eJournals mensch & pferd international 15/3

mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2023
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Forum: Wohltuende Pony-Begegnungen im Seniorenheim

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2023
Sandrine Grès
Anette Bull
Tiere und Pflanzen gehören zu unserer natürlichen Lebenswelt. Den Menschen auch in Pflegeeinrichtungen weiterhin diese Normalität zugänglich zu machen, ist daher nur logisch. In unserem Konzept sind einerseits dauerhafte Tierhaltungen integriert, als auch Tiere, die zu Besuch kommen, wie die Ponys von Sandrine Grès’ Ponyexpress.
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116 | mup 3|2023|116-123|© Ernst Reinhardt Verlag, DOI 10.2378 / mup2023.art15d Sandrine Grès, Anette Bull Forum Wohltuende Pony-Begegnungen im Seniorenheim Tiere und Pflanzen gehören zu unserer natürlichen Lebenswelt. Den Menschen auch in Pflegeeinrichtungen weiterhin diese Normalität zugänglich zu machen, ist daher nur logisch. In unserem Konzept sind einerseits dauerhafte Tierhaltungen integriert, als auch Tiere, die zu Besuch kommen, wie die Ponys von Sandrine Grès’ Ponyexpress. Der Kontakt zu Tieren ist vielen Senioren vertraut, aus verschiedensten Zusammenhängen und Lebenslagen, und kann lebenslang auf unterschiedlichste Weise berühren. Eigens für den Kontakt mit Menschen geprägte und ausgebildete Tiere können bei den Senioren Gefühle von Akzeptanz, Wertschätzung und ein Gefühl des „Gebraucht-Werdens“ auslösen. Dabei gibt es sehr unterschiedliche Tierarten - je nach biografischer Erfahrung -, die man einsetzt. Manche Menschen reagieren intensiver auf Hühner, Gänse oder Kaninchen, viele reagieren stark auf Hunde und Katzen, aber - und das erleben wir regelmäßig - auch Ponys und Pferde lösen intensive Gefühlsregungen aus und motivieren zu Kontaktaufnahme, Kommunikation und Interaktion. Das Altgedächtnis wird sozusagen geboostert durch die Wahrnehmung auf allen Sinnesebenen. Wenn die Shettys kommen, erinnern sich die BewohnerInnen ganz intensiv an eigene Pferde-Erfahrungen. Viele BewohnerInnen kommen ins Erzählen. Bei anderen spüren und sehen wir die „innere Bewegung“ und unterstützen bei der Kontaktaufnahme oder den angedeuteten Handlungsintentionen wie Streicheln, Bürsten, Führen. Die BewohnerInnen kommen im Laufe solcher Aktivitäten in die Rolle der Versorgenden und Pflegenden, der Kompetenten und Wissenden - und das in einem Alltag, in dem sie meist die Gepflegten sind. Sie erfahren durch unsere verbale und nonverbale Unterstützung und Moderation Selbstwirksamkeit und Wertschätzung, wenn sie die gewollten Handlungen ausführen können, wie das Striegeln und Herbeilocken. Sie sind es, die dem Pony einen sichtbar und fühlbar genussvollen Moment schenken können. Wir können während dieser Stunden so vieles beobachten: Wie die BewohnerInnen lächeln oder auch aufgeregt laut lachen, staunen, neugierig beobachten. Sie kommentieren verbal und nonverbal, unterhalten sich mit uns und anderen BewohnerInnen, sind aktiv und dann wieder ruhig. Sandrines Shettys strahlen in diesen Stunden Offenheit, Neugierde, Gelassenheit, Ruhe und Frieden aus. Ich beobachte bei den BewohnerInnen nach der anfänglichen aktivierenden Begeisterung genau das: Interesse am tierischen Gegenüber, innere und äußere Bewegung verschiedenster Art und im Laufe der Begegnung dann Zurücklehnen und fühlbar friedliches Beisammensein. In unserer Einrichtung sind immer Tiere für die tiergestützten Interventionen präsent, aber diese Ponybesuche sind für uns und die BewohnerInnen ganz besondere und kostbare Stunden voller tiefer Begegnung - zwischen Mensch und Tier, aber auch Mensch und Mensch. Mit einer Shetty-Herde im Seniorenheim Warum Shetlandponys? Shetlandponys verdanken ihre Kleinwüchsigkeit dem Klima und Futterangebot ihrer ursprünglichen Aufzucht. Auf den Shetlandinseln gab es im Forum: Grès, Bull - Wohltuende Pony-Begegnungen im Seniorenheim mup 3|2023 | 117 Sommer Moos, Heidekraut, Blaubeersträucher und kleine Grasflächen. Im Winter mussten die Ponys schauen, dass sie in Küstennähe kamen, um sich von Seegras zu ernähren. Das Klima war von den Temperaturen her relativ gleichbleibend, aber es gab immer Wind, Stürme und Regen, wovor die Shettys nur vor vereinzelten Steinwänden Schutz fanden. Bei diesen Lebensbedingungen konnten nur die Stärksten überleben, daher kam es, dass die Ponygröße auf natürliche Art und Weise reduziert wurde. Diese Pferde zogen herum und suchten, was sie zum Leben brauchten, an verschiedensten Orten. Man geht deswegen davon aus, dass diese Tiere nicht ganz so standorttreu, aber sehr futtermotiviert sind. Diese Eigenschaften nutze ich gezielt in meiner Arbeit, wenn ich mobil mit den Ponys in die Seniorenresidenzen fahre. Kleine Ponys sind von der Größe her bei Bedarf einfacher in Räumlichkeiten oder auf einer Fläche, die nicht für Großtiere gedacht war, zu bewegen und passen in jeden größeren Lift. Senioren sitzen meistens, sei es auf Stühlen oder im Rollstuhl, da haben die Shettys die ideale Größe, um gestreichelt zu werden. Wenn die Senioren stehen, ist die Rückenhöhe dieser Ponys auch zum Bürsten ideal. Falls sich jemand an ihnen mal abstützt, ist dies auch o. k. Die Ponys wurden auch schon kurz als „Gehhilfe“ genutzt, da die Senioren sich gut an ihnen festhalten können. ■ Kleine Ponys sind weniger imposant und flößen den Menschen weniger Respekt/ Angst ein, was die Kontaktaufnahme für viele sehr vereinfacht. Dennoch werden sie als Pferde erkannt und lösen frühere Erinnerungen ans Landleben aus, als Pferde noch sehr präsent im Leben der Menschen waren. ■ Die Neugierde der Shettys, ihre Anpassungsfähigkeit und Lernfähigkeit sind Charaktereigenschaften, die mir in der Arbeit mit Senioren auch sehr entgegenkommen. Sie haben bei guter Gewöhnung und Training eine offene Art, auf Menschen zuzugehen und bleiben meist gelassen. Vorbereitendes Training Das wichtigste Trainingsziel bei meinen Ponys ist die Risiko- Minimierung, wie es für alle Tiere in der tiergestützten Intervention eigentlich selbstverständlich ist: Kein Schnappen, Beißen, Schlagen oder Treten. Leichtes Führen am Strick muss möglich sein und sie sollten sich möglichst überall anfassen lassen. Dazu gibt es einige Regeln im Alltag, die niemals gebrochen werden, wie z. B. niemand (! ) außer mir gibt Futter aus der Hand. Wenn ich dies tue, dann nur auf ein eigens konditioniertes Signal hin. Fremde Menschen dürfen Futter auf Abb. 2: große Freude Abb. 1: sanfte Kontaktaufnahme (Alle Fotos: A. Bull, S. Grès) Abb. 3: Aufgrund ihrer Größe sind Shettys optimal erreichbar, auch vom Rollstuhl aus. 118 | mup 3|2023 Forum: Grès, Bull - Wohltuende Pony-Begegnungen im Seniorenheim den Boden werfen oder es dank eines „Distanzfutter-Hilfsmittels“ geben (Suppenkelle, Zange, Behälter etc.). Alle erwünschten Verhaltensweisen werden durch positive Bestärkung trainiert. So kommt es, dass ich in den allermeisten Fällen garantieren kann, dass wenn eine Hand bewusst oder zufällig in Maul-Nähe kommt, die Ponys einfach ruhig bleiben oder wegschauen. Dies ist in meiner Arbeit sehr wichtig, da Senioren sehr gerne an die Nüstern fassen. Pferde könnten in dem Moment nicht erkennen, ob es eine leere streichelnde Hand ist oder ob diese Futter enthält. Deswegen haben sie gelernt, dass sie niemals von Fremden etwas aus der Hand gefüttert bekommen. Dass die Ponys sich gut verladen lassen, gesittet am Strick zu führen sind und nicht-elektrifizierte Litzen respektieren, hilft auch sehr bei der Arbeit. Schlagen oder Beißen würde natürlich nicht toleriert werden können. Es muss unbedingt der Grund für solches Verhalten erforscht werden und die Bedingungen, also das „Setting“, müssen dann so gestaltet werden, dass keines der Tiere es nötig hat, in ein Meide- oder Abwehrverhalten zu kommen. Meine komplette Herde besteht aus fünf Shetlandpony-Wallachen zwischen 6 und 18 Jahren und 80-100 cm Stockmaß. Alle sind Rappschecken, da sie optisch gut als Passgespanne vor der Kutsche laufen sollten und ich eine Vorliebe für diese Fellfarbe habe. Sie kamen alle einzeln zu mir und sind in keiner Hinsicht verwandt. Wie setze ich meine Ponys in Seniorenresidenzen ein? Nach einigen Versuchen hat sich herausgestellt, dass eine „freie“ Herde in einem Paddock die für die Tiere und Senioren passendste Begegnungsform ist. Die Tiere tragen Halfter mit ihrem Namen und werden gelockt und nur selten an die Kontakte geführt. Der Paddock wird der Anzahl der mitgebrachten Ponys und der Anzahl der besuchenden Senioren angepasst, ca. 8 x 8 m haben sich bewährt. Von Anfang an gibt es Wasser, welches zur freien Verfügung steht; das Heu wird entweder von Anfang an im Paddock in Netzen aufgehängt, verstreut oder erst später gegeben, dies hängt von der Situation der Einheit ab. Erst wenn die Ponys sich etwas an die Umgebung gewöhnt haben, dürfen die Senioren sich dazu gesellen, im oder außerhalb des Paddocks. Ab dann darf die „Magie“ zwischen Mensch und Tier wirken. Es geht um gegenseitiges Kennenlernen. Fitte Senioren dürfen die Ponys gerne bürsten und kämmen, aktiv auf sie zugehen zum Berühren. Andere setzen sich, schauen einfach nur oder locken mit Gesten und Worten. Die Menschen reden untereinander, mit den Ponys oder mit mir und stellen ihre Fragen. Die Ponys genießen die Aufmerksamkeit, die ihnen entgegengebracht wird, zeigen, dass sie Streicheleinheiten und freundliche Worte genießen. Meine Aufgabe sehe ich darin, einen Überblick über die ganze Situation zu haben. Zwischen Pony und Mensch zu vermitteln, beide Seiten zum Kontakt zu ermuntern. Ich kann ein Pony mittels Heu zu einer Abb. 4: Höflichkeit ist Grundvoraussetzung für die Arbeit mit den SeniorInnen. Abb. 5: Der Paddock Forum: Grès, Bull - Wohltuende Pony-Begegnungen im Seniorenheim mup 3|2023 | 119 bestimmten Person locken oder indem ich es zum Senior hinbewege. Ich kann aber auch den Menschen dazu motivieren, in Aktion zu treten. Oftmals „übersetze“ ich, d. h. ich kommentiere, was ich beim Pony beobachte im Gespräch mit dem / der BewohnerIn. Eine der wichtigsten Aufgaben ist es, die körperliche und emotionale Sicherheit auf beiden Seiten zu gewährleisten und einzuschreiten, wenn es nötig ist. Es geht ja immer um Bedürfnisse, Gefühle und Motivationen. Ich behalte alles im Griff, indem ich die Situation überschaue und Signale für Überforderung, Angst oder Übermut erkenne und löse. Dies wird dann reflektiert und den anwesenden Menschen verbal vermittelt. Ich muss auch erkennen, wenn sich eine Art Langeweile einschleicht. Dann kann ich gezielt mit Spielmaterial die Senioren in Aktion bringen. Da ist es an mir, die Dynamik der Ponys etwas zu kontrollieren. Solche Interaktions-Spiele sind mit der ganzen Herde möglich oder ich nehme einzelne Ponys raus. Da es sich hauptsächlich um Futterspiele handelt, können die Ponys auch um Ressourcen rangeln, es ist also immer wichtig die Dynamik zu beobachten. Es ist so schön bei diesen Prozessen aktiv dabei zu sein, sie zu begleiten oder nur am Rande mitzubekommen. Wenn sich eine eigene Dynamik entwickelt und sich Geschichten ergeben. Diese Art zu arbeiten, hat sich für mich und meine Ponyherde mit der Zeit so entwickelt. Aktivitätsideen: ■ Kooperations-Schlauch: Die Bewohner sitzen im Stuhlkreis und halten gemeinsam ein Rohr. Die Person an einem Ende gibt ein Möhrenstückchen rein und wenn jeder nacheinander das Rohr hebt und senkt, wird dieses Stückchen ans andere Ende des Rohres befördert und fällt auf den Boden - wo das Pony schon wartet, um es zu fressen. ■ Leckerlies erspielen mit dem Würfel: Die Bewohner würfeln der Reihe nach mit dem großen Schaumstoffwürfel und bekommen so viele Leckerlies wie Augen auf dem Würfel. Diese können verfüttert werden, indem sie auf den Boden geworfen werden oder mit einer Holzzange oder Suppenkelle dem Pony gegeben werden. ■ Hundefutterball: Die Bewohner füllen den Ball mit kleinen Leckerlies und wenn er voll ist, wird er auf den Boden gelegt, wo ein Pony den Ball rollt, und die Belohnungen frisst, die rausfallen. Die Leute fiebern mit und erfreuen sich am Zuschauen. ■ Teppich ausrollen: Die Bewohner bekommen ein paar Möhrenstückchen und die müssen in ei- Abb. 6 und 7: Wohlfühlatmosphäre mit Stroh, Heu und Wasser Abb. 8: Kontaktaufnahme nach Eingewöhnung 120 | mup 3|2023 Forum: Grès, Bull - Wohltuende Pony-Begegnungen im Seniorenheim nen Teppich eingerollt werden, damit das Pony sie beim Teppich-Ausrollen fressen kann. Dies ist hervorragend für die Augen-Hand-Koordination. ■ Kleine Tricks vorführen kommt sehr gut an bei den Zuschauern. Meine Ponys folgen frei, gehen zurück auf Anfrage, nach vorne, drehen sich, heben Sachen auf… ■ Apfel-Wettessen: 2 Ponys stehen 3-4 m von 2 Äpfeln, die auf dem Boden liegen, entfernt. Bei „los“ werden die Ponys losgeschickt und es wird gewettet, welches Pony als erstes den Apfel gegessen hat. ■ Die Ponys können auch geführt werden, selbständig im Begegnungspaddock oder auf einem grasfreien Weg mit Hilfen. Zu Fuß oder vom Rollstuhl aus. Hier bin ich oder eine Begleitperson in der Nähe, um die Menschen zu sichern. Voraussetzungen an die Pferde Unser Potenzial in Seniorengruppen entfaltet sich in diesem Setting im Paddock am besten. Ich muss meine Ponys gut einschätzen können und sie müssen sich untereinander schon gut kennen, d. h. eine stabile Herde sein, in der die Rangordnung und Aufgabenfelder klar sind. Neben der Vertrauensbasis zum Besitzer und der stabilen Herdenstruktur, sind alle grundsätzlichen Lebensbedingungen wie Futter und die körperliche und psychische Gesundheit sehr wichtig. Denn nur ein ausgeglichenes, gesundes Pony kann auch ausgeglichen und motiviert seiner Arbeit nachgehen. Da die Arbeit mit den Senioren von den Tieren Geduld, Impulskontrolle und offenes Auf-Menschen-Zugehen verlangt, müssen alle Lebensbereiche der Tiere so ponygerecht wie möglich sein. Meine Ponys leben in einer Offenstallhaltung mit großem Unterstand und viel grasfreier Lauffläche, die sie ganzjährig nutzen dürfen. Hier leben sie in ihrer stabilen Wallach-Herde zu fünft. Sie werden zwei Mal täglich mit Heu gefüttert und haben immer Stroh zur freien Verfügung und saisonal bedingt Äste zum Knabbern. Kräuter und Mineralien bekommen sie auch nach Bedarf. Die Ponys werden artgerecht beschäftigt, sei es mit Kutsche fahren, Tricktraining, ausgedehnten Spaziergänge u. a., damit sie körperlich und psychisch ausgelastet sind. Regelmäßige Kontrollen und ggf. Behandlungen gewährleisten, dass die Ponys gesund und fit sind, sei es vom Tierarzt, Zahnarzt, Physio / Osteopathen … Vorbereitung auf einen Einsatz Wenn eine Einrichtung mich anfragt, dann vereinbare ich immer vorab einen Termin vor Ort, um mit der zuständigen Person das Gelände zu erkunden. Es werden alle Eckdaten, die noch nicht am Telefon ermittelt wurden, vor Ort mit der zuständigen Person geklärt: Anzahl der BewohnerInnen, Datum, Uhrzeiten, Erwartungen, was vor Ort gestellt werden kann, evtl. Hilfspersonen zum Auf- und Abbau … Ich schaue, wie ich den Ort am effizientesten nutzen kann und welche Zugangs- und Parkmöglichkeiten es vor Ort gibt. Ich schaue, wie ich den Paddock aufbauen kann. Soll es auf Asphalt oder Gras sein, sind Gebäudewände, Bäume, Laternenpfosten da, die genutzt werden können? Wir klären zusätzlich, ob die BewohnerInnen etwas vorbereiten wollen, z. B. Möhren schneiden oder Leckerlis backen. Ebenfalls erweist sich ein Ankündigungs-Poster mit den Ponys sinnvoll, damit die Senioren sich auf den Besuch vorbereiten können. Paddockaufbau: Da ich den Auftragsort ganz genau anschauen konnte, wähle ich das Material zum Paddockbau aus. Meistens kommen leitende Gummilitzen zum Einsatz, denn diese passen sich relativ flexibel an verschiedene Paddockgrößen an und sind so flexibel, dass sie beim Reinfassen gut nachgeben und danach wieder in ihre ursprüngliche Form kommen. Da meine Ponys schon mal testen, ob sie durch die Litzen gehen könnten oder nicht, Forum: Grès, Bull - Wohltuende Pony-Begegnungen im Seniorenheim mup 3|2023 | 121 setze ich vor und nach dem Besuch der Senioren diese gerne unter Spannung. Auf einer Wiese kommen handelsübliche Plastikpfosten zum Einsatz, um die Litzen einzuspannen. Der Stabilität zuliebe nutze ich gerne Bäume, Laternenpfosten etc., da befestige ich schnell mein eigens entwickeltes Lattensystem mit Litzenführer, diese kann man schnell an solchen stabilen Gegenständen festbinden. Wenn der Paddock auf einer asphaltierten Fläche ist, benutze ich mit Beton gefüllte Eimer, in die man Holzpfosten mit Litzenführern reinstecken kann. Manchmal wird der Paddock auch mit Schafspaneelen eingezäunt, wenn z. B. Wände als Zaun dienen und die Zaunlänge nicht zu groß ist. Dies ist für mich die sicherste und stabilste Art, einen mobilen Ponypaddock aufzubauen. Leider ist der Transport von ca. 32 m Metallpaneelen schwierig, da diese viel Platz brauchen und ein hohes Gewicht haben. Für den Aufbau braucht es auch einen relativ hohen Kraftaufwand. Aber wenn sich Gebäudewände als Zaun eignen, wird diese Option auch gerne genutzt. Ich bereite alles für den Paddockbau zu Hause vor, damit ich mit wenigen Handgriffen vor Ort aufbauen kann. Was wird noch vor der Abfahrt vorbereitet? Neben dem Paddock-Material lege ich mir alles in Kisten bereit, was sonst noch mitkommen muss: ■ Bürsten mit verschiedenen Texturen, die verschiedene Greifmöglichkeiten haben, damit für jeden eine Bürste dabei ist, die er gut greifen kann … ■ Ein Halfter für jedes Pony, in seiner Farbe mit seinem Namen, ca. doppelt so viele Leinen wie Ponys. So kann man mit Sicherungsstrick führen, falls die Ponys spazierengeführt werden. ■ Spielmaterial wie Teppich, dicker Schlauch, großer Schaumstoffwürfel, Aufhebe-Spielsachen (Teddy, Hundestricke), Leckerli-Tasche, Suppenkellen, Zangen … ■ Großer Besen, Mistboy und einen größeren Eimer, um den Platz zu säubern. Mist lasse ich bei Bedarf vor Ort, aber normalerweise nehme ich ihn im Hänger mit nach Hause. ■ Gefüllte Heunetze und ein Bottich für Wasser kommen auch noch mit. Da es sich manchmal spontan ergibt, dass ich mit einem oder zwei Ponys in die Einrichtung hineingehe, nehme ich immer saubere Ponyschuhe oder elastischen Gummiverband mit, so haben die Ponys besseren Halt im Innenbereich und der Boden wird vor Kratzern geschützt. Auswahl der Ponys In den meisten Fällen reise ich mit der ganzen Herde, den 5 Wallachen, an. Dies ist, wenn der Platz groß genug ist (ab ca. 8 x 8 m), die Anzahl der Bewohner höher ist und alle Ponys fit sind, das Beste. Als Herde sind sie eindrucksvoller und harmonischer, als wenn sie nur zu zweit oder zu dritt reisen. Falls die Seniorenanzahl gering ist und der Platz auch nicht sehr groß ist, entscheide ich mich, nur mit zwei oder drei Ponys zu reisen. Die Auswahl der geeigneten Tiere treffen ich spontan und intuitiv. Der Transport Vor 10 Jahren entschied ich mich für den Viehanhänger TA510, von IFOR Williams. Dieser ist groß (3,65 m lang, 1,85 m hoch Abb. 9: vorbereitetes Paddockmaterial 122 | mup 3|2023 Forum: Grès, Bull - Wohltuende Pony-Begegnungen im Seniorenheim und 1,80 m breit) und leicht (ca. 1000 kg leer) zugleich, um mit einem mittelschweren SUV gezogen zu werden. Ich konnte problemlos meine damals 6 Shettys gut transportieren. Zudem ist er dank mobiler Innenwände sehr flexibel und einteilbar. Zusätzlich ließ ich mir von einem Metallbauer kleinere, mobile Trennwände aus Schafspaneelen bauen, die ich sogar als solche nutzen könnte, wenn ich es bräuchte. Diese wurden so nicht vom Hersteller angeboten. So werden die Ponys quer zur Fahrtrichtung nebeneinander, von den Trennwänden separiert, transportiert. Anfangs wurden sie ohne Trenngitter in einem Abteil transportiert, was ihnen irgendwann missfiel. Seitdem sie wissen, dass jeder sein Abteil und jeder sein Heunetz während der Fahrt zur Verfügung hat, gehen alle freiwillig und zügig in den Hänger. Ich würde bei dieser Breite des Hängers alle Ponys, die mehr als 95 cm Stockmaß haben, in einem ca. 45 % Winkel oder in Fahrtrichtung fahren lassen, da 1,80 m für ihre Länge etwas knapp ist. Die seitlichen Belüftungsklappen sind auch sehr praktisch, die oberen sind meistens auf, um eine gute Belüftung während der Fahrt zu gewährleisten, und die unteren klappe ich bei Ankunft hoch, damit die Ponys schon rausschauen können, wo sie angekommen sind, da sich diese auf ihrer Höhe befinden. Oft „wissen“ die Ponys schon Bescheid, wenn solch ein Einsatz ansteht, und nutzen vor der Abfahrt die Gelegenheit, nochmal ausgiebig zu laufen und zu raufen, bevor sie motiviert in den Hänger steigen. Die Auszeit nach dem Einsatz Während ihres Einsatzes nehmen sich die Ponys von sich aus mal „Auszeiten“, wo sie sich ausklinken. Und in anderen Zeiten sind sie sehr kontaktfreudig dabei. Aber oft zeigen sie gegen Ende des Auftrages oft eine Art Abwesenheit. Das kommt, weil sie emotional einfach müde sind. Körperlich verlangen solche Einsätze wenig von den Ponys, bis auf die Reise und die Selbstbeherrschung. Aber sie sind die ganze Zeit über damit beschäftigt, auf die Bewohner achtzugeben, ihren Körper so zu bewegen, dass sie niemanden umstupsen oder umrempeln, dass sie mir und den Bewohnern gerecht werden und dass sie ihre aufkommenden Auseinandersetzungen etwas gesittet austragen. Dennoch genießen sie jede Aufmerksamkeit, die Streicheleinheiten und liebe Worte. Wenn wir zu Hause ankommen, reagieren die Ponys alle etwas auf ihre Art. Der eine muss bei Ankunft lieb motiviert werden aufzuwachen, während der andere nicht erwarten kann rauszukommen, um mal richtige Bocksprünge zu machen, der nächste bevorzugt es, sich fünf Mal zu Wälzen. Aber eines haben sie im Anschluss alle gemeinsam, sie stehen einfach mal rum und dösen. Da erkennt man auch, dass diese Art von Arbeit sie müde macht. Da Pferde viele Emotionen aufnehmen aus ihrem Umfeld und von Menschen, die sie umge- Abb. 10 und 11: Los geht’s mit dem eigens für die Shettys angepassten Hänger - so steht einer sicheren Fahrt nichts im Wege. Forum: Grès, Bull - Wohltuende Pony-Begegnungen im Seniorenheim mup 3|2023 | 123 ben, ist es besonders für Pferde, die mit vielen verschiedenen Menschen zu tun haben - wie meine -, sehr wichtig, dass sie diese Emotionen wieder ableiten können. Hierfür nutze ich regelmäßig eine Massage mit ätherischen Ölen, den „Emotional Touch“. Mit einer spezifischen Reihenfolge an Ölen, können Ponys wie Menschen einen emotionalen Reset erleben und Fremdenergien können ausgeleitet werden. Praktisch an der Anwendung ist, dass mit einer Anwendung an einem Pony die ganze Herde reagiert, da die hochqualitativen Öle nicht nur durch Einmassieren, sondern auch durchs Einatmen wirken. Nach solch einem Auftrag brauchen die Ponys einen Tag „Freizeit“, bevor der nächste ähnliche Termin wahrgenommen werden kann. Da können sie sich frei in ihrer Umgebung bewegen und das ruhige Herdenleben genießen. Für wen eignet sich diese Art und Weise zu arbeiten? Ich für meinen Teil habe mich schon vor 14 Jahren für Shettys entschieden und sie sind für die Art und Weise wie ich arbeite, einfach sehr praktisch und handlich: auf Augen- und Tasthöhe. Wie vorhin schon erwähnt, hat sich diese Art zu arbeiten mit der Zeit so ergeben. Diese Methode passt am besten für mich und meine Ponys, es war ein Prozess. Mit dem Ergebnis sind meine Ponys zufrieden und machen gerne mit, und ich finde dieses Setting einfach nur faszinierend. Ich kann mir diese Art von Herangehensweise auch nur mit einer gefestigten, ausgeglichenen Herde von kleineren Ponys vorstellen, die eine gute Bindung zu ihrem Menschen haben. Und wenn es Tier und Mensch Spaß macht, passt es. Man kann es anfangs nur mit einem oder zwei Ponys ausprobieren und schauen, ob es für einen passt. Vieles kann man üben, und vieles passiert im Zusammenspiel zwischen der Bezugsperson und dem Pony im Einsatz. Wenn ich nichts gewagt oder ausprobiert hätte, würden wir heute unsere Arbeit so nicht machen. Ich finde die Arbeit mit Tieren und Senioren unfassbar wertvoll und ich ermutige jeden, der sich dafür entscheidet mit Tieren in Seniorenresidenzen zu gehen. Jeder sollte seine eigene Art finden, dies zu tun. Dieser Artikel soll eine Inspiration sein, eine Möglichkeit aufzeigen, die es gibt. Denn wir sind alle nur „genial“, wenn wir das tun, was sich für uns richtig anfühlt. Jedes Team sollte seine Art und Weise zu arbeiten finden, so wie wir unsere gefunden haben. Uns gibt diese Art von Arbeit so unendlich viel zurück, schöne Momente, Emotionen, Begegnungen auf Augenhöhe … Nach einem Einsatz bin auch ich müde, aber voll mit schönen Erinnerungen, die mich tragen und mir mein „Warum? “ dieser Arbeit aufzeigen. Ich für meinen Teil bin sehr bemüht, mit meinen Ponys in „Co-Creation“ zu arbeiten, wobei wir als Team das beste geben können, wobei wir zusammen entscheiden, was für uns passt und was nicht. Die Autorinnen Anette Bull ist Diplom-Pädagogin und hat sich schon während des Studiums auf die tiergestützte Therapie und Pädagogik spezialisiert. Sie doziert in einigen Ausbildungsinstituten. Seit 2008 hat sie die Leitung des Teams „Medana“ = „Mediation Animal Nature“ (Tier- und naturgestützte Betreuung) in der „Residence pour personnes âgées“ (Pflegeheim) „an de wisen“, Bettembourg, Luxembourg. Sie arbeitet dort im Team mit Ziegen, Kaninchen, Meerschweinchen, Katzen, verschiedenen Vogelarten, Hunden und ist privat auch Pferdebesitzerin. Sandrine Grès zertifizierte Reitpädagogin (Equimotion), Gründerin von „Sandrine’s Pony Express s.à r.l.-S“, fährt mit ihrer 5-köpfigen Shettyherde in Einrichtungen, an die schönsten Orten Luxemburgs oder empfängt Familien oder Gruppen am Hof; damit Menschen den Ponys auf Augenhöhe begegnen können. Kontakt Anette Bull · www.tiere-als-begleiter.de info@tiere-als-begleiter.de Sandrine Grès · Sandrine’s Pony Express · 20, rue d‘Altrier, L-6238 Breidweiler · sandrinegres@hotmail.com