Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2005
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Kompetenzstufen der Lehrerkooperation: Ein empirisches Beispiel für das Latent-Growth-Curve-Modell
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2005
Karl Schweizer
Eckard Klieme
Der Kompetenzerwerb wird oft als ein Prozess mit Stufen beschrieben. Die Transformation dieses offensichtlich einfachen deskriptiven Modells in ein statistisches Modell, das sich für empirische Untersuchungen eignet, hat sich als schwierig erwiesen. Es wird ein Modell für die Untersuchung von Kompetenzstufen basierend auf einer zugrundeliegenden kontinuierlichen Beschreibungsdimension beschrieben. Durch dieses Modell, das aus dem Latent- Growth-Curve-Modell hervorgegangen ist, werden Kompetenzstufen als Ausschnitte aus einer Verlaufskurve aufgefasst, wobei latente Variablen erster Ordnung die Stufen als Konstante und lineare Komponente repräsentieren. Dieses Kompetenzstufenmodell mit den Stufen Differenzierung, Koordination, Interaktion und Integration wird auf Daten zu Kompetenzstufen der Lehrerkooperation angewendet. Das Ergebnis bestätigt das Modell mit der erwarteten Abfolge von Kompetenzstufen, während alle anderen möglichen Kombinationen der Kompetenzstufen zurückgewiesen werden konnten. Außerdem wurde ein linearer Zuwachs von Stufe zu Stufe aufgezeigt.
3_052_2005_1_0005
Diese Arbeit befasst sich mit der Untersuchung von Kompetenzstufen der Lehrerkooperation (Steinert & Klieme, 2003). Die Überprüfung der Kompetenzstufen erfordert, dass einerseits Unterschiedlichkeit zwischen den Stufen und andererseits Zugehörigkeit zueinander demonstriert wird. Es muss also gezeigt werden, dass sich die Indikatoren für eine geringe Lehrerkooperation von den Indikatoren für eine hohe Lehrerkooperation unterscheiden, darüber hinaus aber zusammenhängen. Aufgrund statistischer Erfordernisse sollte diese Überprüfung gesamtheitlich erfolgen, so wie Vergleiche zwischen mehreren experimentellen Bedingungen nicht einzeln, sondern gesamtheitlich mit der Varianzanalyse vorgenommen werden. Weiterhin sollte die Überprüfung der Kompetenzstufen theoriegeleitet durchgeführt werden, so dass Unabhängigkeit von der jeweiligen Stichprobe gewährleistet werden kann. Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2005, 52, 66 - 79 © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Competence Steps of Teacher Cooperation: An Empirical Example of the Latent Growth Curve Model Summary: The acquisition of competencies is often described as a stepwise process. This apparently simple descriptive model has proven to be difficult to transform into a statistical model suitable for empirical testing. A model which enables the investigation of competence steps based on a continuous latent dimension is described. This model which is derived from the latentgrowth-curve model assumes that competence steps are sections of a continuous curve. First-order latent variables represent the steps as the constant and linear components of the curve function. The competence-steps model is applied to data of competence steps in teacher cooperation defined by the steps of segregation, coordination, interaction and integration. The result confirms the hypothesized sequence of competence steps whereas all the other possible combinations of steps were rejected. Furthermore, it was demonstrated that the increase from step to step is linear. Keywords: Competence steps, structural equation modeling, teacher cooperation Zusammenfassung: Der Kompetenzerwerb wird oft als ein Prozess mit Stufen beschrieben. Die Transformation dieses offensichtlich einfachen deskriptiven Modells in ein statistisches Modell, das sich für empirische Untersuchungen eignet, hat sich als schwierig erwiesen. Es wird ein Modell für die Untersuchung von Kompetenzstufen basierend auf einer zugrundeliegenden kontinuierlichen Beschreibungsdimension beschrieben. Durch dieses Modell, das aus dem Latent- Growth-Curve-Modell hervorgegangen ist, werden Kompetenzstufen als Ausschnitte aus einer Verlaufskurve aufgefasst, wobei latente Variablen erster Ordnung die Stufen als Konstante und lineare Komponente repräsentieren. Dieses Kompetenzstufenmodell mit den Stufen Differenzierung, Koordination, Interaktion und Integration wird auf Daten zu Kompetenzstufen der Lehrerkooperation angewendet. Das Ergebnis bestätigt das Modell mit der erwarteten Abfolge von Kompetenzstufen, während alle anderen möglichen Kombinationen der Kompetenzstufen zurückgewiesen werden konnten. Außerdem wurde ein linearer Zuwachs von Stufe zu Stufe aufgezeigt. Schlüsselbegriffe: Kompetenzstufen, Strukturgleichungsmodelle, Lehrerkooperation ■ Empirische Arbeit Kompetenzstufen der Lehrerkooperation: Ein empirisches Beispiel für das Latent-Growth-Curve-Modell Karl Schweizer Eckard Klieme Deutsches Institut für Internationale J. W. Goethe-Universität Frankfurt Pädagogische Forschung, Frankfurt Kompetenzstufen der Lehrerkooperation 67 Eine solche Überprüfung ist mit einem Kompetenzstufenmodell, das auf dem Latent- Growth-Curve-Modell (McArdle, 1988, 1998) basiert, möglich. Weitere Vorteile der Anwendung von Kompetenzstufenmodellen sind, dass Information über das Verhältnis der Stufen untereinander und über den Abweichungsgrad von den Stufen ermittelt wird. Dadurch wird deutlich, ob es sich um einen linearen, beschleunigten oder verlangsamten Anstieg beim Übergang von Stufe zu Stufe handelt und inwieweit das Ideal eines glatten Übergangs angenähert ist, d. h. inwieweit die vorausgehende Stufe des Kompetenzerwerbs abgeschlossen sein muss, bevor die nächste in Angriff genommen werden kann. Im Weiteren wird zunächst der Kompetenzbegriff thematisiert, dann der Bezug zwischen dem Latent-Growth-Curve-Modell und dem Kompetenzstufenmodell hergestellt, um schließlich seinen Nutzen am Beispiel der Lehrerkooperation zu demonstrieren. Was sind Kompetenzstufen? Der Kompetenzbegriff ist in der Vergangenheit ganz unterschiedlich definiert worden. Nach Weinert (1996) werden unter Kompetenz (1) allgemeine kognitive Fähigkeiten, (2) spezifische kognitive Fertigkeiten, (3) das Kompetenz-Performanz-Modell, (4) das modifizierte Kompetenz-Performanz-Modell, (5) motivierte Verhaltenstendenzen, (6) objektive und subjektive Selbstkonzepte, (7) Verhaltenskompetenzen, (8) Schlüsselkompetenzen und (9) Metakompetenzen verstanden. Für den schulischen Bereich ist es nach Weinert (1999) sinnvoll, Kompetenz funktional zu verstehen. In diesem Sinne bündelt der Kompetenzbegriff miteinander zusammenhängende Fähigkeiten und Fertigkeiten, die notwendig sind, um grundlegenden Handlungsanforderungen, denen Schülerinnen und Schüler in einem Lernbereich (Fach, „Domäne“) ausgesetzt sind, zu genügen. Weinert (2001, S. 27f.) beschreibt somit Kompetenzen als „… die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“. Dies bedeutet, dass Kompetenz eine Voraussetzung darstellt, die dazu befähigt, variable Anforderungssituationen in einem bestimmten Lern- oder Handlungsbereich erfolgreich zu bewältigen. Sie ist auch Ansatzpunkt für Interventionen (z. B. van der Aalsvoort, 2003). Auf einem solchen Grundzusammenhang, der die Basis für eine charakteristische Beschreibungsdimension abgibt, können Kompetenzstufen definiert werden. Unterschiedliche Kompetenzstufen stellen dann unterschiedliche Schwierigkeitsgrade in Bezug auf diese Beschreibungsdimension dar. Das ist die Konzeption von Kompetenzstufen wie sie sich etwa in der TIMSS-Studie (Baumert, Bos & Lehmann, 2000 a, b) und der PISA-Studie (Baumert et al., 2001) findet. Beispielsweise wurden im Rahmen der TIMSS-Studie vier Kompetenzstufen für die Mathematikleistung definiert. Dazu wurde zuerst eine Beschreibungsdimension so konstruiert, dass ein Mittelwert von 500 und eine Standardabweichung von 100 die Verteilung der Beobachtungen charakterisieren. Danach wurden vier Stufen inhaltlich festgelegt: (1) alltagsnahes Schlussfolgern, (2) sichere Anwendung von einfachen mathematischen Routinen, (3) mathematisches Modellieren und (4) mathematisches Modellieren und Argumentieren. Diesen Stufen wurden schließlich auf der Basis empirischer Erfahrungen Punktewerte auf der Beschreibungsdimension zugewiesen. Die Zuordnung eines Schülers zu einer bestimmten Kompetenzstufe bedeutet, dass der Schüler eine bestimmte Teilmenge von Aufgaben, welche die Anforderung der entsprechenden Kompetenzstufe repräsentiert, mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit lösen kann. Auch die von Piaget (1952) gefundene stadienabhängige Stufenfolge bei der kognitiven Entwicklung lässt sich als Folge von Kompe- 68 Karl Schweizer, Eckard Klieme tenzstufen auffassen. Diese Stufenfolge umfasst das sensumotorische Stadium, das präoperative Stadium, das Stadium der konkreten Operationen und das Stadium der formalen Operationen. Gemeinsam ist den Stufenfolgen nach TIMSS, PISA und Piaget, dass sie aufeinander aufbauen. Eine Zwischenstufe kann nicht einfach übersprungen werden. Da sowohl bei den TIMSS-Stufen als auch den PISA-Stufen von einer zugrundeliegenden Beschreibungsdimension ausgegangen wird, kann hier auch die Annahme einer kontinuierlichen Veränderung gemacht werden. Weiterhin darf festgehalten werden, dass von zumindest zwei Konzeptionen für Kompetenzstufen auszugehen ist. Die eine Konzeption basiert auf der Annahme einer treppenförmigen Stufenfolge und die andere auf der Annahme einer eher kontinuierlichen Veränderung. Kooperation als Kompetenz Kompetenzen sind nicht nur in Bezug auf Schüler ein Thema; Kompetenzen sollen auch das unterrichtliche Handeln von Lehrern bestimmen (Bromme, 1997). Die Kompetenzen, die von Lehrern erwartet werden, reichen von der Organisation und Aufrechterhaltung des Unterrichts bis zur Diagnostik. Es sind jedoch nicht nur die Interaktionen mit Schülern, die den Alltag eines Lehrers bestimmen, sondern auch die Interaktionen mit den anderen Mitgliedern des Kollegiums einer Schule. Es gibt eine Vielfalt von Möglichkeiten der Kooperation zwischen Lehrern (Seto & Ishikuma, 2002). Von Interesse ist insbesondere die Kooperation bei den verschiedensten Aktivitäten, welche die Unterrichtung der Schüler begleiten. Auch die Kooperation kann aus der Perspektive des einzelnen Lehrers als Kompetenz aufgefasst werden, obwohl natürlich eingeschränkt werden muss, dass die Möglichkeiten der Kooperation durch den jeweiligen Rahmen mehr oder weniger stark eingeschränkt sein können. Dies ist zwar kein Bereich, in dem bereits passende Standards vorliegen, wie in Bezug auf die diagnostische Kompetenz (Arnold, 1999); aber es gibt Anfänge. Einen solchen Anfang bietet die Arbeit von Steinert und Klieme (2003) in Bezug auf die Kooperation bei Lehrern. Sie unterscheiden vier verschiedene Stufen der Kooperation: Stufe 1 - Differenzierung, Stufe 2 - Koordination, Stufe 3 - Interaktion, Stufe 4 - Integration. Für die Differenzierung stehen Aktivitäten, die sich auf fachspezifische Zusammenarbeit und das Zusammenwirken innerhalb der Jahrgangsstufen beschränken. Die Stufe der Kooperation steht für Teamarbeit und Austausch im Kollegium. Zusammenarbeit über Fächer und Jahrgangsstufen hinweg kennzeichnet die Stufe der Interaktion. Die höchste Stufe ist erreicht, wenn die Zusammenarbeit über den Unterricht hinausgeht und auch gegenseitige Unterrichtsbesuche möglich sind. Diese Stufen waren das Ergebnis einer Studie zur Lehrerkooperation in Schulen. Das Datenmaterial bildeten 93 Schulen in Hessen, deren Kollegien zur Lehrerkooperation befragt worden waren. Die Daten wurden auf der Lehrerebene erhoben und sind durch Mittelung auf die Schulebene transformiert worden. Die Lehrerkooperation war in dieser Befragung durch 23 Aussagen repräsentiert. Auf diese Stufen wird im Weiteren Bezug genommen. Was bietet das Latent-Growth-Curve-Modell für die Analyse von Kompetenzstufen? Die Beurteilung der empirischen Eigenschaften von Kompetenzstufen erfordert eine Methode, welche die zentralen Annahmen der Konzeption, die den Kompetenzstufen zugrunde liegen, adäquat repräsentiert. Um ein adäquates Ergebnis der Beurteilung gewährleisten zu können, muss eine Abstimmung der Methode auf diese Konzeption erfolgen. Mit dem Latent-Growth-Curve-Modell wird in dieser Arbeit eine Methode für die Analyse von Kompetenzstufen vorgestellt, die eine gesamtheitliche und theoriegeleitete Überprüfung der Konzeption ermöglicht. Im Weiteren soll zunächst einmal gezeigt werden, dass es formal betrachtet bei der Analyse von Kompetenzstufen um die Bearbeitung des gleichen Kompetenzstufen der Lehrerkooperation 69 methodischen Problems geht wie bei der Analyse von zeitkontingenten Veränderungen, welche mit dem Latent-Growth-Curve-Modell untersucht werden, so dass die Struktur des Modells übernommen werden kann. Das Latent-Growth-Curve-Modell ist aus Untersuchungen zu langfristigen Entwicklungsverläufen hervorgegangen (Hertzog & Nesselroade, 2003; McArdle & Nesselroade, 2003). Grundlegende Beiträge zur Anwendung faktorenanalytischer Methoden mit dem Ziel der Untersuchung solcher Verläufe, also von Mittelwertsveränderungen im Kontext individueller Unterschiede, stammen von Rao (1958) und Tucker (1958). Diese Methoden sollen Aufschluss über die Erhaltung bzw. Veränderung der Beziehungen zwischen Variablen über die Zeit geben. Die eigentliche Einbettung in die Methodik der Analyse von Kovarianzstrukturen erfolgte durch McArdle (1988) sowie McArdle und Epstein (1987). Diese Einbettung hat zu dem Latent-Growth- Curve-Modell geführt, das derzeit zur Untersuchung von Entwicklungsverläufen in den unterschiedlichsten inhaltlichen Kontexten eingesetzt wird. Darstellungen der mathematischen Grundlagen solcher Modelle finden sich bei Meredith und Tisak (1990), Tisak und Meredith (1990). Welche Merkmale weist das Latent-Growth-Curve-Modell auf? Das Latent-Growth-Curve-Modell wurde zur Untersuchung von kontinuierlichen Veränderungen entwickelt. Ein solches Modell ist aus der übergeordneten Perspektive der Strukturgleichungsmodelle (Bollen, 1989) ein besonders elaboriertes Messmodell mit allerdings nur latenten Variablen erster Ordnung im Vergleich zu hierarchischen Modellen, die auch latente Variablen höherer Ordnung zulassen (vgl. Schweizer, Moosbrugger & Schermelleh-Engel, 2003). D. h., erwünscht ist, dass die latenten Variablen erster Ordnung unabhängig voneinander sind. Das allgemeine Messmodell führt die Messung auf einen latenten wahren Anteil und einen Fehleranteil zurück: Y = Λ η + ε wobei Y für den (p x 1)-Vektor der Beobachtungsvariablen steht, Λ für die (p x q)-Matrix der Ladungen der p Beobachtungsvariablen auf den q latenten Variablen, η und ε für den (p x 1)-Vektor der Fehlervariablen. Ein Vektor steht für eine Spalte mit p Einträgen und eine Matrix für ein Feld mit p Zeilen und q Spalten für Einträge. In der Mehrzahl der Fälle wird die einzelne Messung auf den Beitrag einer einzigen latenten Variablen und einer Fehlervariablen zurückgeführt. Beispielsweise wird angenommen, dass ein bestimmter Messwert (oder eine Beobachtung) kooperativen Verhaltens durch die kooperative Kompetenz der beobachteten Person und einen Fehlereinfluss zustande gekommen ist. Genau in diesem Punkt unterscheidet sich das Latent-Growth- Curve-Modell von der Mehrzahl der sonstigen Messmodelle. Bei diesem speziellen Modell wird jede Messung auf die Beiträge von mindestens zwei latenten Variablen zurückgeführt. Bei zwei latenten Variablen steht die eine für die Annahme der Konstanz und die andere für die Annahme eines linearen Wachstums. Bezogen auf das Beispiel repräsentiert die eine Variable die Basiskompetenz und die andere den (linearen) Zuwachs bedingt durch Ausbildung, Training etc., die zu weiteren Kompetenzstufen führen. In Bezug auf die Beobachtungsvariable Y i bedeutet dies, dass Y i = λ i, Konstante η Konstante + λ i, lineare Komponente η lineare Komponente + ε i wobei die lineare Komponente für das lineare Wachstum steht. Wenn ein nicht-lineares Wachstum vermutet wird, muss das Messmodell um weitere latente Variablen erweitert werden. Auf diese Weise kann durch ein Polynom fast jeder Kurvenverlauf modelliert werden. Zunächst soll allerdings nur der einfachste Fall mit nur einer Konstanten und einer linearen Komponente betrachtet werden. Ein weiteres Merkmal, worin sich das Latent- Growth-Curve-Modell von der Mehrzahl der 70 Karl Schweizer, Eckard Klieme Messmodelle unterscheidet, ist die Verkoppelung der Beiträge der latenten Variablen untereinander. D. h., es wird eine vergleichbare Zusammensetzung der inhaltlichen Variablen angenommen. In diesem Sinne sollte die Konstante unabhängig von der Position in einer Beobachtungsreihe zur Messung beitragen. Das bedeutet, dass für die Positionen i und i + 1 gelten sollte: λ i , Konstante η Konstante = λ i + 1, Konstante η Konstante · Weiterhin sollte die lineare Komponente einen positionsabhängigen Wert annehmen. Wird ein Anstieg erwartet, dann sollte es jeweils ein c > 1 geben, so dass λ i + 1, lineare Komponente η lineare Komponente c = · λ i, lineare Komponente η lineare Komponente Durch diese Modellrestriktionen wird zweierlei erreicht: (1) Es wird die Voraussetzung für die Abgrenzung zwischen den Varianzanteilen geschaffen, die auf die Konstante und auf den linearen Anstieg zurückgeführt werden können. (2) Die Anzahl der Parameter, die geschätzt werden müssen, wird beträchtlich verringert. Ohne diese Verringerung der Anzahl an Parametern könnte eine eindeutige Lösung nicht gefunden werden, da pro Beobachtungsvariable mehrere Parameter geschätzt werden müssten. Üblicherweise werden für ein Latent-Growth- Curve-Modell charakteristische Festlegungen getroffen. Die Ladungen der Konstanten werden auf Eins festgelegt, während die Ladungen für den linearen Anstieg ausgehend von Null mit jedem Veränderungsschritt um den Wert Eins erhöht werden. Dies ist in der Abbildung 1 dargestellt. Die Pfeile, welche die mit „Konstante“ bezeichnete Ellipse mit den vier Rechtecken, die für die Beobachtungsvariablen zu den Zeitpunkten t 0 , t 1 , t 2 und t 3 stehen, verbinden, tragen alle „1“ als Label. Damit werden die für die Konstante charakteristischen Festlegungen ausgedrückt. Im Vergleich dazu weisen die Pfeile, welche die mit „lineare Komponente“ bezeichnete Ellipse mit den vier Rechtecken, die für die Beobachtungsvariablen stehen, verbinden, unterschiedliche Zahlen als Label auf. Die Zahlen „0“, „1“, „2“ und „3“ bilden die charakteristischen Festlegungen der linearen Komponente, die üblicherweise für den linearen Trend gewählt werden. Weiterhin soll auf die Pfeile, die auf die Ellipsen zeigen, eingegangen werden. Die Pfeile mit dem geraden Schaft stehen für die ζ s, welche für die nicht durch das Modell erklärten Anteile an den latenten Variablen stehen. Außerdem finden sich in Klammern die ϕ s, die für die Varianzen der latenten Variablen stehen und für die Beurteilung des Modells besonders wichtig sind. Insbesondere die Parameterschätzungen für die ϕ s sind für die Untersuchung der Adäquatheit von Kompetenzstufen wichtig, weil Schätzungen für die Ladungen der latenten Variablen entfallen, so dass die Varianz über die Bedeutsamkeit der zugeordneten latenten Variablen Auskunft geben muss. Das Ergebnis dieser Varianzschätzung gibt an, wie groß die Varianz der latenten Variablen unter der Annahme der vorgegebenen Festlegungen ist. Mit der Varianz wird gleichzeitig ein t-Wert ausgegeben, der anzeigt, ob sich diese Varianz statistisch bedeutsam von Null unterscheidet. Wenn die Daten einen linearen Trend aufweisen, sollte das ϕ zur linearen Komponenten das Signifikanzniveau erreichen. Im Vergleich dazu ist Signifikanz des ϕ der Konstanten gewöhnlich nicht bedeutsam. Ist der Kurvenverlauf nicht-linear und müssen weitere latente Variablen berücksichtigt werden, so müssen auch die weiteren ϕ s überprüft werden. Bei der Interpretation der Ergebnisse müssen die Abhängigkeiten zwischen den latenten Variablen beachtet werden. Abhängigkeit zeigt an, dass eine Abgrenzung zwischen den latenten Variablen nicht gegeben ist. Im Falle einer Abhängigkeit zwischen der Konstanten und der linearen Komponente bedeutet dies, dass die Schätzung für die Varianz der Konstanten auch Varianz bedingt durch die lineare Komponente beinhaltet und umgekehrt Kompetenzstufen der Lehrerkooperation 71 Abbildung 1: Latent-Growth-Curve-Modell mit zwei latenten Variablen und vier Zeitpunkten Abbildung 2: Ausschnitt aus einem Kompetenzstufenmodell mit zwei latenten Variablen und vier manifesten Variablen 72 Karl Schweizer, Eckard Klieme die Schätzung für die Varianz der linearen Komponente auch Varianz bedingt durch die Konstante enthält. Ob eine solche Abhängigkeit vorliegt, kann anhand der Korrelation zwischen den latenten Variablen, die in der Abbildung durch einen Doppelpfeil angezeigt wird, eingeschätzt werden. Falls eine solche unerwünschte Abhängigkeit besteht, kann versucht werden, Unabhängigkeit zwischen den Vektoren mit den charakteristischen Festlegungen der Ladungen anhand der Methode von Gram-Schmidt herbeizuführen. Die Darstellung des Latent-Growth-Curve- Modells legt nahe, dass dieses Modell sich für die Untersuchung der Veränderung einer (oder mehrerer) inhaltlicher Variablen (y) in Abhängigkeit von der Zeit als formaler Variablen (x) eignet. Sowohl die Zeit als auch die inhaltliche(n) Variable(n) sind kontinuierliche Variablen. Im einfachsten Fall schlägt sich die Abhängigkeit in einem linearen Anstieg nieder. Das Latent-Growth-Curve-Modell als Kompetenzstufenmodell? Die Anpassung des Latent-Growth-Curve- Modells an die Erfordernisse von Kompetenzstufen macht die Ersetzung der Zeitpunkte als formale Variable (x) durch die Stufung der Kompetenz notwendig. Im Latent-Growth- Curve-Modell sind den einzelnen Zeitpunkten unterschiedliche Ausprägungen der gleichen inhaltlichen Variablen zugeordnet. Bei der Anpassung von Kompetenzstufen an dieses Modell muss die inhaltliche Gleichheit dieser Variablen allerdings aufgegeben werden. Stattdessen muss jeder Kompetenzstufe diejenige inhaltliche Variable oder müssen diejenigen inhaltlichen Variablen zugeordnet werden, welche die entsprechende Kompetenzstufe charakterisieren. Im einfachsten Fall ist das jeweils nur eine Testaufgabe. Eine grafische Darstellung für einen Ausschnitt aus einem solchen Kompetenzstufenmodell findet sich in der Abbildung 2. Diese Abbildung macht deutlich, dass dennoch die Struktur vollständig beibehalten werden kann. Verändert wurden nur die Charakterisierungen der manifesten, durch Rechtecke dargestellten Variablen. Außerdem wurden die Nummern der Fehleranteile an die Nummerierung der Kompetenzstufen angepasst. Mit diesem Kompetenzstufenmodell können formal betrachtet die gleichen Untersuchungen vorgenommen werden wie mit dem Latent-Growth-Curve-Modell. Es kann überprüft werden, ob tatsächlich ein erwarteter linearer Anstieg vorliegt, indem die Varianz der latenten Variablen zur linearen Komponenten statistisch überprüft wird. Dabei bedeutet Linearität, dass die Zunahme von Stufe zu Stufe gleich ist. Außerdem kann dieses Grundmodell so erweitert werden, dass auch nichtlineare Kurvenverläufe untersucht werden können. Die disjunktive und die überlappende Konzeption Weiterhin ist die Unterscheidung zwischen zwei Arten von Konzeptionen für Kompetenzstufen bedeutsam. Die derzeit bekannteste Konzeption ist die der disjunktiven Kompetenzstufen. Diese Konzeption zeichnet sich dadurch aus, dass sich die Kompetenzstufen auf unterschiedliche, nicht-überlappende Abschnitte der Beschreibungsdimension beschränken. Die einzelnen Aufgaben zu den Kompetenzstufen nehmen auf der Beschreibungsdimension zwar unterschiedliche Positionen ein, sind aber in der unmittelbaren Nachbarschaft voneinander angeordnet. Dieser Sachverhalt ist in der Abbildung 3 auf der linken Seite grafisch dargestellt. Die senkrechte Linie steht für die Beschreibungsdimension und die waagerechten kurzen Linien für die Positionen der Aufgaben auf dieser Beschreibungsdimension. Die Linien zu den drei Kompetenzstufen unterscheiden sich durch ihre Länge voneinander. Außerdem zeigt eine Klammer an, welche Linien zu einer Kompetenzstufe gehören. Beispiele für solche disjunktive Kompetenzstufen finden sich in der TIMSS-Studie und in der PISA-Studie. Disjunktive Kompetenzstufen weisen eine einfache und klare Strukturierung auf, die sich Kompetenzstufen der Lehrerkooperation 73 in der Realität allerdings nur selten findet. Wenn man beispielsweise den Erwerb der Grundrechenarten betrachtet, kann man leicht feststellen, dass ein exakter sukzessiver Erwerb gewöhnlich nicht gegeben ist. Obwohl bereits komplexere Grundrechenarten rudimentär beherrscht werden, können in Bezug auf die einfacheren Grundrechenarten noch Fehler beobachtet werden. So können manche Schüler und Schülerinnen ganz einfache Subtraktionsaufgaben bereits lösen, während sie an schweren Additionsaufgaben mit mehrstelligen Zahlen noch scheitern. In vielen Fällen kommt die Konzeption der überlappenden Kompetenzstufen der Realität näher als die disjunktive Konzeption. Sie ist auf der rechten Seite der Abbildung 3 dargestellt. Diese Konzeption geht davon aus, dass es Überlappungsbereiche zwischen den Kompetenzstufen gibt. An den Rändern der Kompetenzstufen vermischen sich die Aufgaben. Das macht in der Abbildung der unsystematische Wechsel zwischen den Linien ungleicher Länge deutlich. Darüber hinaus muss es allerdings klare gesamtheitliche Unterschiede zwischen den Kompetenzstufen geben, da ansonsten die Unterscheidung von Stufen keinen Sinn macht. Entsprechend besteht die Gemeinsamkeit der beiden Konzeptionen darin, dass die charakteristischen Positionen der Kompetenzstufen auf der Beschreibungsdimension unterschiedlich sind. Als charakteristische Positionen können die durchschnittlichen Positionen auf der Beschreibungsdimension verstanden werden. Die charakteristischen Positionen der Kompetenzstufen müssen sich voneinander unterscheiden. Andernfalls erübrigt es sich, zwischen Kompetenzstufen zu unterscheiden. Ein empirisches Beispiel Als Anwendungsbeispiel wird die bereits erwähnte Studie zur Lehrerkooperation in Schulen (Steinert & Klieme, 2003) genutzt. Die 23 Aussagen zur Lehrerkooperation wurden vier Kompetenzstufen zugeordnet: Differenzierung - 6 Aussagen, Koordination - 4 Aussagen, Interaktion - 8 Aussagen, Integration - 5 Aussagen. Nach dem Schwierigkeitsgrad der Aussagen handelte es sich um disjunktive Stufen, die von 71.3, 26.6, 10.7 und 2.4 Prozent der Lehrer in entsprechender Reihenfolge bewältigt wurden. Dieses Konzept von vier Kompetenzstufen für Lehrerkooperation bietet die Möglichkeit für die Anwendung des Kompetenzstufenmodells. Diese Anwendung stellt in idealer Weise eine theoriegeleitete Überprüfung von Kompetenzstufen dar. Es wird von vorgegebenen, aus Theoriearbeit hervorgegangenen oder auf vielen empirischen Erfahrungen beruhenden Kompetenzstufen ausgegangen, deren Angemessenheit anhand von Daten überprüft werden soll. Im vorgegebenen Fall wurde allerdings abweichend vom Ideal zum Zweck der Demonstration eine empirisch gefundene Unterscheidung von Kompetenzstufen analysiert. Für das vorgegebene Konzept von vier Kompetenzstufen für Lehrerkooperation wurde das Abbildung 3: Das disjunktive Modell und das Überlappungsmodell für Kompetenzstufen 74 Karl Schweizer, Eckard Klieme folgende Modell konzipiert: (1) Die Anzahl der Kompetenzstufen beträgt 4. (2) Die Anzahl der latenten Variablen beträgt 2, da neben der Konstanten eine lineare Komponente berücksichtigt werden soll. (3) Pro Kompetenzstufe werden zwei Scores gebildet, um den Schritt von der manifesten Ebene zur latenten Ebene vollziehen zu können. Dabei wird darauf geachtet, dass in Bezug auf die durchschnittliche Schwierigkeit der Aussagen ein möglichst hoher Homogenitätsgrad erzielt wird. Die Matrix der Ladungen L ist folgendermaßen definiert: 1 0 1 0 1 1 Λ = 1 1 1 2 1 2 1 3 1 3 Das so konzipierte Modell ist zusammen mit den Schätzungen für die Varianzen der latenten Variablen, der Korrelation der latenten Variablen und den Fehleranteilen in der Abbildung 4 dargestellt. In diesem Modell wird der Pfeil zur „0“ der Einfachheit wegen weggelassen. Die Anpassung dieses Modells an die Daten ist akzeptabel bis gut: Der Chi-Quadrat-Wert beträgt 32.24 bei 25 Freiheitsgraden, die Irrtumswahrscheinlichkeit .15 und die Abweichung der Reproduktion vom Original (RMSEA) .056. An den Pfeilen, die zu den latenten Variablen führen, sind die Varianzen ( ϕ s) abgetragen. Sowohl die Varianz der Konstanten als auch die Varianz der linearen Komponenten, worauf es besonders ankommt, erreichen das Signifikanzniveau: Konstante - .57 (t = 5.11), lineare Komponente - .10 (t = 4.62). Darüber hinaus muss allerdings festgestellt werden, dass keine perfekte Trennungen der beiden Arten von Varianzen vorliegt, denn die Korrelation ist mit -.13 signifikant. Um den Modellfit zu optimieren, wurde zusätzlich eine quadratische Komponente, die für den quadratischen Anstieg steht, in das Modell eingeführt. D. h., eine zusätzliche latente Variable wird in das Modell eingefügt, und die Matrix der Ladungen L wird folgendermaßen neu definiert: 1 0 0 1 0 0 1 1 1 Λ = 1 1 1 1 2 4 1 2 4 1 3 9 1 3 9 Durch diese Maßnahme hat sich die Anpassung dieses Modells an die Daten deutlich verbessert: Der Chi-Quadrat-Wert beträgt nun 17.19 bei 22 Freiheitsgraden, die Irrtumswahrscheinlichkeit .75 und der RMSEA .000. Sowohl die Varianz der Konstanten als auch die Varianzen der linearen und quadratischen Komponenten, worauf es besonders ankommt, erreichten das Signifikanzniveau: Konstante - .52 (t = 4.52), lineare Komponente - .40 (t = 2.73), quadratische Komponente - .03 (t = 2.43). Offensichtlich bringt die quadratische Komponente zwar eine deutliche Verbesserung des Modellfits; die dadurch aufgeklärte Varianz ist jedoch recht gering. Darüber hinaus muss auch für dieses modifizierte Modell festgestellt werden, dass keine ganz perfekte Trennung der Arten von Varianz vorliegt: Die Konstante und die lineare Komponente korrelieren zu -.10, die Konstante und die quadratische Komponente zu -.01 und die lineare und quadratische Komponente zu -.10. D. h., es ist weder sicher, dass die Varianz der Konstanten wirklich .52 beträgt, noch dass die Varianz der linearen Komponenten .40 bzw. die Varianz der linearen Komponenten .40 und die Varianz der quadratischen Komponenten .03 beträgt. Insbesondere wegen der unerwünschten Korrelationen zwischen den latenten Variablen wurde schließlich noch ein Modell mit einer Orthogonalisierung gebildet. In diesem Fall wird dafür gesorgt, dass die latenten Variablen bzw. die entsprechenden Vektoren unabhängig voneinander sind. Orthogonalisiert wird auf der Ebene der Ladungen unter Anwendung der Gram-Schmidt-Methode. Bei zwei (p x 1)- Kompetenzstufen der Lehrerkooperation 75 Abbildung 4: Kompetenzstufenmodell zur Lehrerkooperation mit zwei latenten Variablen, vier Abstufungen und zwei Scores pro Abstufung - ein Beispiel Abbildung 5: Orthogonalisiertes Kompetenzstufenmodell zur Lehrerkooperation mit zwei latenten Variablen, vier Abstufungen und zwei Scores pro Abstufung - ein Beispiel 76 Karl Schweizer, Eckard Klieme Vektoren X und Y sieht diese Methode vor, dass ein Koeffizient c so bestimmt wird, dass gilt 0 = X ′ x (Y - cX) = X ′ x Y* wobei Y* der in Bezug auf X orthogonalisierte Vektor ist. Wegen der Orthogonalisierung muss die Matrix der Ladungen Λ neu definiert werden: 1 -1.5 1 -1.5 1 -.5 Λ = 1 -.5 1 .5 1 .5 1 1.5 1 1.5 In allen übrigen Bestandteilen stimmt dieses orthogonalisierte Modell mit dem ursprünglichen Modell mit zwei latenten Variablen überein. Die Ergebnisse zu diesem Modell sind in die Abbildung 5 eingegangen. Die Anpassung dieses Modells an die Daten ist akzeptabel bis gut: Der Chi-Quadrat-Wert beträgt 32.26 bei 25 Freiheitsgraden, die Irrtumswahrscheinlichkeit .15 und der RMSEA .056. Wiederum können an den Pfeilen, die zu den latenten Variablen führen, die Varianzen ( ϕ s) abgelesen werden. Sowohl die Varianz der Konstanten als auch die der linearen Komponenten, worauf es besonders ankommt, erreichten das Signifikanzniveau: Konstante - .41 (t = 5.94), lineare Komponente - .10 (t = 4.64). Offensichtlich hat die Orthogonalisierung nur zu einer Verminderung der Varianz der Konstanten geführt. Weiterhin kann festgestellt werden, dass die Orthogonalisierung erwartungsgemäß zu einer weitgehenden Trennung der beiden latenten Variablen führte. Die Korrelation ist mit .04 marginal und erreichte nicht mehr das Signifikanzniveau. Weiterhin kann an den ε -Werten abgelesen werden, dass die Trennung zwischen den Stufen nicht perfekt ist. Diese Werte variieren zwischen .35 und .58. Diese Werte zeigen zwar an, dass ein beträchtlicher Anteil an der Varianz der Daten durch das Modell erklärt wird; sie machen jedoch auch deutlich, dass die Stufen des Modells keine treppenförmige Stufenfolge sind. Angenommen, es werden jeweils die Aufgaben der entsprechenden Kompetenzstufe bewältigt sowie die Aufgaben aller darunter liegenden Kompetenzstufen, aber keine Aufgabe aller darüber liegenden Kompetenzstufen, dann sollten die ε -Werte gegen Null gehen, was hier aber nicht der Fall ist. Zusammenfassend kann daher festgehalten werden, dass die Untersuchung der Kompetenzstufen gezeigt hat, dass für die untersuchte Zuordnung der Aussagen zu Kompetenzstufen der erwartete lineare Anstieg festgestellt werden konnte. Dieses Ergebnis wurde sowohl im Rahmen der Orthogonalisierung als auch bei der Berücksichtigung eines quadratischen Trends bestätigt. Der quadratische Trend erscheint allerdings im Vergleich zum linearen vernachlässigbar. Es wurde also festgestellt, (a) dass die Stufen der Lehrerkooperation auf einer zugrundeliegenden Dimension angeordnet waren (d. h. sich aufeinander beziehen), (b) dass sich die Stufen voneinander unterscheiden und (c) dass der Zuwachs von Stufe zu Stufe immer den gleichen Betrag aufwies. Eine Kontrollstudie Im letzten Teil dieser Arbeit soll der Frage nachgegangen werden, inwieweit sich die vorgegebene Konfiguration der Stufen von anderen Konfigurationen unterscheidet. Es soll also darum gehen, ob andere Konfigurationen der Stufen ebenso wie die originale Konfiguration zu einer Bestätigung führen. Um diese Frage zu beantworten, wurden die beiden Scores zu jeder Kompetenzstufe mit den anderen Scorepaaren systematisch vertauscht. Der Rest des orthogonalisierten Modells blieb konstant. Die Ergebnisse für diese alternativen Modelle sind in der Tabelle 1 zusammengefasst. In dieser Tabelle findet sich auf der linken Seite die jeweilige Konfiguration der Stufen. Es folgen die Fit-Informationen (Chi-Quadrat-Wert, Freiheitsgrade, Irrtumswahrscheinlichkeit, RMSEA) und die Informationen zu den Kompetenzstufen (Varianzen der Konstanten und der linearen Komponenten, Korre- Kompetenzstufen der Lehrerkooperation 77 lation). Die positiven Gesamtergebnisse wurden der besseren Übersichtlichkeit wegen fett gedruckt. Die Inspektion der Fit-Informationen macht deutlich, dass nur zwei Konfigurationen einen ausreichenden Grad an Übereinstimmung mit den Daten aufwiesen. Es handelt sich um die Konfigurationen 1 2 3 4 und 4 3 2 1. In diesen beiden Fällen konnten sogar exakt die gleichen Ergebnisse festgestellt werden. In allen anderen Fällen wird eine in jeder Beziehung sehr schlechte Übereinstimmung von Modell und Daten angezeigt. Weiterhin kann festgestellt werden, dass alle Stufenfolgen zu einer signifikant von Null verschiedenen Varianz der Konstanten führen, während für die lineare Komponente nur in 18 von 24 Fällen das Signifikanzniveau erreicht wurde. Interessanterweise wurde die größte Varianz (.10) für die Konfigurationen 1 2 3 4 und 4 3 2 1 gefunden. Auffällig ist auch, dass trotz der Orthogonalisierung in 7 von 24 Fällen eine signifikante Korrelation zwischen den latenten Variablen gefunden wurde. Keine der Korrelationen überstieg allerdings den Wert .06. Diese Befunde der Kontrollstudie sind eine eindrucksvolle Demonstration des Nutzens des Latent-Growth-Curve-Modells als Kom- Tabelle 1: Ergebnisse der systematischen Variation der Zuordnung der Kompetenzstufen zur Lehrerkooperation (* p < .05) Stufenfolge 2 df p RMSEA Konstante lineareKomponente r 1 2 3 4 32.26 25 .15 .056 .41* .10* .04 (originale Abfolge) 4 1 2 3 103.29 25 .00 .184 .41* .01 .05* 2 1 4 3 61.32 25 .00 .126 .42* .07* .02 4 2 1 3 101.93 25 .00 .183 .41* .01 .03 1 4 2 3 86.74 25 .00 .164 .41* .05* .03 2 4 1 3 101.93 25 .00 .183 .40* -.01 -.03 3 2 4 1 97.88 25 .00 .178 .37* .03* -.05* 4 3 2 1 32.26 25 .15 .056 .40* .10* -.00 2 3 4 1 97.88 25 .00 .178 .37* .03* -.05* 4 2 3 1 86.74 25 .00 .164 .39* .05* -.01 3 4 2 1 61.35 25 .00 .126 .40* .07* -.03 2 4 3 1 103.29 25 .00 .184 .41* .01 .05* 1 3 4 2 98.22 25 .00 .178 .42* -.02* .02 4 1 3 2 106.12 25 .00 .188 .42* .03* .03 3 1 4 2 104.25 25 .00 .186 .39* -.02* -.02 4 3 1 2 61.32 25 .00 .126 .42* .07* .00 1 4 3 2 97.88 25 .00 .178 .41* .03* .06* 3 4 1 2 91.53 25 .00 .170 .41* .02* -.02 1 2 3 4 61.35 25 .00 .126 .42* .07* .05* 3 1 2 4 101.93 25 .00 .183 .40* -.01 -.03 2 1 3 4 61.32 25 .00 .126 .42* .07* .02 3 2 1 4 103.29 25 .00 .184 .38* .01 -.05* 1 3 2 4 86.74 25 .00 .164 .41* .05* .03 2 3 1 4 106.12 25 .00 .188 .41* .03* -.02 78 Karl Schweizer, Eckard Klieme petenzstufenmodell. In jedem Fall, in dem durch eine Umordnung der Stufen die vorgegebene Konzeption der Kompetenzstufen verletzt wurde, hatte sich eine Zurückweisung des Modells durch die Daten ergeben. Die Zurückweisung war allerdings primär auf der Basis von Fit-Informationen erfolgt und nicht - wie ursprünglich erwartet - aufgrund von Informationen zum linearen Anstieg. Es kann vermutet werden, dass in vielen Fällen durch die Umordnung der Stufen keine vollständige Nivellierung des allgemeinen Verlaufs der Kurve bewirkt wird. Es verbleibt ein geringer Anstieg der Kurve, der dazu führt, dass das Signifikanzniveau erreicht wird, obwohl es sich um einen vergleichsweise recht geringen Varianzanteil handelt, der erklärt wird. Dies bedeutet, dass neben den Informationen zur linearen Komponente bei der Bewertung des Modells auch die Fit-Informationen beachtet werden müssen. Diskussion Die Anwendung des Kompetenzstufenmodells auf die Daten zur Lehrerkooperation hat das Potenzial dieser Methode für die Analyse von Kompetenzstufendaten in mehrerlei Hinsicht verdeutlicht. Als erstes hat die konkrete Anwendung gezeigt, dass das Modell als Ganzes die Daten erklären kann. Die Stufen des Modells konnten auf die gemeinsamen Dimensionen, die für die Lehrerkooperation stehen, zurückgeführt werden. Dieses Ergebnis kann natürlich auch durch die konventionelle Vorgehensweise, die in der Skalierung der Aufgaben besteht, erzielt werden. Was mit der konventionellen Vorgehensweise jedoch nicht möglich ist (und oben auch nicht demonstriert wurde), ist die Gewährleistung, dass das genau gleiche Kompetenzstufenmodell auf unterschiedliche Datensätze anwendbar ist. Außerdem sind für die konventionelle Untersuchung der Stufen zusätzliche Vergleiche notwendig. Weiterhin hat die konkrete Anwendung deutlich gemacht, dass die vorgegebene Abfolge der Stufen: Differenzierung, Koordination, Interaktion, Integration, den Daten entsprach. Jede andere, außer der exakt umgekehrten Abfolge ist mit den Daten nicht vereinbar. Dabei ist zu beachten, dass es sich auch um eine aufgrund der Literaturlage entwickelte Abfolge von Stufen handeln kann. Im vorliegenden Fall wurde diese Möglichkeit zwar nicht genutzt; sie ist jedoch ein wesentlicher Vorteil gegenüber explorativen Methoden wie der Skalierung. Die Anwendung der Skalierung führt zu Aufgabenschwierigkeiten, anhand derer am Ende, ohne dass ein Standardverfahren zur Verfügung steht, nur überlegt werden kann, ob sie nun den Modellvorstellungen entsprechen oder ob das nicht der Fall ist. Durch die konkrete Anwendung konnte Information zum Verhältnis der Kompetenzstufen untereinander gewonnen werden. Die Beobachtung einer linearen Komponente hat deutlich gemacht, dass die Stufen der Lehrerkooperation nach der Einschätzung der Lehrer immer um den gleichen Betrag anstiegen. Ein solcher Anstieg macht deutlich, dass eine sinnvolle Einteilung in Stufen gefunden wurde. D. h., es treten keine besonderen Schwierigkeiten beim Übergang von einer der Stufen zur nächsthöheren Stufe auf. Der besondere Vorteil des Kompetenzstufenmodells besteht in dieser Hinsicht darin, dass auch andere Arten der Veränderung leicht identifiziert werden können. Dazu müssen nur die entsprechenden Polynome gebildet und in die Ladungsmatrix eingesetzt werden. Die konventionelle Vorgehensweise sieht keine entsprechende Möglichkeit vor. Schließlich kann noch zu der Frage, ob es sich um eine treppenförmige Stufenfolge oder eher um eine Stufenfolge mit kontinuierlichen Übergängen handelt, Stellung genommen werden. Die Ergebnisse weisen auf kontinuierliche Übergänge zwischen den Stufen hin. Die Stufen der Lehrerkooperation schließen sich aneinander an. D. h. beispielsweise, dass bei einer Person, die sich im Sinne der Interaktionsstufe verhält, mit großer Wahrscheinlichkeit auch Verhalten im Sinne der Koordi- Kompetenzstufen der Lehrerkooperation 79 nationsstufe beobachtet werden kann, aber mit einer nur geringen Wahrscheinlichkeit Verhalten im Sinne der Integrationsstufe. Um zu einer festen Zuordnung von Personen zu Stufen zu gelangen, ist eine zusätzliche Festlegung notwendig. Es muss bestimmt werden, welche Wahrscheinlichkeit für die Zustimmung zu einer Aussage der entsprechenden Stufe bestehen muss. Das ist ein Vorgehen, wie es auch für konventionelle Verfahren charakteristisch ist. Abschließend ist hervorzuheben, dass das Kompetenzstufenmodell die gesamtheitliche Überprüfung von Kompetenzstufen ermöglicht. Damit kann das Problem der Unbestimmtheit des gesamtheitlichen Signifikanzniveaus bei der Durchführung vieler Einzeltests, wie sie beim konventionellen Vorgehen erforderlich sind, vermieden werden. Die Betrachtung von Einzelstufen ist in sehr viel größerem Maße der Kapitalisierung des Zufalls bedingt durch Stichprobenbesonderheiten ausgesetzt als die Gesamtbetrachtung. Deshalb besteht das methodisch adäquate Vorgehen in der gesamtheitlichen Überprüfung. Literatur Arnold, K.-H. (1999). Diagnostische Kompetenz erwerben. Wie das Beurteilen zu lernen und zu lehren ist. Pädagogik, 51, 73 - 77. Baumert, J., Bos, W. & Lehmann, R. (2000 a). TIMSS/ III: Dritte Internationale Mathematik- und Naturwissenschaftsstudie - Mathematische und naturwissenschaftliche Bildung am Ende der Schullaufbahn. Opladen: Leske + Budrich. Baumert, J., Bos, W. & Lehmann, R. (2000 b). TIMSS/ III: Untersuchungsgegenstand und Fragestellung. In J. Baumert, W. Bos & R. Lehmann (Hrsg.), TIMSS/ III, 1, (S. 19 - 30). 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