eJournals Psychologie in Erziehung und Unterricht 52/2

Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2005
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Strategien der Tiefenverarbeitung und Selbstregulation als Prädiktoren von Studienzufriedenheit und Klausurleistung

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2005
Nadine Spörer
Joachim C. Brunstein
In Rahmenmodellen zum selbstgesteuerten Lernen werden kognitive und motivationale Komponenten als Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen beschrieben (Boekaerts, 1996). Es wurde vermutet, dass sowohl die Nutzung von Lernstrategien (kognitive Komponente) als auch Zielorientierungen und Selbstwirksamkeit (motivationale Komponenten) Studienerfolgsmaße vorhersagen. Als Indikatoren des Studienerfolgs wurden die Studienzufriedenheit und die Leistung in einer Klausur erhoben. Es wurden N= 77 Studierende der Medizin per Fragebogen untersucht. In Regressionsanalysen erwiesen sich erstens die Nutzung von Lernstrategien und auch motivationale Komponenten des selbstgesteuerten Lernens als bedeutsame Prädiktoren der Studienzufriedenheit. Je selbstwirksamer sich Studierende erlebten und je besser sie ihre Lernaktivitäten regulieren konnten, desto zufriedener waren sie. Zweitens wurde die Klausurleistung vor allem durch eine kombinierte Nutzung der Lernstrategien Tiefenverarbeitung und Regulation beeinflusst. Studierende, die sich intensiv mit dem Lernstoff auseinander setzten und gleichzeitig gute Regulationskompetenzen besaßen, erzielten die besten Leistungen. Dagegen standen Zielorientierungen und Selbstwirksamkeit in keinem bedeutsamen Zusammenhang zur Leistung.
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Lernformen werden als selbstgesteuert bezeichnet, wenn „der Handelnde die wesentlichen Entscheidungen, ob, was, wann, wie und woraufhin er lernt, gravierend und folgenreich beeinflussen kann“ (Weinert, 1982, S. 102). Auch Schiefele und Pekrun (1996) heben die Selbstständigkeit des Lernens hervor: „Selbstreguliertes Lernen ist eine Form des Lernens, bei der die Person in Abhängigkeit von der Art ihrer Lernmotivation selbstbestimmt eine oder mehrere Selbststeuerungsmaßnahmen (kognitiver, metakognitiver, volitionaler oder verhaltensmäßiger Art) ergreift und den Fortgang des Lernens selbst über- Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2005, 52, 127 - 137 © Ernst Reinhardt Verlag München Basel The Influence of Deep-Processing Learning and Self Regulation on Academic Satisfaction and Exam Performance Summary: In a theoretical model of self-regulated learning, cognitive and motivational components are important for academic success (Boekaerts, 1996). It was hypothesized that both, cognitive components (the use of learning strategies) and motivational components (goal-orientation and self-efficacy), predict academic success. Academic success was indexed by academic satisfaction and by academic achievement. Data analyses were based on a sample of N = 77 university students studying medicine. Learning strategies as well as motivational variables turned out to be significant predictors of academic satisfaction. For academic achievement, in contrast, the combination of self-regulatory skills and deep-processing learning predicted exam performance, but not goal orientation and self-efficacy. Keywords: Learning strategies, self-regulation, goal orientation, self-efficacy, academic achievement Zusammenfassung: In Rahmenmodellen zum selbstgesteuerten Lernen werden kognitive und motivationale Komponenten als Voraussetzungen für erfolgreiches Lernen beschrieben (Boekaerts, 1996). Es wurde vermutet, dass sowohl die Nutzung von Lernstrategien (kognitive Komponente) als auch Zielorientierungen und Selbstwirksamkeit (motivationale Komponenten) Studienerfolgsmaße vorhersagen. Als Indikatoren des Studienerfolgs wurden die Studienzufriedenheit und die Leistung in einer Klausur erhoben. Es wurden N = 77 Studierende der Medizin per Fragebogen untersucht. In Regressionsanalysen erwiesen sich erstens die Nutzung von Lernstrategien und auch motivationale Komponenten des selbstgesteuerten Lernens als bedeutsame Prädiktoren der Studienzufriedenheit. Je selbstwirksamer sich Studierende erlebten und je besser sie ihre Lernaktivitäten regulieren konnten, desto zufriedener waren sie. Zweitens wurde die Klausurleistung vor allem durch eine kombinierte Nutzung der Lernstrategien Tiefenverarbeitung und Regulation beeinflusst. Studierende, die sich intensiv mit dem Lernstoff auseinander setzten und gleichzeitig gute Regulationskompetenzen besaßen, erzielten die besten Leistungen. Dagegen standen Zielorientierungen und Selbstwirksamkeit in keinem bedeutsamen Zusammenhang zur Leistung. Schlüsselbegriffe: Lernstrategien, selbstgesteuertes Lernen, Zielorientierung, Selbstwirksamkeit, Studienleistung ■ Empirische Arbeit Strategien der Tiefenverarbeitung und Selbstregulation als Prädiktoren von Studienzufriedenheit und Klausurleistung Nadine Spörer, Joachim C. Brunstein Universität Gießen 128 Nadine Spörer, Joachim C. Brunstein wacht“ (S. 258). Selbstgesteuertes Lernen lässt sich durch verschiedene Komponenten kennzeichnen. Boekaerts (1996; s. a. Friedrich & Mandl, 1995; Weinstein, Husman & Dierking, 2000) charakterisiert selbstgesteuertes Lernen durch (a) kognitive Komponenten, die neben konzeptuellem und prozeduralem Wissen auch Wissen über aufgabenspezifische Strategien umfassen, (b) motivationale Komponenten, die der Initiierung und Aufrechterhaltung von Lernaktivitäten dienen sowie Ergebnisbewertungen und Überzeugungen von der Wirksamkeit eigenen Lernens einschließen, sowie (c) metakognitive Komponenten, die neben dem Wissen über eigene Fähigkeiten und das individuelle Lernverhalten auch die Planung und Überwachung des eigenen Handelns hinsichtlich der angestrebten Lernziele beinhalten. Rahmenmodelle zum selbstgesteuerten Lernen (Boekaerts, 1996; Friedrich & Mandl, 1995; Pressley, Borkowski & Schneider, 1989) integrieren Forschungsergebnisse. So gibt z. B. das Modell von Friedrich und Mandl (1995) einen Überblick über motivationale und kognitive Komponenten, die als lernerseitige Voraussetzungen für erfolgreiches selbstgesteuertes Lernen betrachtet werden. Zeitlich stabile motivationale Komponenten dienen der Aufrechterhaltung des selbstgesteuerten Lernens. Als bedeutsame Einflussgrößen werden z. B. Interessen, Ziele und die Selbstwirksamkeitsüberzeugung einer Person gesehen (Schiefele & Pekrun, 1996; siehe auch Pekrun, Goetz, Titz & Perry, 2002). Kognitive Komponenten des selbstgesteuerten Lernens sind u. a. Informationsverarbeitungs-, metakognitive und Ressourcenstrategien. Diese Strategien bilden diejenigen Prozesse ab, die man im engeren Sinne unter dem Begriff der Lernstrategien subsummiert (Baumert, 1993; Zimmerman & Martinez-Pons, 1990). Sie bestimmen einerseits die mentale Auseinandersetzung mit neuen Informationen, das Verstehen und Behalten, andererseits regulieren, steuern und stützen sie den Lernprozess. Selbstgesteuertes Lernen als zyklischer Prozess Aufgabenspezifische und bereichsübergreifende Lernstrategien sind für die Ein- und Ausübung selbstgesteuerten Lernens von zentraler Bedeutung (Artelt, 2000; Brunstein & Spörer, 2001). Zimmerman (2002) hat Lernstrategien als Bestandteil eines umfassenderen „zyklischen“ Modells der Selbstregulation beschrieben, in dem auch Prozesse der Zielsetzung und der Selbstüberwachung berücksichtigt werden. Ein wichtiges Ziel der zyklischen Selbstregulation ist neben der Leistungsverbesserung die Modifizierung und Erweiterung des Strategierepertoires sowie die Steigerung der Selbstwirksamkeit (s. zusammenfassend Zimmerman, 1998). Es ist davon auszugehen, dass sich strategisches Lernen und motivationale Variablen wechselseitig beeinflussen: Wer am Lernstoff interessiert ist, wird mehr Anstrengung in die Bearbeitung einer Aufgabe investieren. Das Leistungsergebnis hat wiederum unmittelbare motivationale Auswirkungen. Pfadanalysen von Wood und Bandura (1989) zum Zusammenspiel von Selbstwirksamkeit, Strategieanwendung und Leistung stützen diese Hypothese der Interaktion. Konfrontierte man Personen mit einer komplexen Problemlösesituation, so stützten sich zunächst ihre Einschätzungen der Selbstwirksamkeit auf ihre früher erbrachten Leistungen bei ähnlichen Aufgaben. Mit zunehmender Aufgabenvertrautheit wuchs der Einfluss der erlebten Selbstwirksamkeit auf die gezeigte Leistung. Dabei zeigte sich sowohl ein direkter Wirkpfad der Selbstwirksamkeit auf die Leistung als auch ein indirekter Weg über die Strategieanwendung. Ähnliche Annahmen liegen dem Modell des guten Informationsverarbeiters zugrunde (Pressley et al., 1989). Es wird angenommen, dass metakognitive Komponenten (Strategiewissen sowie metakognitive Erwerbsprozeduren) und die Motivation die Art und Weise des Lernprozesses bestimmen. Das Ergebnis und die Bewertung des Lernprozesses wirken sich wiederum auf die Motivation und den Einsatz von Lernstrategien aus (Schneider, 1996). Studienzufriedenheit und Klausurleistung 129 Lernstrategien und Zielorientierungen Baumert und Köller (1996) fassen zusammen, dass Zielpräferenzen als wichtige Variablen innerhalb des motivationalen und metakognitiven Merkmalskomplexes beim Lernen hervorzuheben seien. In den Fokus der Motivationsforschung sind die Aufgaben- und Ichorientierung (bzw. Lern- und Leistungszielorientierung nach Dweck, 1986) gelangt (Nicholls, 1984). Die Konzeption der Zielorientierungen ermöglicht es, Verhaltensmuster in Lern- und Leistungssituationen mit motivationalen Variablen zu erklären und vorherzusagen. Darüber hinaus konnte vielfältig belegt werden, dass Aufgabenorientierung verknüpft ist mit einer höheren Selbstwirksamkeit, stärkerem Interesse und positiven Emotionen (Ames, 1992; Patrick, Ryan und Pintrich, 1999; Pintrich, 2000). Negative Emotionen und sogar schlechtere Leistung werden dagegen mit Ichorientierung in Beziehung gesetzt (Utman, 1997). Untersuchungen konnten im Weiteren zeigen, dass auch der Gebrauch von Lernstrategien im Zusammenhang mit Zielorientierungen steht (Baumert & Köller, 1996). So berichteten aufgabenorientierte Schüler häufiger, dass sie von sich aus aktiv Tiefenverarbeitungsstrategien anwenden. Die Nutzung von Oberflächenstrategien stand dagegen eher im Zusammenhang mit Ichorientierung (Elliot, McGregor & Gable, 1999; Pintrich & de Groot, 1990). Verschiedentlich wurde versucht, Lernstrategien als Mediatoren zwischen Zielorientierungen und Leistungsindikatoren zu identifizieren (Baumert & Köller, 1996). Baumert (1993) und Elliot et al. (1999) ermittelten den Zusammenhang zwischen Aufgabenorientierung, Tiefenverarbeitungsstrategien und Leistungsindikatoren. Es zeigte sich, dass Tiefenverarbeitungsstrategien - als Mediatorvariable modelliert - den bestehenden Zusammenhang zwischen Leistung und Zielorientierung nicht erklären können. Vielmehr wirkten Persistenz und Anstrengung als Mediatoren zwischen Aufgabenorientierung und der Seminarleistung (Elliot et al., 1999). Lernstrategien und Selbstwirksamkeit Die Beziehung zwischen dem Erleben von Selbstwirksamkeit und Selbstregulation wurde in den letzten zwei Jahrzehnten intensiv untersucht. Neben motivationalen Variablen des Lerngeschehens, wie z. B. Aufgabenwahl, Ausdauer und Anstrengung, wurden auch emotionale Reaktionen mit Selbstwirksamkeitserwartungen in Beziehung gesetzt (vgl. z. B. Pintrich, Smith, Garcia & McKeachie, 1993; Zimmerman, 1989, 2000). Darüber hinaus zeigten sich signifikante Beziehungsmuster zwischen dem Gebrauch von Lernstrategien und dem Erleben von Selbstwirksamkeit. Schüler, die sich während der Bearbeitung einer Aufgabe als selbstwirksam erlebten, benutzten z. B. häufiger kognitive und metakognitive Strategien des Lernens (Zimmerman & Martinez-Pons, 1990). Selbstwirksame Schüler zeigten ebenso die effektiveren Regulationsstrategien, denn ihnen gelang es deutlich besser, den Lernfortschritt zu überwachen und mehr Zeit zu investieren, wenn sich Probleme ergaben (Lent, Brown & Larkin, 1984). Auch Pintrich und de Groot (1990) ermittelten positive Beziehungen zwischen Selbstwirksamkeit und Selbstregulation. In einer studentischen Stichprobe korrelierte akademisches Selbstwirksamkeitserleben positiv mit dem Gebrauch kognitiver und metakognitiver Lernstrategien und mit verschiedenen Leistungsdaten, wie z. B. Semesternoten, Klausurnoten, aber auch mit der Qualität von Hausaufgaben. Obwohl Modelle des selbstgesteuerten Lernens die wechselseitige Beeinflussung von Motivation und strategischem Lernen betonen (Boekaerts, 1996; Friedrich & Mandl, 1995; Zimmerman, 1998) werden Selbstwirksamkeitserwartungen oft (und einseitig) als Prädiktoren des Lernstrategieeinsatzes und des Lernerfolgs modelliert. Befunde zum Modell der guten Informationsverarbeitung zeigen jedoch auch, dass größeres generelles Strategiewissen zu gesteigerten Selbstwirksamkeitserwartungen und als Folge davon zu erhöhter Lernmotivation führte (Schneider, 130 Nadine Spörer, Joachim C. Brunstein 1996). Schunk (1984, 1994) vermutet ebenso, dass Selbstwirksamkeits- und Ergebniserwartungen als ein Produkt früherer Lernerfahrungen geformt werden. Diese Erwartungen beeinflussen dann wiederum die Motivation im Lernprozess (z. B. die aufgebrachte Zeit und die Art der Strategienutzung bei der Aufgabenbearbeitung) und somit auch den Lernerfolg. Rückmeldungen würden dann eine Stabilisierung der Selbstwirksamkeitserwartung bewirken (Spörer, 2004). Lernstrategien und akademische Leistung Sinkavich (1994) erfasste kognitive (information processing ability) und metakognitive (self-testing ability) Lernstrategien bei Studierenden zu Beginn eines Semesters und setzte diese Angaben zum Seminarerfolg (Klausur) am Ende des Semesters in Beziehung. Weder kognitive noch metakognitive Strategien trugen in nennenswertem Umfang zur Erklärung der Klausurleistung bei. Schiefele, Streblow, Ermgassen und Moschner (2003) untersuchten in einer Längsschnittanalyse, in welchem Zusammenhang die selbst berichtete Nutzung von Lernstrategien (LIST) zu Prüfungsleistungen (Vordiplom) bei Studierenden stehen. Die Ergebnisse zeigten, dass einzig die Regulation des Anstrengungseinsatzes für die Erklärung der Prüfungsleistung bedeutsam war. Entgegen der Erwartung erwiesen sich Strategien der Tiefenverarbeitung für die Prüfungsleistung als unerheblich. Generell ist festzustellen, dass zwischen (dem Bericht von) Lernstrategien und Lernerfolg nur schwache Beziehungen bestehen (Baumert, 1993). Die Vermutung, strategisches Lernen würde sich direkt auf Erfolge und Fortschritte beim Lernen niederschlagen, wäre somit in dieser allgemeinen Form nicht aufrecht zu erhalten. Schiefele und Wild argumentieren, dass ein Zusammenspiel („Orchestrierung“) einzelner Strategien entscheidend für den Lernerfolg ist (Wild & Schiefele, 1994). Der Einsatz von tiefenorientierten Lernstrategien (wie z. B. Elaborieren und kritisches Auseinandersetzen mit Texten) würde sich nur dann auf die akademische Leistung auswirken, wenn gleichzeitig der Einsatz dieser zeitintensiven Strategien reguliert sowie der Lernprozess konzentriert überwacht wird. Ohne „will“ und „skill“ bliebe akademisches Lernen mühsam (Baumert, 1993). Experimentelle Trainingsstudien zur Förderung des selbstregulierten Lernens konnten dies bestätigen (Schreiber, 1998). Insbesondere Kuhl (1998) betonte, dass neben den motivationalen Prozessen, die Anregung und Auswahl von Lernhandlungen beeinflussen, auch volitionale Prozesse, die wiederum der Realisierung und Regulation eines Handlungsentschlusses dienen, zum Lernerfolg beitragen. Prozesse der volitionalen Handlungssteuerung haben den Charakter von Strategien (Corno, 1989) und lassen sich als Regulationsstrategien und Strategien des Ressourcenmanagements in Lernstrategieinventaren wiederfinden (Pintrich et al., 1993; Wild, Schiefele & Winteler, 1992). Neben der Leistung wird auch die Zufriedenheit als Indikator des Lernerfolgs betrachtet. Schmitz und Wiese (1999) untersuchten z. B., wie sich Lernzeit und Lernstrategien auf die Zufriedenheit auswirkten. In den längsschnittlichen Analysen erwiesen sich sowohl die effektive Lernzeit als auch die Nutzung von Lernstrategien als bedeutsame Prädiktoren der Zufriedenheit. Fragestellung In der nachfolgend berichteten Untersuchung verfolgten wir zwei Ziele: Zum einen ging es uns darum, bei Studierenden zu analysieren, in welcher Beziehung das Nutzen von Lernstrategien, Zielorientierungen und Selbstwirksamkeit zueinander stehen. Wir überprüften, ob in Übereinstimmung mit den Rahmenmodellen zum selbstgesteuerten Lernen sowohl motivationale (Selbstwirksamkeitserwartungen, Zielorientierungen) als auch kognitive Komponenten (Lernstrategieeinsatz) der Selbststeuerung die Studienzufriedenheit und die Klausurleistung beeinflussen. Die zentralen Hypothesen der Studie lauteten: Studienzufriedenheit und Klausurleistung 131 1. Lernstrategien (d. h. Nutzung von Tiefenverarbeitungs- und Regulationsstrategien) und Selbstwirksamkeit stehen im positiven Zusammenhang zu Aufgabenorientierung und im negativen Zusammenhang zu Ichorientierung bzw. Arbeitsvermeidung. 2. Die Zufriedenheit und die Klausurleistung der Studierenden stehen im positiven Zusammenhang zur Nutzung von Lernstrategien. Es wird vermutet, dass strategisches Lernen die Zufriedenheit und die Klausurleistung prädiziert. Wir nehmen an, dass sich die Nutzung von Tiefenverarbeitungs- und Regulationsstrategien positiv auf die Leistung auswirkt. Studierende, die beide Strategiearten nutzen (Kombination), erzielen die beste Klausurleistung. Methodik Stichprobe An der Untersuchung nahmen 77 Studenten (71.3 % weiblich) des Regelstudiengangs Medizin der Charité Universitätsmedizin Berlin teil. Die Untersuchung fand zu Beginn des Sommersemesters 2003 im Anschluss an eine Vorlesung im zweiten Semester der Ausbildung statt. Die Teilnahme war freiwillig. Die Studenten waren im Durchschnitt 21.0 Jahre alt (SD = 3.21). Instrumente Die Untersuchung wurde per Fragebogen durchgeführt und dauerte ca. 45 Minuten. Neben den demografischen Angaben wurden folgende Variablen erhoben. Lernstrategien Zur Erfassung des strategischen Lernens setzten wir Teile des Fragebogens LIST (Lernstrategien im Studium) von Wild et al. (1992; Wild & Schiefele, 1994) ein. Mit diesem Instrument können insgesamt 11 Strategiedimensionen erfasst werden. Dabei wird differenziert nach kognitiven, metakognitiven und ressourcenorganisierenden Aktivitäten. Für die vorliegende Untersuchung kamen zum einen die Skalen Elaboration und Kritisches Prüfen als Indikatoren für tiefenverarbeitendes Lernen zum Einsatz. Die Items wurden zu einer Skala zusammengefasst. Die Reliabilität der Skala kann mit Cronbach’s α = .87 als gut bewertet werden. Zum anderen wurden die Angaben zu den LIST-Skalen Anstrengung und Aufmerksamkeitsfluktuation als Merkmal einer gelungenen Regulation des Lernverhaltens bewertet. Nach Umpolung der Items zur Aufmerksamkeitsfluktuation wurde die Reliabilität der Skala bestimmt. Cronbach’s α beträgt .83 und kann auch hier als gut eingestuft werden. Es wurde eine fünfstufige Antwortskala verwendet (sehr selten = 1 bis sehr oft = 5). Zielorientierungen Balke und Stiensmeier-Pelster (1995) erfassen die Zielorientierungen auf drei Dimensionen. In Anlehnung an Nicholls (1984), der für den amerikanischen Sprachraum die Motivational Orientation Scale (MOS) entwickelte, werden Ausprägungen der Aufgabenorientierung, Ichorientierung und Arbeitsvermeidung erfasst. In der vorliegenden Untersuchung kam die revidierte Form mit 18 Items zum Einsatz. Die Skala der Aufgabenorientierung („Ich fühle mich erfolgreich, wenn ich etwas Interessantes gelernt habe“) setzt sich dabei aus sechs Items zusammen. Die Skala zur Ichorientierung („Ich fühle mich erfolgreich, wenn ich eine bessere Note bekomme als andere Studenten“) wird aus sieben Items gebildet. Fünf weitere Items bilden die Skala zur Arbeitsvermeidung („Ich fühle mich erfolgreich, wenn ich nicht so schwer zu arbeiten habe“). Das Antwortformat der Items war vierstufig (stimmt nicht = 1 bis stimmt genau = 4); die inneren Konsistenzen der Skalen (Cronbach’s α ) lagen zwischen .78 und .87. Selbstwirksamkeit Es wurde die revidierte Fassung der Skala zur Erfassung der allgemeinen Selbstwirksamkeit eingesetzt (Schwarzer & Jerusalem, 1999). Die Skala erhebt die subjektive Überzeugung, kritische Anforderungen aus eigener Kraft bewältigen zu können, z. B. mit der Aussage „Auch bei überraschenden Ereignissen glaube ich, dass ich gut mit ihnen zurecht kommen kann.“ Insgesamt wurden zehn Items vierstufig beantwortet. Die innere Konsistenz dieser Skala lag bei .84. Studienzufriedenheit Zur Erfassung der Studienzufriedenheit wurde zum einen die Skala zur Zufriedenheit mit den Studieninhalten (Westermann, Heise, Spies & Trautwein, 1996) eingesetzt. Es wurde die Kurzversion, bestehend aus drei Items (z. B. „Ich finde mein Studium wirklich interessant“), genutzt. Die Antwortmöglichkeiten wurden auch hier vierstufig präsentiert. Die Skala erwies sich als reliabel (Cronbach’s α = .88). Zusätzlich wurden die folgenden beiden Fragen gestellt: „Würdest Du mit Deinem heutigen Wissen über Deinen Studiengang diesen wieder wählen? “ und „Hast Du im Laufe Deines jetzigen Studiums ernsthaft daran gedacht, das Studium abzubrechen? “. Beide Male stand eine siebenstufige Antwortskala zur Verfügung. Aufgrund der unterschiedlichen Antwortstufen wurden die Werte zur Zufriedenheit mit Studieninhalten, zur 132 Nadine Spörer, Joachim C. Brunstein Wiederwahl und zu Abbruchgedanken z-transformiert. Im Anschluss daran wurde der Mittelwert gebildet. Er diente als Maß für die allgemeine Studienzufriedenheit (Cronbach’s α = .82). Klausurleistung Als Maß des Studienerfolgs wurde die Leistung in einer Zwischenklausur (Chemie) erhoben. Die Durchschnittsnote betrug M = 3.56 (SD = 1.01; Min = 1, Max = 6). Für die Analysen wurden die Angaben recodiert. Hohe Werte in der Klausur indizieren gute Leistungen. Ergebnisse Komponenten des selbstgesteuerten Lernens Es war vermutet worden, dass kognitive und motivationale Komponenten des selbstgesteuerten Lernens in bedeutsamem Zusammenhang stehen. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die deskriptiven Werte der Variablen und informiert über die Korrelationsmuster. Es ergaben sich positive Zusammenhänge zwischen Tiefenverarbeitungsstrategien, Selbstwirksamkeit und Aufgabenorientierung. Ebenso hypothesenkonform korrelierte Arbeitsvermeidung negativ mit Tiefenverarbeitung und Selbstwirksamkeit. Ein identisches Muster zeigten die Zusammenhangsanalysen zur Strategie Regulieren: Selbstwirksamkeit und Aufgabenorientierung waren positiv mit Regulieren verknüpft, Arbeitsvermeidung wiederum negativ. Ichorientierung korrelierte dagegen nur mit Arbeitsvermeidung bedeutsam. Im Weiteren zeigten sich Zusammenhänge zwischen dem Alter der Befragten und den Angaben zu Motivation und Lernstrategien. Jüngere Studierende waren eher aufgabenorientiert und nutzten Regulationsstrategien intensiver. Außerdem unterschieden sich männliche und weibliche Studierende hinsichtlich ihrer Selbstwirksamkeitserwartungen: Männer schätzten sich selbstwirksamer ein als Frauen, t (75) = 2.75, p < .01, d = .67. In den anderen Variablen unterschieden sich Männer und Frauen nicht. Die folgenden Regressionsanalysen testen, welche Komponenten des selbstgesteuerten Lernens Studienzufriedenheit und Klausurleistung vorhersagen. Aufgrund der Interkorrelationen zwischen motivationalen Variablen und Lernstrategien wurde ein blockweises Vorgehen gewählt. In einem ersten Schritt werden Alter und Geschlecht der Befragten Tabelle 1: Deskriptive Maße und Interkorrelationen der Untersuchungsvariablen (N = 77) M SD Range (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (1) Tiefenverarbei- 3.23 0.58 1.94 - 4.75 tungsstrategien (2) Regulieren 3.49 0.53 2.21 - 4.64 .45** (3) Selbst- 2.88 0.36 2.10 - 4.00 .47** .37** wirksamkeit (4) Ichorientierung 2.49 0.70 1.00 - 3.86 -.04 -.13 -.13 (5) Aufgaben- 3.53 0.47 1.50 - 4.00 .32** .25* .30** .00 orientierung (6) Arbeits- 1.99 0.61 1.00 - 3.20 -.48** -.44** -.25* .25* -.13 vermeidung (7) Studien- 0.00 1.00 -3.49 - 1.04 .29* .46** .46** -.04 .31** -.34** zufriedenheit (8) Klausurleistung 3.44 1.01 1.00 - 6.00 .12 .27* -.05 -.06 -.06 -.08 .07 (recodiert) (9) Alter 20.96 3.21 19 - 39 -.13 -.37** -.08 .05 -.25* .12 -.09 -.13 * p < .05; ** p < .01. Studienzufriedenheit und Klausurleistung 133 kontrolliert sowie die motivationalen Variablen als Prädiktoren modelliert. In einem zweiten Schritt wird dann die Varianz bestimmt, die zusätzlich mit Hilfe der Lernstrategien aufgeklärt werden kann. Die Prädiktion der Studienzufriedenheit und der Klausurleistung mittels Lernstrategien erfolgt demzufolge bei Kontrolle der motivationalen Variablen. Selbstgesteuertes Lernen und Studienzufriedenheit Mittels Regressionsanalysen wurde ermittelt, ob Zielorientierungen, Erleben von Selbstwirksamkeit und strategisches Lernen mit Studienzufriedenheit korrespondieren. Tabelle 2 zeigt, dass sowohl motivationale Komponenten als auch Lernstrategien die Zufriedenheit prädizierten, F (8, 68) = 5.37, p < .001, R 2 = .39. Dabei klärten die motivationalen Variablen insgesamt 33 % der Zufriedenheitsvarianz auf, wobei der Effekt hauptsächlich auf den Einfluss der Selbstwirksamkeit zurückgeführt werden kann. Strategisches Lernen erklärt 6 % der Varianz; insbesondere der verstärkte Einsatz von Regulationsstrategien hängt positiv mit der Studienzufriedenheit zusammen. In weiteren Analysen wurde geprüft, ob die Nutzung der Lernstrategie Tiefenverarbeiten als Mediator zwischen Selbstwirksamkeit und Studienzufriedenheit modelliert werden kann 1 . Nach Baron und Kenny (1986) liegt ein Mediator vor, wenn bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Effekte des Mediators und der unabhängigen Variable der Einfluss der unabhängigen auf die abhängige Variable nicht mehr signifikant ist. Die Überprüfung dieser Zusammenhänge erfolgt mittels Regressionsanalysen. Es zeigte sich, dass die Strategie Tiefenverarbeiten nicht zwischen der Selbstwirksamkeit und der Zufriedenheit vermittelt. Versucht man die Zufriedenheit mittels Selbstwirksamkeit und Tiefenverarbeiten vorherzusagen, so zeigt sich lediglich ein bedeutsamer Zusammenhang zwischen der Selbstwirksamkeit ( β = .41, p < .001) und der Ausprägung der Zufriedenheit. Der Einfluss der Lernstrategie ( β = .09) sinkt dagegen un- 1 Prüft man in einer weiteren Regressionsanalyse parallel den Einfluss der Selbstwirksamkeit und der Lernstrategie Regulieren auf die Zufriedenheit, so zeigt sich, dass beide Prädiktoren zu gleichen Anteilen die Zufriedenheit vorhersagen (jeweiliges β = .33, p < .01). Tabelle 2: Vorhersage der Studienzufriedenheit Prädiktoren der Zufriedenheit R 2 b final SE final beta final Block 1 .33*** Konstante -.72 .44 Geschlecht .40 .25 .17 Alter .14 .11 .13 Selbstwirksamkeit .41 .13 .39** Ichorientierung .08 .10 .08 Aufgabenorientierung .17 .11 .16 Arbeitsvermeidung -.19 .12 -.19 Block 2 .06* Regulieren .30 .12 .30* Tiefenverarbeiten -.14 .12 -.14 Anmerkung: Der Zuwachs an aufgeklärter Varianz steigt durch die Prädiktoren des 2. Blocks signifikant; 1. Block: F (6, 70) = 5.72, p < .001, R 2 = .33; 1. und 2. Block: F (8, 68) = 5.37, p < .001, R 2 = .39. * p < .05; ** p < .01; *** p < .001. 134 Nadine Spörer, Joachim C. Brunstein ter das Signifikanzniveau ab, F (2, 74) = 10.14, p < .001, R 2 = .22. Es ergeben sich demzufolge unterschiedliche Effekte des strategischen Lernens auf die Studienzufriedenheit. Während Regulieren unmittelbar mit der Zufriedenheit korrespondiert, steht ein Tiefenverarbeiten des Lernstoffs im positiven Zusammenhang zur Selbstwirksamkeit und wirkt vermittelt auf die Zufriedenheit ein. Interaktionseffekte der Tiefenverarbeitung und der Regulation auf die Studienzufriedenheit ließen sich mittels Regressionsanalysen nicht nachweisen. Selbstgesteuertes Lernen und Klausurleistung Es wurde vermutet, dass die Nutzung von Tiefenverarbeitungs- und Regulationsstrategien mit einer besseren Klausurleistung einhergehen. Mittels Regressionsanalyse wurde überprüft, ob strategisches Lernen unter Kontrolle der motivationalen Variablen die Klausurleistung prädizieren. Im Vergleich zu der oben berichteten Vorhersage der Zufriedenheit ergaben sich deutliche Unterschiede, denn keine der motivationalen Variablen korrelierte bedeutsam mit der Leistung (s. Tabelle 1). Nur die Lernstrategie Regulieren (r = .27) hing signifikant mit der Leistung zusammen. Studierende, die ihre Aufmerksamkeit gut steuerten und vermehrt Anstrengung investierten, erzielten somit die besseren Ergebnisse in der Klausur. In einem zweiten Schritt wurde folgende Moderatorbeziehung geprüft: Tiefenverarbeitungs- und Regulationsstrategien wirken überadditiv auf die Klausurleistung. Studierende, die beide Strategiearten nutzen (Kombination), sollten die beste Leistung erzielen. 2 Prüfte man nun die Variablenbeziehung mit- 2 Zur Prüfung des Interaktionseffekts wurden in einem ersten Schritt alle kontinuierlichen Variablen z-standardisiert. Zur Berechnung des Interaktionsterms wurden die individuellen Strategiewerte zum Regulieren und Tiefenverarbeiten multipliziert. Dieser Term (R x T, siehe Tabelle 3) wurde abschließend als 3. Block in die Regressionsgleichung eingeführt. Tabelle 3: Vorhersage der Klausurleistung Prädiktoren der Klausurleistung R 2 b final SE final beta final Block 1 .04 Konstante .27 .52 Geschlecht -.23 .29 -.10 Alter -.18 .14 -.17 Selbstwirksamkeit -.26 .15 -.24 Ichorientierung -.04 .11 -.04 Aufgabenorientierung -.19 .13 -.18 Arbeitsvermeidung .05 .13 .05 Block 2 .09* Regulieren (R) .32 .14 .32* Tiefenverarbeiten (T) .16 .14 .16 Block 3 .08* Interaktionsterm R x T .30 .11 .30* Anmerkung: Der Zuwachs an aufgeklärter Varianz steigt durch die Prädiktoren des 2. und 3. Blocks signifikant; 1. Block: F (6, 70) = 0.47, p = .83, R 2 = .04; 1. und 2. Block: F (8, 68) = 1.28, p = .27, R 2 = .13; 1., 2. und 3. Block: F (9, 67) = 1.97, p = .056, R 2 = .21. * p < .05. Studienzufriedenheit und Klausurleistung 135 tels Regressionsanalyse, so stellte sich genau dieser Effekt ein (s. Tabelle 3). Es zeigte sich, dass die leistungsstärksten Studierenden sowohl tiefenorientiert als auch reguliert lernten. Nutzten die Studierenden nur eine oder keine der Strategien, waren die Klausurleistungen erheblich niedriger (s. Abbildung 1, vgl. zur Darstellung Aiken & West, 1991). Dass intensives Regulieren positiv die Leistung beeinflusste, gilt dementsprechend nur für die Gruppe der Studierenden, die auch Tiefenverarbeitungsstrategien intensiv nutzten. Bereits wenn eine der beiden Strategien wenig genutzt wurde (d. h. Ausprägungen ≤ -1 SD), fiel die Klausurleistung erheblich schwächer aus. Es kommt also nicht nur darauf an, Zeit zu investieren (d. h. Anstrengung und Aufmerksamkeit), sondern diese Zeit auch für die Tiefenverarbeitung des Lernstoffes (Elaboration und kritisches Prüfen) zu nutzen. Dieses Ergebnis unterstreicht die Bedeutsamkeit des Zusammenspiels von strategischem Lernen für Leistungserfolge. Diskussion Grundlage der vorgestellten Untersuchung war das zyklische Modell des selbstgesteuerten Lernens (Zimmerman, 2002). In Übereinstimmung mit anderen Rahmenmodellen (Boekaerts, 1996) geht es davon aus, dass strategisches Lernen ein guter Prädiktor für erfolgreiches Lernen in Schule und Hochschule ist. Unsere Untersuchung ergab zum einen, dass Aufgabenorientierung, Tiefenverarbeitungs- und Regulationsstrategien sowie das Erleben von Selbstwirksamkeit positiv korreliert waren. Dies bestätigt die Resultate anderer Untersuchungen (z. B. Lent et al., 1984). Zum anderen zeigte sich, dass Arbeitsvermeidung negativ mit den zuvor aufgezählten Variablen zusammenhing. Ein Medizinstudium zählt zu den lernintensiven Studiengängen und eine konsequente Auseinandersetzung mit und ein grundlegendes Interesse am Lerngegenstand sollten zu den „Basiskompetenzen“ der Studierenden zählen. Kontinuierliche Leistungskontrollen während und am Ende eines Semesters erfordern zudem zielgerichtetes Lernen über einen langen Zeitraum hinweg. Studierende der Medizin sollten somit geübte und erfolgreiche selbstgesteuerte Lernende sein. Das Hauptanliegen der Untersuchung war, die Studienzufriedenheit sowie die Klausurleistung mit Hilfe der motivationalen Variablen (Selbstwirksamkeit und Zielorientierungen) und der Lernstrategien vorherzusagen. Hierbei ergaben sich differentielle Vorhersagemuster. Selbstwirksamkeit und die Strategie Regulieren korrelierten mit der Zufriedenheit. Tiefenverarbeitungsstrategien standen im positiven Zusammenhang zur Selbstwirksamkeit. Insgesamt entstand so ein Bild des intrinsisch motivierten Medizinstudenten: Zufriedenheit hängt mit der Motivation zusammen, Kompetenz zu erlangen und die eigene Wirksamkeit zu erfahren. Diese intrinsisch verankerte Motivation geht einher mit einem intensiveren Nutzen von Regulationsstrategien. In weiteren Analysen wurde deutlich, dass neben dem oben berichteten subjektiven Erfolgsparameter (Zufriedenheit) auch „objektive“ Leistungskennwerte mit Hilfe der Lernstrategien vorhergesagt werden können. Es zeigte sich, dass Leistungserfolge an ein Zusammenspiel von Tiefenverarbeitung und Regulation geknüpft sind. Entsprechende moderierte Regressionen klärten 21 % der Gesamt- Abbildung 1: Klausurleistung als Funktion von Regulations- und Tiefenverarbeitungsstrategien Klausurleistung (z-Werte) 1 0 -1 -1 0 1 Tiefenverarbeitung (z-Werte) Regulieren hoch (+1 SD) Regulieren niedrig (-1 SD) 136 Nadine Spörer, Joachim C. Brunstein leistungsvarianz auf. Die Kombination von Tiefenverarbeitung und Regulation ging dabei einher mit den besten Leistungen. Lernerfolge waren somit ein Ergebnis von tiefenverarbeitenden und regulierenden Aktivitäten. Überraschenderweise leisteten die motivationalen Variablen keine Vorhersage des Leistungsparameters, wobei allerdings beachtet werden muss, dass die Stichprobe relativ klein war. Die Replikation an einer größeren Stichprobe würde deshalb die Substanz der dargestellten Befundmuster festigen. Das Ergebnis unserer Untersuchung reiht sich ein in den Trend anderer Studien (Schiefele et al., 2003), die ebenfalls Strategien des inneren Ressourcenmanagements als Prädiktoren der Leistung identifizierten. Die hier berichteten Befunde gehen in einem wichtigen Punkt über die bisherigen Ergebnisse zum Zusammenhang von Lernstrategien und Leistungsindikatoren hinaus. Die Annahme, dass ein Zusammenspiel („Orchestrierung“) einzelner Strategien entscheidend für den Lernerfolg sei (Wild & Schiefele, 1994), konnte mit dieser Untersuchung bestätigt werden. Nicht die Addition, sondern die Interaktion der beiden strategischen Komponenten erwies sich als besonders günstige Konstellation. Die vorliegende Untersuchung konnte zeigen, dass eine intrinsisch motivierte Lernkultur eng verknüpft ist mit strategischem Lernen und subjektive und objektive Parameter des Studienerfolgs steigert. Die in unserer Untersuchung als Leistungsindikator genutzte Benotung der Zwischenklausur Chemie war eine wichtige Leistungsrückmeldung im Verlauf des Studium. So kann diese von Studierenden als Standortbestimmung und als Gradmesser für zukünftige Lernaktivitäten und gegebenenfalls zur Modifizierung des Strategierepertoires genutzt worden sein. Im Sinne des zyklischen Modells des selbstgesteuerten Lernens sollen sich weiterführende Untersuchungen den Veränderungen im Verlauf des Studiums widmen. Bewirken die Leistungsrückmeldungen tatsächlich eine Modifizierung der verwendeten Strategien? Gewinnen im Verlauf des Studiums unterschiedliche Lernstrategien an Bedeutung? Der Nachweis des Interaktionseffekts der Lernstrategien auf die Leistung sollte dazu ermutigen, nicht nur die Wirkungen der einzelnen Strategien auf den Lernerfolg zu bestimmen, sondern vielmehr das Zusammenspiel der Strategien zu untersuchen. Literatur Aiken, L. S. & West, S. G. (1991). Multiple regression: Testing and interpreting interactions. Newbury Park, CA: Sage. Ames, C. (1992). Classrooms: Goals, structures, and student motivation. Journal of Educational Psychology, 84, 261 - 271. Artelt, C. (2000). Strategisches Lernen. Münster: Waxmann. Balke, S. & Stiensmeier-Pelster, J. (1995). Die Erfassung der motivationalen Orientierung - eine deutsche Form der Motivational Orientation Scales (MOS-D). Diagnostica, 41, 80 - 94. Baron, R. M. & Kenny, D. A. (1986). The moderator-mediator variable distinction in social psychological research: Conceptual, strategic, and statistical considerations. Journal of Personality and Social Psychology, 51, 1173 - 1182. Baumert, J. (1993). 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