsübertragung des Pferdes auf den menschlichen Körper zudem mit einem aus der Tanztherapie bekannten Effekt der Rhythmisierung (Schwartz et al. 2019). Durch die rhythmische Bewegungsübertragung vom Pferderücken auf den menschlichen Körper werden Unterbrechungen der jeweiligen Handlung durch nichtrhythmische Tics vermieden. Das Anspringen der entrhythmisierten Tic- Motorik wird durch die kinästhetische Rhythmus-Übertragung hypothetisch verhindert. Ein Aufrechterhalten des Rhythmus ermöglicht den KlientInnen komplexe Handlungen mit Bewegungsfluss durchzuführen. Außerdem können die Pferdebewegungen, die auf den menschlichen Körper übertragen werden, bereits als eine Art fremdinduzierte Gegenbewegung gedeutet werden. Konzept einer pferdegestützten Behandlung von Ticstörungen Auf der oben vorgestellten Basis wurde ein zehnstündiges Behandlungskonzept für Ticstörungen im pferdegestützten Setting entworfen und in Einzelfällen erprobt (Wittschier 2020). Die Durchführung dieses Konzeptes sollte dabei von Sport- / BewegungstherapeutInnen, MotopädInnen, PsychomotorikerInnen, ErgotherapeutInnen oder Personen mit einer ähnlichen Ausbildung in einem Bewegungsfachberuf mit Spezialisierung auf psychische Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter und einer anerkannten Weiterbildung im Bereich pferdegestützter Interventionen erfolgen. Der Bewegungsfachberuf wird als Voraussetzung gesehen, da das Behandlungskonzept zentral bewegungstherapeutische Methoden nutzt. Für HeilpädagogInnen und PsychotherapeutInnen kann es dennoch geeignet sein, wenn die bewegungstherapeutischen Grundlagen (Trainingslehre, Bewegungslehre, Leistungsphysiologie und funktionale Anatomie) in der pferdegestützten Ausbildung abgedeckt sind. Die Zielgruppe stellen Kinder und Jugendliche zwischen fünf und 15 Jahren mit vorübergehender, chronisch motorischer oder vokalen oder Die Bewegungsübertragung des Schritts führt als Wiegerhythmus in die Entspannung und Tic-Reduktion. Wittschier, Alexandridis - Pferdegestützte Behandlung von Ticstörungen mup 4|2021 | 147 sonstigen Ticstörung oder dem Tourette-Syndrom (Diagnosen F95.0, F95.1, F95.8 oder F95.2 nach ICD-10) dar, die ambulant kinderpsychologisch oder im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einer Kinder- und Jugendpsychiatrie behandelt werden, wurden oder sich in der Wartezeit auf einen psychiatrischen / psychotherapeutischen Therapieplatz befinden. Einzusetzende Therapiepferde sollten vor allem für plötzlich auftretende Bewegungen, Laute und Schreie der KlientInnen desensibilisiert sein (Westermann 2015, 50, 56; Alexandridis / Frankenberger 2012, 79 ff). Legitimierte und realistische Ziele des Behandlungsprogrammes sind der Aufbau einer Therapiemotivation für die Behandlung der Ticstörung und die Verbesserung der Konzentrationsfähigkeit durch Tic-Reduktion und durch Symptomtoleranz. Die Zielbereiche Selbstwahrnehmung in Bezug auf Körperempfindungen und Entspannungsfähigkeit dienen als Voraussetzung zur selbsterwirkten Tic-Reduktion über das Erlernen von Gegenbewegungen und Tic-Unterdrückung. Weitere Informationen zu Material und Infrastruktur können bei den Autorinnen angefragt werden. Das spielerisch angelegte Konzept arbeitet mit der Idee, betroffene Kinder und Jugendliche zu Indianern auszubilden, die erlernen, die Spuren ihrer Tics zu lesen, diese aufzuspüren und schlussendlich zu fangen. Beispielhaft kann hier der Indianer Yakari mit seinem Pony „Kleiner Donner“ (KiKa) genutzt werden. Seine Geschichte lässt sich gut in das pferdgestützte Setting integrieren und motiviert die PatientInnen, einem bekannten Indianer nachzueifern. Das empfohlene Kontigenzmanagement zur Motivation von jungen PatientInnen wurde mittels Leckerli-Karten umgesetzt. In spielerischen Wettkämpfen gegen den Therapeuten oder die Therapeutin können Karotten-Sticker gewonnen werden, welche auf die Karte geklebt werden. Am Ende einer Einheit darf das Kind das Pferd mit der erspielten Anzahl an Karotten füttern. Die Wirkkomponenten Selbstwahrnehmungstraining, Entspannungsverfahren und Training der Gegenbewegung werden in der pferdegestützten Behandlung beispielhaft wie folgt umgesetzt (Tabelle 5). Diskussion Die aus der Verhaltenstherapie - konkret dem Habit Reversal Training - beschriebenen Wirkmechanismen, wie das Erkennen des Vorgefühls, Entspannungsverfahren und das Abb. 3: „Yakari“ mit ihrem (Therapie-) Pferd Als Indianer erleben die KlientInnen die Behandlung motivierend und spielerisch. Abb. 2: Erfassung von Tic-Symptomatik im pferdegestützten Setting (Fotos: Rachel Wittschier, Köln). 148 | mup 4|2021 Wittschier, Alexandridis - Pferdegestützte Behandlung von Ticstörungen Tabelle 5: Inhalte der pferdegestützten Behandlung bei Ticstörungen Selbstwahrnehmungstraining 1.-4. Einheit - Beschreibung der Tic-Reaktion und Selbstbeobachtung „Um ein richtiger Indianer zu werden, brauche ich …“ Utensilien für Kind / TherapeutIn / Pferd überlegen, die für die zukünftigen Einheiten mitgebracht werden könnten (z. B. Indianerfeder, Fingerfarbe für Kriegsbemalung,…) „So sehen meine Tics aus“ beim Pferd putzen, (Einstieg neben dem Pferd) Ablauf, Aussehen, Empfindungen jedes Tics einzeln genau beschreiben - Training der Reaktionserkennung und Selbstbeobachtung KlientIn soll das Auftreten der Tics so oft wie möglich selbst erkennen und signalisieren, Zeichen vereinbaren, das während oder nach Tics gegeben werden soll (z. B. Pferd am Hals klopfen / loben), zunächst beim Stehen neben dem Pferd, dann beim Gehen neben dem Pferd, daraufhin beim Sitzen auf dem Pferd und zuletzt beim geführten Schrittreiten auf dem Pferd; Wettkampf um Möhren für die Leckerli-Karte zu erspielen: wer als Erste / r einen Tic entdeckt bekommt einen Punkt (Kind oder TherapeutIn), erst beim Parcours aufbauen, dann beim Pferd durch den Parcours führen und zum Schluss beim Führen durch den Parcours auf Zeit (Anforderungsanstieg durch ablenkende Tätigkeiten) - Training der Wahrnehmung früher Zeichen eines Tics Vorgefühl mit Kreide auf Stallgasse bildlich darstellen / malen; Vorgefühl anhand des Pferdekörpers beschreiben oder zeigen lassen (Externalisieren hilft sich zu öffnen) Entspannungsverfahren 5.-6. Einheit Pferd im Schritt führen, Atemübungen im Rhythmus der Pferdeschritte (z. B. vier Schritte einatmen, vier Schritte ausatmen); Bauchatmung im Liegen rücklings auf der Pferdekruppe üben, Arme den Bauch des Pferdes umfassend, den Atem des Pferdes sehen / spüren / hören, tiefe Bauchatmung mit der des Pferdes synchronisieren; Gemeinsames Longieren am 4-Meter-Seil, um möglich abwechselnde Anspannung / Aktivierung und Entspannung am Pferd (im Schritt und Trab) zu zeigen; Bauchatmung im vorwärts Sitzen auf dem Pferd üben (Atem des Pferdes ist jetzt nur noch über die Beine spürbar, aber situativer! ); Orientierungsspiel: Patient*in schließt die Augen, wird blind in der Halle auf dem Pferd sitzend herumgeführt und muss beim Stehenbleiben erraten, wo er / sie sich in der Halle / auf dem Platz befindet Progressive Muskelrelaxation (PMR) im Liegen rücklings auf der Pferdekruppe üben, Langversion mit allen Muskelgruppen, einzelne Muskelgruppen nacheinander für fünf Sekunden maximal anspannen und dann entspannen / loslassen; Geführtes Reiten von Schritt-Halt- / und Trab-Schritt- Übergangen als abgewandelte Form einer PMR zur Verdeutlichung von Anspannung / Aktivierung und Entspannung des eigenen Körpers auf dem Pferd; PMR im Sitzen vorwärts auf dem Pferd üben (alltagsnäher), Kurzversion nur mit den Muskelgruppen, die von Tics betroffen sind Training der Gegenbewegung 7.-10. Einheit - Erarbeiten einzelner Gegenbewegungen in den Therapiesitzungen für die jeweiligen Tics - Einüben der Gegenbewegungen in der Therapiesitzung Gegenbewegung zunächst unabhängig vom Tic ausführen „immer, wenn das Pferd …“, um Gegenbewegung zu automatisieren, beim Pferd beobachten (z. B. beim Freilaufen in der Halle oder auf dem Platz); Gegenbewegung mit Tics verknüpfen (vor, während oder nach dem Tic), Ablauf: Selbstinstruktion, Gegenbewegung, ablenkende Tätigkeit (z. B. Parcours bauen oder Pferd durch Parcours führen), Kurzentspannung (Bauchatmung, Schritt-Trab-PMR, gemeinsam mit Pferd abschnauben, aufs Pferd legen,…); Erinnerungshilfe überlegen z. B. Foto vom / mit Pferd schießen, ausgebürstetes Fell vom Putzen mitnehmen, Armband aus Mähnenhaar flechten,…) - Einsetzen der Gegenbewegungen in der Therapiesitzung Gegenbewegung unter schwierigeren Bedingungen durchführen, während man sich auch auf andere Dinge konzentrieren muss: im Gleichschritt mit dem Pferd gehen, Würfelspiel (jeder Zahl ist eine Aufgabe rund ums Pferd zugeordnet (z. B. Vorderhuf anheben, Pferd drei Schritte rückwärts schicken, aufsteigen und absteigen), wer als erste / r jede Zahl einmal hatte, hat gewonnen); als Abschluss Tics spielerisch gemeinsam mit dem Pferd fangen und festnehmen Wittschier, Alexandridis - Pferdegestützte Behandlung von Ticstörungen mup 4|2021 | 149 Unterdrücken der Tics mittels Gegenbewegung, passen in den bewegungsorientierten Ansatz pferdegestützter Interventionen. Im Folgenden wird diskutiert, wie die pferdegestützte Behandlung von Ticstörungen neben dem Habit Reversal Training und der stationären Bewegungstherapie im ambulanten und stationären Bereich ihren Platz zur Versorgung von betroffenen Kindern und Jugendlichen finden kann. Während die Verhaltenstherapie sowohl ambulant als auch stationär bei Ticstörungen fest im Gesundheitssystem verankert ist, ist die klinische Bewegungstherapie im stationären Setting etabliert und im ambulanten Setting nicht vorhanden. Pferdegestützte Interventionen für von Ticstörungen Betroffene scheinen nicht verbreitet. Die Erfahrung der Autorinnen zeigt, dass KlientInnen - wenn angeboten - die pferdegestützte Behandlung wertschätzend annehmen. Ein Faktor, der die Ausbreitung des vorgeschlagenen pferdgestützten Behandlungskonzepts bei Ticstörungen limitiert, ist, dass für das Habit Reversal Training mit den Krankenkassen ein sicherer Kostenträger besteht, während die pferdegestützten Interventionen als solche privat finanziert werden müssen. Wie kann es sein, dass deckungsgleiche Interventionsformen nicht gleichermaßen abrechnungsfähig sind? Die Begründung liegt in der Struktur des deutschen Gesundheitssystems, in dem Behandlungskonzepte zum einen wissenschaftlich belegt (Evidenzbasierung) und zum anderen durch eine abrechnungsfähige Berufsgruppe angeboten werden müssen. Angenommen, es würden aus dem Bereich pferdegestützter Interventionen randomisiert-kontrollierte Studien zum Wirknachweis der pferdegestützten Behandlung von Ticstörungen vorliegen, so wäre noch keine Kostenübernahme durch die Krankenkassen gesichert. Das bedeutet, dass Forschungsarbeiten, die dem medizinischen Forschungsstandards entsprechen, dringend notwendig sind und gleichzeitig nichtmedizinischen Berufsgruppen zugeschrieben werden müssten. Vorausschauend stellt sich die Frage, wie die bestehende Forschungslücke geschlossen werden kann. Da es sich um ein kleines Feld handelt, ist ein wichtiger Faktor die Zusammenarbeit von SozialwissenschaftlerInnen, ErziehungswissenschaftlerInnen und SportwissenschaftlerInnen und allen Wissensbereichen, die sich im Sammelbecken pferdegestützter Interventionen finden lassen. So können durch Kooperationen von Hochschulen und Universitäten neue Möglichkeiten der Umsetzung von Forschungsideen geschaffen werden. Damit Forschungsideen aus der pferdegestützten Praxis umgesetzt werden können, ist eine niederschwellige Verknüpfung der Forschungseinrichtungen mit den AnbieterInnen pferdegestützter Interventionen gefragt. Die in diesem Artikel entwickelten Hypothesen zeigen, wie vielfältig Fragestellungen allein für den Bereich der Ticstörungen sein können. Aus Sicht der Autorinnen bietet vor allem die Hypothese der Tic-Reduzierung durch Rhythmisierung eine spezifische Wirkidee für pferdegestützte Behandlungen, die neue Impulse für die multidisziplinäre Behandlung von Ticstörungen bietet. Die Belegung der Hypothese, dass die zentralen Komponenten des Habit Reversal Trainings auch in pferdegestützter Umsetzung effektiv sind, Die Autorinnen Rachel Wittschier B. A. Sport und Gesundheit in Prävention und Therapie an der Deutschen Sporthochschule Köln (DSHS); Reittherapeutin in Ausbildung (IPTh) Katharina Alexandridis Dr. sportwiss., M. A. Adapted Physical Activity, M. A. Sportwissenschaft, Pädagogik, Sportmedizin, Sport- / Bewegungstherapie; Reittherapeutin (IPTh); Leitung des Alogo-Instituts Anschrift Alogo-Institut Köln · Sterrenhofweg 6 · D-50858 Köln alogoinstitut@gmail.com 150 | mup 4|2021 Wittschier, Alexandridis - Pferdegestützte Behandlung von Ticstörungen würde für Betroffene Wahlmöglichkeiten der Behandlungsform bieten und mehr Therapieplätze ermöglichen. Literatur ■ Alexandridis, K. (2009): Pferdegestützte Bewegungstherapie bei Essstörungen. Mensch und Pferd international 1, 13-26 ■ Alexandridis, K., Frankenberger, K. (2012): NHS (Natural Horsemanship) bei Therapiepferden. Mensch und Pferd international 2, 79-83 ■ Alexandridis, K. (2019): Pferdegestützte Behandlung von Ticstörungen - Eine Einzelfallstudie. Vortrag auf der Horses4Humans Konferenz Rachel Wittschier, Katharina Alexandridis ■ Azrin, N. H., Peterson, A. L. (1990): Treatment of Tourette syndrome by habit reversal: A waiting-list control group comparison. 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