mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2023.art04d
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2023
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Forum: Handpferdereiten
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2023
Magdalena Bauer
Das Reiten mit Handpferd erfreut sich vor allem in der Islandpferdereiterei großer Beliebtheit. Über die Vorgehensweise bei der Ausbildung eines (jungen) Pferdes zum Handpferd sowie Sinn und Nutzen der Arbeit mit Handpferd lesen Sie in folgendem Artikel.
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mup 1|2023|21-28|© Ernst Reinhardt Verlag, DOI 10.2378 / mup2023.art04d | 21 Magdalena Bauer Forum Handpferdereiten Vorgehensweise, Sinn und Nutzen der Ausbildung eines Handpferdes Das Reiten mit Handpferd erfreut sich vor allem in der Islandpferdereiterei großer Beliebtheit. Über die Vorgehensweise bei der Ausbildung eines (jungen) Pferdes zum Handpferd sowie Sinn und Nutzen der Arbeit mit Handpferd lesen Sie in folgendem Artikel. Grundsätzlich geht die Autorin in diesem Beitrag von einem jüngeren Pferd aus, welches bereits erste Erfahrungen mit ReiterInnen gemacht hat. (Wobei auch ein bereits älteres Pferd, welches bisher nicht als Handpferd ausgebildet wurde, dieselben Schritte durchlaufen würde.) Grundvoraussetzungen und Ausbildung an der Hand Die vorbereitende Arbeit vom Boden Unter Bodenarbeit werden sämtliche Ausbildungsformen benannt, welche in nicht gerittener Form stattfinden. Der / die AusbilderIn befindet sich am Boden und nutzt zum einen die Stimme und den Körper, zum anderen Hilfsmittel wie Gerte oder Peitsche, Halfter, Kappzaum, Strick, Bodenarbeitsseil oder Longe, um mit dem Pferd zu kommunizieren (Feldmann 2008, 91). Sinnvoll aufgebaute Bodenarbeit bedeutet nicht nur gute und respektvolle Erziehung, sondern dient vor allem auch dem Vertrauensaufbau zwischen Mensch und Pferd. Man kann viele Arten der Bodenarbeit unterscheiden - angefangen von Freiarbeit über Longieren und Doppellongenarbeit, Zirzensik, Übungen aus dem Horsemanship bis hin zur Arbeit an der Hand. Unabhängig davon, welche Art der Bodenarbeit man vorzieht oder auswählt, um individuelle Ziele erreichen zu können, geht es immer vorrangig um die Qualität der Ausführung. Auch um neue Übungen erlernen oder festigen zu können, macht es häufig Sinn, auf die Arbeit vom Boden zurückzugreifen (Podlech 2013, 164). Das korrekte Führen - Die Position neben dem Pferd Häufig wird dem korrekten Führen (vor allem bei unkomplizierten, braven Pferden) zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Man sieht Pferde, die unaufmerksam hinter dem Ausbilder gehen (oder im schlimmsten Fall gezogen werden) oder sich immer wieder nach vorne drängen. Das konsequente Führen in einer guten Position neben dem Pferd sowie das Annehmen von treibenden und bremsenden Hilfen und das korrekte Wenden sind Grundvoraussetzungen, um ein Pferd später als Handpferd führen zu können. Wird in der Arbeit mit dem Pferd ein neuer Ausrüstungsgegenstand integriert, muss sichergegangen werden, dass das Pferd keine Angst davor hat! Sinn macht es also, das Pferd zuvor an den neuen Ausrüstungsgegenstand zu gewöhnen und es damit vertraut zu machen. Anmerkung 22 | mup 1|2023 Forum: Bauer - Handpferdereiten Bei der Position neben dem Pferd gilt es, folgende Aspekte zu beachten: Wir befinden uns auf Schulterhöhe neben dem Pferd; bewegen wir uns weiter vor, können wir unsere Position eher bremsend nutzen, sind wir hinter der Schulter, wirken wir auf das Pferd eher treibend. Wichtig ist dabei, dass man nicht unabsichtlich in ungewollte Positionen kommt und das Pferd damit irritiert, des Weiteren ist es von großer Bedeutung, das Führen des Pferdes von beiden Seiten zu üben! Anfangs fällt dies oft gar nicht so leicht, die Pferde reagieren häufig sensibel auf Veränderung der Körperposition und die Bewegung ist unrhythmisch und stockend. Wie bei allem gilt aber auch hier: „Übung macht den Meister“ (Podlech 2013, 172 f). Obwohl der Position neben dem Pferd die größere Bedeutung zukommt, macht es in der vorbereitenden Arbeit dennoch Sinn, das Pferd auch an die Position hinter dem Menschen zu gewöhnen, sollte man bei einem Handpferderitt später schmale Passagen überwinden müssen, in denen das Handpferd schlicht keinen Platz neben dem Führpferd hat. Wichtig ist, dass das spätere Handpferd auf leichten Zug am Strick lernt, wieder fließend in die Position neben den / die AusbilderIn zu wechseln und sich nicht immer weiter zurückfallen lässt. Korrekte Wendungen Ein weiterer sehr wichtiger Schritt in der vorbereitenden Arbeit ist es, dass das künftige Handpferd gelernt hat, korrekt zu wenden. Wenn sich der / die AusbilderIn nun links auf Schulterhöhe des Pferdes befindet und eine Wendung nach rechts macht, muss das Pferd kurzzeitig etwas langsamer laufen und mit genügend Abstand nach rechts wenden. Keinesfalls darf es dabei vorlaufen oder hinterhergezogen werden (Feldmann 2008, 83). Tempounterschiede Klappen das Führen in Schulterposition sowie auch die Wendungen flüssig und ohne Probleme, wird es Zeit, das Pferd in verschiedenen Tempi und Gangarten zu führen. So soll es nun lernen, sowohl innerhalb der Gangarten zwischen schnell und langsam zu variieren sowie auch zumindest vom Halt zum Schritt, vom Schritt zum Trab und wieder zurück auf feine Signale zu reagieren. Auch hier ist das Einüben von konsequenten Stimmhilfen später von großem Vorteil. Durch die Hinzunahme von Tempounterschieden kann das Pferd außerdem ganz bewusst geformt und aktiviert werden. Bereits vom Boden aus kann hier beeinflusst werden, wie aktiv das Pferd seine Hinterhand einsetzt - somit kann ein „Auf-der-Vorhand-latschen“ bewusst vermieden werden. Erste Schritte Geht das künftige Handpferd vom Boden aus vertrauensvoll in verschiedenen Tempi, Gangarten und Positionen neben seinem / seiner AusbilderIn, ist es nun an der Zeit, das Tier an seine Aufgabe als Handpferd heranzuführen. Die Ausrüstung Vorzugsweise wird mit dem Handpferd mit einem gutsitzenden Kappzaum oder Knotenhalfter sowie einem etwa zwei Meter langen Strick gearbeitet. Eine Trense kann unter Umständen bei besser ausgebildeten Handpferden genutzt werden, wobei zu hinterfragen Besonders dann, wenn das Pferd auf seine Arbeit als Handpferd vorbereitet werden soll, macht es Sinn, bereits vom Boden aus konsequent mit Stimme zu arbeiten. Ein langgezogenes „Hoooooo“ mit tiefer Stimme zum Parieren und ein aufforderndes Schnalzen oder „Komm“ (oder Ähnliches) erleichtert die Einwirkung von oben später sehr. Um dies gut nutzen zu können, ist es wichtig, sparsam mit diesen Hilfen umzugehen. Ein dauerndes Schnalzen beispielsweise bewirkt nur, dass das Pferd innerhalb kürzester Zeit nicht mehr auf aktivierende Stimmhilfen reagiert. Installieren von Stimmhilfen Forum: Bauer - Handpferdereiten mup 1|2023 | 23 ist, ob es Sinn macht, das Pferdemaul mit einer Trense zu belasten. Der / die ReiterIn sollte außerdem Handschuhe tragen, eine Gerte als Verlängerung des Arms ist empfehlenswert. Es geht los: Das Führpferd wird hinzugenommen Ein gutes und sicheres Führpferd ist Gold wert, es gilt der Grundsatz „Je unerfahrener das Handpferd, umso erfahrener das Führpferd“. Dies ist verträglich und verlässlich, lässt sich mit leichten Hilfen führen, aber erschrickt dennoch nicht vor Hilfen, die dem Handpferd zugedacht sind. Aufgrund der Vorbildwirkung, welche das Führpferd auf das Handpferd hat, ist es zudem unerlässlich, dass es unerschrocken und mutig ist. Bei der Zusammenführung von Führ- und Handpferd ist bei den ersten Malen ein Helfer vonnöten. Hierbei gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie man nun weiter vorgeht, nachfolgend wird die Möglichkeit beschrieben, mit der ich persönlich die besten Erfahrungen gemacht habe. 1. Gewöhnung des Hand- und Führpferdes aneinander: Dabei werden die Pferde nebeneinander jeweils von einem Helfer geführt. 2. Der Ausbilder steigt auf: Funktioniert das nebeneinander Führen der Tiere komplikationslos, kann der/ die AusbilderIn auf das Führpferd aufsteigen, das Handpferd wird von dem / der HelferIn weiter neben dem Führpferd geführt. 3. Der Strick des Handpferdes wird an den / die AusbilderIn übergeben: Der / die HelferIn bleibt Abb. 1: Ein gut sitzendes Knotenhalfter… Alle Fotos: Sandra Koblbauer (Dráumur Photography) Abb. 2: … oder ein passender Kappzaum sind zwei Möglichkeiten, um ein Handpferd zu führen. Bevor man mit einem Handpferd ins Gelände geht, muss IMMER geklärt werden, ob im Schadensfall auf eine Versicherung zurückgegriffen werden kann und welche Ausrüstung seitens der Versicherung vorgeschrieben ist! Achtung 24 | mup 1|2023 Forum: Bauer - Handpferdereiten aber in derselben Position neben der Schulter des Pferdes und kann gegebenenfalls beim Treiben und Bremsen helfen. 4. Der / die HelferIn zieht sich zurück: Wenn das Handpferd nun willig neben dem Führpferd geht, ist es Zeit, dass sich die zusätzliche Person zurückzieht und die Führung komplett an den / die AusbilderIn auf dem Führpferd übergeben wird. 5. Nun werden dieselben Übungen, welche auch vom Boden aus geübt wurden, vom Pferderücken aus wiederholt: Tempounterschiede, Gangartenwechsel, Wendungen, Wechseln der Position von Schulterhöhe hinter das Führpferd und wieder neben das Führpferd sowie auch das Wechseln von der linken Seite auf die rechte Seite. Wichtig: Die Schritte 1-5 werden immer zuerst in einem eingezäunten Bereich absolviert, bevor man ins Gelände geht! Wie schnell man dabei vorgehen kann, ist individuell abhängig von den verschiedenen Pferden und verlangt Einfühlungsvermögen seitens der AusbilderInnen. Im Zweifelsfall mit mehr Zeit und Ruhe arbeiten und einmal mehr in einem sicheren Bereich üben, bevor man erste Schritte im Gelände wagt. Goldene Regeln des Handpferdereitens Walter Feldmann (2008, 154), einer der Pioniere im Islandpferdesport und ein großer Verfechter des Handpferdereitens, hat einige Regeln formuliert, die von großer Wichtigkeit sind. Die aus meiner Sicht wichtigsten werden im Folgenden wiedergegeben: ■ Das Handpferd muss genauestens beobachtet werden, nur so können auftretende Schwierigkeiten rechtzeitig erkannt und entsprechend darauf reagiert werden. ■ Man richtet sich immer nach dem Leistungsvermögen und Können des Handpferdes. Wird das Handpferd langsamer, sollte auch das Führpferd durchpariert werden, um anschließend gemeinsam wieder schneller werden zu können. Ein Hinterherziehen soll unbedingt vermieden werden! ■ Hilfen werden sparsam und am Punkt gegeben. ■ Der Strick hängt durch, sofern keine Hilfen gegeben werden und das Handpferd locker und gleichmäßig mitläuft. Nur so wird ein flüssiges und freies Vorwärts gefördert. Wird der Strick zu kurz genommen, wird das Handpferd außerdem unter Umständen zu nahe an den / die ReiterIn gezogen. Abb. 3: Ein schönes Bild: Führ- und Handpferd kennen sich bereits gut und bewegen sich auch im Freilauf aufeinander abgestimmt - optimale Voraussetzungen, um später gefahrlos schöne Ritte miteinander absolvieren zu können. Forum: Bauer - Handpferdereiten mup 1|2023 | 25 ■ Der Führstrick des Handpferdes wird mit einer Hand genommen, so werden ruckartige Hilfen im Maul des Reitpferdes vermieden. Übungen mit Hand- und Führpferd Einige wichtige Übungen, die vor einem Ritt ins Gelände am Reitplatz absolviert werden sollen, werden nun im Folgenden beschrieben (Feldmann 2008, 156 ff). Anreiten und Antreiben Vorzugsweise stehen beide Pferde bei Start nebeneinander, das Handpferd mit dem Kopf etwa auf Schulterhöhe des Führpferdes oder etwas weiter vorne. Die erste Hilfe zum Antreten erfolgt durch die Stimme der ReiterInnen, sollte dies ohne Reaktion bleiben, wird das Pferd durch einen kleinen vorwärtswirkenden Impuls am Strick aufgefordert anzutreten. Reicht auch diese Hilfe nicht, kann man (bei Pferden welche diese Hilfe bereits kennengelernt haben) mit dem Führpferd dichter ans Handpferd reiten und einen kurzen Impuls mit dem Schenkel geben. Reicht auch dies nicht aus, wird die Gerte zu Hilfe genommen. Nach demselben Prinzip geht man auch vor, wenn das Pferd schneller werden oder in die nächst höhere Gangart wechseln soll. Sollte es hier zu Schwierigkeiten kommen, ist es notwendig, einen Schritt zurückzugehen und einen Helfer zu bitten, das Handpferd vorsichtig nachzutreiben, um das Verständnis für die treibenden Hilfen noch einmal zu verbessern und zu schulen. Wichtig: Reagiert ein Pferd auf die treibende Hilfe und läuft kurzzeitig etwas vor dem Handpferd, so ist es wichtig, dass das Handpferd nicht gebremst, sondern das Reitpferd schneller wird - ansonsten wird die eigentlich positive Reaktion des Losgehens mit einem Ruck im Maul bestraft. Zu beachten gilt es außerdem, dass das Reitpferd nicht angeritten oder getrieben wird, wenn das Handpferd nicht dazu bereit gemacht wurde. Ansonsten fällt man mit dem Reitpferd zu weit vor und erreicht damit eher eine bremsende Wirkung. Anhalten Auch hier ist es wichtig, dass sich das Reitpferd nach dem Handpferd richtet. Wieder erfolgt die erste Hilfe durch die Stimme, sollte das nicht ausreichen, erfolgt ein kleiner rückwärtswirkender Impuls am Strick. In dem Maße, in dem das Handpferd langsamer wird, sollte man auch das Reitpferd in seinem Tempo beeinflussen. Sollte das Handpferd nach mehrmaliger Aufforderung nicht bremsen, so kann es notwendig sein, einmalig durch einen etwas stärkeren Ruck am Strick einzuwirken. Wichtig ist dabei, dass niemals eine ziehende Hilfe gegeben wird. Dies führt maximal dazu, dass das Handpferd beginnt zu „pullen“ - also gegen den Zügel zu ziehen! Wichtig: Das Anhalten wird anfangs optimalerweise an einer Begrenzung geübt (das Handpferd ist dabei von Begrenzung und Reitpferd eingerahmt), sodass es lernt, dass es beim Anhalten mit der Hinterhand nicht ausweichen kann. Eine wichtige Übung, wenn das Anhalten klappt, ist das Stillstehen für kurze Dauer am durch- Abb. 4: Ein harmonisches Dreier-Gespann. Die Pferde laufen gerne vorwärts, der Zügel hängt locker durch, ohne das Handpferd zu stören. 26 | mup 1|2023 Forum: Bauer - Handpferdereiten hängenden Zügel. Nur so kann gewährleistet werden, dass der / die ReiterIn in der Lage ist, gegebenenfalls den Zügel nachzugreifen oder Zügel, Strick und Gerte zu sortieren. Wendungen Klappen die verschiedenen Tempi und nach Möglichkeit auch die Gangartenwechsel von Schritt zu Trab und wieder retour, so ist es an der Zeit, das Reiten von Wendungen zu üben. Dabei ist es wichtig, dass man verschieden große Wendungen und unbedingt auch in beide Richtungen wenden kann, um später garantieren zu können, dass man verschiedene Wegabzweigungen korrekt und sicher bewältigen kann. Die Schwierigkeit liegt dabei im Detail: Wir gehen nun von einem Handpferd aus, welches mit der rechten Hand geführt wird (also entsprechend dem klassischen Führen geht das Reitpferd links). Wenn nun eine Links-Wendung geritten wird, muss das Reitpferd langsamer werden, sodass das Handpferd gewissermaßen die größere Wendung um das Reitpferd herum machen kann. Dazu muss das Handpferd bereits gelernt haben, der Stimmhilfe und auch dem richtungsweisenden Führstrick willig zu folgen. Achtung: Wenn das Reitpferd zu schnell gewendet wird, kann das Handpferd nicht folgen und fällt hinter das Führpferd. Auch hier gilt: Das Tempo richtet sich nach dem Handpferd, die entsprechende Vorbereitung erfolgt durch den / die ReiterIn. Bei der Rechts-Wendung muss nun das Handpferd durch eine leichte Hilfe am Zügel langsamer gemacht werden, sodass das Reitpferd um das Handpferd herum gehen kann. Wichtig dabei ist, dass das Handpferd auf das Anlegen des Strickes an der Halsseite nach rechts wendet, ansonsten laufen Führ- und Handpferd sehr eng zusammen. Wichtig: Reagiert das Handpferd auf das Anlegen des Strickes zu wenig, kann man dem abhelfen, indem man das Handpferd noch langsamer macht und mit dem Führpferd gewissermaßen den Weg abschneidet. Führ- und Handpferd wechseln die Position Begegnet man nun bei einem Ausritt mit Handpferd einem Fußgänger oder hat eine engere Stelle zu bewältigen, so muss das Handpferd seine Position verändern und kurzzeitig hinter dem Führpferd gehen. Die Hilfe des Anhaltens kennt das Handpferd bereits durch Stimme und kurzes Annehmen des Stricks, das Reitpferd muss diesmal allerdings gleichmäßig weiterlaufen. Reagiert das Pferd zu wenig auf Stimme und Strick, kann die Gerte als begrenzende Hilfe an der Schulter / Brust des Handpferdes eingesetzt werden. Hat das Handpferd reagiert und ist mit dem Kopf hinter dem Schenkel der Reiterin bzw. des Reiters, kann man nun mit dem Führpferd nach vorne reiten. Wichtig: Entsprechend dem nun größeren Abstand muss der Strick des Handpferdes länger gelassen werden, um keinen unangenehmen Druck im Genick des Handpferdes zu verursachen. Sollte das Handpferd versuchen zu überholen, kann es durch das Heben der Hand mit dem Führstrick oder gegebenenfalls mit der Gerte begrenzt und konsequent zurückgeschickt werden. Ist die Engstelle nun überwunden, kann das Handpferd mit einem leichten Impuls am Strick und der Stimme wieder aufgefordert werden nach vorn zu treten, dabei wird das Reitpferd etwas langsamer gemacht. Wichtig: Der Positionswechsel von der seitlichen in die hintere Führposition sollte gut geübt sein, sodass ein fließender und schneller Wechsel möglich ist. Forum: Bauer - Handpferdereiten mup 1|2023 | 27 Wechseln des Handpferdes auf die andere Seite Unter Umständen kann es nötig sein, das Handpferd auf die andere Seite zu wechseln. Im Endeffekt geht man dabei vor, wie eben beim Positionswechsel des Handpferdes beschrieben, allerdings muss der Führstrick nun in die andere Hand gewechselt werden. Dies erfolgt entweder hinter dem Rücken oder über den Kopf der ReiterInnen. Von großer Wichtigkeit ist hier ein verlässliches Reitpferd, das nicht erschrickt, falls der Strick des Handpferdes die Kruppe berührt. Rückwärtsrichten Eine Übung für gut eingespielte Teams - die aber durchaus ihre Berechtigung hat - ist das Rückwärtsrichten von Reit- und Handpferd. Die Hilfen für das Reitpferd entsprechen dabei ihm bekannten Hilfen um Rückwärts zu erwirken, das Handpferd wird durch leichte Impulse am Strick (oder mit der Gerte an der Brust) ins Rückwärts mitgenommen. Auch hier gilt wieder: Das Tempo richtet sich nach dem Handpferd. Wichtig: Anfangs wird das Rückwärtsrichten wieder an einer Begrenzung geübt, sodass das Handpferd nicht ausweichen kann. Fehler beim Handpferdereiten Abschließend sei nun noch einmal explizit auf einige Fehler hingewiesen, die es beim Handpferdereiten unbedingt zu vermeiden gilt: ■ Das Tempo wird zu wenig nach dem Handpferd gerichtet. ■ Das Handpferd wird bei Änderung der Geschwindigkeit nicht konsequent genug korrigiert und läuft vor oder hinter dem Reitpferd. ■ Die Aufgaben und Ansprüche sind zu hoch - es gilt Qualität vor Quantität. Lieber ein guter Übergang und dann gleichmäßiges gutes Vorwärts, als ständig das Tempo zu wechseln, wenn Takt und Form gerade gut sind. ■ Der Reiter hält den Strick des Handpferdes zu kurz: Der Führstrick sollte, sofern keine Hilfe notwendig ist, in einem guten Bogen durchhängen, sodass das Handpferd nicht in eine ungewollte Stellung gezogen wird. Nur so kann das Handpferd seine Bewegung frei entfalten. Abb. 5: Das Handpferd läuft zu weit vorne und drängt etwas zu viel. Abb. 6: Der Zügel ist zu kurz, der Kopf des Handpferdes wird zur Seite gezogen. Abb. 7: Das Handpferd läuft zu langsam und lässt sich „ziehen“. 28 | mup 1|2023 Forum: Bauer - Handpferdereiten Fazit Die Ausbildung eines Pferdes zum Handpferd verlangt einiges an Zeit, Geduld und Routine der durchführenden AusbilderInnen. Wenn dies aber investiert wird und man ein gut ausgebildetes Handpferd „im Team“ hat, lohnt es sich zum einen aus Sicht der Pferdeausbildung, zu anderen aber auch, um das Handpferd im Kontext des therapeutischen / pädagogischen Settings nutzen zu können. Weiterführend darf ich Sie hier gerne auf den Praxistipp in diesem Heft verweisen. Literatur ■ Feldmann, W.; Rostock, A. (2008): Islandpferdereitlehre. 20. Aufl. in punkcto druck - medien gmbh, Bonn ■ Podlech, B., Podlech, H. (2013): Islandpferde reiten in Balance. Ein ganzheitlicher Ansatz. Wu- Wei, Schondorf Die Autorin Magdalena Bauer ist Dipl. Sozialpädagogin (FH), Islandpferdereitinstruktorin (Trainer B), Lehrwart für integratives Reiten, staatlich geprüfte Fachkraft für Heilpädagogische Förderung mit Pferd, Geitner Instruktorin Level 1, langjährige hauptberufliche Tätigkeit am Islandpferdehof Lichtegg in Andorf Kontakt Magdalena Bauer · Lichtegg 1 · 4770 Andorf · Österreich Abb. 8: So soll es sein: Lockerer Zügel, das Handpferd läuft neben dem Führpferd ohne zu drängen oder zu überholen. Anmerkung: Alle diese Fotos wurden während eines Schaureitens aufgenommen - hier wurden auch die Handpferde (keine Jungpferde! ) aus Sicherheitsgründen mit Trense geführt.
