Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2009
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Was klingt intelligenter - Waltraud oder Matthias? Zeitliche Stabilität von Intelligenz-Wortnormen für Vornamen im Deutschen und ihre Geltung für Lehramtsstudierende
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2009
Stephan Kröner
Oliver Dickhäuser
Wie Studien zu Aufsatzbeurteilungen belegen, löst die Nennung eines Vornamens Eingangserwartungen aus, welche Ergebnisse von Experimenten z.B. zu Geschlechtseffekten bei der Personenbeurteilung verfälschen können und anhand von Vornamens-Wortnormen kontrolliert werden sollten. Zeitliche Stabilität und Übertragbarkeit auf Lehramtsstudierende werden für die Normen von Rudolph und Spörrle (1999) anhand eines Vergleichs mit Daten von Rudolph et al. (2007) sowie neu erhobener Daten (N=102 Lehramtsstudierende) untersucht. Trotz deutlicher Mittelwertsunterschiede zeigten sich hohe Stabilitäten der relativen Namenspositionen. Es werden geschlechtsgemischte, mit ähnlicher Intelligenz assoziierte Vornamenspaare als Grundlage für künftige Studien erstellt. Gründe für die gefundenen Mittelwertsunterschiede werden diskutiert.
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Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2009, 56, 150 - 157 © Ernst Reinhardt Verlag München Basel n Forum Was klingt intelligenter - Waltraud oder Matthias? Zeitliche Stabilität von Intelligenz-Wortnormen für Vornamen im Deutschen und ihre Geltung für Lehramtsstudierende Stephan Kröner Oliver Dickhäuser Universität Erlangen-Nürnberg Universität Mannheim What Sounds More Intelligent - Waltraud or Matthias? Temporal Stability of Intelligence-Related Word-Norms for Prenames in Germany and Their Generalizability to Prospective Teachers Summary: As studies on essay-assessment show, mentioning a first name triggers specific associations, which may distort results of studies, e.g. regarding gender effects on person perception. These distortions should be controlled for using word norms. For Rudolph and Spörrle’s (1999) norms, temporal stabilitiy as well generalizability regarding prospective teachers were examined via comparison with data of Rudolph et al. (2007) and with data collected for the present study (N = 102 prospective teachers). In spite of considerable differences in mean levels, relative position of names was highly stable. For further research, pairs of prenames for both genders are suggested that are associated with similar intelligence. Reasons for the detected mean differences are discussed. Keywords: Expectations, names, intelligence, social perception, stereotyped attitudes Zusammenfassung: Wie Studien zu Aufsatzbeurteilungen belegen, löst die Nennung eines Vornamens Eingangserwartungen aus, welche Ergebnisse von Experimenten z. B. zu Geschlechtseffekten bei der Personenbeurteilung verfälschen können und anhand von Vornamens-Wortnormen kontrolliert werden sollten. Zeitliche Stabilität und Übertragbarkeit auf Lehramtsstudierende werden für die Normen von Rudolph und Spörrle (1999) anhand eines Vergleichs mit Daten von Rudolph et al. (2007) sowie neu erhobener Daten (N = 102 Lehramtsstudierende) untersucht. Trotz deutlicher Mittelwertsunterschiede zeigten sich hohe Stabilitäten der relativen Namenspositionen. Es werden geschlechtsgemischte, mit ähnlicher Intelligenz assoziierte Vornamenspaare als Grundlage für künftige Studien erstellt. Gründe für die gefundenen Mittelwertsunterschiede werden diskutiert. Schlüsselbegriffe: Erwartungen, Namen, Intelligenz, Soziale Wahrnehmung, Stereotype Einstellungen Lehrer gehen mit Eingangserwartungen an die Interaktion mit ihnen unbekannten Schülern heran (Jussim, 1986). Möglicherweise ruft allein die Nennung eines Schülernamens bereits Assoziationen zu Intelligenz, Alter und Attraktivität hervor. Insbesondere für altmodische, d. h. in den letzten Jahrzehnten erheblich seltener als zuvor vergebene Vornamen, ist mit negativen Assoziationen in Bezug auf Attraktivität und Intelligenz zu rechnen (Kasof, 1993), was Auswirkungen auf Leistungsbeurteilungen, z. B. in Aufsätzen, haben kann: Lehrer beurteilen Aufsätze ihnen unbekannter Schülerinnen und Schüler besser, wenn diese mit attraktiven Namen versehen wurden, als wenn ihnen unattraktive Namen zugeordnet wurden (Harari & McDavid, 1973; vgl. auch Stegwart & Segalowitz, 1991). Gerade in Bezug auf Aufsatzbeurteilungen wurden auch Geschlechtsstereotype untersucht. Wie Kasof (1993) ausführt, hat man hierzu den verwendeten Jungennamen häufig vermeintlich Intelligenz-Wortnormen für Vornamen 151 äquivalente Frauennamen zugeordnet (z. B. Roberta zu Robert) und so Frauen mit seltenen, und damit unattraktiveren Namen versehen als Männer. Geschlechtseffekte haben sich bei näherem Hinsehen teilweise als Artefakte unattraktiverer Frauennamen entpuppt. Um dies zu vermeiden, benötigt man Vornamens-Wortnormen 1 . Für in Deutschland verbreitete Vornamen wurden diese von Rudolph und Spörrle (1999) 2 sowie von Rudolph, Böhm und Lummer (2007) erstellt. Ob diese noch heute und auch für Lehramtsstudierende verwendbar sind, ist unklar: Zum einen behandeln Lehramtsstudierende während ihres Studiums die klassischen Studien zu Erwartungseffekten und Urteilsfehlern und sind folglich meist sehr bemüht, derartige Fehler zu vermeiden. Zum anderen wurde ein für eine Abschätzung der Gültigkeitsdauer erforderlicher Vergleich der Normen von Rudolph und Spörrle (1999) mit den von Rudolph et al. (2007) erstellten aktuellen Wortnormen für deutsche Vornamen bislang nicht unternommen. In der vorliegenden Arbeit werden zunächst die Normen von Rudolph und Spörrle (1999) mit denen von Rudolph et al. (2007) verglichen. Dies ist möglich, wird jedoch dadurch erschwert, dass lediglich 24 Namen in beiden Studien untersucht werden. Rudolph und Spörrle (1999) haben die 80 von ihnen verwendeten Vornamen aus vier Kategorien zusammengestellt: Erstens den 40 häufigsten Vornamen des Geburtsjahrgangs 1958 („altmodische Vornamen“), zweitens den 40 häufigsten Vornamen des Geburtsjahrgangs 1996 („moderne Vornamen“), drittens 100 Namen, die sowohl 1958 als auch 1996 unter den 100 beliebtesten Vornamen zu finden waren („zeitlose Vornamen“), sowie viertens zehn Paaren von weiblichen und männlichen Namen, die von Probanden nach intuitiven Kriterien mit dem Ziel gleicher Attraktivität zusammengestellt wurden („zufällige Auswahl“). Rudolph et al. (2007) haben Namen aus drei Kategorien gewählt: Erstens je zwölf männliche und weibliche Vornamen, die im Jahre 2004 unter den 20 häufigsten Vornamen waren, 1965 jedoch nur selten vergeben wurden („modern“), zweitens je sechs männliche und weibliche Vornamen, die zwischen 1960 und 2004 in jedem Jahrzehnt (1960 bis 1969, 1970 bis 1979 etc.) mindestens zweimal zu den beliebtesten Vornamen zählten („zeitlos“), und drittens je zwölf männliche und weibliche „altmodische“ Vornamen, die 1965 unter den 20 beliebtesten Vornamen waren, 2004 jedoch nur noch selten vergeben wurden. Aufgrund der großen Änderungen in der Population der Träger sollte die zeitliche Gültigkeit der Wortnormen für „moderne“ Vornamen am stärksten eingeschränkt sein. In abgeschwächtem Maße können Änderungen auch für zeitlose Vornamen erwartet werden, denn wirklich zeitlose Namen gibt es auf lange Sicht eher selten (vgl. dazu Rudolph et al., 2007). Am stabilsten sollten Wortnormen für altmodische Vornamen sein, die in den letzten zehn Jahren konstant selten waren und ihr (geringes) Attraktivitätsniveau nicht verändert haben dürften. Die vorliegende Arbeit untersucht zwei Fragen: 1. Sind die Wortnormen von Rudolph und Spörrle (1999) noch gültig? 2. Sind die Ergebnisse generalisierbar auf die für Aufsatzbeurteilungen besonders relevante Gruppe der Lehramtsstudierenden? Reanalyse existierender Daten - Vergleich der Daten von Rudolph und Spörrle (1999) und Rudolph et al. (2007) Methode Die N = 150 bzw. N = 149 Probanden der bereits publizierten Studien von Rudolph und Spörrle (1999) bzw. Rudolph et al. (2007) erhielten Fragebögen mit einer Auswahl von Vornamen. Dabei handelte es sich um eine Mischung aus so genannten „altmodischen“ Vornamen, die in den 1950ern bzw. 1960ern häufig, in den 1990ern bzw. 2000ern jedoch selten vorkamen, „modernen Vornamen“, für die das umgekehrte Muster galt, und „zeitlosen“ Vornamen, die in beiden 1 Zu weiteren Anwendungsgebieten für Wortnormen siehe Rudolph und von Hecker (2006). 2 Wir greifen stets auf die korrigierten Werte in der Publikation von Rudolph (2001) zurück. 152 Stephan Kröner, Oliver Dickhäuser Zeiträumen häufig vorkamen. Für die vorliegende Arbeit ist von besonderem Interesse, dass die Probanden die Vornamen hinsichtlich der damit assoziierten Intelligenz beurteilen sollten. Nähere Informationen zu weiteren Variablen, Stichprobe, Materialien und Vorgehensweise finden sich bei Rudolph und Spörrle (1999) sowie bei Rudolph et al. (2007). In der Reanalyse wurden Unterschiede in den Intelligenzeinschätzungen zu den in Tabelle 1 aufgelisteten Vornamen analysiert, die in beiden Studien von Rudolph und Kollegen identisch waren. Dazu wurden die in beiden Studien auf unterschiedlichen Skalen erhobenen Werte so transformiert, dass sie den Prozentsatz der möglichen maximal positiven und maximal negativen Einschätzung auf der jeweils verwendeten Skala ausdrücken. Ein transformierter Wert von 0 entspricht dem theoretischen Mittelwert der Skala, ein Wert von -100 dem Minimum und ein Wert von +100 dem Maximum der Skala. Der Wert 20 entspricht beispielsweise dem Wert 6 auf der Skala von 0 bis 10 bei Rudolph und Spörrle (1999) und dem Wert 4 auf der Skala von 1 bis 6 bei Rudolph et al. (2007). Ergebnisse und Diskussion Niveau der Einschätzungen: Die transformierten Werte aus der neuen Studie von Rudolph et al. (2007) fallen deskriptiv mit M = 21.22 und SD = 6.99 positiver aus als die in der Studie von Rudolph und Spörrle (1999) mit M = 15.25 und SD = 12.08 (d = .60). Wie ein Wilcoxon- Rangsummentest ergibt, ist dieser Effekt jedoch aufgrund der geringen Power bei den wenigen verfügbaren Vornamen nicht statistisch signifikant (W = 507; p = .09). Rangfolge der Einschätzungen: Kendalls Tau als Maß für den Zusammenhang der Einschätzungen in der alten und der neuen Studie beträgt t = .44 (p < .01). Unterschiede in der Veränderungsrichtung für moderne, zeitlose und altmodische Namen: Es wurde untersucht, ob Veränderungen in den Intelligenzeinschätzungen von alter zu neuer Studie je nach Namenskategorie (1 = modern vs. 2 = zeitlos und 3 = altmodisch) unterschiedlich stark ausfallen. Als Ausgangspunkt für diese Mittelwertsvergleiche wurden die standardisierten Residuen einer Regression mit „neuer“ Einschätzung als Kriterium und „alter“ Einschätzung als Prädiktor verwendet. Sie beinhalten diejenige Information über die „neuen“ Einschätzungen, die nicht in den „alten“ Einschätzungen enthalten ist (vgl. hierzu die Ausführungen von Klauer, 1973, S. 144f. zum „Residualgewinn“). Die Residuen betrugen im Mittel M = .20 (SD = 1.14) für moderne, M = -.37 (SD = .74) für zeitlose und M = .35 (SD = .22) für altmodische Namen (vgl. ). Wie ein Jonckheere-Terpstra-Trendtest zeigt, variieren sie nicht in der erwarteten Form statistisch signifikant mit der Namenskategorie (z = 1.13; p = .47). Diskussion. Zeitliche Schwankungen der Mittelwerte sind also möglicherweise vorhanden, lassen sich jedoch aufgrund geringer Power nicht inferenzstatistisch absichern. Gleiches gilt für Unterschiede im Ausmaß der Rangplatz-Veränderungen über die Vornamens-Kategorien hinweg. Anhand neu erhobener Daten sollte die Stabilität der Vornamenseinschätzungen nochmals geprüft werden, unter Berücksichtigung folgender Desiderata: 1. Verwendung gleicher Skalen und Skalenanker wie bei Rudolph und Spörrle (1999); 2. gleichmäßige Berücksichtigung von älteren, jüngeren und zeitlosen Vornamen; 3. gleichmäßige Berücksichtigung von mit geringer, mittelmäßiger und hoher Intelligenz assoziierten Vornamen. Analyse neu erhobener Daten von Lehramtsstudierenden Methode Auswahl der Namen. Die Studie von Rudolph et al. (2007) war bei der Untersuchungsplanung noch unveröffentlicht und den Autoren unbekannt. Deshalb wurde jeweils für Männer- und Frauennamen aus den „altmodischen“, den „modernen“ und den „zeitlosen“ Namen der Untersuchung von Rudolph und Spörrle (1999) je ein mit geringerer, mit mittelmäßiger und mit hoher Intelligenz assoziierter Name ausgewählt (vgl. links). So sollten Varianzeinschränkungen und damit Unterschätzungen von Korrelationen vermieden werden. Zusätzlich wurde mit dem eher „altmodischen“ „Erwin“ derjenige Vorname ausgewählt, der bei Rudolph und Spörrle (1999) besonders schlecht abgeschnitten hatte. Intelligenz-Wortnormen für Vornamen 153 Stichprobe. 102 Lehramtsstudierende der Universität Erlangen-Nürnberg wurden untersucht (77 weiblich, 20 männlich, fünf ohne Geschlechtsangabe); die Mehrheit (93 Probanden) fällt hinsichtlich ihres Alters in die Kategorie „unter 30“ bei Rudolph und Spörrle (1996). 82 Probanden kamen aus Bayern, 16 aus den neuen Bundesländern, für vier Probanden fehlte die Angabe 3 . Für die Probanden ist die vom Zweitautor gehaltene Vorlesung „Pädagogische Psychologie“ notwendige Voraussetzung für die Seminare, in deren Rahmen die Untersuchung durchgeführt wurde. In der Vorlesung wurden Erwartungseffekte und Stereotype behandelt. Zwar kann nicht für sämtliche Untersuchungsteilnehmer garantiert werden, dass sie die entsprechenden Vorlesungstermine besucht haben, die Teilnahmequote beträgt jedoch ca. 90 %. Materialien und Vorgehensweise. Die ausgewählten Vornamen wurden in einer für alle Probanden identischen, aber hinsichtlich der Namenseigenschaften zufällig gemischten Reihenfolge für Gruppen von ca. 20 Studierenden als PowerPoint-Präsentation in einem Seminarraum auf eine Leinwand projiziert. Die Einschätzungen waren auf einem Antwortbogen vorzunehmen. Vor Beginn der eigentlichen Namenspräsentationen wurde ein Beispielitem eingeblendet. Die Probanden erhielten dazu in freier Rede eine Instruktion, deren Kern sinngemäß wie folgt lautete (Text in Anführungszeichen = Skalenanker auf Namensfolien und Antwortblatt, in Anlehnung an Rudolph & Spörrle, 1999): „Wenn gleich der erste Name kommt, tragen Sie bitte hier in der zweiten Spalte einen Wert von 0 (‚überhaupt nicht‘) bis 10 (‚in hohem Maße‘) ein, je nachdem, wie sehr Sie den Namen mögen. In die dritte Spalte schreiben Sie entweder ein J, ein Ä, oder ein U, je nachdem, ob Sie glauben, dass Personen mit diesem Namen ‚eher jünger‘ sind, ‚eher älter‘ oder ob das ‚unklar‘ ist. In der letzten Spalte tragen Sie einen Wert zwischen 0 (‚gar nicht intelligent‘) und 10 (‚sehr intelligent‘) ein, je nachdem, für wie intelligent Sie Personen mit diesem Namen halten“. Bei kritischen Nachfragen zum Sinn der Untersuchung wurde auf eine Abschlussdiskussion verwiesen, in der auch die Ergebnisse von Rudolph und Spörrle (1999) vorgestellt und die Relevanz für Aufsatzbeurteilungen diskutiert wurden. Jeder Name wurde zusammen mit den Skalenankern für ca. 40 Sekunden eingeblendet, getrennt von einer Leerfolie (drei Sekunden). Die Probanden hatten zwei Zahlen und einen Buchstaben für jeden Namen in eine Tabelle auf einem Antwortblatt einzutragen, welche nochmals die Skalenanker im Spaltenkopf und die Vornamensinitialie im ersten Feld der Zeile enthielt. Die etwa 15 Minuten dauernde Untersuchung wurde zwischen Oktober 2004 und Oktober 2005 durchgeführt. Variablen. Es wurden Einschätzungen der Probanden hinsichtlich Alter, Attraktivität und Intelligenz der verwendeten Vornamen erhoben. Die Erhebung von eingeschätztem Alter und Attraktivität erfolgte lediglich, um die Vergleichbarkeit der Erhebungsbedingungen mit den Daten von Rudolph und Spörrle (1999) zu erhöhen. Außerdem wurden am Ende des Antwortbogens biografische Angaben zu den Probanden erhoben, nämlich Altersgruppe, Geschlecht und Herkunfts-Bundesland. Ergebnisse Korrelationen und Deskriptive Statistiken. Die wie bei Rudolph und Spörrle (1999) aggregierten Einschätzungen korrelierten wie folgt (jeweils p < .001): Intelligenz/ Attraktivität: r = .83; Attraktivität/ Alter: r = -.63; Intelligenz/ Alter: r = -.56 (deskriptive Statistiken siehe Tabelle 2). Stabilität und Generalisierbarkeit der Wortnormen. Die Rangfolge der Intelligenzeinschätzungen über die Namen hinweg ist relativ stabil geblieben ( t = .63; p < .001). Das Niveau der Einschätzungen insgesamt hat sich dagegen bezogen auf die unter 30-Jährigen bei Rudolph und Spörrle (1999) verändert. Die mittleren in Skalenprozente transformierten Intelligenzeinschätzungen fallen bei den neu erhobenen Daten mit M = 14.82 (SD = 14.93) positiver aus als die in der Studie von Rudolph und Spörrle (1999) mit M = 2.53 (SD = 17.84). Die Effektstärke beträgt d = .75. Der Unterschied ist statistisch signifikant (W = 294; p < .05). 3 Die mittleren Einschätzungen von Probanden aus den alten und den neuen Ländern unterschieden sich nicht statistisch signifikant (jeweils F < 1). Dies entspricht den Ergebnissen von Rudolph et al. (2007). In der vorliegenden Arbeit werden daher die Daten aller Probanden gemeinsam analysiert. 154 Stephan Kröner, Oliver Dickhäuser Die Intelligenzeinschätzungen für moderne, zeitlose und altmodische Namen haben sich unterschiedlich verändert: Die mittleren Residuen in den Namenskategorien bilden einen statistisch signifikanten (z = -2.32; p < .05), fallenden Trend von altmodischen (M = 0.78; SD = 1.16), über zeitlose (M = - 0.12; SD = 0.60) zu modernen Vornamen (M = -0.57; SD = 0.64). Erwartungsgemäß fallen die Einschätzungen bei modernen Vornamen positiver und bei altmodischen Namen negativer aus, als Rudolph und Spörrle (1999) erwarten lassen. Es lassen sich geschlechtsgemischte Vornamens-Paare bilden, die mit gleich hoher Intelligenz assoziiert werden. Insbesondere Lukas und Julia (d = -0.05; t[98] = -.53, p = .77) 4 sowie Robert und Regina (d = .09; t[98] = 0.94, p = .35) bieten sich an, da sie auch in Bezug auf die hier nicht ausführlich erörterten Einschätzungen hinsichtlich Alter und Attraktivität nicht statistisch signifikant unterschiedlich sind (jeweils p > .05). 4 Jeweils zweiseitige t-Tests für abhängige Stichproben, Effektstärken nach „Case 4“ bei Cohen (1988). Kategorie Vorname M (1999) M (2007) % Abw. (1999) % Abw. (2007) Standard. Intelligenz- Residuum altmodisch Frank 4.4 3.81 -12 12 0.20 Peter 4.7 3.91 -6 16 0.51 modern Anna 6.0 4.31 20 32 1.64 Felix 5.9 3.96 18 18 -0.75 Florian 6.1 3.81 22 12 -2.11 Julia 5.6 4.06 12 22 0.38 Katharina 6.3 4.34 26 34 1.60 Laura 5.8 3.99 16 20 -0.25 Lea 6.2 4.26 24 30 1.01 Lena 5.8 4.26 16 30 1.55 Lukas 6.0 4.19 20 28 0.92 Paul 4.8 3.85 -4 14 0.02 Sarah 6.4 4.13 28 25 -0.16 Sophie 7.0 4.25 40 30 -0.07 Tim 5.8 3.88 16 15 -1.16 zeitlos Andreas 5.6 3.82 12 13 -1.25 Claudia 5.0 3.90 0 16 0.11 Jan 5.8 4.07 16 23 0.29 Maria 5.7 4.15 14 26 0.97 Matthias 6.1 3.93 22 17 -1.20 Maximilian 6.3 4.05 26 22 -0.57 Michael 6.2 4.07 24 23 -0.25 Sabine 5.0 3.76 0 10 -0.98 Thomas 5.8 3.97 16 19 -0.43 Tabelle 1: Differenzen in der Intelligenz-Einschätzung bei Rudolph & Spörrle (1999) und Rudolph et al. (2007) Anmerkung: (1999) = Daten von Rudolph (2001); (2007) = Daten von Rudolph et al. (2007); „% Abw.“ = relative Abweichung vom theoretischen Mittelwert der Skala. -100 = Minimum; -50 = erstes Viertel der Skala; 0 = theoretischer Mittelwert; 50 = drittes Viertel der Skala; 100 = Maximum. Standard. Intelligenz-Residuum = standardisiertes Residuum der Regression von der eingeschätzten Intelligenz im Datensatz von Rudolph et al. (2007) auf die im Datensatz von Rudolph (2001) Intelligenz-Wortnormen für Vornamen 155 Kategorie Name Intelligenz Attraktivität Alter Standardisiertes Residuum M SD M SD Jünger Unklar Älter Intelligenz Attraktivität Alter altmodisch Erwin 4.44 2.16 2.57 2.14 7 10 84 -0.03 -0.09 -0.63 Helmut 4.71 1.87 2.49 2.04 1 2 98 -0.98 -0.59 0.51 Regina 5.40 1.52 4.17 2.32 34 23 44 -1.14 -0.52 0.51 Robert 5.64 1.80 4.56 2.27 34 43 24 -0.45 -0.16 -0.25 Veronika 5.28 1.92 4.01 2.25 26 34 41 -1.49 -1.60 1.37 Waltraud 4.29 1.84 2.26 2.18 0 2 99 -0.04 -0.28 0.42 Wolfgang 5.78 1.96 4.07 2.55 12 13 76 0.17 -0.11 1.09 modern Julia 6.63 1.77 6.83 2.11 89 10 2 -0.61 -0.47 0.18 Lena 6.76 1.40 7.22 2.01 87 10 4 1.49 1.36 -2.13 Lukas 6.52 1.70 6.57 2.16 87 12 2 0.36 0.18 -0.78 Moritz 6.31 1.88 5.84 2.44 87 12 2 1.70 0.91 -0.59 Paul 6.24 1.94 5.96 2.66 45 31 25 2.15 2.34 -1.61 Stefanie 5.65 1.84 5.10 2.29 82 16 3 -0.42 -0.28 0.54 zeitlos Christoph 6.25 1.83 5.13 2.29 71 23 7 -1.06 -2.04 -0.25 Karin 5.65 1.66 4.95 2.27 23 26 52 0.01 0.47 1.46 Maria 6.42 1.77 6.14 2.30 24 28 49 0.72 0.40 -0.50 Matthias 6.49 1.54 5.39 2.06 64 30 7 0.06 0.48 -0.78 Ralf 5.04 1.98 4.05 2.57 52 26 23 -0.46 0.46 0.34 Ulrike 5.58 1.97 3.30 2.13 23 33 45 0.02 -0.45 1.10 Tabelle 2: Einschätzungen zu Intelligenz, Attraktivität und Alter zu den für die vorliegende Arbeit erhobenen Daten (in Original-Skaleneinheiten) sowie Veränderungen im Vergleich zu Rudolph (2001). Anmerkung: zu den Residuen vgl. Tabelle 1. Werte für Attraktivität und Alter wurden analog zu denen für Intelligenz berechnet. 156 Stephan Kröner, Oliver Dickhäuser Diskussion Wie schon in der Reanalyse zeigt sich für die neu erhobenen Daten verglichen mit denen von Rudolph und Spörrle (1999) erneut eine über alle Namen hinweg höhere assoziierte Intelligenz und für die einzelnen Namen eine recht hohe Korrelation der Intelligenzeinschätzungen. Insgesamt verbessern sich die Rangplätze moderner Vornamen, während sie sich bei altmodischen Vornamen verschlechtern. Grenzen der Studie liegen in der nicht allzu großen Gesamtstichprobe und dem relativ schmalen Spektrum an untersuchten Vornamen. Diese wurden darüber hinaus nicht als realitätsgetreue Abbildung wichtiger aktueller Vornamen zusammengestellt, sondern so, dass die durchgeführten Analysen ohne größere Varianzeinschränkungen möglich wurden. Die Studie liefert erstmals Wortnormen, welche für die Gruppe der Lehramtsstudierenden gültig sind. Trotz Einschränkung der Vornamensauswahl lassen sich zumindest einige geschlechtsgemischte, mit ähnlicher Intelligenz assoziierte Vornamens-Paare für Vignetten- Studien bilden, die auch hinsichtlich Alters- und Attraktivitätseinschätzung homogen sind. Gesamtdiskussion Die beiden durchgeführten Studien liefern Belege sowohl für zeitliche Stabilitäten als auch für Unterschiede in den Einschätzungen der Intelligenz von den Probanden unbekannten Trägern bestimmter Namen. Aussagen zu Effekten über derartige Eingangserwartungen hinaus lassen sich daraus nicht ableiten. Zeitliche Stabilität der Wortnormen Für die Verwendbarkeitsdauer der Wortnormen wichtig ist insbesondere die Stabilität der Rangfolge der Namen. Sie war in der Reanalyse mäßig, wahrscheinlich aufgrund eingeschränkter Varianz in den zur Auswertung verfügbaren Vornamen. In Bezug auf die Vergleiche unter Einbezug der aktuell erhobenen Daten von Lehramtsstudierenden ist sie relativ hoch, wenn auch statistisch signifikant von der Namenskategorie abhängig. Insbesondere die Gültigkeit der Wortnormen für aktuelle oder wieder in Mode kommende Namen sollte daher regelmäßig geprüft werden. Grenzen der vorliegenden Arbeit Die vorliegende Arbeit basiert wie die von Rudolph und Spörrle (1999) auf bayerischen Studierenden. Die Ost-West-Vergleiche von Rudolph et al. (2007) zeigen jedoch, dass regionale Unterschiede in dieser Frage von untergeordneter Bedeutung sind. In unserer Studie erfolgte die Darbietung der Namen per PowerPoint im Seminarraum. Dies machte eine randomisierte Vorgabereihenfolge für einzelne Personen unmöglich. Allerdings werden weder bei Rudolph und Spörrle (1999) noch bei Rudolph et al. (2007) Reihenfolgeeffekte berichtet. Die vorliegende Arbeit erlaubt keine Aussagen darüber, ob Träger bestimmter Vornamen tatsächlich weniger intelligent sind oder ob über Eingangserwartungen hinausgehende Intelligenzeinschätzungen von Lehrern oder anderen Personengruppen vom Namen abhängen. Zumindest Letzteres ist angesichts des Forschungsstandes auf diesem Gebiet jedoch nicht zu erwarten: „Bei einer persönlichen Bekanntschaft mit dem Namensträger verschwindet der Einfluss des Vornamens auf die interpersonale Wahrnehmung ganz“ (Rudolph & Spörrle, 1999, S. 116). Dennoch sind die Befunde von Bedeutung: Wenn in künftigen Vignettenstudien mit Lehramtsstudierenden unter Verwendung der Namenspaare aus der vorliegenden Arbeit beispielsweise ein und derselbe Aufsatz dann besser bewertet wird, wenn er als das Werk eines Matthias ausgegeben wird, als wenn derselbe Aufsatz einer Maria zugeschrieben wird, so geht dies den Ergebnissen der vorliegenden Arbeit zufolge eindeutig nicht auf eine geringere Attraktivität des weiblichen Vornamens zurück. Intelligenz-Wortnormen für Vornamen 157 Literatur Cohen, J. (1988). Statistical power analysis for the behavioral sciences (2nd edition). Hillsdale, NJ: Erlbaum. Harari, H. & McDavid, J. W. (1973). Name stereotypes and teachers’ Expectations. Journal of Educational Psychology, 65, 222 - 225. Jussim, L. (1986). Self-fulfilling prophecies: A theoretical and integrative review. Psychological Review, 93, 429 - 445. Kasof, J. (1993). Sex bias in the naming of stimulus persons. Psychological Bulletin, 113, 140 - 163. Klauer, K. J. (1973). Das Experiment in der pädagogischen Forschung. Düsseldorf: Schwann. Rudolph, U. (2001). Die Wahrnehmung von Altersstereotypen, Attraktivität und Intelligenz für Vornamen im Deutschen. In J. Eichhoff (Hrsg.), Name und Gesellschaft. Soziale und historische Aspekte der Namensgebung und Namensentwicklung (S. 70 - 87). Heidelberg: Brockhaus. Rudolph, U., Böhm, R. & Lummer, M. (2007). Ein Vorname sagt mehr als 1000 Worte - Zur sozialen Wahrnehmung von Vornamen. Zeitschrift für Sozialpsychologie, 38, 17 - 31. Rudolph, U. & von Hecker, U. (2006): Three principles of explanation: Verb Schemas, Balance, and Imbalance Repair. Journal of Language and Social Psychology, 25, 377 - 405. Rudolph, U. & Spörrle, M. (1999). Alter, Attraktivität und Intelligenz von Vornamen: Wortnormen für Vornamen im Deutschen. Zeitschrift für Experimentelle Psychologie, 46, 115 - 128. Stegwart, J.-A. & Segalowitz, S. J. (1991). Differences in the given names of good and poor readers. Canadian Journal of Education, 16, 103 - 106. Prof. Dr. Stephan Kröner Empirische Unterrichtsforschung Zentralinstitut für Lehr-Lernforschung Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Regensburger Str. 160 D-90478 Nürnberg Tel.: 09 11/ 53 02-1 67 Fax: 09 11/ 53 02-1 66 E-Mail: stephan.kroener@ewf.uni-erlangen.de Prof. Dr. Oliver Dickhäuser Universität Mannheim Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie D-68131 Mannheim Tel.: 06 21/ 1 81-22 07 E-Mail: oliver.dickhaeuser@uni-mannheim.de
