Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2007
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Der Einfluss elterlicher Partnerschaftsqualität auf Persönlichkeit und Bindungsrepräsentation der Kinder mit 11 Jahren
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2007
Harald Werneck
Brigitte Rollett
Der Beitrag basiert auf Daten aus dem Projekt "Familienentwicklung im Lebenslauf (FIL)", in welchem 175 Elternpaare bzw. deren Kinder insgesamt fünf Mal, 3 Monate vor, 3 Monate nach, 3 Jahre, 8 Jahre und 11 Jahre nach der Geburt des Kindes (t1 – t5) untersucht wurden. Zur Anwendung kamen u. a. der Partnerschaftsfragebogen (Hahlweg, 1979), eine Erziehungsverhaltensliste für Mütter (HAMEL; Baumgärtel, 1979); Fragen zum Erziehungsstil, Skalen zur Freude an Aktivitäten mit Kindern, eine Adaptation des „Inventory of Parent and Peer Attachment“ (Armsden & Greenberg, 1987) sowie ein adaptierter Persönlichkeitsfragebogen. Einflüsse verschiedener Aspekte der elterlichen Partnerschaftsqualität vor allem auf die Bindungsrepräsentationen mit 11 Jahren werden im Längsschnitt analysiert.Die Zärtlichkeit und Kommunikation in der Partnerschaft, 3 Monate nach der Geburt des Kindes und eine sensible Persönlichkeit des Kindes erweisen sich als förderlich für eine sichere Bindungsrepräsentation. Eine wichtige Rolle spielen auch vermittelnde Faktoren, wie Aspekte des elterlichen Erziehungsstils oder eine ausgeprägte Freude an Aktivitäten mit Kindern.
3_054_2007_2_0004
Die Bindungstheorie bzw. Bindungsforschung erfuhr in den letzten Jahren einen regelrechten „boom“, wie schon alleine die zahlreichen Tagungen dazu oder die hohe Zahl einschlägiger Publikationen (Ahnert, 2004; Brisch, Grossmann, Grossmann & Köhler, 2002; Gross- The Influence of the Quality of Parental Partnership on Personality and Attachment Representation of their 11 Years old Children Summary: This contribution is based on the longitudinal project “Family Development in the Course of Life (FIL)”, in which 175 couples and, after birth, their children were tested. The examinations took place in the 6th month of pregnancy, and 3 months, 3, 8, and 11 years after the children’s births (t1 - t5). Among others, the following methods of inquiry were used: the “Partnership Questionnaire” (Hahlweg, 1979), a checklist of maternal educational behaviour (HAMEL, Baumgärtel, 1979), questions concerning the educational style, an assessment of the degree of pleasure felt in activities with children, an adaptation of the “Inventory of Parent and Peer Attachment” (Armsden & Greenberg, 1987), and an adapted personality questionnaire. Influences of different aspects of the quality of parental partnership, especially on the child’s attachment representations at the age of 11 years, are analyzed longitudinally. Tenderness and communication between the parents, 3 months after the child’s birth, and an agreeable personality of the child have a positive effect on the development of a secure attachment representation. Intervening factors, like aspects of the parents’ educational style or high pleasure in activities with children, also play an important role. Keywords: Quality of parental partnership, attachment, psychology of the family Zusammenfassung: Der Beitrag basiert auf Daten aus dem Projekt „Familienentwicklung im Lebenslauf (FIL)“, in welchem 175 Elternpaare bzw. deren Kinder insgesamt fünf Mal, 3 Monate vor, 3 Monate nach, 3 Jahre, 8 Jahre und 11 Jahre nach der Geburt des Kindes (t1 - t5) untersucht wurden. Zur Anwendung kamen u. a. der Partnerschaftsfragebogen (Hahlweg, 1979), eine Erziehungsverhaltensliste für Mütter (HAMEL; Baumgärtel, 1979); Fragen zum Erziehungsstil, Skalen zur Freude an Aktivitäten mit Kindern, eine Adaptation des „Inventory of Parent and Peer Attachment“ (Armsden & Greenberg, 1987) sowie ein adaptierter Persönlichkeitsfragebogen. Einflüsse verschiedener Aspekte der elterlichen Partnerschaftsqualität vor allem auf die Bindungsrepräsentationen mit 11 Jahren werden im Längsschnitt analysiert. Die Zärtlichkeit und Kommunikation in der Partnerschaft, 3 Monate nach der Geburt des Kindes und eine sensible Persönlichkeit des Kindes erweisen sich als förderlich für eine sichere Bindungsrepräsentation. Eine wichtige Rolle spielen auch vermittelnde Faktoren, wie Aspekte des elterlichen Erziehungsstils oder eine ausgeprägte Freude an Aktivitäten mit Kindern. Schlüsselbegriffe: Elterliche Partnerschaft, Bindung, Familienpsychologie Empirische Arbeit Der Einfluss elterlicher Partnerschaftsqualität auf Persönlichkeit und Bindungsrepräsentation der Kinder mit 11 Jahren Harald Werneck, Brigitte Rollett Fakultät für Psychologie der Universität Wien Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2007, 54, 118 - 128 © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Elterliche Partnerschaftsqualität und kindliche Bindungsrepräsentation 119 mann, Grossmann & Waters, 2005; Gloger- Tippelt, 2001; Grossmann, 2000; Grossmann & Grossmann, 2004; Rauh, 2000; Spangler & Zimmermann, 1995; Suess, Scheuerer-Englisch & Pfeifer, 2001 - um nur einige zu nennen), und nicht zuletzt auch die vorliegende Artikelsammlung der Zeitschrift „Psychologie in Erziehung und Unterricht“ (nach zwei Themenheften zum Thema „Bindung“ im Jahr 2000) belegen. Im Folgenden soll vor allem auf einen Aspekt, der bisher im Rahmen der empirischen Bindungsforschung allerdings noch vergleichsweise wenig Platz einnimmt, näher eingegangen werden, nämlich die Frage, welche Einflussfaktoren auf die Bindungsentwicklung über die mütterliche Feinfühligkeit hinaus identifiziert werden können bzw. wie sie zu gewichten sind (vgl. dazu z. B. die Metaanalyse von De Wolff & Van Ijzendoorn, 1997). Im Rahmen von Prädiktionsmodellen für Bindungsrepräsentationen in der Präadoleszenz bzw. im Jugendalter erweisen sich diese zwar in der längsschnittlichen Betrachtung als relativ stabil (vgl. z. B. Crowell & Waters, 2005; oder die „Berkeley longitudinal study of attachment“ von Main, Hesse & Kaplan, 2005), berücksichtigen dabei aber meist im Wesentlichen nur zuvor erhobene Bindungs-Indikatoren. Schon Bowlby (1973) sah die Bindungsrepräsentation im Jugendalter zwar durch frühkindliche Erfahrungen wesentlich beeinflusst, aber nicht ausschließlich determiniert und konzipierte ein Modell von Entwicklungspfaden, in welchem auch spätere Unterstützungserfahrungen entsprechend Berücksichtigung finden. Auch Main, Kaplan und Cassidy (1985) gehen davon aus, dass beziehungsspezifische Bindungsverhaltensmuster gleichzeitig von aufgebauten internalen Arbeitsmodellen als auch von aktuellen Interaktionserfahrungen mit den Bindungspersonen gesteuert werden (vgl. dazu auch z. B. Sroufe, Egeland, Carlson & Collins, 2005; Zimmermann & Becker-Stoll, 2001). Im Folgenden soll daher analysiert werden, welche Rolle in der Prädiktion von jugendlichen Bindungsrepräsentationen anderen Faktoren als der (früh)kindlichen Bindungsqualität, und hier - neben Erziehungseinflüssen - insbesondere auch der elterlichen Partnerschaftsqualität, zukommt (vgl. z. B. Cummings & Davies, 2002). Die Qualität der elterlichen Partnerschaft erwies sich ihrerseits in mehreren Analysen (z. B. Cummings, Davies, Goeke-Morey & Cummings, 2006; Fthenakis, Kalicki & Peitz, 2002; Rollett & Werneck, 2006; Werneck, 1998; Werneck & Rollett, 1999) als relevante, teils sogar zentrale Variable für Entwicklungen sowohl im kognitiven als auch im sozio-emotionalen Bereich - was auch durch Befunde aus der Scheidungs- und Trennungsforschung belegt wird (vgl. dazu z. B. die Metaanalyse von Amato, 2001 oder die Überblicke in Hetherington & Kelly, 2003; Sander, 2002; Wallerstein, Lewis & Blakeslee, 2002; Walper & Schwarz, 2002; Werneck, 2004; Werneck & Werneck-Rohrer, 2003). Selbst bzw. gerade unter der Annahme, dass der mütterlichen Feinfühligkeit eine qualitative Exklusivität bei der Entstehung sicheren Bindungsverhaltens beizumessen sei - eine Position, die v. a. von Sroufe und Waters (z. B. 1997) vertreten, allerdings von vielen BindungsforscherInnen nicht geteilt wird, lohnt es sich zu hinterfragen, wodurch diese mütterliche Feinfühligkeit ihrerseits beeinflusst wird (vgl. dazu z. B. Grossmann, 2004), also indirekte Einflüsse auf die Entwicklung der Bindungssicherheit zu analysieren. So wäre beispielsweise anzunehmen, dass Eltern, die hohen bzw. vielfältigen Belastungen ausgesetzt sind, nur eingeschränkt in der Lage sind, entsprechend feinfühlig auf das Verhalten ihres Kindes zu reagieren (z. B. Cummings & Cummings, 2002; Zimmermann, Spangler, Schieche & Becker-Stoll, 1995). Dafür sprechen auch Studien an traumatisierten Müttern, bei deren Kindern überrepräsentativ Bindungs-Desorganisation festgestellt wurde (z. B. Zulauf-Logoz, 2004). Dies bedeutet, dass die sozioökonomische und emotionale Situation der Eltern, und hier speziell ihre Partnerschaftsqualität indirekt die Bindungsqualität ihres Kindes beeinflussen kann, je nachdem, wie viel Ressourcen gebunden bzw. frei werden, um das - Bindungssicherheit fördernde - Erkennen und adäquate Befriedigen kind- 120 Harald Werneck, Brigitte Rollett licher Bedürfnisse zu unterstützen bzw. zu erschweren. Andererseits liegen insbesondere für den Zusammenhang zwischen elterlicher Partnerschaftsqualität und dem Umgang mit dem Kind Hinweise darauf vor, dass beide maßgeblich durch eine dritte Variable, nämlich die Bindungsrepräsentation der eigenen Eltern (mit)beeinflusst werden (vgl. z. B. Gloger-Tippelt & Ullmeyer, 2002; Stöcker, Strasser & Winter, 2003). Dazu passen Befunde, wonach die Qualität des Bindungsverhaltens zwischen Erwachsenen, etwa im Rahmen einer Partnerschaft, strukturell vergleichbar dem Bindungsverhalten zwischen Eltern und Kind ist (z. B. Crowell & Waters, 2005). Unter der zusätzlichen, empirisch belegten Annahme eines „direct links between couple attachment and both self-reported and observed marital quality“ (Alexandrov, Cowan & Pape Cowan, 2005, p. 123) scheint es daher sinnvoll, im Rahmen eines Prädiktionsmodells für die Bindungsrepräsentation auch die elterliche Partnerschaftsqualität zu berücksichtigen. Andere Befunde, beispielsweise aus Analysen an einer Teilstichprobe der Bielefelder Längsschnittstudie (vgl. z. B. Zimmermann et al., 1995), nämlich an den unsicher gebundenen Kindern mit feinfühligen Müttern, legen allerdings auch einen substanziellen Einfluss dispositioneller kindlicher Faktoren, wie etwa eines schwierigen Temperaments, hoher Irritierbarkeit und geringer Orientierungsfähigkeit, auf die Organisation des Bindungsverhaltenssystems nahe (siehe auch Zentner, 2004). Wechselwirkungen zwischen verschiedenen kindlichen, individuumsbezogenen und familiären Einflussfaktoren scheinen also nicht nur möglich und plausibel, sondern sehr wahrscheinlich. Methodik und Design Die im Folgenden dargestellten Analysen und Befunde basieren auf Daten aus dem umfassenden Wiener Längsschnittprojekt „Familienentwicklung im Lebenslauf (FIL)“, in dessen Rahmen individuelle und familiäre Entwicklungsprozesse detailliert und umfassend (unter Berücksichtigung mikro-, meso-, exo- und makrosystemischer Einflüsse) analysiert wurden bzw. werden (s. z. B. Rollett & Werneck, 1993; Rollett, Werneck & Hanfstingl, 2005). Daten wurden erhoben zu Beginn der Longitudinalstudie an 175 werdenden Elternpaaren (im sechsten Schwangerschaftsmonat, t1, 1991 - 1992) aus dem Großraum Wien, sowie in weiterer Folge zusätzlich auch an den Kindern, 3 Monate nach der Geburt (t2, 1991 - 1993), 3 Jahre (t3, 1994 - 1995), 8 Jahre (t4, 1999 - 2000) und 11 Jahre (t5, 2002 - 2003) nach der Geburt des Kindes. Die Ausfallsquoten konnten dabei relativ niedrig gehalten werden (siehe Tab. 1). Die Stichprobe kann aufgrund der Art ihrer Rekrutierung (über Kliniken, Frauenärzte, Familient1 t2 t3 t4 t5 Mütter 175 168 152 137 135 (100 %) a (96 %) (87 %) [90 %] b (78 %) [90 %] (77 %) [99 %] Väter 175 167 147 124 120 (100 %) (95 %) (84 %) [88 %] (71 %) [84 %] (69 %) [97 %] Kinder - 164 117 c 143 d 144 d (94 %) (67 %) [71 %] (82 %) [125 %] (82 %) [101 %] Tabelle 1: Teilnahmequoten beim Projekt „Familienentwicklung im Lebenslauf (FIL)“ zu den fünf Testzeitpunkten: 3 Monate vor, 3 Monate, 3 Jahre, 8 Jahre und 11 Jahre nach der Geburt des Kindes a in runden Klammern: Prozente, in Relation zum ersten Erhebungszeitpunkt (175 = 100 %); b in eckigen Klammern: Prozente, in Relation zum jeweils vorigen Erhebungszeitpunkt; c davon 3 Zwillingspaare; d davon 2 Zwillingspaare. Elterliche Partnerschaftsqualität und kindliche Bindungsrepräsentation 121 beratungsstellen usw.) hinsichtlich ihrer soziodemografischen Charakteristika als annähernd repräsentativ für Eltern mit Kindern dieses Alters angesehen werden (Ausführlicheres dazu siehe z. B. in Werneck, 1998), mit leichten Abstrichen, was das - in derartigen Studien (z. B. Fthenakis et al., 2002) durchaus häufig zu beobachtende - etwas überdurchschnittliche Bildungsniveau betrifft (z. B. väterliche Akademikerquote zu t1 von 29.9 %). An Erhebungsverfahren kamen im Verlauf des Längsschnittprojekts zahlreiche etablierte und auch teils adaptierte bzw. neu entwickelte Verfahren zum Einsatz, von denen an dieser Stelle nur die für die folgenden Analysen relevanten aufgelistet werden sollen: Zu jedem Erhebungszeitpunkt (t1 - t5) kamen der Partnerschaftsfragebogen PFB (Hahlweg, 1979) zur Erfassung der elterlichen Partnerschaftsqualität (mit den Skalen Zärtlichkeit, Gemeinsamkeiten/ Kommunikation und Streitverhalten), sowie der Elternschaftsfragebogen (Nickel, Grant & Vetter, 1990) zur Erfassung elterlicher Einstellungen zum Einsatz. Weiters wurde vorgegeben die Erziehungsverhaltensliste für Mütter, HAMEL (Baumgärtel, 1979; zu t4), ein Temperamentfragebogen, erstellt in Anlehnung an das Konzept von Thomas und Chess (1977), welcher in jeweils altersadaptierter Form von den Müttern ausgefüllt wurde (t2 - t5), ein neu entwickelter Persönlichkeitsfragebogen (t4; mit den Skalen: „Ärger”, „Hyperaktivität”, „Risikobereitschaft”, „Prüfungsangst”, „Schulische Bravheit”, „Trait Angst”, „Extraversion”, „Sensibilität/ Agreeableness” - siehe ausführlich in Rollett & Werneck, 2001; angeregt durch den PFK 9 - 14 von Seitz & Rausche, 1992) und ein „Fragebogen zur Gesamtsituation“ (vgl. Nickel & Quaiser-Pohl, 2001; Rollett et al., 2005; Werneck, 1998), der sich aus vorgetesteten Skalen (betreffend die Freude an Aktivitäten mit Kindern, die Hausarbeitsaufteilung, die Freizeitgestaltung, die sozialen Netzwerke, die sozioökonomische Situation usw.) zusammensetzt (t1 - t5). Betreffend die Erfassung der Bindungsqualität wurden den Eltern der Dreijährigen (t3) u. a. einzelne Fragen zu den typischen Reaktionsweisen ihrer Kinder in sozialen Interaktionssituationen, z. B. bei neuen Kontakten oder Trennungen, gestellt (die „strange situation“, nach Ainsworth, Blehar, Waters & Wall, 1978, konnte aus organisatorischen Gründen nicht durchgeführt werden und schien überdies dem Alter der Kinder nicht mehr entsprechend angemessen). Mit 8 Jahren (t4) wurde die Bindungsqualität von den Kindern selbst mittels eines Geschichtenergänzungsverfahrens in Kombination mit vorgelegten Zeichnungen erfasst. Drei Jahre danach (t5) wurde den Kindern schließlich (neben einem Fragebogen zum Schulwechsel, dem adaptierten NEO-FFI von Borkenau und Ostendorf, 1993, einem selbst erstellten Persönlichkeitsfragebogen u. a.) eine für Elfjährige adaptierte Version des „Inventory of Parent and Peer Attachment“, IPPA, von Armsden und Greenberg (1987) vorgegeben, da für den hier relevanten Altersbereich (11 Jahre) ein Mangel an entsprechend ausgetesteten und bewährten Erhebungsmethoden zur Erfassung der Bindungsqualitäten vorliegt (vgl. dazu z. B. Goldberg, 2000) - (halb)projektive Verfahren wie Geschichtenergänzungsverfahren oder Zeichnungen mit Trennungsgeschichten greifen nicht mehr optimal, das Adult Attachment Interview (George, Kaplan & Main, 1996) noch nicht. Das IPPA (mit 28 Items) setzt sich ursprünglich (für die Beziehung zu den Eltern bzw. zu den Freunden) aus drei Skalen zusammen: „Trust“ ( α = .91), „Communication“ ( α = .91) und „Alienation“ ( α = .86). Zimmermann und Becker-Stoll (2001) berichten beispielsweise über eine Korrelation des übersetzten Verfahrens (Zimmermann, 1992) von r = .41 (bei 16-Jährigen aus der Bielefelder Längsschnittstudie) zwischen der „Bindung an die Mutter“, erfasst mit dem IPPA und dem Adult Attachment Interview (George et al., 1996). Eine Reanalyse der 28 fünfkategoriell vorgegebenen Items ergab (für die Beziehung zu den Eltern) faktorenanalytisch (Hauptkomponentenanalyse, Varimaxrotation) folgende vier Skalen (vgl. auch Rollett et al., 2005): „Vertrauen“ (8 Items; α = .81; Beispielitems: „meine Eltern akzeptieren mich, wie ich bin“, „meine Eltern respektieren meine Gefühle“, „meine Eltern verstehen mich“): Die Items dieser Skala beziehen sich sowohl auf gegenseitiges Vertrauen zwischen den Kindern und ihren Eltern als auch auf ein von den Kindern wahrgenommenes Einfühlungsvermögen der Eltern. „Kommunikation“ (8 Items; α = .80; Beispielitems: „ich erzähle meinen Eltern von meinen Problemen und Schwierigkeiten“, „wenn ich mich über etwas ärgere, versuchen mich meine Eltern zu verstehen“, „ich kann auf meine Eltern zählen, wenn ich mir etwas von der Seele reden muss“): Hier geht es einerseits um die Förderung der Kommunikation zwischen Eltern und Kind bzw. die Förderung der Verbalisierung von Problemen, die das Kind hat, sowie andererseits um die Akzeptanz des Kindes in Diskussionen mit den Eltern. 122 Harald Werneck, Brigitte Rollett „Entfremdung“ (5 Items; α = .63; Beispielitems: „wenn ich mit meinen Eltern über Gefühle rede, schäme ich mich oder fühle mich dumm“, „ich finde es unnötig, meine Gefühle zu zeigen“, „meine Eltern wissen gar nicht, dass ich mir über viele Dinge Sorgen mache“): Die Items dieser Skala bringen das Gefühl der Kinder zum Ausdruck, hinsichtlich emotionaler Angelegenheiten von den Eltern nicht verstanden zu werden. „Negative emotionale Beziehung“ (5 Items; α = .71; Beispielitems: „ich glaube, dass mich niemand versteht“, „meine Eltern haben gar keine Ahnung, was ich alles mitmache“, „ich ärgere mich über meine Eltern“): Die Items dieser Skala sind bei Armsden und Greenberg (1987) ursprünglich der Skala „Entfremdung“ zugeordnet. Der Unterschied zu den Fragen dieser Skala besteht hier allerdings darin, dass sich die Items der „negativen emotionalen Beziehung“ auf eine Situation beziehen, in welcher sich das Kind noch mit den Eltern auseinandersetzt, was auf eine, wenn auch negative, so doch vorhandene Beziehung hindeutet. Ergebnisse Bindungscluster In einem nächsten Schritt wurden die Elfjährigen nach ihren Angaben in den vier Skalen des adaptierten IPPA (s. o.) einer Clusteranalyse (nach der Ward-Methode) unterzogen (n = 123). Dabei konnten drei Bindungsmuster unterschieden werden: sichere (autonome) Bindungsrepräsentation (38 %): hohe Werte in den Skalen „Vertrauen“ und „Kommunikation“, niedrige Werte in der „negativen emotionalen Beziehung“ und der „Entfremdung“; unsicher-vermeidende (distanzierte) Bindungsrepräsentation (37 %): durchschnittliche Werte im „Vertrauen“ und der „Kommunikation“, niedrige Werte in der „negativen emotionalen Beziehung“ und hohe Werte in der „Entfremdung“; unsicher-ambivalente (präokkupierte) Bindungsrepräsentation (24 %): niedrige Werte im „Vertrauen“ und der „Kommunikation“, hohe Werte in der „negativen emotionalen Beziehung“ und der „Entfremdung“ (siehe Abb. 1). Eine Diskriminanzanalyse im Anschluss an die Clusteranalyse bestätigte die durchgehend hochsignifikant unterschiedlichen Skalenwerte in den drei Bindungsclustern; 94 % der ursprünglich gruppierten Fälle konnten auf diese Weise korrekt klassifiziert werden. Abbildung 1: Bindungscluster (nach den vier Bindungsskalen, zu t5) Elterliche Partnerschaftsqualität und kindliche Bindungsrepräsentation 123 Im Folgenden wurden aufgrund der Theorie (s. o.) interessierende Variablen, von denen erwartet wurde, dass sie möglicherweise einen Beitrag zur Diskrimination bzw. Prädiktion der unterschiedlichen Bindungsrepräsentationen mit 11 Jahren leisten könnten, varianzanalytisch auf signifikante Unterschiede zwischen den Bindungsgruppen hin untersucht (wobei der Focus hier nicht auf zu früheren Zeitpunkten im Längsschnitt erfassten Daten zur Bindungsqualität liegen sollte). Als erstes wurden die Skalen „Freude an Kindern“, die - zu den jeweiligen Erhebungszeitpunkten - messen, wie sehr diverse Aktivitäten mit dem Kind den Eltern Freude bereiten (Details dazu siehe z. B. in Werneck, 1998), analysiert, wobei sich hier für die Angaben der Mütter während der der Schwangerschaft (t1) und für die Väter 3 Jahre nach der Geburt des Kindes (t3) folgende (nach Bonferoni-Korrektur) tendenzielle bzw. signifikante Mittelwertsdifferenzen ergaben: Mütter und Väter von mit 11 Jahren sicher Gebundenen gaben (zu t1 bzw. t3) deutlich mehr Freude an Kindern an, Eltern von danach Unsicher-Vermeidenden signifikant weniger Freude - F(2, 117) = 4.70, p = .011 bzw. F(2, 98) = 6.56, p = .002 (siehe Tab. 2). sicher (S) unsicherunsicher- F (df)/ p Scheffé (38 %) vermeidend ambivalent (signif. Resultate) (UV) (UA) (37 %) (24 %) Freude an Kindern 0.32 -0.30 -0.03 4.70 (2,117)/ .011 S > UV (M, t1) Freude an Kindern 0.15 -0.55 0.12 6.56 (2,98)/ .002* S > UV < UA (V, t3) Milde der Erziehung 0.06 0.10 -0.51 3.77 (2,107)/ .026 UV > UA im Vergleich zur eigenen (V, t3) Mutter übernimmt die 0.30 -0.23 0.15 3.06 (2,96)/ .052 - Erziehung (V, t4) Milde der Erziehung 0.23 -0.20 0.32 2.90 (2,96)/ .060 - im Vergleich zur Partnerin (V, t4) Gemeinsamkeiten/ 0.09 0.13 -0.45 3.95 (2,117)/ .022 UV > UA Kommunikation (M, t2) Gemeinsamkeiten/ 0.34 0.04 -0.35 4.07 (2,105)/ .020 S > UA Kommunikation (V, t3) Zärtlichkeit (V, t3) 0.35 -0.16 -0.06 3.28 (2,105) .042 - Extraversion 0.29 0.09 -0.34 4.28 (2,108)/ .016 S > UA (Angaben M, t4) Sensibilität/ Agreeableness 0.40 -0.19 -0.32 4.78 (2,108)/ .004* S > UV, UA (Angaben M, t4) Tabelle 2: Mittelwerte ausgewählter Variablen (z-transformiert, t1 - t4) in den drei Bindungsclustern (sichere/ unsicher-vermeidende/ unsicher-ambivalente Bindungsrepräsentation) Anmerkung: M = Mutter, V = Vater, t 1 - t 4 Messzeitpunkte * p < .05 (signifikant, nach Bonferoni-Korrektur) 124 Harald Werneck, Brigitte Rollett Hinsichtlich der Erziehung ergaben sich folgende interessanten Unterschiede zwischen Elfjährigen mit sicherer, unsicher-vermeidender und unsicher-ambivalenter Bindungsrepräsentation („Sichere“/ „Unsicher-Vermeidende“/ „Unsicher-Ambivalente“): Väter von Unsicher- Ambivalenten gaben 3 Jahre nach der Geburt an, ihr Kind etwa gleich streng bzw. mild zu erziehen, wie sie selbst erzogen wurden, während Väter von Sicheren und Unsicher-Vermeidenden angaben, ihr Kind deutlich milder zu erziehen, als sie selbst erzogen wurden - F(2, 107) = 3.77, p = .026. Im Vergleich zur Partnerin gaben Väter von Sicheren (und teils auch Unsicher- Ambivalenten) 8 Jahre nach der Geburt des Kindes (t4) an, ihr Kind milder als ihre Partnerin zu erziehen, während die Väter der Unsicher- Vermeidenden ihr Kind tendenziell strenger als ihre Partnerin erzogen - F(2, 96) = 2.90, p = .060. Bei den Sicheren und Unsicher-Ambivalenten übernahmen (zu t4) nach Angaben der Väter eher die Mütter die Erziehung, bei den Unsicher-Vermeidenden beteiligten sich die Väter tendenziell stärker an der Erziehung - F(2, 96) = 3.06, p = .052 (siehe Tab. 2). Hinsichtlich der elterlichen Partnerschaftsqualität fanden sich ebenfalls charakteristische Differenzen zwischen den einzelnen Bindungsclustern: Die Gemeinsamkeiten und die Kommunikation (im Sinne des PFB von Hahlweg, 1979) zwischen den Eltern wurden von den Müttern schon 3 Monate nach der Geburt des Kindes (t2) bei den (späteren) Unsicher-Ambivalenten mit Abstand am schlechtesten eingeschätzt - F(2, 117) = 3.95, p = .022. Drei Jahre nach der Geburt des Kindes (t3) zeigt sich dieser signifikante Unterschied auch aus Sicht der Väter F(2, 105) = 4.07, p = .020 (siehe Tab. 2). Ein ähnliches Bild ergabt die Analyse der (PFB-) Skala „Zärtlichkeit“: Hier erlebten vor allem die Väter zu t3 in den einzelnen Bindungsgruppen ihre Partnerinnen unterschiedlich zärtlich. Väter jener Kinder, die mit 11 Jahren sichere Bindungsrepräsentationen aufwiesen, erlebten ihre Partnerinnen zärtlicher als Väter von später Unsicher-Vermeidenden bzw. Unsicher-Ambivalenten F(2, 105) = 3.28, p = .042 (siehe Tab. 2). Was das Temperament betrifft, gibt es in den vorliegenden Daten Hinweise auf einen Zusammenhang zur Bindungsqualität: Elfjährigen mit einer unsicher-vermeidenden Bindungsrepräsentation wurde im Alter von 3 Monaten (t2) von ihren Müttern eine - nach Bonferoni-Korrektur allerdings nur mehr tendenziell - geringere Rhythmizität bescheinigt als den anderen beiden Bindungsgruppen - F(2, 116) = 4.05, p = .020. In den übrigen erfassten vier Skalen (Stimmungslage, Unruhe, Irritierbarkeit, Triebhaftigkeit - Details dazu siehe z. B. in Rollett & Werneck, 1993) ergaben sich keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen den Bindungsgruppen. Auf Personenebene lässt sich ein tendenzieller Zusammenhang, vor allem zwischen der Zugehörigkeit zur Gruppe der „Slow-to-warm-up“-Babys (t2) und den Elfjährigen (t5) mit unsicher-vermeidender Bindungsrepräsentation feststellen - Gart’s 2I (df = 4) = 7.406, p = .058. Hinsichtlich der (zu t4) erfassten Persönlichkeit ergaben sich bemerkenswerte Unterschiede zwischen den drei Bindungsgruppen (zu t5): Elfjährige mit sicherer Bindungsrepräsentation wurden mit 8 Jahren (t4) von ihren Müttern als deutlich extravertierter beschrieben, vor allem im Vergleich zu den (zu t5) Unsicher- Ambivalenten - F(2, 108) = 4.28, p = .016. Sicher Gebundenen wurden weiters (zu t4) von den Müttern (auch nach Bonferoni-Korrektur) signifikant höhere Werte in der Skala „Sensibilität/ Aggreeableness“ zugeordnet als den beiden unsicher gebundenen Gruppen - F(2, 108) = 4.78, p = .004 (siehe Tab. 2). In den übrigen Skalen fanden sich keine signifikanten Unterschiede. Pfadmodell für die Bindungsqualität mit 11 Jahren In einem nächsten Schritt sollte nun auf Basis dieser Einzelbefunde ein Modell für die Prädiktion der Bindungsrepräsentation entworfen werden. Da hierbei v. a. aufgrund der bisher unscharfen Befundlage bzw. Theorie dahinter (s. o.) einem überwiegend exploratorischen Vorgehen der Vorzug gegenüber einem konfirma- Elterliche Partnerschaftsqualität und kindliche Bindungsrepräsentation 125 torisch orientierten gegeben wurde, bot sich als Methode der Wahl das LVPLS-Verfahren (Partial Least Squares Model with Latent Variables) von Wold (1981) und Lohmöller (1987) an, zumal diesem als parameterfreiem Verfahren bei kleineren Stichprobenumfängen, insbesondere bei longitudinalen Designs in der Entwicklungspsychologie, der Vorzug gegenüber Strukturgleichungsmodellen mit Maximum-Likelihood-Diskrepanzfunktion zur Parameterschätzung zu geben ist (vgl. dazu z. B. Bliemel, Eggert, Fassot & Henseler, 2005; Chen & Miller, 2005; Rollett & Werneck, eingereicht; Tenenhaus, Vinzi, Chatelin & Lauro, 2005). Als (latente) Zielvariable diente dabei die Bindungsqualität mit 11 Jahren (t5), operationalisiert über die manifesten Skalen des Instruments zur Erfassung der Bindungsrepräsentation. Als Prädiktorvariablen fungierten die Partnerschaftsqualität aus Sicht des Vaters (mit den drei manifesten Skalen des PFB) zu t2, die Milde der Erziehung des Vaters (im Vergleich zu seiner eigenen) zu t3, der Erziehungsstil der Mutter (mit den drei manifesten Skalen des HA- MEL) zu t4 und die Persönlichkeit des Kindes im Alter von 8 Jahren (t4; erfasst mit den acht manifesten Skalen des selbsterstellten Persönlichkeitsfragebogens, s. o.) (siehe Abb. 2). In diesem Modell ( χ 2 = 6.832) konnten durch nur vier Vorhersagevariablen insgesamt 23 % der Varianz der Zielvariable Bindungsqualität erklärt werden. Als direkte Prädiktoren der Bindungsqualität (in Richtung hohe Werte in Vertrauen und Kommunikation) erwiesen sich dabei die Partnerschaftsqualität (in Richtung hohes Streitverhalten) mit einem Pfadkoeffizienten von -.13 und die väterliche Milde der Erziehung (zu t3; im Vergleich zur selbst erlebten Erziehung), mit .23. Hohe Werte in der Partnerschaftsqualität, d. h. z. B. ausgeprägtes Streitverhalten, aus Sicht des Vaters zu t2 wirkte sich daneben auch (mit -.22) auf die Milde der väterlichen Erziehung und (mit .25) auf den Erziehungsstil der Mutter (im Sinn ausgeprägter Strenge) zu t4 aus, sowie die Milde der väterlichen Erziehung (mit .24) auf den mütterlichen Erziehungsstil. Dieser Erziehungsstil determinierte interessanterweise nur in vernachlässigbarem Ausmaß (-.11) direkt die Bindungsbindungsqualität, aber in hohem Ausmaß Abbildung 2: Prädiktionsmodell der Bindungsqualität mit 11 Jahren 126 Harald Werneck, Brigitte Rollett (.52) die Persönlichkeit des Kindes (im Sinn hohen Ärgers, hoher Hyperaktivität, hoher Risikobereitschaft und hoher Trait-Angst). Diese Variable wirkte sich wiederum negativ (-.32) auf die Bindungsqualität aus und bildete somit den stärksten unmittelbaren Prädiktor für die Bindungsqualität mit 11 Jahren. Diskussion Zunächst fällt der vergleichsweise geringe prozentuelle Anteil (38 %) an Elfjährigen mit sicheren Bindungsrepräsentationen auf (vgl. z. B. Grossmann et al., 2005), sowie analog dazu die relativ starke Verbreitung unsicher-ambivalenter Bindungsrepräsentationen (24 %). Als eine zentrale Variable im Umgang mit dem Kind scheint sich erneut (vgl. dazu z. B. auch Werneck, 1997), auch im Kontext der Entwicklung der kindlichen Bindungsrepräsentationen, die Freude der Mütter und Väter an ihren Kindern (von der Schwangerschaft an) herauszustellen, sei es als Ressource, um mit diversen kindbezogenen Belastungen besser umgehen und dadurch auch feinfühliger auf das Kind eingehen zu können, sei es als Ausdruck dafür, dass hier offenbar schon bei den Eltern sichere Bindungsrepräsentationen überwiegen und diese wiederum sichere Bindungen bei den Kindern begünstigen. Frühe Strenge des Vaters (im Vergleich zu dessen selbst erfahrener Erziehung) und Strenge der Mutter (im Vergleich zum Vater) scheinen vor allem unsicher-ambivalente Bindungsrepräsentationen mit 11 Jahren zu begünstigen, was teils über Konfundierungen mit (Mangel an) elterlicher Feinfühligkeit erklärt werden könnte. Eltern, die (in den ersten Lebensjahren des Kindes) wenig miteinander kommunizieren, fördern spätere unsicher-ambivalente Bindungsrepräsentationen bei ihren elfjährigen Kindern. Eltern, die (in den ersten Lebensjahren des Kindes) mehr Gemeinsamkeiten angeben, besser kommunizieren und mehr Zärtlichkeit in der Partnerschaft wahrnehmen, begünstigen hingegen sicher-gebundene Bindungsrepräsentationen. Diese Befunde stützen die These, wonach Beziehungsverhalten im Rahmen einer Partnerschaft und Bindungsverhalten im Rahmen von Eltern-Kind-Beziehungen strukturell vergleichbar sind (z. B. Cromwell & Waters, 2005) bzw. einen gemeinsamen Hintergrund haben, etwa im Sinn einer zugrunde liegenden allgemeinen Beziehungskompetenz. Die Tatsache, dass diese Befunde zur Partnerschaftsqualität großteils auf Angaben der Väter (über ihre Partnerinnen) beruhen, und auch in der vorliegenden Stichprobe nach wie vor eher die Mütter die primären Bezugspersonen darstellen, stützt diese These zusätzlich. Schwache Hinweise finden sich in den Daten auf dispositionelle Einflüsse des Temperaments auf die Bindungsrepräsentationen. Sie scheinen zwar vorhanden, jedoch stark überlagert bzw. in Wechselwirkung mit anderen Sozialisationsbedingungen. Die Partnerschaftsqualität der Eltern beeinflusst, vermittelt über Erziehungseinflüsse, maßgeblich die Persönlichkeitsstruktur (mit 8 Jahren), die wiederum als zentraler Prädiktor für die Bindungsqualität fungiert, wobei vor allem eine sensible Persönlichkeit der Kinder sichere Bindungsrepräsentationen begünstigt. Dies spricht in Summe für starke Einflüsse von Unterstützungsbzw. Zurückweisungserfahrungen durch die Eltern auf die Bindungsqualität im Jugendalter (vgl. Zimmermann & Becker-Stoll, 2001), auch wenn mit dem vorliegenden Modell der überwiegende Anteil der Bindungsrepräsentation mit 11 Jahren nicht prädiziert werden konnte - was teils auf die (auch in dieser Studie) nach wie vor nicht befriedigend gelösten Probleme bei der Erfassung der Bindungsrepräsentation, insbesondere in der Präadoleszenz, zurückgeführt werden kann. Gestützt wird die These einer engen Verbindung der beiden Konstrukte Persönlichkeit und Bindungsrepräsentation, was sich mit mehreren anderen Studienergebnissen deckt, wonach sichere Bindungsrepräsentation einhergeht mit höherer Ich- Flexibilität, geringerer Hilflosigkeit, hoher emotionaler Regulierungsfähigkeit, positiverem Selbstwertgefühl, aktiven Bewältigungsstrategien, einem stabileren und tragfähigeren Freundschaftsnetz, emotionaler Offenheit usw. (z. B. Sroufe, 2005; Zimmermann & Becker-Stoll, 2001). Elterliche Partnerschaftsqualität und kindliche Bindungsrepräsentation 127 Insgesamt belegt die vorliegenden Studie einige interessante Einflüsse auf die Bindungsqualität mit 11 Jahren, wobei auf eine Menge relevanter längsschnittlicher Daten zurückgegriffen werden konnte. Auch wenn die Prädiktion der Bindungsrepräsentation weiterhin lückenhaft bleibt, konnten doch einige Wirkungsweisen transparent(er) gemacht werden, die durchaus geeignet erscheinen, Ansatzpunkte für Präventions- und Interventionsprogramme zu liefern. Literatur Ahnert, L. (Hrsg.). (2004). Frühe Bindung. Entstehung und Entwicklung. München: Reinhardt. Ainsworth, M. D. S., Blehar, M. C., Waters, E., & Wall, S. (1978). Patterns of attachment: A psychological study of the strange situation. Hillsdale, NJ: Erlbaum. Alexandrov, E. O., Cowan, P. A. & Pape Cowan, C. (2005). 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