Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2006
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Reflexion in interaktiven Lernumgebungen: Können (meta)kognitive prompts und concept maps reflexive Aktivitäten optimieren?
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2006
Klaus Konrad
Im Fokus dieser Studie stehen die Effekte von prompts und concept maps, die darauf abzielen, reflexives Verhalten in Dyaden zu optimieren. Zwei Fragen stehen im Zentrum: (1) Welchen Nutzen haben concept maps und metakognitive Lernhilfen (prompts) für die Förderung reflexiver Aktivitäten? (2) Welche Bedeutung haben Aspekte der Reflexion für den Erwerb und Transfer konzeptuellen Wissens? An der Studie nahmen 104 Studierende im Alter zwischen 19 und 39 Jahren teil. Sie wurden zufällig einer von drei dyadischen Lernbedingungen zugeordnet: Freie Kooperation, Verwendung von concept maps und geleitete Befragung (prompts). Die drei Szenarien lassen unterschiedliche Effekte auf Lernen und Wissenserwerb erkennen: (a) Lernende, die concept maps verwendeten, legten besonderen Wert auf die Planung ihrer Aktivitäten. (b) Bei der Kontrollgruppe („freie Kooperation“) stand – im Unterschied zu den Experimentalgruppen – das Sinnverstehen im Zentrum. Die Ergebnisse sprechen außerdem dafür, dass metakognitives Wissen und metakognitive Kontrolle als zentrale Bestimmungsstücke des individuellen Wissenserwerbs angesehen werden können.
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Hauptsächliches Anliegen dieser Studie ist die Förderung und Analyse von Prozessen der Repräsentation, Kommunikation, Nutzung und Generierung von Wissen in Dyaden. Lernerdyaden werden als Wissensbildungsgemeinschaften („learning communities“ oder „communities of practice“) begriffen, die metakognitive Aktivitäten wie die Überwachung des eigenen Lernens, die Identifikation von Fehlern und die Entwicklung von Heuristiken zur Lösung neuer Probleme erleichtern können (Schoenbach, Greenleaf, Cziko & Hurwitz, 1999). Gegenüber größeren Gruppen weisen Dyaden den Vorteil auf, dass sie inti- The Role of Reflection in Interactive Learning Environments: Can (meta)cognitive Prompts and Graphical Representations Improve Reflective Activities? Summary: The particular focus of this paper lies on the effects of prompts and concept maps, which aim at the improvement of reflective learning in dyads. In this context, the study address two questions: (1) To what extent does concept maps and (meta)cognitive prompts foster reflective activities? (2) What evidence is there that different aspects of reflection can promote the acquisition and transfer of conceptional knowledge? 104 students at the age between 19 and 39 years took part in the study. The 52 dyads were set up and randomly assigned to one of three conditions: Free cooperation, use of concept maps and guided questionning (prompts). These scenarios demonstrated differential effects towards learning and knowledge acquisition: (a) Students in the experimental group (“concept map”) are more able to plan their learning activities in an organized fashion; (b) students in the control group (“free cooperation”) showed better conceptual understanding and deep learning than those in the experimental groups. In addition, the study illustrates that metacognitive knowledge and metacognitive control are of major importance for the acquisition of some types of knowledge. Keywords: Collaborative learning, metacognition, reflection, graphical representations Zusammenfassung: Im Fokus dieser Studie stehen die Effekte von prompts und concept maps, die darauf abzielen, reflexives Verhalten in Dyaden zu optimieren. Zwei Fragen stehen im Zentrum: (1) Welchen Nutzen haben concept maps und metakognitive Lernhilfen (prompts) für die Förderung reflexiver Aktivitäten? (2) Welche Bedeutung haben Aspekte der Reflexion für den Erwerb und Transfer konzeptuellen Wissens? An der Studie nahmen 104 Studierende im Alter zwischen 19 und 39 Jahren teil. Sie wurden zufällig einer von drei dyadischen Lernbedingungen zugeordnet: Freie Kooperation, Verwendung von concept maps und geleitete Befragung (prompts). Die drei Szenarien lassen unterschiedliche Effekte auf Lernen und Wissenserwerb erkennen: (a) Lernende, die concept maps verwendeten, legten besonderen Wert auf die Planung ihrer Aktivitäten. (b) Bei der Kontrollgruppe („freie Kooperation“) stand - im Unterschied zu den Experimentalgruppen - das Sinnverstehen im Zentrum. Die Ergebnisse sprechen außerdem dafür, dass metakognitives Wissen und metakognitive Kontrolle als zentrale Bestimmungsstücke des individuellen Wissenserwerbs angesehen werden können. Schlüsselbegriffe: Kooperatives Lernen, Reflexion, Metakognition, Grafische Repräsentationen ■ Empirische Arbeit Reflexion in interaktiven Lernumgebungen: Können (meta)kognitive prompts und concept maps reflexive Aktivitäten optimieren? Klaus Konrad Pädagogische Hochschule Weingarten Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2006, 53, 188 - 200 © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Reflexion in interaktiven Lernumgebungen 189 mer angelegt sind. Zwei Gruppenmitglieder fühlen sich weniger exponiert, können damit auch unbefangener als in einer relativ öffentlichen Gruppe mit drei, eventuell sogar fünf oder noch mehr Personen ihre Schwächen zeigen und sich in ihren Denkabläufen korrigieren lassen. Primäres Ziel der Untersuchung ist die Erhöhung der Effizienz dyadischer Lernsequenzen. Es geht um die Anregung reflexiver Lernaktivitäten, um auf diese Weise metakognitive Bewusstheit und metakognitive Kontrolle wie Planung, Überwachung und Evaluation zu unterstützen. Das Erkenntnisinteresse richtet sich auf zwei Fragen: (1) In welcher Weise tragen (meta)kognitive Lernhilfen („prompts“) und concept maps zur Förderung reflexiver Aktivitäten in interaktiven Lernumgebungen bei? (2) Inwieweit können metakognitive Prozesse für den Lernerfolg verantwortlich gemacht werden? Die weiteren Ausführungen widmen sich zunächst dem aktuellen Forschungsstand zur Reflexion von Lerninhalten in interaktiven Lernumgebungen. Anschließend sollen Instrumente („tools“) zur Förderung reflexiver Aktivitäten und deren Bedeutung für den Lernerfolg diskutiert werden. Lernen durch Reflexion Reflexives Lernen wird als Prozess der Bewusstmachung eigener Wissenselemente über kognitive Aktivitäten beschrieben (Puntambekar & Boulay, 1997). „Reflective activities enhance the learning benefit of an exercise because they give students an opportunity to review their previous actions and decisions before proceeding, enabling them to make more educated decisions later.“ (Goodman, Soller, Linton & Gaimari, 1998, S. 237). Reflexives Handeln impliziert das Nachdenken über das eigene Handeln. Damit rücken Denkprozesse höherer Ordnung ins Blickfeld, die üblicherweise im Rahmen der Metakognitionspsychologie erforscht werden. Eine der Metakognitionsforschung nahe stehende Sichtweise der Reflexion liefern Ertmer und Newby (1996), die Reflexion als Bindeglied zwischen metakognitivem Wissen und metakognitiver Kontrolle begreifen (siehe Abbildung 1). Die Autor/ innen gehen der Frage nach, wie kompetente Lernende („Experten“) ihr metakognitives Wissen sowie ihre metakognitive Kontrolle erfolgreich koordinieren, um auf diese Weise ihr Lernen zu optimieren. Abbildung 1: Reflexion als Bindeglied zwischen metakognitivem Wissen und metakognitiver Kontrolle Metakognitives Wissen Metakognitives Wissen Anforderungen der Aufgabe Verfügbare Lernstrategien • kognitiv • motivational • umgebungsbezogen Personale Ressourcen Planen Evaluieren Überwachen Reflexion 190 Klaus Konrad Was die Wissenskomponente anbelangt, werden in Anlehnung an Flavell (1992) drei Formen voneinander abgegrenzt, die für das Lernen des Experten/ der Expertin wesentlich sind: Wissen über Aufgabenerfordernisse, Wissen über die Art der verwendeten Strategien und Wissen um personale Ressourcen. Auf der Seite der metakognitiven Kontrolle betonen Ertmer und Newby (1996) die Rolle von Planen, Überwachen und Evaluieren. Die zentrale Aufgabe der Reflexion besteht nun darin, die in Abbildung 1 illustrierten Dimensionen der Metakognition miteinander zu verknüpfen. Reflexion verbindet damit Denken und Handeln; sie stellt Informationen über die Wirksamkeit zuvor gewählter Strategien bereit und ermöglicht es auf diese Weise, aus effizienten Lernaktivitäten strategisches Wissen abzuleiten. Mit Hilfe reflexiver Aktivitäten (d. h. durch Planen, Überwachen und Beurteilen) setzen Lernende in jeder Phase des Regulationsprozesses ihre metakognitiven Kenntnisse über Aufgabe, Selbst und Strategien in die Tat um (Ertmer & Newby, 1996). Auf ähnliche Vorstellungen trifft man bei Schön (1983), der in seiner Theorie des professionellen Handelns beschreibt, wie „skilled practitioners responded to situations of uncertainty, instability, or uniqueness, through a combination of intuitive ,knowing-in-action‘, ,reflection-in-action‘ and ,reflection-on-action‘“ (Webster, 2004, S. 102). Wie Schön (1983) begreifen Ertmer und Newby Reflexion entweder als vergangenheits- oder als gegenwartsbezogen, das heißt als ein Nachdenken über Handlungen oder als ein Nachdenken während des Handelns. Mit der Reflexion über die Handlung verbindet sich das Ziel der Orientierung im Strom aktueller und/ oder zukünftiger Gedanken und Handlungen. Deweys (1933) Originaldefinition zeichnet ein Bild der Reflexion über die Handlung als „… reconstruction or reorganization experience which adds to the meaning of experience and which increase ability to direct the course of subsequent experience“ (S. 76). Reflexion während der Handlung umfasst die bereits genannten drei Schritte der Regulation im Lernprozess, zwischen denen der Experte/ die Expertin kontinuierlich wechselt: Planen, Überwachen und Beurteilen. Wie dieses primär individuelle Geschehen im Austausch mit anderen Personen erweitert und ergänzt werden kann, illustriert der „konstruktivistische Reflexionszyklus“ („constructivist reflection cycle“; Oliver, 2000). In diesem konstruktivistischen Modell artikulieren Lernende zunächst ihre Gedanken oder Ideen, die anschließend mit den Vorstellungen anderer Personen verglichen werden. Am Ende revidieren die beteiligten Individuen ihre ursprünglichen Überlegungen oder Konzepte, um auf diese Weise die Vorstellungen und Kommentare ihrer Lernpartner integrieren zu können (Oliver, 2000). Neben den bei Ertmer und Newby genannten Mechanismen spielt damit auch die Regulation des eigenen Verhaltens eine entscheidende Rolle. Als weiteres zentrales Element dieses zyklischen Ansatzes kann die Vernetzung individueller und sozialer Perspektiven angesehen werden. Nach Hung und Nichani (2001) handelt es sich hierbei weniger um konkurrierende als um einander ergänzende Zielrichtungen. „The difference is that, individual view (advocated by Piaget), focuses on ,active learners‘ mental activities whereas, social cultural view (advocated by Vygotsky) focuses on ,cultural practices of the learners‘ milieu“ (S. 40). Es bleibt festzuhalten, dass reflexive Aktivitäten die Teilnehmer/ innen einer Dyade darin ermutigen, ihre Leistung zu analysieren, ihre Aktivitäten mit denen anderer Personen zu vergleichen, in ähnlichen Situationen verwendete Handlungen zu abstrahieren und ihre Aktivitäten mit jenen von Novizen oder Experten zu vergleichen. Trotz der präsentierten Vorzüge reflexiven Lernens sollte nicht verkannt werden, dass die Aufforderung zu mehr Reflexion alleine, ohne weitere Hinweise dazu, worüber sich für welche Zwecke gründlich zu reflektieren lohnt, nicht notwendigerweise auch eine Op- Reflexion in interaktiven Lernumgebungen 191 timierung des Lernens nach sich ziehen muss. Diese Einschätzung deckt sich mit empirischen Analysen dyadischer Lernsituationen, die belegen, dass deren Vorzüge - wie bei anderen Lerngruppen auch - nur bei aktiven und gut funktionierenden Teams zum Tragen kommen. Lernende in einer Dyade zusammenzufassen und ihnen eine Aufgabe zuzuteilen, garantiert noch keineswegs, dass sie auch tatsächlich kooperativ und erfolgreich miteinander lernen (Soller, 2001; Kopp, Ertl & Mandl, 2004) und effektive Leistungen an den Tag legen (Berthold, Nückles & Renkl, in Druck; Schwonke, Hauser, Nückles & Renkl, 2003). In zahlreichen Anwendungen des kooperativen Lernens werden solche Erkenntnisse noch zu wenig berücksichtigt. Jüngeren Arbeiten zu diesem Themenfeld haftet überdies der Mangel an, dass sie allein die unmittelbaren Wirkungen externer Lernhilfen erforschen, ohne dabei vermittelnde personinterne Variablen angemessen zu würdigen (Berthold et al., in Druck; Kopp et al., 2004; Weinert, Schrader & Helmke, 1989). Die vorliegende Arbeit nimmt diese Kritik ernst, indem sie Prozesse der individuellen und kooperativen Reflexion fokussiert. In welcher Weise reflexives Handeln im Kontext von Lernpartnerschaften angeregt und unterstützt werden kann und wie reflexive Lernprozesse den Wissenserwerb bestimmen, soll im Folgenden gezeigt werden. Förderung reflexiven Lernens Für die Förderung reflexiven Lernens - so viel darf als gesichert gelten - spielt die Bewusstmachung des Lerngeschehens eine entscheidende Rolle. Erst das Umkippen von der Sachauf die Metakognitionsebene schafft eine der notwendigen Voraussetzungen für die Analyse des Ist-Zustandes, die Planung, Steuerung und Kontrolle der eigenen Kognitionen. Ein zweiter Impuls erscheint ebenfalls erfolgversprechend: Neben der unmittelbaren Förderung von metakognitiver Bewusstheit kann sich die instruktionale Unterstützung auch darauf richten, den Lernenden Strategien an die Hand zu geben, die ihnen bei der Aufgabenbearbeitung helfen können (Kopp et al., 2004). Beide Wege sollen nachfolgend am Beispiel (1) grafischer Darstellungen und (2) prozessbezogener Lernhilfen genauer betrachtet werden. Ziel dieser Unterstützungsmaßnahmen ist es, Prozesse der Reflexion sowie der gemeinsamen Wissenskonstruktion zu aktivieren, um dadurch den Lernerfolg auf kooperativer und individueller Ebene zu steigern. Concept mapping Eine Möglichkeit, mit der verstärkt die inhaltliche Bearbeitung gegebener Aufgaben (z. B. die Lektüre von Fachtexten) gefördert wird, sind concept maps (Novak, 1990). „Similar to an outline or flow chart, a concept map is a way of representing or organizing knowledge. However, a concept map goes beyond the typical outline in that concept maps show relationships between concepts, including bi-directional relationships“ (University of Wisconsin - Madison, 2000, S. 1). Eine concept map (siehe Abbildung 2) umfasst mehrere Komponenten: (1) die Kernkonzepte, die als Knoten eines Begriffsnetzes begriffen werden, (2) die Beziehungen zwischen diesen Konzepten bzw. die Verbindungslinien, die diese Knoten miteinander verknüpfen und (3) die Etiketten („labels“) auf den jeweiligen Verbindungslinien. Basierend auf Ausubels (1968) Assimilationstheorie, wonach kognitive Strukturen hierarchisch organisiert sind, fungieren concept maps als tools, die über das Verstehensniveau von Lernenden Aufschluss geben (Ligorio, 2001). Auch können sich Lernende besser auf die Aufgabe konzentrieren, weil ein gemeinsames Produkt existiert, anhand dessen Prozesse der Wissenskonstruktion sichtbar gemacht und diskutiert werden können (Hmelo- Silver, 2003). Cuevas, Fiore und Oser (2002) verweisen außerdem darauf, dass Lernende über die Visualisierung eigener Gedanken und Überlegungen in die Lage versetzt werden, die Beziehungen zwischen einzelnen Elementen 192 Klaus Konrad des Lernmaterials zu erkennen und fehlerhafte Vorstellungen oder unklare Beziehungen zwischen den Konzepten zu identifizieren. Was die Anwendung solcher Visualisierungsformen in kooperativen Lernarrangements anbelangt, erwarten sich ihre Befürworter die Anregung elaborativer und metakognitiver Aktivitäten (Horton, McConny, Gallo, Woods & Hamelin, 1993). Die gemeinsame Erstellung einer concept map soll Lernende darin unterstützen, sich ihres eigenen Verstehens bewusst zu werden und es zu reflektieren: „Making a concept map helps learners become aware of and reflect on their own (mis)understandings; it helps students take charge of their own meaning-making. Further, it contributes to the development of an integrated conceptual framework“ (van Boxtel, van der Linden, Roelofs & Erkens, 2002, S. 40). Nach Roschelle (1992) können grafische Darstellungen als soziale Werkzeuge zur Konstruktion konvergenter Sinnzusammenhänge in einem Diskurs fungieren, weil sie individuelle Denkvorgänge anregen und die Aushandlung von Bedeutung erleichtern können. Ähnlich beschreiben Roth und Roychoudhury (1993) das concept mapping als eine kooperative Aktivität, die Kommunikation und sinnverstehendes Lernen fördert. Crook (1998) betont die Bedeutung gemeinsamer Referenzen oder Bezugspunkte, die durch grafische Darstellungen generiert werden und die ein geteiltes Verständnis unterstützen können. Diese Eigenheit grafischer Darstellungen macht sich vor allem bei sehr abstrakten Begriffen oder Problemstellungen positiv bemerkbar. Im Gegensatz zu den nachfolgend besprochenen „prompts“ strukturieren concept maps die Kooperation sowie das Nachdenken über das eigene Lernen nicht durch eine gezielte Rollen- und Aufgabenverteilung. Ihr Anliegen ist in erster Linie die Ordnung und Visualisierung der aktuellen Lerninhalte. Prompts Prompts lassen sich als prozessorientierte Lernhilfen charakterisieren, die keine fachlichen Anregungen beinhalten, die in irgendeiconcept map Konzepte bezeichnet Symbolen Begriffen erfolgreiches Lernen kontextabhängig vernetzt sein organisiertes Wissen Propositionen repräsentiert umfasst umfasst werden können ist mit mit erforderlich für Abbildung 2: Beispiel einer concept map Reflexion in interaktiven Lernumgebungen 193 ner Form über den Lerninhalt informieren würden. Solche Lernhilfen können damit bei sehr vielen Lerninhalten zum Einsatz kommen. Sozio-kognitiven Skripts vergleichbar strukturieren und sequenzieren prompts die kooperative Aufgabenbearbeitung. Sie steuern die Aufmerksamkeit und sensibilisieren das lernende Individuum für das Lerngeschehen, die Aufgabe und die eigene Person. Aus kognitionspsychologischer Sicht ist entscheidend, dass Reflexionsaufforderungen („reflection prompts“; Bannert, 2004, S. 382) die kognitiven Prozesse bei der Bearbeitung der Textlektüre nachhaltig beeinflussen. Weil Informationen aus dem Langzeitgedächtnis abgerufen und mit vorhandenen Wissensbeständen verknüpft werden müssen, können Informationen bewusst werden, die ohne eine derartige Verbalisierung gar nicht in den Arbeitsspeicher gelangt wären. Prompts verstehen sich daher als Gestaltungsmerkmale, die Lernenden die Möglichkeit geben, reflexiv zu lernen. Sie animieren aktive Konstruktionsprozesse, in deren Vollzug Gedächtnisinhalte - über Denkprozesse vermittelt - verändert, erweitert, vernetzt, geordnet oder neu geschaffen werden. Damit unterscheiden sich prompts grundlegend vom „Lauten Denken“ in Lernpartnerschaften: „Simple thinking aloud usually does not change task performance, whereas verbalizing that involves metacognitive processes typically lead to improved task performance. Thus, it is the kind of thinking one does, rather than the act of talking itself, that seems important.“ (Dominowski, 1998, S. 40). Hintergrund für die in dieser Arbeit gewählte Anwendung von prompts ist eine Vielzahl empirischer Befunde, die die günstige Wirkung solcher Lernimpulse für reflexive Aktivitäten unterstreichen. Beispielsweise berichtet King (1994) positive Ergebnisse von prompts für die tiefe Verarbeitung von Lerneinheiten. Berthold et al. (in Druck; 2003) bestätigen die signifikanten Wirkungen von prompts für kognitive und metakognitive Lernaktivitäten in Verbindung mit der Erstellung von Protokollen. Die Autor/ innen weisen nach, dass Lernende, die kognitive oder kognitive kombiniert mit metakognitiven prompts erhalten, verglichen mit einer Kontrollgruppe (keine prompts) im Hinblick auf das Ausmaß kognitiver und metakognitiver Aktivitäten sowie unmittelbarer und zeitverzögerter Verstehenstests besser abschneiden. Ge und Land (2002, 2003) gelang in experimentellen Studien der Nachweis, dass Lernpartner/ innen, die durch prompts unterstützt wurden, bezüglich mehrerer Problemlösemaße signifikant erfolgreicher waren als Lernende, die unter anderen Bedingungen lernten (individuelles Lernen oder Partnerlernen ohne prompt- Unterstützung). Wie in vielen anderen Studien fand die Frage, wodurch diese Lernerfolge genau verursacht werden, in dieser Untersuchung allerdings wenig Beachtung. Wissenserwerb durch reflexives Lernen Ein zweites Erkenntnisinteresse dieser Studie zielt auf die Überprüfung der Lernwirksamkeit reflexiver Lernaktivitäten. Solche Analysen erscheinen umso dringlicher, als davon ausgegangen werden muss, dass Effekte von prompts und concept maps nicht auf direkte Art und Weise zustande kommen, sondern durch personinterne reflexive Vorgänge vermittelt werden (Weinert et al., 1989). Bei der Suche nach unterstützenden Argumenten für die postulierte Lernwirksamkeit reflexiver Aktivitäten richtet sich das Augenmerk in Anlehnung an die referierten Modelle nach Ertmer und Newby (1996) und Oliver (2000) auf Aspekte des metakognitiven Wissens sowie der metakognitiven Kontrolle. Wie Flavell (1976, 1979) feststellt, spielen Metakognitionen eine bedeutende Rolle für mündliches Verstehen, Leseverstehen, Gedächtnis, Problemlösen, Aufmerksamkeit, soziale Kognition und verschiedene Formen von Selbstkontrolle und Selbstinstruktion. Sie können die lernende Person außerdem darin unterstützen, Ziele sowie kognitive Strategien zu wählen, zu revidieren, zu beurteilen und zu überarbeiten (Schraw, 1998; Derry, 1992). 194 Klaus Konrad Efklides (2004) berichtet - vor allem bei moderater Aufgabenschwierigkeit - statistisch bedeutsame Beziehungen metakognitiver Aufgabenanalysen zu Maßen des Lernerfolgs. Empirisch bestätigt ist außerdem der signifikante Einfluss von Metakognitionen darauf, wie und wann Personen vorhandene Bedürfnisse und Anforderungen identifzieren und überwachen (Guldimann & Lauth, 2004). Metakognitives Wissen und metakognitive Kontrolle unterstützen damit die Entwicklung von strategischem Lernen und „may also compensate for low ability or lack of relevant prior knowledge“ (Schraw, 2001, S. 7). In Einklang mit dieser Argumentation betonen Leutner, Barthel und Schreiber (2001), dass Lernstrategietrainings erfolgversprechender sind, wenn zusätzlich zur Lernstrategie die bewusste Selbstregulation beim Anwenden der Lernstrategien erlernt wird. Das Wissen um Lernstrategien oder per Fragebogen erhobene Auskünfte über die Häufigkeit ihrer Anwendung allein korreliert dagegen bestenfalls gering mit an objektivierbaren Kriterien erhobenen Lernerfolgen. Wie solche Erkenntnisse nahe legen, sind auf einer Metaebene angesiedelte Prozesse, die zur Steuerung und Bewusstmachung komplexer Aufgaben beitragen, für das Lehren und Lernen von entscheidender Bedeutung. Wer solche Prozesse aktiv und angemessen nutzt, kann seine (kognitiven) Lernstrategien und Lernleistungen nachhaltig verbessern. Hauptanliegen der vorliegenden Studie ist die Erforschung von Bedingungen und Konsequenzen von metakognitivem Wissen und metakognitiver Kontrolle in interaktiven Lernumgebungen. Wie Abbildung 3 illustriert, werden drei dyadische Lernumgebungen unterschieden: (1) Geleitete Befragung (prompts), (2) Verwendung von concept maps und (3) freie Kooperation. Forschungsleitend sind zwei Hypothesen: (1) Die gezielte Anwendung von prompts (prozessbezogene Lernhilfen) und concept maps (aufgabenbezogene Lernhilfen) fördert reflexive Lernaktivitäten. Lernenden, denen diese Unterstützung fehlt, sollten weniger reflexiv lernen. Eine zweite Annahme zielt auf die Bestimmung des Lernerfolgs: (2) Reflexive Aktivitäten im Sinne von metakognitivem Wissen und metakognitiver Kontrolle unterstützen Wissenserwerb und -transfer. prompts Hypothese 1 Hypothese 2 Faktenwissen Konzeptuelles Wissen concept maps Freie Kooperation Metakognitive Kontrolle Metakognitives Wissen Transfer Reflexion Abbildung 3: Erkenntnisinteresse dieser Studie Reflexion in interaktiven Lernumgebungen 195 Methode Stichprobe Teilnehmer/ innen waren 104 Studierende (80 Frauen, 24 Männer) einer Hochschule im Alter zwischen 19 und 39 Jahren. Ort der Untersuchung war ein vor externen Störungen geschützter Raum im Medienzentrum der Hochschule. Die Studierenden meldeten sich freiwillig zu diesen Versuchen; es wurde ihnen zugesichert, dass ihre Daten vertraulich behandelt würden. Die Zuordnung der Teilnehmer/ innen zu den Dyaden und Lernbedingungen erfolgte nach dem Zufallsprinzip. Dies hat den Vorteil, dass dadurch innerhalb gewisser Irrtumsgrenzen gewährleistet wird, dass sich die verschiedenen Versuchspersonengruppen zu Beginn des Experiments in allen Merkmalen im Mittel gleichen. Man kontrolliert also selbst solche Faktoren, deren potenzielle Relevanz zum Zeitpunkt der Versuchsdurchführung unbekannt war. Lernumgebung und Design Reflexives Lernen wird in der vorliegenden Studie in differenzierter Weise unterstützt. Unterschieden werden drei experimentelle Bedingungen (siehe Abbildung 3): (1) In der durch prompts unterstützten Gruppe waren die Teilnehmer/ innen angehalten, den Text zu lesen und zu diskutieren. Im Zuge der Textlektüre sollten sie an vier Stellen innehalten und die in den Text integrierten (meta)kognitiven Lernhilfen aufgreifen. Wie die Beispiele in Tabelle 1 erkennen lassen, handelt es sich bei den bereitgestellten Lernimpulsen um eine Kombination von kognitiven (z. B. Elaboration) und metakognitiven Aktivitäten (z. B. Evaluation). Während insgesamt acht Fragen die Aktivierung kognitiver Prozesse beabsichtigen, fokussierten acht weitere auf die metakognitive Überwachung, Evaluation und Regulation des Lerngeschehens. (2) In der „Mappinggruppe“ stand die Visualisierung der Texte mit Hilfe von concept maps im Vordergrund. Aufgabe der Studierenden war es, zentrale Begriffe auf Kärtchen zu schreiben und daraus eine concept map zu erstellen. Analog zu Studien des „Lauten Denkens“ (Bannert, 2004) wurden die Teilnehmer/ innen instruiert, alles laut auszusprechen, was ihnen während der Textbearbeitung bzw. -visualisierung in den Sinn kommt. Kärtchen, Stifte und ein DIN-A 2-Plakat standen als Materialien zur Verfügung. (3) Eine Kontrollgruppe („freie Kooperation“) erhielt den Auftrag, den Text zu diskutieren. Wie die Mappingdyaden sollten die Lernenden alle die Textbearbeitung begleitenden Gedanken aussprechen. Besondere Lernhilfen wurden nicht angeboten. Datenerhebung Zur Überprüfung der Forschungsfragen wurden sowohl reflexive, am Lernprozess orientierte Lernaktivitäten, als auch Indikatoren des (individuellen und distribuierten) Wissenserwerbs erfasst. Reflexion Zur Erhebung reflexiver Lernaktivitäten wurden die Interaktionen der Dyaden komplett videografiert. Die Transkripte dieser Aufzeichnungen dienten als Grundlage zur kategorialen Beschreibung der verbalen und nonverbalen Interaktionen. Gegenstand der Analyse waren Statements, in denen die Studierenden ihr Denken oder Lernen kontrollierten oder metakognitive Wissenselemente äußerten (siehe Tabelle 2). Die Interrater-Übereinstimmung für diese metakognitiven Kategorien erreichte ein angemessenes Niveau. Cohen’s Kappa variierte zwischen 0.83 und 0.89. Als Analyseeinheit fungierten die in den Dyaden erkennbaren individuellen Sinneinheiten. Sinneinheiten unterscheiden sich voneinander durch wahrnehmbare Pausen oder Unterbrechungen und verfügen über eine einzigartige Kommunikationsfunktion (van Boxtel, van der Linden & Kanselaar, 2000). Eine Sinneinheit kann hinsichtlich ihres Umfangs von einem einzelnen Wort bis zu einer kompletten Aussage variieren. Die Kodierung der Transkripte durch zwei Mitarbeiter/ innen wurde durch ein fünfstündiges Trainingsprogramm vorbereitet. Das Training konzentrierte sich auf die Formulierung von Kodier-Regeln und die Anwendung eines Computerprogramms zur konsistenten Festlegung der Kategorien (AQUAD; Huber, 1989). Zeitpunkt Beispielfragen Vor dem Lesen Was ist unsere Aufgabe? Nach dem 1. Abschnitt Gibt es einen Begriff, den du dir nicht erklären kannst? Nach dem 3. Abschnitt Worum wird es wohl im nächsten Abschnitt gehen? Nach dem Lesen Wie bewertest du das, was wir in dieser Sitzung gemacht haben? Tabelle 1: Die Nutzung von prompts: Anwendung im Lernverlauf und Beispiele 196 Klaus Konrad Wissenserwerb Um zu überprüfen, welchen Einfluss metakognitive Variablen auf den Wissenserwerb haben, sind Lernerfolgsmaße wesentlich. Im Zuge der dyadischen Textbearbeitung finden kooperative und individuelle Prozesse der Wissenskonstruktion statt. Kooperativ ablaufende Vorgänge manifestieren sich in der gemeinsamen Begutachtung eines Unterrichtsentwurfs unmittelbar im Anschluss an die Textdiskussion. Aufgabe der Teilnehmer/ innen war es, eine Unterrichtseinheit zu einem regulären Thema des Bildungsplans der Sekundarstufe I zu beurteilen und dabei die Erkenntnisse des Lerntextes (3. Sitzung) einfließen zu lassen. Diese Leistung wird als kooperatives Gruppenprodukt betrachtet. Ob und inwieweit die Lernpartner von den dyadischen Lernsequenzen profitieren, kann im Anschluss an den Lernversuch anhand individueller Testergebnisse gemessen werden. Unterschieden wird zwischen Faktenwissen und konzeptuellem Wissen. Während Erstgenanntes über einen auf die Lerntexte bezogenen Multiple- Choice-Test (11 Fragen mit jeweils mehreren Antwortalternativen) erfasst wurde, erfolgte die Erhebung von konzeptuellem Wissen mit Hilfe dreier offener Fragen (z. B. „Erläutern Sie in eigenen Worten den Tatbestand, dass erfolgreiches Lesen in hohem Maße strategisch ist“). Ausgezählt wurde hier die Anzahl der (im Text grundgelegten) korrekt benannten Begriffe oder Vernetzungen (z. B. zwischen Textinhalten). Die Ergebnisdarstellung informiert über die Erkenntnisse der 2. und 3. Sitzung. Zunächst soll die Frage beantwortet werden, wie gut es auf der Basis der verwendeten tools (concept map, prompts) gelungen ist, reflexives Lernen anzuregen (Hypothese 1). Anschließend richtet sich das Augenmerk auf die Lernwirksamkeit metakognitiver Variablen (Hypothese 2). Eingang in die Analysen fanden die im Expertenmodell nach Ertmer und Newby (1996) sowie im „konstruktivistischen Lernzyklus“ formulierten metakognitiven Variablen. Ergebnisse Hypothese 1: Reflexion in kooperativen Lernumgebungen Tabelle 3 gibt Auskunft über die Unterschiede zwischen den experimentellen Bedingungen. Mitgeteilt werden die durchschnittlichen Ränge sowie die Ergebnisse der Einzelvergleiche (Kontraste). Metakognitives Wissen Metakognitive Kontrolle Metakognitives Wissen • Planen („Wie wäre es, wenn wir zunächst …“) (z. B. „Wenn man Texte liest, muss man sich • Überwachen („Ich kapiere das nicht“) zuerst einen Überblick verschaffen“) • Evaluieren („So gefällt mir das“) • Regulieren („Ich mache das jetzt mal ganz anders“) Tabelle 2: Dimensionen des Kategoriensystems zur Auswertung der Videoaufzeichnungen Befragung Mapping Kontrolle B-M B-K M-K Rang Rang Rang Kontrast Kontrast Kontrast (n = 36) (n = 34) (n = 34) Metakognitive Kontrolle Planung 34.55 74.45 49.54 39.90* 14.98 24.91* Überwachung 52.64 51.57 53.27 1.06 0.64 1.71 Evaluation 45.05 73.76 39.11 28.71* 5.93 34.64* Regulation -a - - - - - Metakognitives Wissen Meta. Wissen - - - - - - Tabelle 3: Gruppenvergleiche (durchschnittliche Ränge und Kontraste) bezüglich der experimentellen Bedingungen Befragung, Mapping und freie Kooperation (2. Sitzung, t 1) Anmerkungen: * p < .05; a = nicht berechenbar Reflexion in interaktiven Lernumgebungen 197 Die referierten Befunde bestätigen ein Übergewicht von Planungsaktivitäten in der „Mappinggruppe“. Wie in Tabelle 3 ebenfalls zu sehen ist, widmen sich die Teilnehmer/ innen dieser Bedingung vermehrt der Evaluation des Lerngeschehens. Die Befunde der 3. Sitzung bestätigen erneut, dass die Planung beim concept mapping eine größere Rolle spielt als in den Vergleichsbedingungen. Die Rangvergleiche sind jeweils statistisch signifikant (Kontrast: B-M = 42.09, p < .05; M-K = 19.61, p < .05). Die Lernwegüberwachung nimmt in der Befragungsgruppe (prompts) einen breiteren Raum ein (Kontrast: B-M = 37.01, p < .05; B-K = 20.25, p < .05). Solche Aktivitäten werden durch die Gestaltung von concept maps offenbar nur in geringem Maße angeregt. Wie in Sitzung 2 lassen sich hinsichtlich des metakognitiven Wissens keine Gruppenunterschiede nachweisen. Hypothese 2: Bedeutung der Reflexion für Faktenwissen, konzeptuelles Wissen und Transfer Ein zweites Erkenntnisinteresse der Studie zielt auf die Analyse möglicher Zusammenhänge metakognitiver Prozesse mit Wissenserwerb und -transfer. In der 2. Sitzung finden die vermuteten Zusammenhänge der Wissensmaße mit metakognitiven Variablen nur partiell Unterstützung. Hypothesenkonform verhält sich das metakognitive Wissen, das positiv mit der Wiedergabe von Faktenwissen verknüpft ist (tau-b = 0.19, p < 0.05). Facetten der metakognitiven Kontrolle korrelieren dagegen negativ mit Faktenwissen (Evaluation: tau-b = -0.20, p < 0.05) sowie konzeptuellem Wissen (Regulation und OffenF1: tau-b = -0.18, p < 0.07; Monitoring und OffenF2: tau-b = -0.19, p < 0.05). Tabelle 4 gibt Auskunft über die in der 3. Sitzung gefundenen Rangkorrelationen (tau-b). Wie zu sehen ist, bestätigen sich die erwarteten positiven Zusammenhänge für die Regulation. Wer in der Lage ist, sein Lernverhalten flexibel zu regulieren, erwirbt auf einem hohen Niveau Faktenwissen und konzeptuelles Wissen. Was das metakognitive Wissen anbelangt, finden sich - anders als in der 2. Sitzung - keinerlei substanzielle Zusammenhänge. Im Hinblick auf die (nur in Sitzung 3 erhobenen) Transfermaße können die formulierten Erwartungen allein für die Planung bestätigt werden. Solche Metakognitionen stehen in positiver Beziehung sowohl zum individuellen Transfer (tau-b = 0.18, p < 0.07) als auch zur Wissenskonvergenz (tau-b = 0.17, p < 0.07). Diskussion Kernanliegen der vorgelegten Studie war es, ein tieferes Verständnis für reflexives Lernen in alltagsnahen, dyadischen Lernsequenzen zu gewinnen. Zur Anwendung kam eine qualita- Mult.Choice OffenF1 OffenF2 OffenF3 Metakognitive Kontrolle Planung 0.04 -0.05 -0.05 -0.04 Überwachung 0.10 0.03 -0.01 0.04 Evaluation -0.04 -0.13 -0.05 -0.03 Regulation 0.20 # 0.16 0.18 # 0.22 # Metakognitives Wissen Meta.Wissen 0.08 0.11 0.09 0.08 Tabelle 4: Rangkorrelationen (tau-b) zwischen den Dimensionen der Wissenskonstruktion und Faktenwissen sowie konzeptuellem Wissen (3. Sitzung, t 2) Anmerkungen: # p < .07; * p < .05 198 Klaus Konrad tive Forschungsstrategie, die sich der Methode des „Lauten Denkens im Dialog“ (Kucan & Beck, 1997) bediente, um das Denken und Handeln der Lernpartner/ innen möglichst genau abbilden zu können. Ein erstes Erkenntnisinteresse dieser Studie (Hypothese 1) sollte Aufschluss darüber geben, wie reflexives Lernen gefördert werden kann. Vergleichsanalysen lassen erkennen, dass sich die verwendeten Lernhilfen bei den Studierenden in unterschiedlicher Weise bemerkbar machen. Die gemeinsame Gestaltung von concept maps scheint vor allem einem planvollen Verhalten, das häufig sehr konkret und zielorientiert verläuft, zugute zu kommen. Auch die Evaluation des Lerngeschehens kann von dieser Methode profitieren. Belege für die in anderen empirischen Arbeiten gefundene Bedeutung des concept mapping für die Aktualisierung von metakognitiver Überwachung und metakognitiver Bewusstheit finden sich in dieser Studie nicht (van Boxtel, van der Linden & Kanselaar, 1997; van Boxtel et al., 2000). Die Anwendung von concept maps bietet sich demnach vor allem dann an, wenn bei Individuen oder Kleingruppen Kenntnisse über den Verlauf und die zielgerichtete Gestaltung von Lernprozessen geübt werden sollen. Prompts im Sinne prozessorientierter Frage- Antwort-Sequenzen haben ihre Stärken, wenn es darum geht, die Überwachung des Lerngeschehens zu unterstützen. Vergegenwärtigt man sich die Besonderheiten dieser Reflexionsaufforderungen, leuchtet das Ergebnis unmittelbar ein: Im Unterschied zum „Lauten Denken“ fokussierten prompts explizit die Aktivierung metakognitiver Prozesse. Sie boten den Lernenden Gelegenheit, sich eingehend mit dem eigenen Lernen auseinanderzusetzen und es zum Gegenstand des Dialogs zu machen. Die gegenüber der freien Kooperation erkennbare Überlegenheit beider experimenteller Gruppen im Hinblick auf die Aktivierung reflexiver Prozesse bestätigt die Befunde ähnlich gelagerter Studien (Land & Zembal-Saul, 2003; Schwonke et al., 2003; Berthold et al., in Druck). Solche Resultate liefern weitere Argumente für die vielfach geforderte Strukturierung und strategische Anreicherung kooperativer Lernsequenzen (Huber, Konrad & Wahl, 2001). Was die Zusammenhänge metakognitiver Variablen mit Indizes des Wissenserwerbs anbelangt, finden die vorgefassten Erwartungen (Hypothese 2) nur partiell Unterstützung. Abgesehen von der Tatsache, dass die Ergebnisse zu beiden Messzeitpunkten inhomogen sind, fällt auf, dass metakognitives Wissen, Planung und Regulation allein mit dem individuellen Wissen, nicht aber mit kooperativen Leistungen korrelieren. Offenbar können die Lernenden die in der Phase der Textbearbeitung erbrachten kognitiven Leistungen lediglich auf die individuellen Testergebnisse nach der Kooperation übertragen und dort umsetzen. Die Qualität der gemeinsam erstellten Produkte wird davon nicht berührt. Neben erwarteten Zusammenhängen, etwa für die metakognitive Planung oder das metakognitive Wissen, liefern die Analysen auch hypothesendiskrepante Korrelationsmuster. Licht in die darin aufscheinende Komplexität realer Verhältnisse kann die Berücksichtigung zusätzlicher moderierender Variablen bringen. In anderen Studien haben sich beispielsweise kulturelle Zugehörigkeit (Catsambis, 1995), Geschlecht (Hsi & Hoadley, 1997; Guzzetti & Williams, 1996) und Status (Bianchini, 1997) für die Beteiligung am Lerngeschehen als bedeutsam erwiesen. Lampert, Rittenhouse und Crumbaugh (1996) bestätigen außerdem, dass die Werthaltungen der Lernenden ihre Fähigkeit zur kooperativen Wissenskonstruktion beeinflussen. Eine alternative Erklärung für die mäßige Bedeutung einiger Prozessvariablen könnte in Tendenzen der Teilnehmer/ innen bestehen, die eigene (kognitive und metakognitive) Anstrengung möglichst gering zu halten. In diese Richtung gehen die Überlegungen von Scardamalia, Bereiter und Lamon (1994), die feststellen, dass sich Studierende in der Regel äußerst anpassungsfähig verhalten, indem sie Reflexion in interaktiven Lernumgebungen 199 Strategien verwenden, die bei minimalem Aufwand maximale Ergebnisse versprechen. Nachfolgestudien sollten die Anwendungsgebiete der in dieser Arbeit untersuchten prompts und concept maps weiter beleuchten. Beide Instrumente können Lernende darin unterstützen (1), in verschiedenen Handlungsfeldern ihre eigenen Stärken und Schwächen zu entdecken, (2) Lernstrategien, die für sie persönlich effizient sind, zu beurteilen und (3) unangemessenes oder wenig zielführendes Verhalten zu regulieren. Für die pädagogischpsychologische Praxis scheinen concept maps in besonderer Weise geeignet. „A concept map is a good instrument for teachers to quickly diagnose students’ use of misconceptions. The collaborative concept-mapping task can also assist students in taking more responsibility for their own learning during the course“ (van Boxtel et al., 2002, S. 44). Zukünftige empirische Arbeiten müssen ferner die relative Bedeutung individueller und gemeinsamer Lernaktivitäten und -leistungen genauer in Augenschein nehmen. Die Ergebnisse dieser Studie zeigten keine signifikanten Beiträge individueller (metakognitiver) Lernstrategien für geteiltes Wissen. Notwendig sind weitere Untersuchungen zum Wissensmanagement in „learning communities“ oder „communities of practice“, die gezielt die Konstruktion des gemeinsam geteilten und distribuierten Wissens in Augenschein nehmen. Literatur Bannert, M. (2004). Erfassung von metakognitiv-strategischen Lernaktivitäten. In M. Wosnitza, A. Frey & R. 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