mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2024.art18d
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2024
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Forum: Unterwegs in Wald und Flur
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Sabine Dell’mour
Katharina Meyer
Auszureiten ist das erklärte Ziel vieler, die Reiten lernen wollen. Ein wesentliches Motiv für das Reiten ist in der Natur zu sein, Freiheit zu verspüren und sich entspannen zu können (Poppinga & König 2001, 73 f). Auch im Kontext der Reittherapie eröffnet sich mitunter die Entscheidungsmöglichkeit zwischen Durchführung der Reittherapie im umschlossenen Raum (Reitplatz, Reithalle) oder in der freien Natur. Mit unterschiedlichen Fragestellungen und unterschiedlichen Ausgangssituationen haben sich zwei neuere Untersuchungen dieser Thematik angenommen.
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148 | mup 4|2024|148-153|© Ernst Reinhardt Verlag, DOI 10.2378 / mup2024.art18d Forum Unterwegs in Wald und Flur Reitbahn und Ausreiten - zwei Settings in der Reittherapie Sabine Dell’mour und Katharina Meyer Auszureiten ist das erklärte Ziel vieler, die Reiten lernen wollen. Ein wesentliches Motiv für das Reiten ist in der Natur zu sein, Freiheit zu verspüren und sich entspannen zu können (Poppinga & König 2001, 73 f). Auch im Kontext der Reittherapie eröffnet sich mitunter die Entscheidungsmöglichkeit zwischen Durchführung der Reittherapie im umschlossenen Raum (Reitplatz, Reithalle) oder in der freien Natur. Mit unterschiedlichen Fragestellungen und unterschiedlichen Ausgangssituationen haben sich zwei neuere Untersuchungen dieser Thematik angenommen. Zum einen betreffen sie das Erkenntnisinteresse hinsichtlich der Bedeutung des Reitens in der Natur im Rahmen einer Lebensqualitätsstudie für Kinder mit Morbus Perthes, zum anderen die Vorlieben von erwachsenen Reiterinnen - Reiten am Platz oder Reiten im Wald. Welche theoretischen Ansätze können in Bezug zum Thema aufgeworfen werden? Das Bergende im umbauten Raum und im Naturraum Ein Bauernhof oder Reithof kann als Erlebnisraum gesehen werden. Die zahlreichen Gebäude und Weiden oder auch ein Garten regen die Sinne vielfältig und ganzheitlich an. Die Weite und Größe des Pferdehofes geben ausreichend Bewegungsspielraum für die Beziehungsgestaltung mit den Tieren (Voßberg 2010, 169-170). Für einen Reitplatz muss extra Platz geschaffen werden. Für das Reiten braucht es eine gewisse Ausdehnung, eine Weite. Der Reitplatz ist ein von Menschen hergerichteter Platz unter freiem Himmel (Bollnow 2004, 41). Er bietet die Möglichkeit, die Umgebung wahrnehmen zu können. Reithallen hingegen engen den Wahrnehmungsbereich je nach Bauweise mehr oder weniger ein. Es stehen dunkle fensterlose Hallen den lichtdurchfluteten mit Blick nach draußen entgegen. Sowohl Platz als auch Halle haben sogar bei schlechter Pflege einen relativ gleichmäßigen Boden. Daher entwickelte Gäng (2010, 50-54) zur weiteren Erlebnisaktivierung einen „Erlebnispfad“. Dieser wurde in der Nähe des Stallgeländes angelegt und es konnten die Vorteile unterschiedlicher Bodenbeschaffenheiten und anderer Elemente, wie gebaute Nischen und Unterführungen aus Naturmaterial für Reiterinnen und Reiter im Beim Morbus Perthes handelt es sich um eine Durchblutungsstörung des Hüftkopfes im Wachstumsalter. Es kommt zum Absterben und Abbau des Hüftkopfes, der sich in weiterer Folge wieder aufbaut. Die Kinder haben oft erhebliche Einschränkungen der Beweglichkeit der Hüfte. Der Häufigkeitsgipfel liegt im Alter von 5-6 Jahren. Es können aber auch jüngere Kinder betroffen sein. Der Krankheitsverlauf dieser in Stadien ablaufenden Erkrankung umfasst eine Dauer von 2 bis 5 Jahren. Sie zwingt zu eklatanten Lebensstilveränderungen und ist mit Einschränkungen der Alltagsaktivitäten verbunden. Infobox 1 Forum: Dell’mour, Meyer - Unterwegs in Wald und Flur mup 4|2024 | 149 Rahmen der Reitpädagogik oder der Reittherapie genützt werden. Es ist aber auch möglich, mit dem Pferd den schützenden Hof, den Platz oder die Halle zu verlassen und schlicht und einfach in die umgebende Natur zu reiten. Das kann ein nahegelegener Wald sein, aber auch Feldwege. Die unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten beeinflussen die reittherapeutische Wirkung. Harte und weiche Untergründe, Unebenheiten, bergauf oder bergab reiten, gerade Strecken oder Kurven können zur Erleichterung oder Erschwerung reittherapeutischer Zielsetzungen genützt werden (Künzle 2000, 72). Der Naturraum kann in diesem Zusammenhang als freier Raum gesehen werden, der ein Gefühl von Geborgenheit und Getragenwerden geben kann (Bollnow 2004, 301). Die diversen Wirkaspekte von Naturkontakten sind in zahlreichen, hauptsächlich empirisch orientierten, Studien nachgewiesen (Günther 2019, 109). Die Überblicksarbeit des Forscherteams Haluza, Schönbauer, Cervinka (2014, 5445-5461) konnte die harmonisierende Wirkung der Natur aufzeigen. Verschiedene Blickwinkel, Ausblicke und Aspekte bei einem Aufenthalt in der Natur können Stressreduktion, Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung bewirken. Die Wahl des Settings - beispielweise unterwegs am Reithof, in der Reithalle oder geführtes Reiten in geplanten und gestalteten Naturräumen oder auch Reiten in der wenig oder ungestalteten Natur, auf Wald- oder Feldwegen - trägt entscheidend zur Gesundheitsförderung und Verwirklichung von Therapiezielen bei. In diesem Zusammenhang hat sich der Wald als Erholungsraum einen eigenen Rang erarbeitet. Die spezielle Bedeutung des Waldes Die frische Luft, die Geräusche des Waldes und die grüne Umgebung können dazu beitragen, Stress abzubauen und das subjektive Wohlbefinden zu steigern. Der Wald ermöglicht, sich vom Alltagsstress zu lösen und im Hier und Jetzt zu sein (Schuh & Immich, 69 ff). Ulrich konnte bereits 1984 in seiner bekannten Studie nachweisen, dass KrankenhauspatientInnen, welche beim Blick aus dem Fenster auf Bäume schauen konnten, besser gelaunt waren, weniger Schmerzmittel brauchten und früher entlassen werden konnten als Patienten, welche nur auf eine gegenüberliegende Hauswand blickten. Li (2018) stellte bei einer Studie fest, dass bereits ein eintägiger Waldbesuch dazu führt, dass die Anzahl und Aktivität natürlicher Killerzellen im Körper anstieg und die Wirkung bis zu einem Monat anhielt (Ulrich, 1984). Ein Aufenthalt im Wald hat wissenschaftlich nachweisbare Effekte auf die Gesundheitsförderung, die allgemeine Prävention und erzielt vor allem bei stressbedingten Belastungen positive Effekte. Er kann das subjektive Wohlbefinden steigern, beim Stressabbau helfen, die Stimmung anheben, hat günstige Effekte auf unser Immunsystem, mindert Risikofaktoren für Herz- und Gefäßkrankheiten, und kann Atemprobleme lindern (vgl. Schuh & Immich 2019, 69-91). Abb. 1: Wohltuender Waldausritt 150 | mup 4|2024 Forum: Dell’mour, Meyer - Unterwegs in Wald und Flur Anforderungen an den Wald Um den Wald in der Reittherapie erfolgreich nützen zu können, bestehen auch an den Wald selbst bestimmte Anforderungen. Nicht jeder Wald eignet sich für einen Ausflug. Kontraproduktiv sind etwa Totholzwälder oder ein vermüllter Wald. Schuh und Immich (2019, 53, 100 ff) schlagen für die Waldtherapie einen Mischwald mit „Wohlfühlatmosphäre“ vor. Diese wird durch die Anwesenheit verschiedener Kriterien bedingt, wie etwa einem weichen Waldboden, den Waldgeruch, waldtypische Stille, Naturgeräusche, Wasserflächen (blue space), Abwechslungsreichtum, Farbwechsel bzw. Farbspiele, Artenvielfalt, geschwungene Wege, alte und schöne Bäume als Besonderheit oder auch Lichtungen. Neben diesen allgemeinen Eigenschaften braucht es im reittherapeutischen Setting noch spezifische Kriterien, die je nach KlientIn und Auftrag unterschiedlich sind und individuell ausgewählt werden müssen. Der Wald als Erholungsraum, insbesondere ein geeigneter Wald für Therapiezwecke, wirkt ausgleichend, beruhigend, entspannend und kräftigend, sowohl mit seiner Ästhetik als auch mit seinem Schonklima. Zwei Studien - ein Interesse! Sowohl in der Beobachtung von Dell’mour als auch in der von Meyer war die Frage nach der Bedeutung der Natur für Menschen, die mit dem Pferd unterwegs sind, von Interesse. Welche Rolle spielte der Aufenthalt in der Natur oder speziell der im Wald mit dem Pferd im Gegensatz zum Angebot in der Reithalle oder am Reitplatz? Die Annahme ist, dass der Wald, die Natur, mit all den unterschiedlichen Gestaltungen, eine natürliche und beruhigende Umgebung bieten, die sich positiv auf die Menschen in der Reittherapie auswirken kann. In beiden Studien wurde die methodische Herangehensweise des heilsamen, intuitiven Pferdesettings (HIPS) angewandt. Erholung im Wald oder am Reitplatz? Meyer untersuchte, ob es einen Unterschied zwischen den beiden Settings Reitplatz und Wald hinsichtlich des subjektiven Wohlbefindens gibt. Wie wirkt sich das Setting Reitplatz bzw. Wald jeweils auf das subjektive Wohlbefinden aus? Für welches Setting entscheiden sich ProbandInnen, wenn sie die freie Wahl haben? Diese Fragen wurden für den Settingvergleich herangezogen. Die empirische Studie wurde mit insgesamt fünf Probandinnen im Alter von 37 bis 49 Jahren durchgeführt. Jede Teilnehmerin kam zu insgesamt drei Reiteinheiten. Diese drei Einheiten wurden bei jeder Probandin gleich durchgeführt: Der erste Termin fand am Reitplatz statt, der zweite im Wald und bei der dritten Einheit wählte jede Probandin selbst, ob sie diese am Reitplatz oder im Wald verbringen wollte. Mithilfe eines Fragebogens wurden demografische Daten sowie Daten zur Reitbzw. Pferdeerfahrung, Naturverbundenheit, Sportlichkeit und Freizeitgestaltung erhoben. Anhand einer fünfstufigen Skala, mittels Smileys dargestellt, schätzten die Probandinnen vor und nach jeder Einheit ihr eigenes aktuelles, subjektives Wohlbefinden ein. Nach jeder Reiteinheit wurden die Probandinnen zum Interview gebeten, welches qualitativ ausgewertet wurde. Während der Reiteinheiten selbst wurden mehrere Achtsamkeitsübungen angeleitet. Laut WHO steht bei der Lebensqualität das individuelle Empfinden eines Menschen im Mittelpunkt. Die Bezüge liegen in den körperlichen Zuständen, den psychischen Befindlichkeiten, der persönlich wahrgenommenen Unabhängigkeit innerhalb sozialer Beziehungen und wirkenden Umwelteinflüssen. Bei der gesundheitsbezogenen Lebensqualität steht nicht mehr nur der quantitative Erfolg von Behandlung im Fokus, sondern auch das qualitative Empfinden einer betroffenen Person bezüglich ihrer gesundheitlichen Situation. Infobox 2 Forum: Dell’mour, Meyer - Unterwegs in Wald und Flur mup 4|2024 | 151 Übung 1: „Blitzlicht“ In dieser Übung spüren die Probandinnen in sich hinein und finden ein einziges Wort für ihren aktuellen Gefühlszustand. Dieses Wort kann auch ein Wetterbericht, eine Farbe oder eine Metapher sein. Da es sich bei dieser Übung um eine Achtsamkeitsübung handelt, ist dabei wichtig, dass die Einschätzung aus dem Hier und Jetzt kommt und nicht eine Bewertung dessen ist, was in den vergangenen Tagen war. Diese Übung wurde am Anfang und am Ende des Reitens durchgeführt. Sie hilft den Probandinnen anzukommen und liefert der Reittherapeutin einen ersten und einen abschließenden Einblick in die aktuelle Gefühlslage der Probandin (Huppertz / Schatanek 2015, 75). Übung 2: „Verbindung“ Die Übung besteht aus den drei Teilbereichen „Verbindung mit sich selbst“, „Verbindung mit dem Pferd“ und „Verbindung mit dem Licht“ (Simon 2021, 27). Übung 3: „3 Fokusse“ Bei dieser Achtsamkeitsübung wurden in diesem Methodensetting die drei Sinne Sehen, Hören, Riechen ausgewählt. Selbstverständlich können auch andere Fokusse miteinander kombiniert werden. Die Auswahl für diese drei Fokusse wurde getroffen, da alle drei vom Pferd aus gut durchgeführt werden können. Es wurde ein Fokus nach dem anderen angesprochen. Die Probandinnen wurden eingeladen, zuerst auf das Sehen zu achten, nach etwa drei Minuten kam das Hören hinzu und nach weiteren drei Minuten das Riechen. Im Wechsel achteten die Teilnehmerinnen auf diese drei verschiedenen Fokusse (Huppertz & Schatanek 2015, 100). Mit Morbus Perthes unterwegs mit Pferd Insgesamt konnten für die empirische Studie von Dell’mour fünf an Morbus Perthes erkrankte Kinder herangezogen werden. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität dieser Kinder stand im Fokus - welche Bedeutung der Einsatz des Pferdes auf körperliche, seelische und soziale Bereiche hatte. Die Wirkung des Pferdes in Bezug zu den klinischen Symptomen stand dabei im Vordergrund. Eine Forschungsfrage jedoch widmete sich der Bedeutung des Aufenthaltes in der Natur mit dem Pferd für die Kinder im Gegensatz zum Angebot in der Reithalle. Zur Beantwortung aller Forschungsfragen wurde eine Methodentriangulation durchgeführt, die aus der Auswertung der Interviewteile (dem der Kinder, von deren Müttern und von vier ExpertInnen) und der Berichtteile (medizinische Befunde, Beobachtungssequenzen, Dokumentationen nach den Einheiten und Aufzeichnungen über die Anzahl der Physiotherapien, der Reittherapien und der Krankenhausaufenthalte) nach der dokumentarischen Methode nach Bohnsack bestand. Auf was jedoch muss bei dieser Erkrankung geachtet werden, wenn Reittherapie als Maßnahme eingesetzt wird? Mit Morbus Perthes in der Halle und am Platz Die Wahl des Settings stellt für die Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität von Kindern mit Morbus Perthes einen Abb. 2: Anderes Setting - der Reitplatz 152 | mup 4|2024 Forum: Dell’mour, Meyer - Unterwegs in Wald und Flur wesentlichen Teil der reittherapeutischen Entscheidungen dar. Die körperlichen Grenzen sind eng gesteckt. Die Kinder haben Hüft- und Kniegelenksschmerzen. Maximalbelastungen müssen vermieden werden und die Kinder sollen möglichst nicht hüpfen und springen. Gelenkschonende Sportarten wie Schwimmen und Radfahren sind jedoch erlaubt und Reiten wird oft empfohlen. Das oberste Prinzip und Ziel aller Therapiemaßnahmen ist der Erhalt der Beweglichkeit des Hüftgelenkes, verbunden mit einer Belastungsreduktion und dem Erhalt der Gelenkkongruenz (Adolf/ Manig / Meurer 2014, 13). Das Setting muss für das Kind so gewählt werden, dass es Vertrauen aufbauen kann. Die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten des Pferdes müssen auf die jeweilige Situation des Kindes angepasst werden. Phasen des Schritt-Reitens, des Stehens, Sitzvarianten, Pausen, Varianten innerhalb der Gangarten und Wechsel der Gangarten müssen daher situativ erfasst und umgesetzt werden. Dabei sind die beweglichkeitserhaltenden Effekte auf die Hüfte und die emotionale Befindlichkeit des Kindes im Blick zu behalten (Dell’mour / Payrhuber 2024, 84). Die Entscheidung, ob am Platz, in einer Halle geritten wird oder auch ein geführter Ritt in die umgebende Natur unternommen werden kann, beeinflusst das Ergebnis. Die Halle und der Reitplatz bieten in diesem Zusammenhang eine größere Sicherheit, die vertrauensbildend ist. Die Wegstrecken sind eben und ermöglichen gleichmäßige Tritte seitens des Pferdes. Das Pferd ist gebändigt und Naturangebote können mit Blick nach draußen gemacht und in einen reittherapeutischen Bezug gebracht werden. Der geführte Ausritt bei Morbus Perthes Gerade beim Reiten kann im Unterschied zu anderen Therapiemaßnahmen für Abwechslung gesorgt werden. Es ist wichtig, die Compliance der Kinder auszubauen und die Kinder zu motivieren. Erlebnisse der Selbstwirksamkeit und Selbststeuerung dienen dazu. Geführte Ritte von der Halle weg unterstützen die Abenteuerlust und wecken mitunter den Forscherdrang der Kinder. Die Natur kann im Wechsel der Jahreszeiten beobachtet und gemeinsam mit dem Pferd zum Erlebnis werden. Es können Spuren von Waldfeen, Zwergen und Gnomen gesucht und daraus spannende Geschichten entwickelt werden, die in jedem Falle das Kind von seiner Krankheit ablenken können. Tierspuren dienen zur sachkundigen Zuordnung, aber auch zum Weiterdichten der Geschichten und Märchen. Die unterschiedliche Topografie wird zur Unterstützung des Beweglichkeitserhaltes des Hüftgelenkes genützt. Besonders das Reiten bergab hat sich für Morbus Perthes ab einem bestimmten positiven Verlauf der Erkrankung als förderlich erwiesen. Das Wesentlichste jedoch ist die Erfahrung, etwas „Sportliches“ so gut zu können, dass sogar ein Ausritt „drin ist“. Eine Erfahrung, die speziell für Kinder mit dieser Krankheit selten ist. Zusammenfassung der Ergebnisse Die Studie konnte aufzeigen, dass bei drei von fünf Kindern speziell das Ausreiten wesentlich zum Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit beitragen konnte. Das Reiten an sich, egal ob drinnen oder draußen, wurde von allen als Gesamterlebnis wahrgenommen. Der Reithof wurde als Naturraum und Erlebnisraum wahrgenommen. Die Reithalle, die für die Studie genutzt werden konnte, bot einen umfassenden Blick nach draußen und die kurzen Ritte rund um den Hof wurden als ein großer Erlebniswert angesehen. Alle Probandinnen der Studie von Meyer wählten für die dritte Einheit den Wald als Setting und berichteten einstimmig von der viel intensiveren Wahrnehmung des Bewegtwerdens durch das Pferd im Wald, aufgrund der unterschiedlichen Bodenbeschaffenheit und dem Bergauf und Bergab. Jede Teilnehmerin gab an, im Wald schneller Entspannung gefunden zu haben. Um die Umwelt im Wald durch die Teilnehmerinnen wahrzunehmen, brauchte es keine Aufforderung von außen, wohingegen die Wahrnehmung der Umwelt am Reitplatz erst durch die Wahrnehmungsübungen selbst geschah. Über alle drei Einheiten hinweg, sowohl am Reitplatz als auch im Wald, Fast 80 % der österreichischen Waldflächen sind im Privatbesitz. Deshalb ist das Reiten nur auf ausgewiesenen Reitwegen oder mit ausdrücklicher Erlaubnis der GrundbesitzerInnen erlaubt. Infobox 3 Forum: Dell’mour, Meyer - Unterwegs in Wald und Flur mup 4|2024 | 153 waren das „Nichts-tun-Müssen“ und das Kontaktbzw. Beziehungsangebot zum Pferd die beiden herausragenden Gemeinsamkeiten. Das subjektive Wohlbefinden stieg am Reitplatz bei 4 von 5 Probandinnen an (bei einer Probandin unverändert) und beim Setting Wald stieg das subjektive Wohlbefinden bei 5 von 5 Probandinnen. Unterwegs im Wald zu sein, in der Natur, getragen von einem Pferd, geführt von der vertrauten Reittherapeutin, ist offensichtlich unabhängig vom Alter ein tiefgreifendes Erlebnis. Literatur ■ Adolf, S., Manig, M., Meurer, A. (2014): Aktueller Stand der Therapie des Morbus Perthes. OUP 2014; 1: 010-016. doi: 10.3238/ oup.2014.0010-0016 ■ Bollnow, O. F. (2004): Mensch und Raum. Kohlhammer, Stuttgart ■ Dell’mour, S., Payrhuber, A. (2024): Reittherapeutische Interventionen des heilsamen, intuitiven Pferdesettings zur Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität von Kindern mit Morbus Perthes. In: L. Kirner, B. Stürmer, E. Hainfellner (Hrsg.), Zeitschrift für agrar- und umweltpädagogische Forschung, VI, 73-87 ■ Günther, R. (2019): Die Bedeutung der Natur für die psychische Gesundheit und Wohlbefinden. In: H. G. Petzold, B. Ellerbrock, R. Hömberg (Hrsg.), Die Neuen Naturtherapien. Handbuch der Garten-, Landschafts-, Wald- und Tiergestützten Therapie. Aisthesis, Bielefeld, 101-128 http: / / dx.doi. org/ 10.5771/ 9783849813437-101 ■ Huppertz, M., Schatanek, V. (2015): Achtsamkeit in der Natur, 101 naturbezogene Achtsamkeitsübungen und theroretische Grundlagen. Junfermann Verlag, Paderborn ■ Künzle, U. (2000): Hippotherapie auf den Grundlagen der Funktionellen Bewegungslehre Klein-Vogelbach. Hippotherapie-K®. Theorie, praktische Anwendung, Wirksamkeitsnachweis. Springer, Berlin / Heidelberg http: / / dx.doi. org/ 10.1007/ 978-3-642-57053-7_16 ■ Li, D. Q. (2018): Forest Bathing. How trees can help you find health and happiness. Viking, New York http: / / dx.doi.org/ 10.1007/ s10460-018-09900-3 ■ Poppinga, O., König, K. (2001): Pferdesport und Öffentlichkeit: soziale und wirtschaftliche Bedeutung von Pferdehaltung und Pferdesport. In: Landessportbund Hessen, (Hrsg.), Zukunftsorientierte Sportstättenentwicklung (Bd. 13). Meyer & Meyer, Aachen http: / / dx.doi. org/ 10.3726/ 978-3-653-06040-9/ 4 ■ Schuh, A., & Immich, G. (2019). Waldtherapie. Das Potenzial des Waldes für ihre Gesundheit. München: Springer. http: / / dx.doi. org/ 10.1007/ 978-3-662-59026-3 ■ Simon, C. (2021): Reittherapie als Beziehungsarbeit mit dem Pferd und die Abgrenzung zum psychotherapeutischen Reiten. Mit einer Übung zur Selbsterfahrung: geführtes Reiten mit Achtsamkeitsübungen. Mensch & Pferd international, 22-29 http: / / dx.doi.org/ 10.2378/ mup2021.art04d ■ Voßberg, J. (2010): Anbahnung und Gestaltung positiver Beziehungen zu Kleinpferden. In: M. Gäng (Hrsg.), Heilpädagogisches Reiten und Voltigieren. Ernst Reinhard, München, 169-197 Die Autorinnen Sabine Dell’mour MSc, betreibt in der Steiermark (Österreich) eine reittherapeutische Praxis. Sie entwickelt Methoden für Reitpädagogik und Reittherapie und lehrt an der Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Wien und anderen Bildungseinrichtungen im In- und Ausland. Katharina Meyer Mag. rer. nat. Psychologie, Wald- und Naturtherapeutin, Reitpädagogin und akademische Fachkraft für HIPS-Reittherapie. Kontakt office@reitpaedagogik.at Weiterführende Internetquellen: www.reitpaedagogik.at · www.reitpaedagogikdellmour.de www.haup.ac.at/ hochschullehrgang-hips-reittherapieheilsames-intuitives-pferdesetting/ Kontakt: n.ninameyer@gmail.com · www.hirterhof.at
