eJournals mensch & pferd international 14/3

mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2022.art20d
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Praxistipp: Spiele auf und mit dem Pferd zur Förderung von sprachlichem Ausdruck und Kommunikation

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Sandra Thierauf
Die vorliegende Spielesammlung ergänzt den Artikel von Dagmar Löbbert aus der Ausgabe 2/22. Die Spiele laden Kinder zum freien Erzählen, Sprechen und aktiven Zuhören ein.
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124 | mup 3|2022|124-129|© Ernst Reinhardt Verlag, DOI 10.2378 / mup2022.art20d Sandra Thierauf Praxistipp Spiele auf und mit dem Pferd zur Förderung von sprachlichem Ausdruck und Kommunikation Die vorliegende Spielesammlung ergänzt den Artikel von Dagmar Löbbert aus der Ausgabe 2 / 22. Die Spiele laden Kinder zum freien Erzählen, Sprechen und aktiven Zuhören ein. Sie können im Einzelsetting (mit dem Reitpädagogen als Gesprächspartner) oder besser in einer Gruppe durchgeführt werden. In der Gruppe entstehen meiner Erfahrung nach lebhaftere Erzählungen und Gespräche. Unser Gruppenaufbau ist zwei bis drei Kinder mit einem Betreuer pro Pferd. Die Kinder reiten, sind Führkind (Mithilfe beim Führen) und helfen im Wechsel an den Spielestationen. Das Abenteuer der Tiere (basierend auf dem Brettspiel „Der verdrehte Sprach-Zoo“ von Ravensburger) Material: Plastikspieltiere (Bauernhof, Zoo etc.), Schleich-Pferde u. Ä. verteilt auf verschiedene Stationen (mind. 3, wenn man mehr Zeit hat, auch mehrere). Einführung der Geschichte: Die Tiere des Bauernhofs, die Pferde des Reiterhofes oder die Tiere des Zoos klauen dem Wärter den Schlüssel, brechen aus und erleben ein Abenteuer. Die Kinder holen von mindestes zwei Stationen mindestens zwei verschiedene Tiere und erfinden eine Abenteuergeschichte. Am Ende an der letzten Station werden die Tiere in einen Beutel gelegt. Im zweiten Durchgang ziehen die Kinder einen der Beutel (nicht den eigenen) und sollen so detailgetreu wie möglich die Geschichte zu den Tieren darin wiedergeben. ■ Fördert sprachlichen Ausdruck, Wortschatz, Merkfähigkeit und genaues Zuhören. Praxistipp: Thierauf - Spiele auf und mit dem Pferd zur Förderung von sprachlichem Ausdruck mup 3|2022 | 125 Der Chefkoch / Die Eisdiele Der Reiter bereitet als Chefkoch ein Menü zu, dieses soll er beschreiben und uns als FührerInnen anweisen, zu welchen Zutaten er reiten möchte (verschiedene Stationen mit Helferkindern mit Obst/ Gemüse, Geschirr, Kochlöffel, Topf stehen bereit). Auf der letzten Station wird mithilfe der Kellner das Menü angerichtet. Variation: Die Kinder machen die Menüfolge vorher zusammen aus und schreiben sie vorab auf eine Tafel oder in eine Menükarte. Der / die erste ReiterIn bereitet die Vorspeise zu, der / die zweite ReiterIn den Hauptgang etc. Variation für den Sommer: Wir bereiten Eisbecher in einer Eisdiele zu, dabei eignen sich als Eiskugeln bunte Bälle aus dem Bällebad. Die Kinder können den verschiedenen Farben Sorten zuordnen. Mit Kaufladen-Obst, Plastiklöffeln und Bausteinen als Kekse lassen sich tolle Eisbecher gestalten. Die Kinder können diese während der letzten Runde einen Namen geben, z. B. „Isis Schlumpfeis-Cookie-Familienbecher“. ■ Fördert Wortschatz, sprachlichen Ausdruck und Kreativität. Ich packe meinen Koffer/ Variation: ich packe meinen Putzkasten / Schulranzen … Auf verschiedenen Stationen sind Gegenstände verteilt für eine Reise. Das Kind wählt aus und spricht mit: „Ich packe in meinen Koffer / Putzkasten XY ein.“ Die Gegenstände werden mithilfe eines Helferkindes auf einer Station (z. B. Tonne) in den Koffer gepackt. Am Ende wird der Koffer / Rucksack / Beutel oder Putzkasten geschlossen und das Führkind soll den Inhalt aus dem Gedächtnis wiedergeben. Zum Abschluss wird gemeinsam ausgepackt. Variation: Während des Packens kommt man mit dem Kind ins Gespräch über das Reiseziel oder die Gründe, warum etwas einpackt wird. ■ Fördert sprachlichen Ausdruck, Handlungsplanung, Merkfähigkeit und aufmerksames Zuhören. Wir gehen shoppen! Aus verschiedenen Katalogen (Mode, Elektronik, Lebensmittel, Baumarkt, Reitsport) Bilder ausschneiden und laminiert auf verschiedenen Stationen verteilen. Der / die ReiterIn reitet mit Einkaufskorb / Einkaufstasche los und kauft ein. Im Rollenspiel mit dem / der VerkäuferIn (Helferkind) wird eingekauft und an der Endstation erklärt, was und warum dies und jenes gekauft wurde. ■ Fördert Merkfähigkeit, Wortschatz, freies Formulieren. 126 | mup 3|2022 Praxistipp: Thierauf - Spiele auf und mit dem Pferd zur Förderung von sprachlichem Ausdruck Geschichtensackerl Das Kind auf dem Pferd holt sich ein Pixi-Buch oder einen Zettel mit einer Kurzgeschichte aus dem Geschichtensackerl (oder aus der Geschichtenbox etc.) und hat eine Runde Zeit, daraus vorzulesen. Danach spinnt es die Geschichte weiter auf der folgenden Reitrunde. Gemeinsam mit den Helferkindern wird nun nachgeschaut, wie die Geschichte im Buch ausgeht, dann wird verglichen und diskutiert, welche Geschichte besser gefallen hat, bzw. welche Aussage die Geschichte vermitteln soll. ■ Fördert freies Erzählen, Lese- und Hörverständnis. Das Pony-Theater Handlung mit Fingerpuppen oder Handpuppen, ggf. auch Plüschtieren frei erfinden, dabei sind Pferd und ReiterIn HauptdarstellerInnen, die ein Abenteuer mit der Handpuppe erleben. Variation: Handlung durch die Wahl von willkürlich gewählten Requisiten gestalten. Variation: Karten mit Ortsangabe, wo das Stück stattfinden soll (z. B. Zirkus, Schule, einsame Insel), Zeitkarten, Wetterkarten, Stimmungskarten etc. Variation: Einbeziehen der Bahnbuchstaben: Am ersten Buchstaben, an dem angehalten wird, findet die Handlung statt (z. B. Bahnpunkt C, Handlung spielt in China, der Hauptdarsteller heißt Christoph und ist ein Clown). Variation: Es wird vorab ein Trailparcours aufgebaut, der während des Durchreitens entsprechend der Handlung interpretiert wird (z. B. Stangen = vom Sturm umgestürzte Bäume). ■ Fördert Fantasie, sprachlichen Ausdruck, Körpersprache (zur Darstellung und Interpretation der Rolle), Stärkung des Selbstbewusstseins. Mit der Übernahme einer der Rollen (z. B. Held, Prinzessin) wird häufig auch ein anderer Wortschatz, eine andere Ausdrucksweise verwendet als im realen Leben. Somit kommt es zu einer Erweiterung des eigenen sprachlichen Horizonts. Einfache Variation für kurze Stunden: Pony- Pantomime Die Kinder ziehen auf dem Pferd eine Wortkarte (z. B. Springreiter, Zirkus, Jockey, Cowboy) und stellen diese Person pantomimisch dar, die Helferkinder raten. Hat man mehrere Helferkinder am Boden, können diese ebenfalls Wortkarten ziehen und diese für sich gegenseitig darstellen, um die Wartezeit zu verkürzen). Variante: Die Kinder ziehen ein Pferdefoto und stellen die Stimmung des Pferdes pantomimisch dar (z. B. müde, freundlich, ärgerlich). ■ Fördert Körpersprache und nonverbale Kommunikation, Fantasie und den Ausdruck von Emotionen. Abb. 1: Geschichtssackerl Praxistipp: Thierauf - Spiele auf und mit dem Pferd zur Förderung von sprachlichem Ausdruck mup 3|2022 | 127 Stationenarbeit/ Aktionstabletts Gegenstände zu verschiedenen Themen, z. B. Putzzeug oder Stallbedarf, Pferdefutter, Haushaltsgegenstände etc. auf Stationen verteilen. Das Kind sammelt vom Pferd aus eine bestimmte Anzahl Gegenstände ein und muss diese an der letzten Station benennen und deren Verwendung erklären, z. B.: „Das ist ein Hufauskratzer, damit werden die Hufe gereinigt.“ Variation: Mehrere kleine Aktionstabletts verteilen, das Kind nimmt ein Tablett seiner Wahl mit aufs Pferd und soll uns etwas über die Gegenstände erzählen (wofür diese verwendet werden, woher diese kommen, welche Materialeigenschaften der Gegenstand hat, oder eine Geschichte dazu erzählen). Variation: Zoospiel-Tierkarte oder Spieltier ziehen und beschreiben, um welches Tier es sich handelt, was es frisst, wo es lebt und dieses am Ende auf eine Station mit dem richtigen Lebensraum (als laminierte Karte) setzen (z. B. einen Fisch auf eine Karte mit Wasser). Variation: Verschiedene Kostüme / Requisiten auf Stationen verteilen. Ein Kind wählt aus, spielt eine Rolle und reitet dazu (z. B. Ritter mit Schwert: „Ich reite auf der Zugbrücke über den Wassergraben hinein in die Burg und ducke mich unter dem Burgtor hindurch.“) Dabei werden passende Bewegungen ausgeführt. Variation: Was habe ich erlebt? Das reitende Kind nimmt einen Gegenstand von einer Station (z. B. ein Halfter). Gemeinsam überlegen ReiterIn und HelferIn, was dieses Halfter schon alles erlebt hat. War es heute schon auf der Weide? Mit welchem Pferd geht es am liebsten zum Putzplatz? Verträgt es sich gut mit seinen NachbarInnen in der Sattelkammer? ■ Fördert Begriffsbildung / Erweiterung des Wortschatzes und Materialerfahrung. Kaiser, wie weit darf ich reisen Wir bauen mit den Kindern gemeinsam einen Parcours bzw. begehen diesen vor Stundenbeginn. Es werden Orte (Bahnbuchstaben) festgelegt, Stangen als Brücke oder Pylonen als Wald platziert. Das reitende Kind fragt die Helferkinder: „Kaiser wie weit darf ich reisen? “ Das Kind reitet bis zu dem genannten Ort, zum Beispiel zum Wald, und fragt dort erneut (bis die vereinbarte Rundenzahl absolviert ist). ■ Fördert genaues Zuhören und Orientierung im Raum. Abb. 2: Vorbereitung der Stationen 128 | mup 3|2022 Praxistipp: Thierauf - Spiele auf und mit dem Pferd zur Förderung von sprachlichem Ausdruck Buchstaben-Rallye Buchstaben-, Silben- oder Anlautkarten werden an die Kinder verteilt oder gelost. Entsprechende DIN A4-Zettel werden kopiert, laminiert und am Boden ausgelegt oder an der Bande befestigt. Die Kinder reiten auf dem Hufschlag bzw. werden geführt. Wird das Wort „Pferd“ ausgerufen, reiten alle Kinder zum richtigen Buchstabenfeld / Anlautfeld oder heben ihre Karte und bringen diese zu einer Ablagestation. Variation: Geschichten-Rallye: Auf laminierten Karten bereitet man einen Text vor (je nach Anzahl der ReiterInnen). Jede / r ReiterIn zieht am Start eine Karte, die je nur einen Satz oder mehrere Wörter der Geschichte enthält, und bringt diese durch einen Trailparcours zu den HelferInnen. Diese überwinden ebenfalls einen Bewegungsparcour und setzen am Ziel die Geschichte nach und nach zusammen. Am Ende lesen alle zusammen die Geschichte. ■ Fördert genaues Zuhören, Konzentration und macht mit den Buchstaben / Silben / Anlauten vertraut. Ponywandern Durch den Abstand zum Alltag in der Schule, zu anderen Therapien und vor allem ohne räumliche Grenzen, kann den Gedanken freier Raum gelassen werden und aus der Distanz ein anderer Blick auf die Probleme entstehen. Durch die Bewegung kommen die Kinder aus der Starre (körperlich und geistig) und erzählen über Dinge, die sie bewegen. „Der Weg ist das Ziel“ und „wir gehen den Weg zusammen“ werden realitätsnah vermittelt (Beziehungsaufbau). Aus dieser Beziehung entstehen Gespräche, Ideen und unter Umständen gemeinsame Problemlösungen. Idee: Um mit den Kindern ins Gespräch zu kommen, können kleine Aufgaben gestellt werden, z. B. Stille-Wanderung (10 min lang schweigend gehen / reiten und dann beschreiben, welche Geräusche man wahrgenommen hat, welche Gerüche etc.), Farben-Wanderung (vor dem Ritt wird ein Bild gemalt: Welche Farben erwartet man im Wald zu sehen? , dann werden im Wald passende Dinge gesammelt. Dabei kann man sich vom Kind erklären lassen, welche Dinge gefunden wurden oder welche Dinge gemeinsam gesucht werden sollen. Abschließend werden die gefundenen Dinge auf das gemalte Bild gelegt und abgeglichen). Auch das bekannte Spiel „Ich sehe was, was Du nicht siehst“ kann das Eis brechen. Das Kind gibt sein Thema vor, wir laden ein, begleiten und geben Impulse. ■ Fördert die Beziehungsebene zum Reitpädagogen, stärkt die Wahrnehmung durch das konzentrierte Beobachten der Natur. Abb. 3: Buchstabenralley Praxistipp: Thierauf - Spiele auf und mit dem Pferd zur Förderung von sprachlichem Ausdruck mup 3|2022 | 129 Die Spiele sollen keine Therapie ersetzen, sondern eine ergänzende, unbeschwerte, freudige Beschäftigung mit dem Thema Sprache mit dem Partner Pferd in wertschätzender Atmosphäre für das Kind ermöglichen. Problemlaute trainieren „Sch“-Lokomotive: Das Pferd ist die Lokomotive, solange das Kind den „Sch“-Laut richtig bildet, fährt der Zug weiter. „Sch“-Wind: Das Pferd ist ein Segelschiff, das Kind lässt ein Tuch oder Band auf dem Pferd als Wind schwingen und formt den Laut „Sch“. Verstummt der Wind, segelt das Schiff nicht weiter zum Ufer. Variation: Das Kind zieht eine Buchstaben-Karte auf dem Pferd und reitet zu den Helferkindern. Dort sprüht es den Buchstaben mit einer imaginären Spraydose in die Luft und die Helfer müssen erraten, um welchen Buchstaben es sich handelt. Laute sortieren: Wort-Bildkarten ausdrucken bzw. im Fachhandel (z. B. MiniLÜK - Schwierige Laute; Westermann Lernspiel) besorgen. Es werden drei Stationen errichtet: Ist der Problemlaut am Anfang, am Ende oder mitten im Wort zu hören? Die Karte wird entsprechend zur Station gebracht. ■ Fördert spielerisch die Aussprache der „Problemlaute“. Die Autorin Sandra Thierauf Reitpädagogin seit 2007 mit u. a. Zusatzausbildung Psychomotorik, Waldpädagogin in Ausbildung, Schwerpunkt Motorik, Sprache und Natur- und Kreativitätpädagogik mit Pferden,Inhaberin HorseHill bei Passau (FNanerkannter Pferdebetrieb), Dozentin und Veranstalterin bei Pony-Motion Fortbildungen in der Reitpädagogik (von der Landesregierung Niederbayern als private Einrichtung der Erwachsenenbildung anerkannt) Kontakt Sandra Thierauf · Kühhügl 3 · 94496 Ortenburg www.horsehill.de · s.thierauf@googlemail.com Tel. 0174 / 9106111