eJournals Psychologie in Erziehung und Unterricht 56/4

Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
101
2009
564

Effekte direkter und indirekter Interventionen auf die Lernmotivation von Schülern

101
2009
Barbara Otto
Saskia Kistner
Franziska Perels
Bernhard Schmitz
Gerhard Büttner
Das Ziel dieser Studie1 war es zu untersuchen, welchen Einfluss ein Selbstregulationstraining auf die Lernmotivation von Schülern hat. Theoretische Grundlage bildete das Modell motivierten selbstregulierten Lernens (Otto, 2007a), in dem angenommen wird, dass Lernmotivation in allen drei Phasen des selbstregulierten Lernens wesentlich ist. Da die Lernmotivation stets von dem Lernenden selbst, aber auch von dessen Umwelt abhängt, wurde sowohl ein Trainingsprogramm für Schüler als auch für Eltern und Lehrer entwickelt, durchgeführt und evaluiert. An diesem Trainingsprogramm nahmen insgesamt 258 Schüler, 72 Eltern sowie zehn Mathematiklehrkräfte freiwillig teil. Die Schüler wurden in fünf Gruppen eingeteilt, die jeweils unterschiedliche Interventionen erhielten. Das Trainingsprogramm wurde mit Hilfe eines Schülerfragebogens längsschnittlich (Prätest, Posttest, Stabilitätsmessung) evaluiert. Die Ergebnisse der multivariaten Varianzanalysen zeigten, dass insbesondere die Schüler, die selbst ein Training erhalten haben, deutliche Effekte zeigten, die zum Teil auch noch nach drei Monaten feststellbar waren. Die Ergebnisse werden ausführlich hinsichtlich ihrer theoretischen und praktischen Relevanz diskutiert.
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n Empirische Arbeit Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2009, 56, 287 - 302 © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Effekte direkter und indirekter Interventionen auf die Lernmotivation von Schülern Barbara Otto 1 , Saskia Kistner 1 , Franziska Perels 2 , Bernhard Schmitz 3 , Gerhard Büttner 1 1 Goethe-Universität Frankfurt 2 Universität des Saarlandes 3 Technische Universität Darmstadt Effects of Direct and Indirect Interventions on Students’ Motivation to Learn Summary: The aim of this study was to examine which impact a self-regulation training has on students’ motivation to learn. Theoretically, the study based on the model of motivated self-regulated learning (Otto, 2007 a), which postulates, that motivation plays a crucial role in all three phases of self-regulated learning. As motivation is always dependent on the student himself, training programs for students, as well as for parents and teachers were developed, implemented, and evaluated. A total of 258 students, 72 parents, and ten mathematics teachers voluntarily participated in the intervention study. The students were assigned randomly to five groups, which got differential interventions. The intervention was evaluated longitudinal (pre-test, post-test, second post-test) by means of a student questionnaire. The results of the multivariate analyses of variance revealed, that particularly those students, who participated in the training program by themselves, had noticeable effects, which could still be confirmed partially after three month. The results are discussed in detail regarding their theoretical as well as their practical relevance. Keywords: Motivation to learn, self-regulated learning, student training, parent training, teacher training Zusammenfassung: Das Ziel dieser Studie 1 war es zu untersuchen, welchen Einfluss ein Selbstregulationstraining auf die Lernmotivation von Schülern hat. Theoretische Grundlage bildete das Modell motivierten selbstregulierten Lernens (Otto, 2007 a), in dem angenommen wird, dass Lernmotivation in allen drei Phasen des selbstregulierten Lernens wesentlich ist. Da die Lernmotivation stets von dem Lernenden selbst, aber auch von dessen Umwelt abhängt, wurde sowohl ein Trainingsprogramm für Schüler als auch für Eltern und Lehrer entwickelt, durchgeführt und evaluiert. An diesem Trainingsprogramm nahmen insgesamt 258 Schüler, 72 Eltern sowie zehn Mathematiklehrkräfte freiwillig teil. Die Schüler wurden in fünf Gruppen eingeteilt, die jeweils unterschiedliche Interventionen erhielten. Das Trainingsprogramm wurde mit Hilfe eines Schülerfragebogens längsschnittlich (Prätest, Posttest, Stabilitätsmessung) evaluiert. Die Ergebnisse der multivariaten Varianzanalysen zeigten, dass insbesondere die Schüler, die selbst ein Training erhalten haben, deutliche Effekte zeigten, die zum Teil auch noch nach drei Monaten feststellbar waren. Die Ergebnisse werden ausführlich hinsichtlich ihrer theoretischen und praktischen Relevanz diskutiert. Schlüsselbegriffe: Lernmotivation, Selbstreguliertes Lernen, Schülertraining, Elterntraining, Lehrertraining Kaum ein anderes Forschungsthema in der Pädagogischen Psychologie hat in der letzten Zeit so viel Aufmerksamkeit erhalten wie die Motivation und ihre Rolle für das akademische Ler- 1 Die hier beschriebene Studie wurde im Rahmen des Schwerpunktprogramms BIQUA (SCHM1538/ 1-3) von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. 288 Barbara Otto et al. nen (Krapp, 2003). In querschnittlichen Untersuchungen konnten allerdings häufig nur geringe bis moderate Korrelationen zwischen motivationalen Konstrukten und der Lernleistung festgestellt werden (z.B. für das Fach Mathematik Helmke & Jäger, 2002). Vor allem diese Befunde lassen einige Forscher daran zweifeln, ob Lernmotivation überhaupt zur Aufklärung der Varianz in der Lernleistung beiträgt (z. B. Gagné & St.Pére, 2002). Es liegen allerdings mehrere regressionsanalytische Untersuchungen vor, die belegen, dass Lernmotivation durchaus entscheidend ist für den schulischen Erfolg. So konnten beispielsweise Spinath, Spinath, Harlaar und Plomin (2006) mit ihrer Studie in der Grundschule belegen, dass motivationale Variablen noch über die kognitiven Fähigkeiten hinaus einen signifikanten inkrementellen Beitrag von 8 % bei der Aufklärung der Varianz in der Mathematikleistung leisten. Zumindest für die Grundschulzeit scheint daher gesichert, dass „fähige“ Schüler nicht unbedingt als die Besten in Mathematik abschneiden, genauso müssen „unfähige“ Schüler nicht immer die Schlechtesten sein, solange sie nur eine hohe Lernmotivation aufweisen. Bezüglich der Entwicklung der Lernmotivation in Mathematik belegen empirische Studien, dass über die gesamte Schulzeit hinweg eine Abnahme feststellbar ist (z. B. Jacobs, Lanza, Osgood, Eccles & Wigfield, 2002). Auch im deutschsprachigen Raum ergeben sich bei längsschnittlichen Studien vergleichbar besorgniserregende Resultate für die ersten Grundschuljahre, die zeigen, dass sich die Lernmotivation stetig verringert (z. B. Helmke, 1993; Wild, Rammert & Siegmund, 2006). Aufgrund dieser längsschnittlichen Ergebnisse wird die Forderung laut, dass einem solchen Absinken der Lernmotivation so früh wie möglich durch eine geeignete Intervention entgegengewirkt werden sollte. Hier stellen Trainings eine geeignete Maßnahme dar, die zu dauerhaften positiven Effekten in Bezug auf die Lernmotivation führen kann. Solche Trainings können nach Hager und Hasselhorn (2000) jedoch nur dann als erfolgreich angesehen werden, wenn sich die Effekte der Intervention auch noch längerfristig nachweisen lassen. Ziel der vorliegenden Studie war es daher, durch ein Trainingsprogramm, bei dem nicht nur Schüler, sondern auch ihre Eltern und Mathematiklehrkräfte einbezogen wurden, vor allem die Lernmotivation nachhaltig zu fördern. Theoretischer Hintergrund Häufig wird fälschlicherweise angenommen, dass Lernmotivation nur am Anfang eines Lernprozesses von Bedeutung ist, damit das Lernen begonnen wird. Sie kann jedoch in allen Phasen des Lernens (vor, während und nach) günstige oder ungünstige Auswirkungen auf das Lernverhalten und damit auf das Lernergebnis nehmen. Aus diesem Grund wurde als Grundlage für ein Training zur Förderung der Lernmotivation auf das Modell motivierten selbstregulierten Lernens (Otto, 2007 a) zurückgegriffen, das die Lernmotivation in den Mittelpunkt stellt und gleichzeitig erlaubt, den gesamten Lernprozess zu betrachten. In diesem Modell (Abbildung 1) wird davon ausgegangen, dass das motivierte selbstregulierte Lernen von Schülern nicht nur durch die Schüler selbst, sondern auch durch die zentralen Gestalter ihrer Lernumwelt beeinflusst werden kann. Um dies zu berücksichtigen, werden Modelle der internalen Selbstregulation mit Ansätzen der Motivationsforschung kombiniert. Internale Selbstregulation des Lernenden Die im Modell beschriebenen Prozesse der internalen Selbstregulation der Person (P) entsprechen weitestgehend den theoretischen Annahmen des Selbstregulationsmodells von Zimmerman (2000), in dem der Lernprozess in drei Phasen eingeteilt wird. In Anlehnung an Schmitz (2001; siehe auch Schmitz & Wiese, 2006) werden diese als präaktionale Phase (vor dem Lernen), aktionale Phase (während des Lernens) und postaktionale Phase (nach dem Lernen) bezeichnet. Lernmotivation von Schülern 289 In der präaktionalen Phase geht es um die Vorbereitung des Lernens. Die Aufgabe muss zunächst vom Lernenden analysiert werden. Hierbei muss der Lernende sich als erstes ein Ziel setzen, das möglichst realistisch und herausfordernd ist (siehe Locke & Latham, 2002). Die Zielsetzung stellt einen motivationalen Verhaltensinitiator dar, durch den ein Planungsprozess eingeleitet wird (siehe z. B. Heckhausen, Gollwitzer & Weinert, 1987). Der Lernende muss sich bei der Planung überlegen, welche Lernstrategien er einsetzen könnte, um die Aufgabe erfolgreich zu lösen (Strategieplanung) und wie lange er für die Lösung der Aufgabe benötigen wird (Zeitplanung). Gleichzeitig liegt am Anfang des Lernprozesses stets eine bestimmte motivationale Verfassung des Lernenden vor, die sowohl von der Selbstwirksamkeitsüberzeugung als auch von der intrinsischen Motivation abhängt. Eine hohe Selbstwirksamkeit liegt dann vor, wenn der Lernende erwartet, aufgrund seiner eigenen Kompetenzen eine Lernaufgabe erfolgreich bewältigen zu können (z. B. Bandura, 1997). Die Selbstwirksamkeit kann v. a. dann gesteigert werden, wenn der Lernende selbst eine schwierige Aufgabe erfolgreich löst oder wenn wichtige Bezugspersonen ihn sprachlich von seiner Kompetenz überzeugen. Die wahrgenommene Kompetenz stellt weiterhin im Sinne der Selbstbestimmungstheorie (Ryan & Deci, 2000) eine entscheidende Bedingung für die Entwicklung der intrinsischen Motivation dar. Eine hohe intrinsische Motivation zeichnet sich dadurch aus, dass eine Person lernt, weil sie die Aufgabe interessant oder herausfordernd findet. Sieht sich der Schüler mit einer interessanten Aufgabe konfrontiert, bei der er davon ausgeht, dass er sie erfolgreich lösen kann (hohe Selbstwirksamkeit), liegt eine hohe intrinsische Motivation vor, mit der Aufgabe zu beginnen. Falls die Aufgabe jedoch als wenig interessant wahrgenommen wird und/ oder der Lernende davon überzeugt ist, dass er Schwierigkeiten mit der Bearbeitung haben wird (niedrige Selbstwirksamkeit), kann der Einsatz von Selbstmotivierungsstrategien im Sinne von Bewältigungsstrategien dazu führen, dass die Aufgabe trotzdem begonnen wird. Zu solchen Selbstmo- Anmerkungen: P = Person; U = Umwelt; t = Lernzeitpunkt Abbildung 1: Modell des motivierten selbstregulierten Lernens unter Einbeziehung der zentralen Gestalter der Lernumwelt (Otto, 2007 a) 290 Barbara Otto et al. tivierungsstrategien können beispielsweise die Einteilung der Aufgabe in Portionen, sich Mut zusprechen oder sich selbst eine Belohnung bei erfolgreichem Abschluss in Aussicht stellen, gezählt werden. Anschließend beginnt das Lernen (aktionale Phase). Der Lernende setzt verschiedene Lernstrategien ein, um die Aufgabe zu lösen. Während der Aufgabenbearbeitung muss sich der Lernende mit Hilfe von volitionalen Strategien (siehe z. B. Kuhl, 1996) ebenfalls gegenüber möglichen Ablenkungen abschirmen, um langfristig die erforderliche Lernmotivation sowie die Konzentration und Aufmerksamkeit aufrechterhalten zu können. Damit der Lernende möglichst zeitnah jegliche Abweichungen vom optimalen Lernverhalten erkennt und sich selbst regulieren kann, ist es zudem förderlich, wenn er sich während der Aufgabenbearbeitung selbst beobachtet (Self- Monitoring). Am Ende des aktionalen Lernprozesses liegt schließlich ein Ergebnis (Leistung) vor. Nun beginnt die postaktionale Phase, in der der Lernende bei einer Selbstbeurteilung sein Lernergebnis mit dem ursprünglichen Ziel vergleicht (Ist-Soll-Vergleich). Dabei bewertet er, ob das vorliegende Lernergebnis ein Erfolg oder ein Misserfolg war. Bei dieser Bewertung kann er entweder die soziale oder die individuelle Bezugsnorm (z. B. Rheinberg, 2001) anwenden. Als Bedingung für eine langfristige Aufrechterhaltung der Lernmotivation ist insbesondere eine individuelle Bezugsnormorientierung von Vorteil (Mischo & Groeben, 1995), bei der der Lernende sein Lernergebnis mit früheren eigenen Leistungen vergleicht. Darüber hinaus versucht der Lernende stets, die Ursachen für das Zustandekommen des Lernergebnisses zu finden (Kausalattribution). In Abhängigkeit davon, ob die Bearbeitung der Aufgabe erfolgreich war oder nicht, kommt es zu einer Selbstreaktion. Der Lernende empfindet bestimmte Emotionen (z. B. Zufriedenheit, siehe z. B. Pekrun, Goetz, Titz, W. & Perry, 2002), die wiederum Auswirkungen auf zukünftiges Lernen haben, indem sie zu Strategiebzw. Zielmodifikationen führen können. Im Falle eines Erfolges wäre der Lernende zufrieden mit seinem Handeln. In zukünftigen Lernprozessen wird er die ausgewählten Strategien beibehalten und evtl. sein Ziel etwas höher stecken. Die Rolle der Lernmotivation beim selbstregulierten Lernen und ihre Bedingungen Die Lernmotivation spielt im gesamten Lernprozess eine entscheidende Rolle (siehe auch Pintrich, 2000; Rheinberg, Vollmeyer & Rollett, 2000). Dies ist u. a. dadurch zu erkennen, dass motivationale Komponenten in allen drei Phasen des Lernens vertreten sind: In der präaktionalen Phase sind die Zielsetzung, die Selbstwirksamkeit, die intrinsische Motivation sowie der Einsatz von Selbstmotivierungsstrategien wichtig, damit das Lernen begonnen wird; in der aktionalen Phase muss der Lernende durch volitionale Motivationskontrolle vorbeugen, dass er nicht immerwährend aufschiebt; und in der postaktionalen Phase kann er durch die Anwendung der individuellen Bezugsnorm und günstiger Kausalattributionen seine Motivation für den nächsten Lernprozess beeinflussen. Nach Lewins (1963) klassischer Feldtheorie ist motiviertes Verhalten jedoch nicht nur abhängig von den personinternen Parametern, sondern ist stets eine Funktion aus Person- und Umweltvariablen. Wenn Lewins Theorem auf das Lernen übertragen wird, kann man daraus also schließen, dass motiviertes selbstreguliertes Lernen stets eine Funktion aus personinternen Variablen des Lernenden (P) und der Lernumwelt (U) ist: SRL = f (Lernender, Lernumwelt). Nur wenn die Lernumwelt günstig ist, kann demnach motiviertes Lernen entstehen. Als die zentralen Gestalter der Lernumwelt können sowohl die Lehrkräfte als auch die Eltern betrachtet werden. Während Lehrkräfte im Laufe der Unterrichtszeit und bei der Hausaufgabenvergabe Einfluss auf die Lernmotivation nehmen können (z. B. De Jager, Jansen & Ree- Lernmotivation von Schülern 291 zigt, 2005, Hamman, Berthelot, Saia & Crowley, 2000), kann ebenfalls das Verhalten der Eltern während der Hausaufgabensituation entscheidend sein (z. B. Exeler & Wild, 2003; Otto, 2007 b; Otto, Perels & Schmitz, 2008 a; Wild & Remy, 2002). So konnten Wild, Rammert und Siegmund (2006) beispielsweise belegen, dass elterliche Autonomieunterstützung vorteilhaft für die Motivationsentwicklung ist, während sich starke elterliche Kontrolle negativ auswirkt. Gleichermaßen haben bereits mehrere Feldstudien belegt, dass autonomieunterstützende Lehrkräfte im Gegensatz zu stark kontrollierenden Lehrpersonen bei ihren Schülern eher intrinsische Motivation und Neugierde erzeugen (z. B. Flink, Boggiano & Barratt, 1990). Werden Schüler hingegen stark kontrollierend, d. h. mit vielen engen Vorgaben, unterrichtet, so führt das nicht nur zu einer Verringerung von Initiative beim Lernen, sondern auch zu weniger effektivem Lernen (z. B. Utman, 1997). Otto (2007 a) geht davon aus, dass die zentralen Gestalter der Lernumwelt in allen Phasen des Lernens auf insgesamt drei Wegen Einfluss auf das motivierte Lernverhalten von Schülern nehmen können: 1. Schaffung günstiger Lernbedingungen: Als wichtige Lernbedingungen werden nicht nur die Merkmale der Lernumwelt (z. B. Schwierigkeitsgrad der Aufgabe) aufgefasst, sondern auch die Personen, die diese Lernumwelt gestalten (Eltern, Lehrkräfte) sollen hierbei eingeschlossen sein. In der präaktionalen Phase kann sich z. B. die Auswahl von Aufgaben oder Lehrmethoden, die an den Interessen der Kinder orientiert sind, positiv auf die intrinsische Motivation von Schülern auswirken (z. B. Deci & Ryan, 2000). Auch die Vereinbarung von Lernzielen kann das Zielsetzungsverhalten von Schülern begünstigen. Während die Schüler die Aufgaben bearbeiten (aktionale Phase) kann zudem durch Autonomieunterstützung (z. B. Ryan & Deci, 2000) und durch prozessorientiertes Vorgehen (Wild & Remy, 2002) die Selbstbestimmtheit und damit die intrinsische Motivation der Schüler gestärkt werden. Schließlich ist in der postaktionalen Phase die Reaktion von Eltern und/ oder Lehrkräften auf das Lernergebnis der Schüler eine relevante Bedingung, die sich auf die längerfristige Lernmotivation auswirken kann. So belegen mehrere empirische Untersuchungen, dass insbesondere für leistungsschwache Schüler die Anwendung der individuellen Bezugsnorm bei der Leistungsbeurteilung motivationsförderlich ist (z. B. Mischo & Groeben, 1995). Ein sozialer Vergleich würde sich bei leistungsschwachen Schülern hingegen negativ auf die Selbstwirksamkeit und die zukünftige intrinsische Motivation auswirken. Durch ein informatives Feedback können Lehrkräfte und Eltern zudem positive Lernentwicklungen hervorheben sowie Optimierungsvorschläge für fehlerhaftes Vorgehen beim Lernen geben und damit wahrgenommene Kompetenz (Selbstwirksamkeit) und intrinsische Lernmotivation fördern (z. B. Butler & Winne, 1995). 2. Direkte Vermittlung von Lernstrategien: Sowohl Lehrkräfte als auch Eltern können den Schülern Lernstrategien vermitteln, die jeweils für die drei verschiedenen Phasen relevant sein können. Hierbei ist zwischen fachspezifischen (z. B. mathematischen Problemlösestrategien) und fächerübergreifenden (selbstregulativen) Lernstrategien zu unterscheiden. In Bezug auf fächerübergreifende Selbstmotivierungsstrategien können sie beispielsweise vermitteln, wie man sich die Hausaufgaben in Portionen einteilt oder wie man sich effektiv Mut zusprechen kann. Die Kenntnis und der Einsatz von Selbstmotivierungsstrategien können wiederum zu einer Verringerung des Aufschiebeverhaltens führen. Die Vermittlung von fachspezifischen oder fächerübergreifenden Lernstrategien sollte zudem zu einer tatsächlichen Erhöhung der Lernkompetenz führen, wodurch schließlich erfolgreiches Lernen möglich wird. Die eigene erfolg- 292 Barbara Otto et al. reiche Handlungsausführung wird nach Bandura (1997) als die bedeutsamste Quelle zur Entwicklung der Selbstwirksamkeit angesehen. Daher sollte die Vermittlung von Lernstrategien nicht nur zu einer gesteigerten Lernkompetenz, sondern auch zu einer gesteigerten Kompetenzwahrnehmung (Selbstwirksamkeit) führen. 3. Modellverhalten: Banduras (1986) Theorie zum Modelllernen geht davon aus, dass Verhalten auch erlernt werden kann, indem ein relevantes Modell beobachtet und anschließend imitiert wird. In der vorliegenden Studie wurde angenommen, dass sowohl Eltern als auch Lehrkräfte relevante Modelle für das motivierte Lernen von Schülern darstellen. Durch ihr eigenes Verhalten (z. B. Wie motivieren sich Eltern bei unliebsamen Aufgaben im Alltag? ) sowie durch eine motivationsförderliche Reaktion auf Leistungsergebnisse (z. B. Anwendung der individuellen Bezugsnorm und günstiger Attributionen bei Misserfolg) können sie günstige Modelle für motiviertes Lernen darstellen. Das Lernen am Modell kann allerdings nur bei beobachtbarem Verhalten geschehen. Ein günstiges Modellverhalten sollte sich daher positiv auf das Zielsetzungsverhalten, den Einsatz von Selbstmotivierungsstrategien und die Anwendung der individuellen Bezugsnorm auswirken. In Abbildung 1 sind diejenigen Variablen, von denen angenommen wird, dass sie durch Modellverhalten vermittelt werden können, kursiv gedruckt. Fragestellung und Hypothesen Aufbauend auf den theoretischen Überlegungen stellt sich die Frage, ob und wie sich ein Selbstregulationstraining für Schüler bzw. für deren zentrale Gestalter der Lernumwelt auf die motivationalen Variablen der Schüler auswirkt. Da motivationale Variablen eine entscheidende Rolle bei dem selbstregulierten Lernen spielen, sollte ein Selbstregulationstraining Auswirkungen auf die motivationalen Variablen der Schüler haben. Aufgrund der theoretischen Überlegungen zum Einfluss der zentralen Gestalter der Lernumwelt ist zudem zu erwarten, dass sich nicht nur Effekte zeigen, wenn man die Schüler direkt trainiert, sondern auch, wenn man die Gestalter der Lernumwelt (Eltern, Lehrkräfte) trainiert, wie sie das motivierte Lernen bei den Schülern fördern können. Im Speziellen wird davon ausgegangen, dass … 1. … die motivationalen Variablen der Schüler durch das Interventionsprogramm positiv beeinflusst werden. Insbesondere ist zu erwarten, dass sich die Schüler nach der Intervention realistischere Ziele setzen, eine höhere intrinsische Motivation zeigen, sich verstärkt selbst motivieren können, weniger Aufschiebeverhalten zeigen und häufiger die individuelle Bezugsnorm anwenden, um ihre Lernergebnisse zu beurteilen. Es wird darüber hinaus ein indirekter positiver Trainingseffekt auf die Selbstwirksamkeit postuliert, der aufgrund der durch das Training gesteigerten Lernkompetenz sowie durch positive sprachliche Überzeugungen vonseiten der relevanten Bezugsgruppen (Eltern, Lehrkräfte) erklärt werden kann. Die größten Steigerungen sind dabei bei den Schülern zu erwarten, die selbst an einer Intervention (Schülertraining) teilnehmen. Jedoch sollten ebenfalls die Schüler mit indirekter Intervention (Elternund/ oder Lehrertraining) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe signifikante Veränderungen in ihren motivationalen Variablen aufweisen. 2. … sich diese Effekte auch noch längerfristig (Stabilitätsmessung) feststellen lassen. Methode Beschreibung der Stichprobe Das Training wurde drei Zielgruppen angeboten: Schülern der vierten Jahrgangsstufe, deren Eltern sowie deren Mathematiklehrkräften. In die Auswertung für diese Interventionsstudie wurden all diejenigen Schüler aufgenommen, von denen Vortest-, Nachtest- und Stabilitätswerte vorliegen, um Aussa- Lernmotivation von Schülern 293 gen über die Trainingseffektivität machen zu können. Die Analysen beziehen sich damit auf insgesamt 258 von ursprünglich 331 südhessischen Grundschülern, von denen diese Daten vorliegen. 122 dieser Schüler waren männlich (47,3 %) und 137 weiblich (52,7 %). Das durchschnittliche Alter lag bei 9,1 Jahren. An der Intervention nahmen weiterhin 72 Eltern der Viertklässler teil. Da insbesondere die Eltern angesprochen wurden, die für die Hausaufgabenbetreuung verantwortlich sind, waren erwartungsgemäß nur 8 Prozent der teilnehmenden Eltern männlich. Das durchschnittliche Alter der Eltern betrug 40,7 Jahre. Schließlich haben an der Studie ebenfalls zehn Grundschullehrkräfte mitgewirkt, die alle weiblich waren. Das durchschnittliche Alter lag bei 55,3 Jahren. Die befragten Lehrkräfte unterrichteten Mathematik im Mittel schon seit 20,6 Jahren, dies erfolgte jedoch in der Hälfte (50 %) fachfremd. Neun der zehn teilnehmenden Lehrkräfte waren nicht nur Mathematik sondern auch Klassenlehrerin der unterrichteten Klasse. Aufgrund des hohen organisatorischen und personellen Aufwands von Interventionsstudien wurden im Rahmen dieser Studie durch die Kombination dieser drei Zielgruppen nur die fünf Gruppen realisiert, die in vorangegangenen Studien (Bruder, 2006; Gürtler, 2003) noch nicht evaluiert wurden: Schüler, die selbst, deren Eltern und deren Mathematiklehrkräfte an einem Training teilgenommen haben (SxExL; N Schüler = 43), Schüler, die parallel zu ihren Mathematiklehrern trainiert wurden (SxL; N Schüler = 50), Schüler, die selbst nicht an einem Training teilgenommen haben, deren Eltern und Lehrer jedoch ein Training erhielten (ExL; N Schüler = 29), Schüler, deren Mathematiklehrkräfte an einem Training teilnahmen (L; N Schüler = 32) und eine Kontrollgruppe (KG; N Schüler = 104), die nur bei den Befragungen mitmachte. Da das Schülertraining während des regulären Unterrichts statt fand, konnten die Schüler der an der Intervention teilnehmenden Klassen nur jeweils zwei der Trainingsgruppen randomisiert zugeordnet werden. Die Schüler der Gruppen SxExL und SxL entstammten insgesamt sechs Grundschulklassen. Gleichermaßen wurden die Schüler der Gruppen ExL und L aus den vier weiteren teilnehmenden Klassen zufällig ihren Gruppen zugewiesen. Diesen Schülern, die in der Experimentalphase aufgrund der zufälligen Zuweisung an keinem Schülertraining teilnehmen konnten, wurde im Anschluss an den Interventionszeitraum ein identisches Training angeboten (Wartegruppendesign). Beschreibung des Instruments Zur Evaluation der Intervention wurde ein Schülerfragebogen eingesetzt, der mit insgesamt 18 Items die Lernmotivation der Schüler erfasste. Ziel bei der Auswahl der Items war es, all diejenigen motivationalen Komponenten zu erfassen, die im Rahmen des selbstregulierten Lernens postuliert wurden. Da bisher kein Instrument für Grundschüler zur Erfassung aller im Theorieteil genannten motivationalen Komponenten vorliegt, wurde ein neuer Schülerfragebogen entwickelt. Die Entwicklung der Items war jedoch größtenteils durch bereits existierende Instrumente (z. B. Schwarzer, 1999; Gürtler, 2003) angeregt, deren Items sprachlich an die spezifische Stichprobe von Schülern der vierten Jahrgangsstufe sowie inhaltlich an den spezifischen Inhalt (Mathematik) angepasst wurden. Der neu entwickelte Fragebogen wurde im Rahmen einer Pilotstudie vorgetestet und hinsichtlich seiner Reliabilitäten überprüft, die alle befriedigend ausgefallen sind. Folgende motivationalen Komponenten wurden mit Hilfe des Schülerfragebogens erhoben: • Zielsetzung (2 Items, a = .67), z. B. „Vor einer Mathearbeit überlege ich mir, welche Note ich erreichen will.“ • Selbstwirksamkeit (2 Items, a = .85), z. B. „Ich kann auch sehr schwierige Matheaufgaben lösen.“ • Intrinsische Motivation (2 Items, a = .81), z. B. „Ich freue mich auf jede Mathestunde.“ • Einsatz von Selbstmotivierungsstrategien (8 Items, a = .71), z. B. „Wenn ich eine langweilige Matheaufgabe rechne, überlege ich mir, was ich danach alles Schönes machen kann.“ • Aufschiebeverhalten (2 Items, a = .80), z. B. „Wenn ich meine Hausaufgabe machen muss, beginne ich lieber gleich damit.“ (zu recodierendes Item) • Anwendung der individuellen Bezugsnorm (2 Items, a = .77), z. B. „Ich überlege mir, wie sich meine Note in einer Mathearbeit im Vergleich zur letzten Arbeit verändert hat.“ Zur Einschätzung der eigenen motivationalen Variablen lag den Schülern ein vierstufiges Antwortformat vor, das von „stimmt gar nicht“, „stimmt eher nicht“, „stimmt eher“ bis „stimmt genau“ reichte. Die Schüler wurden mit diesem Instrument insgesamt dreimal befragt: direkt bevor die Intervention begonnen hat (Vortest), kurz nach Abschluss des Trainings (Nachtest) sowie ca. drei Monate nach Abschluss der Intervention (Stabilitätsmessung). 294 Barbara Otto et al. Zur Validierung des Instruments wurden Korrelationen mit Lehrereinschätzungen vorgenommen. Hierbei sollten die Lehrkräfte Aussagen über die Ausprägung der verschiedenen Variablen bei den einzelnen Schülern machen. Die Korrelationen zwischen dem Fragebogen und den Lehrereinschätzungen im Vortest waren für alle Skalen bis auf die Anwendung der individuellen Bezugsnorm (r = .06) signifikant und lagen zwischen r = .13 und r = .40. Beschreibung der Trainings Im Rahmen der Studie wurden aufbauend auf vorangegangenen Studien (Bruder, 2006; Gürtler, 2003) insgesamt drei Trainingsprogramme entwickelt und durchgeführt: ein Schülertraining, ein Elterntraining sowie ein Training für Mathematiklehrkräfte der vierten Jahrgangsstufe. Sowohl im Schülerals auch im Eltern- und Lehrertraining wurden insgesamt fünf Trainingseinheiten zum selbstregulierten Lernen durchgeführt, die in wöchentlichem bzw. zweiwöchentlichem Abstand statt fanden. Alle drei Trainings waren inhaltlich streng parallelisiert und fanden auch immer an denselben Tagen statt. Sämtliche Materialien (Aufgabenblätter, Spiele, Informationsmaterial), die im Rahmen der Trainings zum Einsatz kamen, waren speziell für diese Studie entwickelt worden (siehe auch Otto, 2007 a). Bei der Entwicklung der Materialien lag ein besonderer Fokus darauf, dass diese einen hohen Bezug zum schulischen Lernen aufwiesen. Die Praxistauglichkeit dieser Materialien wurde in der bereits erwähnten Pilotstudie überprüft. Die Trainings wurden von insgesamt vier ausgebildeten Trainern durchgeführt, die vor Beginn der Intervention an einer ausführlichen Schulung teilgenommen haben, um die Objektivität der Durchführung zu optimieren. Den Trainern lagen zudem transkribierte Ablaufpläne für die einzelnen Trainingseinheiten vor. Um den Eltern auch als Ansprechpartner für deren eigene Kinder dienen zu können, waren die Trainer der Elterntrainings jeweils dieselben, die vormittags das Training mit den Schülern durchgeführt haben. Das Schülertraining wurde in einer Doppelstunde während der regulären Unterrichtszeit durchgeführt. Daher war der Ausfall von Teilnehmern im Schülertraining sehr gering und ging lediglich auf krankheitsbedingte Gründe zurück. Die erste Trainingseinheit diente lediglich dem Kennenlernen und dazu, Organisatorisches zu klären. Die nächste Trainingseinheit befasste sich mit der präaktionalen Phase des Lernens. Hier lernten die Schüler Strategien, die vor dem Beginn einer Lernaufgabe hilfreich sein können. So wurde thematisiert, dass es wichtig ist, sich Ziele für das Lernen zu setzen, und wie dies am sinnvollsten gemacht werden sollte. Gleichermaßen wurden in dieser Einheit Selbstmotivierungsstrategien erarbeitet, die die Kinder einsetzen können, wenn sie keine Lust haben, mit dem Lernen anzufangen. Anschließend folgte in zweiwöchigem Abstand eine Sitzung zur aktionalen Phase des Lernprozesses. Diese fokussierte inhaltlich vor allem darauf, welche Strategien eingesetzt werden können, wenn während des Lernens äußere Störungen (z. B. Telefonanrufe) oder innere Ablenker (störende Gedanken) auftreten. In diesem Zusammenhang wurden mit den Schülern auch mehrere Konzentrationsübungen trainiert. In der Trainingseinheit zur postaktionalen Phase wurden Strategien besprochen, wie die Schüler mit persönlichen Misserfolgen umgehen können. Unter anderem wurde besprochen, dass man sich stets mit seinen eigenen Leistungen vergleichen sollte (individuelle Bezugsnorm). Zudem haben die Schüler hier gelernt, dass sie sich ihre Fehler nochmals genau ansehen sollen (Fehleranalyse), um sie zukünftig zu vermeiden. Die letzte Trainingssitzung diente der Wiederholung aller Inhalte und der Evaluation. In Bezug auf die Auswirkungen auf die motivationalen Variablen der Schüler kann davon ausgegangen werden, dass insbesondere die zweite und vierte Trainingseinheit zu Effekten führen. Die zweite Trainingseinheit des Schülertrainings sollte sich positiv auf die Zielsetzung und den Einsatz von Selbstmotivierungsstrategien auswirken. Dies wiederum sollte zu einer erhöhten intrinsischen Motivation und einem verringerten Aufschiebeverhalten führen. Gleichermaßen kann durch die vierte Trainingseinheit, in der die individuelle Bezugsnorm thematisiert wurde, ein erhöhter Einsatz der individuellen Bezugsnorm erwartet werden. Darüber hinaus sollte jedoch durch alle Trainingseinheiten eine stetige Optimierung des Lernverhaltens initiiert werden, die zu mehr Lernerfolg und damit zu einer erhöhten Kompetenzwahrnehmung (Selbstwirksamkeit) führen sollte. Während die Kinder im Schülertraining direkt Strategien zur Selbstregulation beim Lernen vermittelt bekamen (z. B. Wie kann ich mich motivieren, wenn ich mal keine Lust zum Lernen habe? ), ging es in dem Eltern- und Lehrertraining inhaltlich darum, Lernmotivation von Schülern 295 sowohl Wissen über den selbstregulativen Lernprozess zu vermitteln als auch Möglichkeiten zu erarbeiten, wie die Förderung des selbstregulierten Lernens im Unterricht bzw. in der Hausaufgabensituation umgesetzt werden kann (z. B. Wie kann ich auf eine schlechte Note reagieren, ohne zu demotivieren? ). Die Dauer der Trainingseinheiten betrug bei beiden Trainingsvarianten zweieinhalb Stunden. Während das Lehrertraining am Nachmittag stattfand, wurde das Elterntraining am Abend durchgeführt, wobei auf eine inhaltliche und zeitliche Parallelität zum Schülertraining geachtet wurde. Auch beim Eltern- und Lehrertraining ging es in der ersten Trainingseinheit um das Kennenlernen und um Organisatorisches. Darüber hinaus wurde jedoch zusätzlich das Modelllernen thematisiert. Die zweite Trainingseinheit (präaktionale Phase) befasste sich im Vergleich zum Schülertraining weniger mit Selbstmotivierungsstrategien als vielmehr mit Strategien, die zur Motivierung von Schülern eingesetzt werden können (z. B. interessante Aufgaben stellen, das Lernen mit einem Spiel verbinden, Autonomieunterstützung etc.). In der dritten Trainingseinheit (aktionale Phase) erlernten und erprobten die Eltern und Lehrkräfte schließlich mehrere Konzentrations-, Entspannungs- und Bewegungsübungen, die sie einsetzen können, um die Schüler während einer anstrengenden Lernphase zu unterstützen. Im Unterschied zum Schülertraining wurden in der vierten Trainingseinheit (postaktionale Phase) neben der individuellen Bezugsnorm und dem Umgang mit Fehlern zusätzlich günstige Attributionsmuster sowie motivationsförderliches Feedback thematisiert. Auch hier wurden in der fünften Sitzung alle Inhalte nochmals wiederholt und integriert. Im Hinblick auf die Effekte des Eltern- und Lehrertrainings kann erwartet werden, dass - wie auch beim Schülertraining - vor allem die zweite und vierte Trainingseinheit zu Effekten auf die motivationalen Variablen der Schüler führen. Die zweite Trainingseinheit sollte vor allem die intrinsische Motivation aufseiten der Schüler erhöhen. Die vermehrte Anwendung der individuellen Bezugsnorm und des informativen Feedbacks (vierte Trainingseinheit) sollte zudem positive Auswirkungen auf die Selbstwirksamkeit der Schüler haben. Darüber hinaus war es angedacht, die Trainingsteilnehmer durch die erste Trainingseinheit dahingehend zu sensibilisieren, sich stärker als Modelle wahrzunehmen und damit auch günstigeres Verhalten zu zeigen, das sich positiv auf das motivierte Lernverhalten von Schülern auswirken sollte (vgl. oben). Demnach wurde erwartet, durch das Lernen am Modell aufseiten der Schüler beobachtbares Verhalten wie z.B. Zielsetzung, Einsatz von Selbstmotivierungsstrategien und die Anwendung der individuellen Bezugsnorm zu fördern. Ergebnisse Zur Überprüfung der ersten Hypothese wurde eine multivariate Varianzanalyse mit dem fünfstufigen Faktor „Trainingsgruppe“ berechnet. Als abhängige Variablen gingen jeweils die Differenzwerte (Nachtest - Vortest) der sechs motivationalen Skalen ein. Vorab wurden die Interkorrelationen zwischen diesen sechs abhängigen Variablen berechnet, um abzuklären, ob die Unterskalen als Indikatoren des komplexen Merkmals Lernmotivation aufgefasst werden können. Von 15 möglichen Korrelationen waren elf signifikant (.13 < r < .32), sodass davon auszugehen ist, dass die Skalen ein gemeinsames Merkmal erfassen. Die Ergebnisse der multivariaten Varianzanalyse (Pillai-Spur) zeigen, dass sich die Entwicklungen aller motivationalen Skalen signifikant in Abhängigkeit von der Gruppenzugehörigkeit unterscheiden (F(24,988) = 4,12; p < .001; Eta 2 = .09). Die Signifikanztests der Zwischensubjekteffekte für die einzelnen motivationalen Skalen (Tabelle 1) machen deutlich, dass dies für jede der Skalen gilt. Da bei der Varianzanalyse lediglich überprüft wird, ob sich mindestens zwei der fünf Gruppen voneinander unterscheiden, scheint es lohnenswert, sich die deskriptiven Werte etwas genauer anzuschauen. Es ist erkennbar, dass entsprechend der ersten Hypothese tatsächlich die Skalenwerte der Schüler mit direkter Intervention größere Steigerungen aufweisen als die Werte der Kinder mit indirekter Intervention. Zur interferenzstatistischen Überprüfung wurde erneut eine multivariate Varianzanalyse mit dem dreistufigen Faktor „Trainingsvariante“ durchgeführt, wobei eine Gruppe mit direktem Training (SxExL und SxL), eine Gruppe mit indirektem Training (ExL und L) und die Kon- 296 Barbara Otto et al. Skala Gruppe df F Eta 2 S x E x L S x L E x L L KG Zielsetzung 0.20 (0.68) 0.20 (0.66) -0.14 (0.55) -0.27 (1.08) -0.26 (0.82) 4/ 249 4.68** .07 Selbstwirksamkeit 0.40 (0.74) 0.61 (0.75) 0.10 (0.85) 0.19 (0.45) -0.06 (0.65) 4/ 249 9.13*** .13 Intrinsische Motivation 0.40 (0.66) 0.10 (0.79) 0.28 (0.74) 0.11 (0.78) -0.30 (0.90) 4/ 249 7.23*** .10 Selbstmotivierung 0.28 (0.55) 0.21 (0.59) -0.14 (0.60) -0.25 (0.63) -0.06 (0.64) 4/ 249 5.65*** .08 Aufschiebeverhalten -0.30 (0.88) -0.07 (0.79) 0.09 (0.97) -0.28 (1.04) 0.17 (0.94) 4/ 249 2.83* .04 Individuelle Bezugsnorm 0.57 (1.08) 0.41 (0.82) 0.16 (1.01) 0.25 (1.22) -0.16 (1.07) 4/ 249 4.70** .07 Tabelle 1: Differenzwerte (Nachtest - Vortest) und Standardabweichungen (in Klammern) der fünf Gruppen sowie deren varianzanalytische Unterschiede im Vortest-Nachtest-Vergleich Anmerkungen: *** p ≤ .001; ** p ≤ .01; * p ≤ .05; S = Schülertraining; E = Elterntraining; L = Lehrertraining Skala Messzeitpunkt Mittelwerte (Standardabweichungen) df F Eta 2 Experimentalgruppe Kontrollgruppe Zielsetzung Vortest 3.19 (.63) 3.23 (.72) 1/ 175 3.07 # .02 Nachtest 3.30 (.76) 3.12 (.75) Selbstwirksamkeit Vortest 2.70 (.76) 2.91 (.80) 1/ 175 11.08*** .06 Nachtest 3.09 (.76) 2.98 (.83) Intrinsische Motivation Vortest 2.46 (.95) 3.02 (.84) 1/ 177 17.08*** .09 Nachtest 2.69 (.92) 2.76 (1.03) Selbstmotivierung Vortest 2.68 (.52) 2.34 (.65) 1/ 177 0.06 .00 Nachtest 2.71 (.62) 2.34 (.71) Aufschiebeverhalten Vortest 3.01 (.75) 3.11 (.93) 1/ 176 1.23 .01 Nachtest 2.97 (.81) 2.92 (.95) Individuelle Bezugsnorm Vortest 2.69 (.88) 2.55 (1.01) 1/ 175 2.32** .05 Nachtest 2.89 (.89) 2.32 (1.08) Tabelle 2: Stabilitätsprüfung der Trainingseffekte Anmerkungen: *** p ≤ .001; ** p ≤ .01; # p ≤ .10 Lernmotivation von Schülern 297 trollgruppe unterschieden wurden. Es zeigt sich, dass sich auch diese drei Gruppen entsprechend der Erwartung signifikant unterscheiden in ihren Veränderungen der Motivation (F (12,494) = 7,61; p < .001; Eta 2 = .16). Die Signifikanztests der Zwischensubjektfaktoren belegen, dass sich in allen konstituierenden Skalen signifikante Gruppenunterschiede feststellen lassen: Zielsetzung (F (2,251) = 9,22; p < .001; Eta 2 = .07), Selbstwirksamkeit (F (2,251) = 17,10; p = .01; Eta 2 = .12), intrinsische Motivation (F (2,251) = 12,51; p < .001; Eta 2 = .09), Einsatz von Selbstmotivierungsstrategien (F (2,251) = 10,95; p < .001; Eta 2 = .08), Aufschiebeverhalten (F (2,251) = 3,76; p ≤ .05; Eta 2 = .03) und Anwendung der individuellen Bezugsnorm (F (2,251) = 9,11; p < .001; Eta 2 = .07). Anschließende Scheffé-Tests belegen, dass die direkte Trainingsvariante (S x E x L und S x L) der indirekten Trainingsvariante (E x L und L) bezüglich der Zielsetzung (Mittlere Differenz = 0,40; p < .01), der Selbstwirksamkeit (Mittlere Differenz = 0,37; p < .01) sowie dem Einsatz von Selbstmotivierungsstrategien (Mittlere Differenz = 0,44; p < .001) überlegen ist. Hinsichtlich der intrinsischen Motivation, des Aufschiebeverhaltens sowie der individuellen Bezugsnorm unterscheiden sich die Schüler der beiden Trainingsvarianten hingegen nicht signifikant. Der Post-Hoc-Vergleich zwischen den Schülern, deren Eltern und/ oder Lehrkräfte trainiert wurden (indirekte Intervention), mit der Kontrollgruppe ohne Intervention ergab zudem signifikante Unterschiede zugunsten der Interventionsgruppen für die intrinsische Motivation (Mittlere Differenz = 0,48; p < .01) sowie einen marginalen Unterschied für die Anwendung der individuellen Bezugsnorm (Mittlere Differenz = 0,36; p < .10). Bezüglich der Zielsetzung, der Selbstwirksamkeit, des Einsatzes von Selbstmotivierungsstrategien und des Aufschiebeverhaltens lagen hingegen keine signifikanten Unterschiede zwischen den indirekt geförderten Schülern und der Kontrollgruppe vor. Hinsichtlich der zweiten Hypothese wurde davon ausgegangen, dass sich die Effekte des Selbstregulationstrainings auf die motivationalen Variablen der Schüler auch noch nach drei Monaten feststellen lassen. Um dies zu überprüfen, konnten aufgrund des Wartekontrollgruppendesigns nur diejenigen Schüler herangezogen werden, die in der Experimentalphase eine direkte Intervention erhielten (N = 89). Diese wurden mit der reinen Kontrollgruppe, die lediglich an den Befragungen teilnahm, verglichen. Die Schüler mit indirekter Intervention (Gruppen E x L und L) nahmen in dem Zeitraum bis zur Stabilitätsmessung selbst an einem Schülertraining teil und konnten daher keine Berücksichtigung finden. In Anlehnung an Hager und Hasselhorn (2000) kann von einer Stabilität der Trainingseffekte ausgegangen werden, wenn sich die Werte des Vortests signifikant unterscheiden von den Werten des Stabilitätstests. Zur Analyse der Stabilität wurde eine Varianzanalyse mit Messwiederholung durchgeführt, bei der die Trainingsvariante (Experimentalgruppe vs. Kontrollgruppe) als Faktor einging. Tabelle 2 gibt die Ergebnisse dieser Berechnungen wieder. Auch noch drei Monate nach Abschluss der Intervention lassen sich für die trainierten Schüler im Vergleich zur Kontrollgruppe bei insgesamt drei der sechs motivationalen Skalen signifikant höhere Messwerte feststellen. Darüber hinaus liegt für die Zielsetzung ein marginaler Effekt zugunsten der trainierten Schüler vor. Die Teilnahme an der Intervention scheint sich demnach insbesondere auf die Selbstwirksamkeit, die intrinsische Motivation sowie die Anwendung der individuellen Bezugsnorm ausgewirkt zu haben. Diskussion Das Ziel der vorliegenden Studie war es zu überprüfen, welche Effekte ein Selbstregulationstraining auf die motivationalen Variablen von Schülern der vierten Jahrgangsstufe hat. Hierfür wurde eine Interventionsstudie durchgeführt, bei der sowohl Schüler trainiert wurden (direkte Intervention) als auch deren Eltern und Mathematiklehrkräfte an einem Training 298 Barbara Otto et al. (indirekte Intervention) teilnehmen konnten. Die multivariate Varianzanalyse über die Differenzwerte belegt, dass sich die Schüler in Abhängigkeit von ihrer Gruppenzugehörigkeit hinsichtlich der Entwicklung ihrer motivationalen Variablen signifikant unterscheiden. Die anschließend durchgeführten Scheffé-Tests zeigen weiterhin, dass die Art der Intervention (direkt vs. indirekt) entscheidend ist für die Effektivität des Trainings. In drei von sechs Skalen (Zielsetzung, Selbstwirksamkeit, Einsatz von Selbstmotivierungsstrategien) konnten signifikante Unterschiede in den Effekten zwischen den Schülern mit direkter und den Schülern mit indirekter Intervention festgestellt werden. Die Schüler mit indirekter Intervention unterschieden sich in ihrer Entwicklung von der Kontrollgruppe ebenfalls in einer Skala signifikant (intrinsische Motivation) sowie in einer Skala marginal (Anwendung der individuellen Bezugsnorm). Da es sich bei beiden Skalen genau um solche handelt, in denen sich keine signifikanten Unterschiede zwischen der direkten und indirekten Trainingsvariante feststellen ließen, kann davon ausgegangen werden, dass bezüglich dieser Skalen eine durch das Eltern- und Lehrertraining bewirkte Veränderung des Lernkontextes so effektiv ist, dass dies nicht mehr durch ein direktes Schülertraining bedeutsam gesteigert werden kann. Diese Ergebnisse gehen einher mit anderen Studien, bei denen ebenfalls positive Effekte von Eltern- und Lehrertrainings auf motivationale Variablen von Schülern berichtet werden (z.B. Bruder, 2006; Perels, Dignath & Schmitz, 2009; Rheinberg & Günther, 1999; Wild, Rammert & Siegmund, 2006). Insgesamt stellt sich trotzdem die Frage, warum die indirekte Intervention nicht für alle motivationalen Skalen effektiv war. Als eine mögliche Erklärung könnte man vermuten, dass die Inhalte der Eltern- und Lehrertrainings zum Teil zu kontraproduktiven Effekten geführt haben, beispielsweise weil die Eltern oder Lehrkräfte nach dem Training das Gefühl hatten, ihre Kinder stärker hinsichtlich ihres Lernens kontrollieren zu müssen. Diese Erklärung ist jedoch relativ unwahrscheinlich, da in den Eltern- und Lehrertrainings immer wieder darauf eingegangen wurde, dass vor allem Autonomieunterstützung notwendig ist, um motiviertes Lernen zu fördern (siehe auch Ryan & Deci, 2000). Es ist daher naheliegender, dass die geringeren Effekte der indirekten Trainings mit Gründen erklärt werden können, die entsprechend des indirekten Vermittlungsprozesses vom Trainer über die Eltern/ Lehrer an die Schüler an sämtlichen „Übertragungsstellen“ aufgetreten sein könnten. Ein möglicher Grund für die unerwartet geringe Effektivität der indirekten Intervention könnte dementsprechend darin liegen, dass die Eltern und Lehrkräfte keinen signifikanten Wissenszuwachs durch das Training erworben haben. Auch wenn sich für Eltern zeigt, dass sich vor allem solche Eltern freiwillig zu einem Trainingsprogramm anmelden, die Schwierigkeiten mit der Hausaufgabensituation haben (z. B. Otto, 2007 b), vermutet Rheinberg (1999), dass nur solche Lehrkräfte an einem freiwilligenTraining teilnehmen, die ohnehin sehr engagiert sind. Dies wiederum würde bedeuten, dass die Schüler keine Veränderung im Unterrichtsverhalten wahrnehmen können, da diese Lehrkräfte sich ohnehin bereits sehr motivationsförderlich verhalten. Einer solchen Vorselektion aufgrund der Freiwilligkeit zur Teilnahme kann bei Interventionsstudien leider nicht entgegengewirkt werden. In zukünftigen Studien könnten die Schüler jedoch zusätzliche Fragen zur Wahrnehmung des Unterrichts beantworten. Die Unterrichtswahrnehmungen der Schüler, deren Lehrkräfte an einem Training teilnehmen, könnten dann mit denen der Schüler, deren Lehrkräfte nicht teilnehmen möchten, verglichen werden. Weiterhin könnten durch objektive Unterrichtsbeobachtungen Rückschlüsse auf das Engagement der Lehrkräfte gezogen werden. Eine zweite Ursache für die geringe Effektivität der indirekten Intervention könnte in einem mangelnden Transfer der gelernten Inhalte auf den Hausaufgaben-/ Unterrichtsalltag liegen. Dies würde bedeuten, dass zwar neues Wissen über motivationsförderliche Verhaltens- Lernmotivation von Schülern 299 weisen erworben wurde, dieses jedoch nicht angewendet wird. So liegen beispielsweise Untersuchungsergebnisse vor, die darauf hindeuten, dass es schwierig ist, durch die Implementierung von innovativen Trainings eine Veränderung des Lehrerverhaltens einzuleiten (z. B. De Jager, Reezigt & Creemers, 2002). Hierfür könnten z. B. die festen Strukturen des Curriculums verantwortlich sein, die es schwierig machen, Neues auszuprobieren und im Alltag zu etablieren. Auch bei der Betreuung der Hausaufgaben kann es aufgrund eines engen Zeitrahmens dazu kommen, dass Eltern nicht die neu erlernten Verhaltensweisen anwenden. Um den Transfer auf den Alltag zu fördern, wäre es möglicherweise hilfreich gewesen, einzelne Unterrichtsmodule zur Förderung des motivierten selbstregulierten Lernens zu entwickeln und durch Lehrkräfte und Eltern im regulären „Unterricht“ erproben zu lassen (z. B. Studien von De Corte, Verschaffel & van de Ven, 2001; Souvignier & Mokhlesgerami, 2006). Ein solches Vorgehen hat sich bereits als erfolgreich erwiesen (z. B. Perels, Dignath & Schmitz, 2009). Als dritte Ursache für die mangelnde Effektivität der indirekten Intervention könnte die geringe Reaktivität aufseiten der Schüler genannt werden. Dies würde bedeuten, dass die Eltern und Lehrkräfte die Trainingsinhalte durchaus erlernt und auch auf ihren Unterricht transferiert haben, die Effekte des Unterrichtsverhaltens sich jedoch (noch) nicht in einer veränderten Schülermotivation widerspiegeln. So gibt es beispielsweise empirische Hinweise darauf, dass sich das veränderte Lehrverhalten erst langfristig auswirkt (z. B. Scherer & Steinbring, 2006). Um zu überprüfen, ob sich die Effekte nach einem längeren Zeitraum im Sinne eines Sleeper-Effekts zeitverschoben feststellen lassen, wäre eine Follow-Up-Untersuchung nach einem halben bzw. einem Jahr wünschenswert. Hierfür spricht auch, dass in anderen Studien (Fuchs et al., 2003) mit einer längerfristigen Lehrerintervention nachhaltigere Effekte auf die mathematische Leistung von Grundschülern erzielt werden konnten. Wünschenswert wäre es daher, entsprechende Fortbildungsangebote für Lehrkräfte anzubieten. Brown und Pressley (1994) fordern sogar, dass solche Lehrertrainings im Sinne einer Personalentwicklungsmaßnahme mindestens zwei Jahre lang mit regelmäßigem Feedback und Supervision erfolgen müssen, damit nachweisbare Effekte aufseiten der Schüler erzielt werden können. Insgesamt kann aufgrund der Ergebnisse dieser Studie zwar gesagt werden, dass ein entsprechendes Interventionsprogramm durchaus effektiv ist, es bleibt jedoch aufgrund des gewählten längsschnittlichen Evaluationsdesigns (Vortest, Nachtest, Stabilität) offen, in welchem Ausmaß und in welcher Weise einzelne Trainingseinheiten auf die abhängigen Variablen gewirkt haben (vgl. Schmitz & Wiese, 2006). Hierfür müssten Prozessdaten erhoben werden, die mit Hilfe von Interventionsanalysen ausgewertet werden, um kausale Aussagen über Wirkzusammenhänge machen zu können (für eine detailliertere Beschreibung siehe Perels, Otto & Schmitz, 2008). Eine weitere Einschränkung im Hinblick auf das gewählte Evaluationsdesign ergibt sich bezüglich des Stichprobenschwunds. Für die statistische Analyse wurden nur Daten von denjenigen Schülern herangezogen, von denen Datensätze zu allen drei Messzeitpunkten vorlagen. Dies traf nur für ca. 78 % der Schüler zu. Für den Stichprobenschwund könnten verschiedene Gründe verantwortlich sein, wie z. B. fehlende Anwesenheit zu einem Messzeitpunkt (z. B. Krankheit), ungeeignete Datensätze (Antwortmuster) oder falsche Angaben zum persönlichen Code, sodass die Fragebögen nicht mehr aufeinander bezogen werden konnten. Gerade im Hinblick auf die Zielsetzung der Trainingsstudie (Förderung der Lernmotivation) könnte ein solcher Stichprobenschwund einschränkend für die Generalisierbarkeit der Ergebnisse sein, wenn davon auszugehen ist, dass v. a. solche Schüler Antwortmuster ankreuzen und absichtlich falsche Angaben zum Code machen, deren motivationale Variablen gering ausgeprägt sind. Eine weitere Grenze der Studie liegt in dem eingesetzten Erhebungsinstrument. Um das motivierte Lernverhalten von Schülern zu erfassen, wurde lediglich ein Schülerfragebogen 300 Barbara Otto et al. eingesetzt. Auch wenn Selbstberichtsverfahren zur Erfassung durchaus angemessen sind (z. B. Spörer & Brunstein, 2006), da es sich um interne Prozesse handelt, könnte in zukünftigen Studien jedoch ebenfalls ein objektiveres Instrument zum Einsatz kommen. So liegen Studien vor, die mit Interviews, lautem Denken (z. B. Meijers, Elshout-Mohr & Van Hout- Wolters, 2001) oder einer simulierten Lernsituation Daten erhoben haben. Darüber hinaus wären objektive Beobachtungen des schulischen und häuslichen Lernverhaltens wünschenswert. In zukünftigen Studien sollte der Fragebogen weiterhin gemeinsam mit anderen etablierten Instrumenten zur Erfassung der Lernmotivation von Schülern (z. B. FLM 4 - 6; Petermann & Winkler, 2007; SELLMO; Spinath, Stiensmeier-Pelster, Schöne & Dickhäuser, 2002) zum Einsatz kommen, um zusätzliche Validierungen zu ermöglichen. Im Hinblick auf den eingesetzten Fragebogen muss zudem einschränkend erwähnt werden, dass weder Interessen noch motivationale Haltungen oder Zielorientierungen von Schülern, Eltern und Lehrkräften erhoben wurden, die fachspezifisch sehr stark variieren können. Diese könnten möglicherweise bedeutsame Mediatoren für die in dieser Studie festgestellten Trainingseffekte sein. In zukünftigen Studien sollten daher entsprechende Variablen mit erhoben werden. Gleichermaßen ist nicht ganz auszuschließen, dass Trainingsleitereffekte aufgetreten sind. Um solchen Biases vorzubeugen, wurden die Trainer in der vorliegenden Studie vor Beginn der Intervention umfassend geschult und erhielten einen standardisierten Trainingsablaufplan. Es ist daher davon auszugehen, dass die aufgetretenen Trainingsleitereffekte gering sind. Ein Vorteil dieser Studie besteht hingegen sicherlich darin, dass ein aufwändiges Interventionsprogramm nicht nur durch einen Vortest- Nachtest-Vergleich evaluiert wurde, sondern zudem auch mit Hilfe einer Stabilitätsmessung hinsichtlich seiner längerfristigen Effekte auf die motivationalen Variablen überprüft wurde. Denn die klassische Vorher-Nachher-Messung, bei der direkt nach der Intervention höhere Werte als vorher festgestellt werden, lässt lediglich auf eine Steigerung in den kurzfristigen Kompetenzen schließen (Hager & Hasselhorn, 2000). In der vorliegenden Studie konnte jedoch durch einen Vergleich der Vortestwerte mit den Stabilitätswerten nachgewiesen werden, dass zumindest eine direkte Intervention zu langfristigen Effekten in der Selbstwirksamkeit, der intrinsischen Motivation sowie der Anwendung der individuellen Bezugsnorm führt. Auch wenn vor allem die direkten Trainings zu signifikanten Effekten in den motivationalen Variablen von Schülern führen, sind solche Trainings für den Alltag relativ aufwändig und kostenintensiv. Vor allem wegen der Multiplikatorfunktion von Lehrkräften sollten verstärkt Anstrengungen gemacht werden, indirekte Trainings zu optimieren (Otto, Perels, Schmitz & Bruder, 2006). Die Erkenntnisse der vorliegenden Studie geben bereits einige Hinweise darauf, wie Eltern und Lehrer im Unterrichts- und Hausaufgabenalltag motiviertes Lernen fördern können. Sie können nicht nur im Rahmen von Lehrerfortbildungen zur Anwendung kommen, sondern zudem bereits in die Lehrerausbildung eingehen (siehe auch Otto, Perels & Schmitz, 2008 b). Gleichermaßen können neben Elterntrainings auch Workshops und Elternabende an Schulen angeboten werden, in denen die Möglichkeiten der Förderung des motivierten Lernverhaltens thematisiert werden. Literatur Bandura, A. (1986). Social foundations of thought and action: A social cognitive theory. Englewood Cliffs, NJ: Prentice Hall. Bandura, A. (1997). Self-efficacy: The exercise of control. New York: Freeman. Brown, R. & Pressley, M. (1994). Self-regulated reading and getting meaning from text: the transactional strategies instruction model and its ongoing validation. In D. H. Schunk & B. J. Zimmerman (Eds.), Self-regulation of learning and performance. Issues and educational applications (pp. 155 - 179). Hillsdale, N.J.: Erlbaum. Bruder, S. (2006). 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