eJournals mensch & pferd international 17/2

mensch & pferd international
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1867-6456
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/mup2025.art13d
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Praxistipp: Die 10 Gebote des Clickertrainings mit Pferden

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Iris Starnberger
Das Erarbeiten und Formen von Verhalten über positive Verstärkung mit einem Markersignal vulgo „Clickertraining“ - ist eine Methode, die in der Pferdewelt nicht nur immer bekannter wird, sondern die auch immer mehr begeisterte AnwenderInnen findet. Kein Wunder, denn Clickertraining ist nicht nur verblüffend effektiv, sondern macht auch einfach Spaß.
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88 | mup 2|2025|88-91|© Ernst Reinhardt Verlag, DOI 10.2378 / mup2025.art13d Dr. Iris Starnberger Praxistipp Die 10 Gebote des Clickertrainings mit Pferden Das Erarbeiten und Formen von Verhalten über positive Verstärkung mit einem Markersignal vulgo „Clickertraining“ - ist eine Methode, die in der Pferdewelt nicht nur immer bekannter wird, sondern die auch immer mehr begeisterte AnwenderInnen findet. Kein Wunder, denn Clickertraining ist nicht nur verblüffend effektiv, sondern macht auch einfach Spaß. Für manche ist die positive Verstärkung das Hauptwerkzeug in der Pferdeausbildung, andere möchten sie gezielt in bestimmten Teilbereichen einsetzen, um dem Pferd einen wirklichen Anreiz zu geben, sich mit ungeliebten Themen auseinanderzusetzen (z. B. beim Medical Training). Völlig klar ist, dass der Einsatz von Clicker und Belohnungsfutter allein noch kein Erfolgsgarant ist, denn bei der Umsetzung kann auch einiges schiefgehen. Wenn es beim Clickertraining chaotisch wird, hat man im besten Fall eine lustige gemeinsame Zeit gehabt und dem Pferd Belohnungsfutter gegönnt, ohne dass man einen Lernerfolg beobachtet hätte. Leider ist es auch möglich, dass binnen weniger Minuten die Nerven auf beiden Seiten blank liegen und die Mensch-Pferd- Beziehung auf die Probe gestellt wird. Am Ende sind dann beide frustriert und der Mensch schwört dem Clickertraining oder vielleicht sogar dem Einsatz von Futterlob ab - verständlich, aber schade! Mit den folgenden zehn Punkten möchte ich zeigen, was alles zum Gelingen einer Clickertrainingseinheit beitragen kann. Denn langfristig werden Pferd und Mensch wohl nur dann von den Vorteilen dieser Trainingsmethode profitieren können, wenn das Training die gewünschten Ergebnisse bringt und beide sich wohlfühlen. Die zehn Punkte erheben natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber behandeln eventuell Themen, die sonst oftmals unerwähnt bleiben. 1) Atmen, Lächeln, Füße spüren Wenn wir aus unserem hektischen Alltag direkt in die Interaktion mit einem Pferd wechseln, bekommen wir oft recht schnell zu spüren, dass das keine gute Idee ist. Wir sind abgelenkt, nicht auf unseren Partner Pferd fokussiert und vielleicht auch körperlich recht angespannt. Kurz gesagt - wir sind wohl nicht die beste Version unserer selbst und dürfen uns in diesem Zustand auch keine besonders harmonische Trainingseinheit erwarten. Mit einer kurzen Achtsamkeitsübung können wir uns selbst wieder zu mehr Bodenhaftung verhelfen und unserem Pferd auf Augenhöhe im Hier und Jetzt begegnen. 2) Grundbedürfnisse bestmöglich erfüllen Wer hungrig ist, kann nicht gut lernen - besonders, wenn es für gute Mitarbeit Futter zu verdienen gibt. Meinen KundInnen sage ich zur Veranschaulichung ganz gerne: „Dein Pferd soll sich beim Clickertraining nicht so fühlen, als würde es bei ‚Wer wird Millionär’ im Studio sitzen und um hohe Geldsummen spielen. Viel besser wäre es, das Pferd sitzt im Wohnzimmer auf der Couch und rät bei den Quizfragen entspannt Praxistipp: Starnberger - Die 10 Gebote des Clickertrainings mit Pferden mup 2|2025 | 89 mit - es geht um nichts als um die freudige Genugtuung, wenn man eine Antwort weiß.“ Diesen lockeren Gemütszustand ohne Angst, die Frage falsch zu beantworten, erreichen wir unter anderem durch die Auswahl des richtigen Belohnungsfutters - das Ertönen des Clickers sollte in etwa bedeuten „Gratuliere, du hast 5 € gewonnen“ und nicht „Das war richtig, dafür gibt es 50.000 €! “ Grundlegend wichtig ist aber natürlich auch, dass die Bedürfnisse unserer Pferde erfüllt sind. Ein Pferd, das hungrig, durstig, besorgt, unausgeschlafen oder von Schmerzen geplagt ins Training kommt, kann wohl kaum mit Freude lernen. Es liegt in unserer Verantwortung dafür zu sorgen, dass es unserem Pferd gut geht, bevor wir uns über Feinheiten der Trainingstechnik den Kopf zerbrechen. 3) Erst denken, dann trainieren Jetzt wo Mensch und Pferd gut aufgestellt sind, um sich mit Freude dem gemeinsamen Training zu widmen, können wir direkt loslegen, richtig? Darauf antworte ich mit einem klaren „Jein! “. Im Grunde ist Clickertraining ein Handwerk und unsere Fertigkeiten werden sich nur durch tatsächliches Training verbessern. Allerdings kann auch etwas Vorbereitung uns zu viel besseren Trainer: innen machen. Durchdachte Trainingsplanung nimmt uns im Training Entscheidungen ab und hilft uns, in den Flow zu kommen. Dadurch sind wir oft viel angenehmere und klarere Trainingspartner für unsere Pferde. Es gibt viele Methoden der Trainingsplanung und gute Planung muss nicht bedeuten, vor jeder Einheit eine Stunde lang alle Gedanken zu Papier zu bringen. Wichtig ist, eine Version der Planung zu finden, die einem tatsächlich hilft, weil man bereit ist, sie regelmäßig anzuwenden. 4) Einen Plan haben, aber flexibel bleiben Wir haben uns vorbildlich überlegt, wie wir unsere Clickertrainingseinheit gestalten möchten und wie die einzelnen Trainingsschritte auf dem Weg zum Zielverhalten aussehen sollen. Wunderbar! Allerdings hat scheinbar unser Pferd diesen Plan nicht gelesen und schlägt einen anderen Weg vor um zum Trainingsziel zu gelangen. Was nun? Fakt ist, dass wir nur den Lerner trainieren können, den wir tatsächlich vor uns haben und nicht den, den wir erwartet haben. Auch Umweltablenkungen sind dynamisch und mischen oft unerwartet in unseren Trainingseinheiten mit. Wir müssen also flexibel bleiben und dann auch schnell unseren guten, aber nicht mehr aktuellen Plan anpassen oder sogar über Bord werfen. Das muss kein Nachteil sein. Manchmal planen wir auch zu kleinschrittig und dürfen uns darüber freuen, dass wir Zwischenschritte überspringen dürfen, weil uns unser Pferd deutlich zeigt, dass sie nicht notwendig sind. 5) Alles beginnt mit Entspannung Viele Pferde fiebern einer Clickertrainingseinheit richtig entgegen. Bei jedem Click wird schließlich Dopamin ausgeschüttet und das Pferd ist daher im Training freudig und motiviert bei der Sache. Diese erhöhte Motivationslage ist einerseits natürlich einer der Hauptgründe dafür, dass Pferdemenschen sich mit dieser Methode auseinandersetzen. Doch die Kehrseite der Medaille kann eine zu große Vorfreude und Aufregung sein, die sich wiederum nachteilig auf die Konzentrationsfähigkeit und auf die Harmonie in der Trainingseinheit auswirkt. Es passieren Fehler und die Erfolgserlebnisse und das positive Feedback werden in einer Trainingseinheit seltener, was zu Frust auf beiden Seiten führt. In so einer oft auch hektischen Situation ist klar, dass es gut wäre, das Training zu pausieren und zu überlegen, welche Änderungen helfen könnten. Der Beginn der Pause gestaltet sich allerdings oft schon sehr schwierig, da das Pferd gar nicht aufhören möchte. Nach der gut gemeinten Pause ist das Pferd vielleicht sogar noch gestresster, da es in ständiger Erwartungshaltung gar nicht zur Ruhe gefunden hat. Lernen ist kaum mehr möglich und die Gefühle drohen endgültig zu kippen. Idealerweise sollten wir unsere Pferde 90 | mup 2|2025 Praxistipp: Starnberger - Die 10 Gebote des Clickertrainings mit Pferden beim Clickertraining dahingehend unterstützen, dass sie vor und während dem Training freudig entspannt sein können und auch gerne eine Trainingspause machen. Dazu braucht es bedürfnisorientierte Lösungen und einen guten Plan. 6) Hilfsmittel machen das erwünschte Verhalten wahrscheinlicher Uns Menschen ist klar, weshalb wir ein bestimmtes Verhalten trainieren und wie das Zielverhalten aussehen sollte. Wenn wir zum Beispiel am Anbindebalken eine weiche Auflage montieren und unserem Pferd beibringen möchten darauf seinen Kopf abzulegen und sich die Augen untersuchen zu lassen, ist uns völlig klar, dass sich unsere Clicks im Training auf die Bewegungen des Kopfes beziehen, auch wenn das Pferd zeitgleich andere Körperteile bewegt. Wie unklar unsere für uns selbst so logischen Trainingsschritte und Clicks sein können, wird besonders bei Trainerspielen deutlich, wo man einen anderen Menschen clickert, ohne miteinander zu sprechen. Das Feedback des menschlichen „Pferdes“ nach solchen Übungseinheiten ist oftmals, dass große Unsicherheit über das tatsächlich gewünschte Verhalten herrscht, obwohl die Versuche des Lerners für den Trainer so gewirkt hatten, als wäre die Aufgabe verstanden worden. Eine unterstützende Gestaltung des Trainingsortes macht einen riesengroßen Unterschied dabei, welches Verhalten vom Lerner ausprobiert wird. So könnten im Beispiel mit dem Anbindebalken etwa seitliche Begrenzungen dabei helfen, dass das Pferd gerade auf die Kopfablage zugeht. Ein Objekt als Abstandshalter vor dem Anbindebalken könnte zusätzlich dabei unterstützen, den notwendigen Abstand zu halten, um den Kopf und nicht den Hals abzulegen. Durch eine kluge Gestaltung des Trainingsortes können wir im Training oft Abkürzungen nehmen und Frust aufseiten des Pferdes vermeiden. 7) Trainingswaage beachten Die Trainingswaage veranschaulicht den Umstand, dass wenn wir ein Verhalten in einer bestimmten Situation verstärken, automatisch andere Verhalten in dieser Situation unwahrscheinlicher werden. Mit jedem Clickgeräusch und der darauffolgenden Futtergabe legen wir eine Murmel in die Waagschale jenes Verhaltens, das wir gerade verstärkt haben. Wenn wir zum Beispiel in der Reithalle, wenn ein Podest vorbereitet ist, jede Annäherung an das Podest und schließlich auch das Stehen auf dem Podest oft verstärkt haben, ist die Waagschale des Verhaltens „mit beiden Vorderbeinen auf dem Podest stehen“ gut gefüllt. Dieses Verhalten ist also sehr wahrscheinlich geworden. Im Gegenzug wurde vielleicht kein einziger Verstärker in die Waagschale der Verhaltensweisen „vor dem Podest stehenbleiben“ oder „am lockeren Strick neben dem Podest vorbeigehen“ gelegt. Die Waage ist stark aus dem Gleichgewicht. Was wir vielleicht anfänglich toll finden, wird schnell zum Grund für Ärger. Das Pferd, das ursprünglich Angst vor dem Podest hatte, will nun nicht mehr heruntersteigen oder rast ohne Rücksicht auf Verluste zum Podest, obwohl wir jetzt eigentlich Seitengänge am Hufschlag üben wollten. Wenn wir diese „Verhaltens-Einbahnstraße“ vermeiden möchten, sollten wir uns immer wieder an die Trainingswaage erinnern und bewusst auch „unspektakuläres Verhalten“ verstärken, sodass uns auch das Abwarten gerne vom Pferd angeboten wird. 8) Auf Signalkontrolle achten, aber überlegen, was wichtig ist Signalkontrolle wird beim Clickertraining oftmals großgeschrieben. Wir möchten meist, dass ein trainiertes Verhalten auf Signal verlässlich und prompt gezeigt wird, aber nicht gezeigt wird, wenn der Mensch kein Signal gegeben hat. Das ist gerade bei potenziell gefährlichen Verhaltensweisen wie etwa dem Spanischen Gruß sehr wichtig. Wenn ein Pferd diesen etwa unaufgefordert am Putzplatz anbietet, kann ein menschliches Knie oder Nasenbein sehr in Mitleidenschaft gezogen werden. Hier wäre aus meiner Sicht eine gute Signalkontrolle also sehr sinnvoll. Praxistipp: Starnberger - Die 10 Gebote des Clickertrainings mit Pferden mup 2|2025 | 91 Das Pferd zeigt den Spanischen Gruß in dieser Situation aber eben deswegen, weil es gelernt hat, dass dieser oft mit Futter belohnt wird - ruhiges Stehen lohnt sich vielleicht eher selten und wird dadurch also weniger wahrscheinlich gezeigt. Gerade das ruhige Stehen ist bei mir eine der Verhaltensweisen, die sich für mein Pferd im Zweifelsfall immer lohnen sollten. Hier ist mir Signalkontrolle nicht so wichtig. Mein Pferd kennt zwar ein Signal für das Stehenbleiben, aber ich honoriere durchaus auch ein Stehenbleiben, wenn ich nicht danach gefragt habe - denn in vielen Situationen ist mir diese Idee meines Pferdes viel lieber als ein dynamischeres Verhalten wie etwa Weglaufen oder Spanischer Gruß. 9) Pferdeverhalten immer im Blick haben Wenn wir mit Clickertraining arbeiten, dreht sich oft alles um das gewünschte Verhalten oder um die Zwischenschritte auf dem Weg dorthin. Wir denken darüber nach, wofür konkret wir clicken möchten und wie wir unser Pferd bestmöglich unterstützen können. Allerdings sollten wir auch im weichen Blick behalten, was unser Pferd direkt nach dem Click tut, während unsere Hand in die Futtertasche greift. Und was tut das Pferd, während wir ihm das Futter reichen? Und was tut es, kurz bevor wir das nächste Signal geben? Unsere Pferde lernen natürlich nicht nur im Moment des Clicks, sondern der Lerndialog geht durch alle Phasen des Trainings. Oftmals verstärken wir unabsichtlich unerwünschtes Verhalten nach dem Click, da wir automatisch das Futter überreichen. Ein weicher Blick auf die Gesamtsituation und eventuell auch Videoaufnahmen helfen dabei, alle Abläufe im Training stetig zu verbessern und unerwünschtes Verhalten nachhaltig aufzuarbeiten. 10) Balance zwischen Routine und Abwechslung Was einem Pferd die notwendige Vorhersagbarkeit und damit Sicherheit vermittelt, ist für das andere Pferd der absolute Motivationskiller. Ob in einer Trainingseinheit Wiederholung und Routine oder doch die Abwechslung im Vordergrund stehen sollte, ist natürlich sowohl vom Charakter des Pferdes als auch von seiner Tagesverfassung abhängig. Abwechslung ist gerade beim Medical Training auch ein wichtiger Punkt. Hier empfiehlt es sich, bereits recht früh im Training bewusst kleine Unterschiede im Setting oder in den Bewegungen und Berührungen des Menschen einzubauen. Dadurch wird das trainierte Verhalten viel robuster gegenüber ungeplanten Veränderungen, die leider im Ernstfall und auch beim geplanten Tierarzttermin fast unvermeidbar sind. Wenn unsere Pferde hier das Unerwartete erwarten und gelernt haben, dass Veränderungen normal und nicht besorgniserregend sind, ist das ein riesengroßer Vorteil. Wichtig für den Erfolg ist natürlich, dass das Training in der Komfortzone des Pferdes stattfindet und die Abwechslung sich in einen gut geübten Routineablauf einfügt. Die Autorin Dr. Iris Starnberger Zoologin & Tiertrainerin, lebt in Wien und hilft Kundinnen und Kunden dabei, ihre Tiere gewaltfrei und in einem freundschaftlichen Dialog auszubilden. Sie ist Dozentin in mehreren Lehrgängen zu Themen wie Grundlagen des Tiertrainings, Trainingsplanung, Pferdeverhalten und Medical Training. Außerdem ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Tiergarten Schönbrunn, in den Bereichen Forschung, Artenschutz und Tiertraining. Kontakt iris@zuckerbrot.click