Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2009
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Lernlust statt Lernfrust - Evaluation eines Elterntrainings zur Verringerung von Hausaufgabenkonflikten bei Schülern mit Lernschwierigkeiten
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2009
Elke Wild
Judith Gerber
In diesem Beitrag werden erste Ergebnisse zur Akzeptanz und Wirksamkeit eines Trainings vorgestellt, das sich an Eltern richtet, deren Kinder Lernschwierigkeiten in Mathematik aufweisen und deren häusliche Lernsituation sich hoch konfliktär gestaltet. Die -Trainingskonzeption sieht eine Reflektion handlungsleitender Kognitionen, eine Veränderung lehr-lern-bezogener Einstellungen und Verhaltensweisen sowie eine Sensibilisierung für Emotionsregulationskompetenzen vor. In der Evaluationsstudie mit Prä-Post-Follow-up-Kontrollgruppendesign wurden Daten von insgesamt 65 Müttern berücksichtigt. 33 Mutter-Kind-Dyaden wurden einer Präsenz – bzw. einer autodidaktischen Trainingsgruppe zugewiesen, die 32 Mütter der Kontrollgruppe nahmen an einer zeitgleich laufenden Längsschnittstudie teil. Im Ergebnis zeigen sich eine hohe Trainingszufriedenheit, eine deutliche Reduktion der Hausaufgabenkonflikte und eine Steigerung des mütterlichen Kompetenzerlebens. Im Vergleich zur Kontrollgruppe realisieren trainierte Mütter auch häufiger eine autonomieunterstützende Hilfe und zeigen weniger kontraproduktive Verhaltensweisen. Marginale Unterschiede in der Wirksamkeit beider Trainingsvarianten deuten auf das Potenzial psychoedukativer Informationsangebote hin.
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n Empirische Arbeit Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2009, 56, 303 - 318 © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Lernlust statt Lernfrust - Evaluation eines Elterntrainings zur Verringerung von Hausaufgabenkonflikten bei Schülern mit Lernschwierigkeiten Elke Wild, Judith Gerber Universität Bielefeld „Lernlust statt Lernfrust“ - Evaluating a Parental Training to Reduce Conflicts Concerning Homework of Students with Learning Difficulties Summary: This study investigated the effects of a program designed to reduce conflicts concerning homework and to improve parental self-efficacy and instructional practice in learning situations. The program provided general information and hands-on experiences to enhance first parental reflecting on general and school-related educational goals. Second it communicates motivating strategies as well as strategies for emotion regulation. 65 parents with 4 th and 5 th graders voluntarily participated in this evaluation study with a pre/ post/ follow-up control group design. Trained mothers were parallelized and assigned to two training versions (i. e., face-to-face-training sessions vs. self-help booklet). Results indicate that training participation causes positive changes in parenting skills and parental self-efficacy and contributes to a reduction of homework conflicts. Since both training versions do not markedly differ in their effectiveness, the study adds further empirical support of parenting self-help materials. Keywords: Parental training, homework, evaluation Zusammenfassung: In diesem Beitrag werden erste Ergebnisse zur Akzeptanz und Wirksamkeit eines Trainings vorgestellt, das sich an Eltern richtet, deren Kinder Lernschwierigkeiten in Mathematik aufweisen und deren häusliche Lernsituation sich hoch konfliktär gestaltet. Die Trainingskonzeption sieht eine Reflektion handlungsleitender Kognitionen, eine Veränderung lehr-lern-bezogener Einstellungen und Verhaltensweisen sowie eine Sensibilisierung für Emotionsregulationskompetenzen vor. In der Evaluationsstudie mit Prä-Post-Follow-up-Kontrollgruppendesign wurden Daten von insgesamt 65 Müttern berücksichtigt. 33 Mutter-Kind-Dyaden wurden einer Präsenz - bzw. einer autodidaktischen Trainingsgruppe zugewiesen, die 32 Mütter der Kontrollgruppe nahmen an einer zeitgleich laufenden Längsschnittstudie teil. Im Ergebnis zeigen sich eine hohe Trainingszufriedenheit, eine deutliche Reduktion der Hausaufgabenkonflikte und eine Steigerung des mütterlichen Kompetenzerlebens. Im Vergleich zur Kontrollgruppe realisieren trainierte Mütter auch häufiger eine autonomieunterstützende Hilfe und zeigen weniger kontraproduktive Verhaltensweisen. Marginale Unterschiede in der Wirksamkeit beider Trainingsvarianten deuten auf das Potenzial psychoedukativer Informationsangebote hin. Schlüsselbegriffe: Elterntraining, häusliches Lernen, Evaluation Obwohl sich Unterschiede in der Hausaufgabenpraxis deutscher Schüler nachweislich auf die Leistungsentwicklung und die Entwicklung der Lernmotivation auswirken (z. B. Helmke, Schrader & Hosenfeld, 2004; Lorenz & Wild, 2007; Niggli, Trautwein, Schnyder, Lüdtke & Neumann, 2007; Trautwein, Lüdtke, Kastens & Köller, 2006) und nur ein geringer Prozentsatz gänzlich auf elterliche Unterstützung beim häuslichen Lernen verzichten muss (Cooper, 304 Elke Wild, Judith Gerber Lindsay & Nye, 2000; Wild & Gerber, 2007), werden Eltern hierzulande selten bei der Frage unterstützt, wie sie häusliche Lehr-Lern-Situationen sinnvoll gestalten können. Die Ursachen hierfür sind einerseits in einer - im internationalen Vergleich gesehen - sehr zurückhaltenden Eltern-Lehrer-Kooperation in Deutschland zu verorten (zusf. Wild, 2003), nicht zuletzt aber auch in einem Mangel an lehr-lern-bezogenen Elterntrainings. Zwar ist in den letzten Jahren die Entwicklung von Maßnahmen, die auf eine Förderung der allgemeinen Erziehungskompetenz von Eltern gerichtet sind bzw. diese im Umgang mit kindlichen Verhaltensauffälligkeiten schulen (z. B. Triple P, zusf. Heinrichs et al., 2006), stark vorangetrieben worden. Darüber hinaus existiert inzwischen auch im deutschen Sprachraum eine Reihe von Trainings, die sich an Eltern von sozial benachteiligten Schülern und/ oder solchen mit umschriebenen (Teil-)Leistungsstörungen richten und auf eine gezielte Förderung bereichsspezifischer Fähigkeiten wie der Lesekompetenz zielen (z. B. McElvany & Arteilt, 2007; Streblow, Holodynski & Schiefele, 2007). Hingegen handelt es sich bei Trainings, die auf eine Förderung der Bereitschaft und Fähigkeit zum selbstregulierten Lernen abzielen, meist um kind- oder lehrerzentrierte Ansätze (zusf. Landmann & Schmitz, 2007; Rheinberg & Krug, 2005). Eine Ausnahme hierzu bildet lediglich das Elterntraining zur Steigerung der Selbstregulationskompetenzen von Lernern (Otto, 2007) sowie ein von Lund, Rheinberg & Gladasch (2001) entwickeltes Elterntraining zur Förderung der kindlichen Leistungsmotivation. In beiden Fällen handelt es sich allerdings um Maßnahmen im Sinne der universellen Prävention, deren Wirksamkeit entsprechend an unausgelesenen Stichproben von (älteren) Schülern geprüft wurde. Das vorliegende Training 1 wendet sich demgegenüber an Eltern von Grundschülern und Schülern zu Beginn der Sekundarstufe, die mit Lernproblemen im Fach Mathematik zu kämpfen haben und bei denen sich das häusliche Lernen hoch konfliktär gestaltet. Entsprechend handelt es sich um eine selektive Präventionsmaßnahme, die in erster Linie drei Ziele verfolgt: sie soll (a) zur Reduktion von Hausaufgabenkonflikten beitragen, indem (b) Eltern angeleitet werden, wie sie Lernhemmnisse überwinden und ihre Kinder zum selbstbestimmten und eigenverantwortlichen Lernen führen können und (c) die elterliche Selbstwirksamkeitsüberzeugung im Umgang mit schulischen Belangen steigern, da dies ein entscheidender Prädiktor für das elterliche Schulengagement ist (z. B. Hoover- Dempsey, Battiato, Walker, Reed, DeJong & Jones, 2001). Theoretischer Hintergrund Generell werden Rechenschwierigkeiten von Kindern, Eltern und LehrerInnen meist als sehr bedrängend empfunden, da Mathematik zu den Unterrichtsfächern zählt, die mitentscheidend für die gesamte Schullaufbahn sind. Nicht zuletzt deshalb wird auch Kindern mit besonderen Schwierigkeiten im Fach Mathematik (Dyskalkulie) das Recht auf eine finanzielle Förderung nach § 35 a KJHG zugestanden, durch die eine drohende Beeinträchtigung ihres seelischen Wohls abgewendet werden soll. Kinder mit einer umschriebenen Rechenschwäche sind jedoch schwierig zu identifizieren und es mangelt an Konzepten für den schulischen Förderunterricht. So dürften Lernschwierigkeiten auch und gerade wenn sie die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten betreffen, über kumulative Misserfolge in der Grundschulzeit die mathematikbezogenen Motive und Überzeugungen nachhaltig beeinflussen. In diesem Sinne werden differenzielle Entwicklungsverläufe bei Grundschülern 1 Das Training wurde im Rahmen eines von der DFG geförderten Projekts „Selbstbestimmte Formen der Lernmotivation in Elternhaus und Schule“ entwickelt und baut auf den Erkenntnissen des dort durchgeführten Längsschnitts auf. Für eine ausführliche Beschreibung des Projekts siehe Wild & Remy (2002), Wild, Rammert und Siegmund (2006) sowie Lorenz und Wild (2007). Lernlust statt Lernfrust 305 mit und ohne Schwierigkeiten beim Schriftspracherwerb beobachtet (Lepola, Salonen & Vauras, 2000). Prinzipiell birgt die häusliche Lernumgebung besondere Potenziale, die Eltern nutzen können, um Lern- und Motivationsproblemen wirksam zu begegnen (zusf. Wild, 2004). Empirische Studien deuten jedoch darauf hin, dass Eltern in Reaktion auf Leistungsprobleme eher mit einer Zunahme an Kontrolle und Druck reagieren und dadurch unbeabsichtigt die Motivations- und Leistungsentwicklung beeinträchtigen (z. B. Niggli et al., 2007; Helmke et al., 2004; Pomerantz & Eaton, 2001; Wild & Gerber, 2007). Die Konzeption des vorliegenden Trainings orientiert sich daher wesentlich an Befunden zu den motivationalen Folgen „intuitiv“ realisierter Formen der elterlichen Hilfe (Lorenz & Wild, 2007) sowie der Selbstbestimmungstheorie (Ryan & Deci, 2002) als einem bewährten Motivationsansatz, der die Förderung selbstbestimmter Formen der Lernmotivation ins Zentrum stellt. Aus dieser Perspektive sind Schüler umso eher bereit, auch losgelöst von äußeren Anreizen zu lernen, wenn sie Lehrende als emotional zugewandt erleben und sich in ihrer Autonomie und ihrem Kompetenzerleben unterstützt fühlen. Mit anderen Worten trägt die Befriedigung der psychologischen Grundbedürfnisse nach Autonomie- und Kompetenzerleben sowie sozialer Einbindung dazu bei, dass Schüler ursprünglich von außen herangetragene Werte und Standards verinnerlichen und so von einer fremdbestimmten zu einer selbstbestimmten Lernhaltung hingeführt werden. Im Zentrum der Trainingskonzeption steht entsprechend das elterliche Unterstützungsverhalten, welches auf drei für die Lern- und Motivationsentwicklung nachweislich relevanten Dimensionen betrachtet wird (Hoover-Dempsey et al., 2001; Niggli et al., 2007). Die erste Dimension „autonomieunterstützende Hilfe“ hebt auf die Respektierung des kindlichen Wunsches nach Selbstbestimmung und die aktive Unterstützung selbstregulierter Lernhandlungen ab. Dies impliziert einen Verzicht auf kleinschrittige Anleitungen und die Ermutigung des Kindes zu möglichst selbstständiger Problemlösung. Auf Leistungsprobleme reagieren autonomieunterstützende Eltern, indem sie versuchen gemeinsam mit dem Kind Gründe herauszufinden und Problemlösungen zu entwickeln. Die zweite Dimension betrifft das Ausmaß „leistungsorientierten Drucks“ und umfasst zum einen den Aspekt der formalen Kontrolle kindlicher Leistungen und zum anderen den kontingenten Einsatz von Belohnungen und Bestrafungen im Umgang mit schulischen Erfolgen und Misserfolgen. Im Training soll auf eine Verringerung des leistungsorientierten Drucks hingewirkt werden, da dieser die Leistungsentwicklung (Niggli et al., 2007; Helmke et al., 2004) sowie die Entwicklung einer erfolgszuversichtlichen Lernmotivation und das emotionale Erleben beim Lernen (Grolnick & Ryan, 1989; Knollmann & Wild, 2007) beeinträchtigt. Der dritte Aspekt der „emotionalen Unterstützung“ hebt auf die elterliche Feinfühligkeit und Responsivität ab (zusf. Zimmermann & Spangler, 2001), die unabdingbar dafür sind, dass sich Kinder in Lernsituationen akzeptiert und wertgeschätzt fühlen. Entscheidend ist, dass Kinder ein grundsätzliches Interesse der Eltern an schulischen Belangen wahrnehmen und von diesen getröstet und angespornt werden, Schwierigkeiten möglichst selbstständig zu überwinden. Mit dem erzieherischen oder instruktionalen Verhalten ist ein hoch automatisiertes „Gewohnheitshandeln“ angesprochen, welches nur dann mit Aussicht auf Erfolg zu verändern ist, wenn die dem Verhalten zugrunde liegenden Alltagsannahmen und inneren Einstellungen berücksichtigt werden (zusf. Bromme, 1997). Entsprechend werden Eltern im Training zu einer Reflektion und ggfs. Modifikation ihrer handlungsleitenden Kognitionen angeregt. Im Fokus stehen dabei zum einen die allgemeinen (z. B. Selbstständigkeit) und lernbzw. bildungsspezifischen Erziehungsziele und die Fra- 306 Elke Wild, Judith Gerber ge, ob diese im Widerspruch zueinander stehen und zu einem inkonsistenten Erziehungsverhalten beitragen. Zum anderen wird thematisiert, welche Ziele Eltern speziell mit der Hausaufgabensituation und ihrer Hilfe verknüpfen, wie sie also letztlich das häusliche Lernen rahmen („framing“). In Anlehnung an Renshaw und Gardener (1990) sowie Helmke et al. (2004) lassen sich zwei Perspektiven oder Zugangsweisen unterscheiden, die in ihrer Funktionalität deutlich verschieden sind: Eher ungünstig ist eine produktorientierte Leistungszielorientierung, die in einer Fokussierung auf das Lernergebnis zum Ausdruck kommt und darin, dass Kinder eher als passive Lerner betrachtet werden, deren Lernverhalten gelenkt werden muss. Vorteilhafter ist eine prozessorientierte Lernzielorientierung, bei der die Hausaufgabensituation als Chance verstanden wird, das „Lernen lernen“ zu fördern, und das Kind als proaktiver Lerner gesehen wird. Dass sich insbesondere in Familien mit leistungsschwachen und verhaltensauffälligen Schülern das nachmittägliche Lernen als eine stark belastende Zeit für alle Beteiligten darstellt (zusf. Nilshon, 1998; Döpfner, Schürmann & Lehmkuhl, 1994) unterstreicht, dass Hausaufgabenkonflikte mit starken Affekten einhergehen. Um also Hausaufgabenkonflikte nachhaltig zu verringern, sind Eltern wie Schüler zu einem kompetenten Umgang mit (lernrelevanten) Emotionen hinzuführen. Bei der theoretischen Bestimmung einer „kompetenten“ Emotionsregulation kann auf Modelle zum Emotionsausdruck, zur (Entwicklung der) Emotionsregulation und zur Entwicklung der emotionalen Intelligenz rekurriert werden (z. B. Götz, Frenzel, Pekrun & Hall, 2005). Aus dieser Perspektive ist entscheidend, dass Eltern die Emotionen ihres Kindes richtig zu interpretieren lernen und eine „autonomieunterstützende Anleitung zur Emotionsregulation“ realisieren, in deren Verlauf dem Kind zunehmend die Verantwortung für die (intrapsychische) Regulation der eigenen Emotionen übertragen wird. Zielsetzung und Fragestellung In diesem Beitrag sollen erste Ergebnisse zur Wirksamkeit des skizzierten Elterntrainings vorgestellt werden. In einem ersten Schritt wird die Trainingsakzeptanz betrachtet, wobei wir einem differenzierten Qualitätsverständnis folgend zwischen Aspekten der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität unterscheiden. Als Merkmale der Strukturqualität wurden u. a. die Erreichbarkeit und die Zufriedenheit mit der fachlichen Kompetenz der Trainer/ Ansprechpartner berücksichtigt. Die Prozessqualität, die sich auf die inhaltliche Bewertung des Trainingsprozesses bezieht, wurde über die Zufriedenheit mit der Gesamtdauer des Trainings und dem zeitlichen und organisatorischen Aufwand für die Teilnehmer erfasst. Die Ergebnisqualität hebt auf den Trainingserfolg im engeren Sinne ab und wurde im vorliegenden Fall an drei Indikatoren(-bündel) festgemacht: an dem Ausmaß, in dem das Training zur Verringerung der Hausaufgabenkonflikte sowie zur Steigerung des elterlichen Kompetenzerlebens beiträgt und in dem es gelingt, Veränderungen in den lehr-lern-bezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen von Eltern zu erzielen. Ein generelles Problem von Präventionsprogrammen und psychoedukativen Maßnahmen der Erziehungsberatung besteht darin, die avisierte Zielgruppe zu erreichen und zu einer kontinuierlichen Teilnahme zu motivieren (McElvany & Artelt, 2007). Dieses berührt auch die interne Validität quasi-experimenteller Evaluationsstudien, in denen Eltern der Kontrollgruppe zugewiesen werden, die nicht an einem Training teilnehmen wollten oder konnten (z. B. Lund et al., 2001). Um in der vorliegenden Arbeit Forderungen nach niedrigschwelligen Angeboten Rechnung zu tragen, und weil eine Zuweisung von ratsuchenden Familien zu einer unbehandelten Kontrollgruppe 2 ethisch problematisch ist, wurden 2 Eine Wartekontrollgruppe, die im Anschluss an die Evaluationsstudie trainiert wird, konnte wegen der begrenzten Projektlaufzeit nicht realisiert werden. Lernlust statt Lernfrust 307 zwei Trainingsvarianten entwickelt und in ihrer relativen Wirksamkeit miteinander verglichen. Das „Präsenztraining“ sah die wöchentliche Anleitung von Kleingruppen (jeweils 3 - 4 Elternteile) in acht ca. 1 ½-stündigen Sitzungen durch ei-nen Trainer vor. Den Teilnehmern der „autodidaktischen Trainingsvariante“ wurden dieselben Materialien im Wochenabstand zugesendet, so dass sie sich die Inhalte der einzelnen Trainingssitzungen selbstständig zu Hause erarbeiten konnten. Um gleichzeitig das Ausmaß der mit beiden Trainingsvarianten erzielten Einstellungs- und Verhaltensänderungen angemessen beurteilen zu können, wurden als baseline Daten von Eltern herangezogen, die parallel an ei-nem DFG-geförderten Längsschnittprojekt teil-genommen (vgl. Wild & Remy, 2002; Wild et al., 2006) und in vergleichbaren Zeitabständen analog erfasste Angaben zur elterlichen Hilfe beim häuslichen Lernen gemacht hatten. Aufbau und Inhalte des Trainings Den theoretischen Überlegungen entsprechend wurden in dem Elterntraining drei Themenblöcke behandelt: Der erste kreiste um die Auseinandersetzung mit den eigenen allgemeinen und schulbezogenen Zielvorstellungen der Eltern sowie ihren intuitiven didaktischen Überzeugungen und Vorstellungen zur eigenen Rolle (Sitzung 1 + 2). Darauf aufbauend wurden lern- und motivationspsychologische Grundlagen vermittelt und Prinzipien einer motivförderlichen Gestaltung von Lehr-Lern- Arrangements behandelt (Sitzung 3 - 5). Das Training schloss mit Ausführungen und Übungen zum Thema Emotionsregulation ab (Sitzung 6 - 8). Dem Training vorgeschaltet war ein Informationsabend, der die Eltern über Ziele und den Ablauf des Trainings aufklärte und einführende Informationen über den wissenschaftlichen Hintergrund des Trainings vermittelte. Innerhalb des zweiten inhaltlichen Blocks fand ein weiterer Informationsabend zum Thema Rechenstörungen statt. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Sitzungsinhalte des Präsenztrainings. Das methodische Vorgehen war bezüglich des zeitlichen Umfangs und der didaktischen Gestaltung an Erkenntnissen der Trainingsforschung orientiert, wonach sich reine Informa- Informationsabend zum Training Informationen über Aufbau, Ablauf und Ziele des Trainings, Darstellung der SBT als Trainingsbasis 1. Trainingssitzung „Was möchten Sie mit Ihrer Erziehung erreichen? “ Erarbeitung der allgemeinen und bereichsspezifischen Erziehungsziele der Eltern Passung bzw. Konflikte zwischen beiden Erziehungszielen 2. Trainingssitzung „Der schmale Grad zwischen Fördern und Fordern.“ Bedeutung von Responsivität im Lernkontext Situationsdeutung und Perspektivübernahme 3. Trainingssitzung „Wie lernt Ihr Kind? “ Informationsverarbeitung und Wissenserwerb Erarbeitung und Vermittlung von Lernstrategien Informationsabend zum Thema Rechenstörung 4. Trainingssitzung „Was tun, wenn gar nichts hilft? “ Disziplinierungsstrategien und der reflektive Umgang mit Belohnung und Bestrafung 5. Trainingssitzung „Wie können Sie Ihr Kind zum Lernen motivieren? “ Autonomieunterstützung, emotionale Zuwendung, Struktur und ein Verzicht auf leistungsorientierten Druck als Eckpfeiler motivfördernden Verhaltens 6. - 8. Trainingssitzung Emotionsregulation Elterliche und kindliche Strategien der Emotionsregulation Emotionsregulation während der Hausaufgabensituation Tabelle 1: Aufbau und Inhalte der einzelnen Trainingssitzungen 308 Elke Wild, Judith Gerber tionsangebote als unzureichend erwiesen haben (z. B. Balli, Wedman & Demo, 1997; Xu & Corno, 1998), und eine Kombination von kognitiven und behavioralen Zugängen zielführender ist (Reeve, 1998; Shumow, 1998). Um also Eltern vom Erkennen über das Begreifen zum Umsetzen zu führen, wurden Phasen der Informationsvermittlung (kurze Impulsreferate) mit Selbstreflexions- und Übungsphasen verschränkt. Regelmäßige Rückmeldungen und Hausaufgaben, die zur Aufarbeitung der zwischen den Trainingssitzungen gewonnenen Erfahrungen im Alltag dienten, sollten zudem dazu beitragen, dass Eltern ihr eigenes Verhalten hinterfragen, den Nutzen neuer Sicht- und Verhaltensweisen erkennen und letztlich ein adaptives, auf die Fähigkeiten ihres Kindes und situative Anforderungen abgestimmtes Instruktionsverhalten entwickeln. Im Präsenztraining wurden darüber hinaus Rollenspiele und Partnerübungen integriert, um Eltern Gelegenheit zum Einüben neuer Verhaltensweisen zu geben und den Austausch der Trainingsteilnehmer untereinander zu fördern. Methode Die Wirksamkeit des Trainings wurde in einer Studie im Kontrollgruppendesign mit Messwiederholung geprüft, wobei die durch zwei Trainingsvarianten (Präsenz- und Autodidaktikgruppe) erzielten Einstellungs- und Verhaltensänderungen verglichen und mit einer unbehandelten Kontrollgruppe kontrastiert wurden. Die Erhebungen bei den Trainingsteilnehmern fanden direkt vor und unmittelbar nach Abschluss des ca. 3-monatigen Trainings sowie sechs Monate später (Follow-up-Messung) statt. Die zur Beurteilung der Trainingseffekte relevanten Konstrukte wurden mithilfe von Fragebögen erfasst, die Präsenzgruppe Autodidaktikgruppe Kontrollgruppe N 17 16 32 Alter der Mutter 42.53 43 42.38 Alter des Kindes 10.41 10.06 9.75 Mathematiknote (in Punkten) 8.13 6.33 9.33 Testergebnisse Zareki 55.41 69.85 Testergebnisse CFT 105.76 102.11 N % N % N % Geschlecht Kind Mädchen 11 64.7 10 62.5 18 56.3 Jungen 6 35.3 6 37.5 14 43.8 Besuchte Schulform Primarstufe 7 41.2 7 43.8 32 100 Sekundarstufe 10 58.8 9 56.3 0 0 Berufstätigkeit der Mutter Voll berufstätig 1 5.9 3 18.8 4 13.3 Teilzeitbeschäftigt 10 58.8 11 68.8 17 56.7 Hausfrau 5 29.4 2 12.5 6 20 Sonstiges 1 5.9 0 0 3 10 Bildungshintergrund/ Mutter Hauptschulabschluss 1 5.9 0 0 1 3.1 Realschulabschluss 6 35.3 5 31.3 16 50 Fachhochschulreife 6 35.3 3 18.8 6 18.8 Abitur 4 23.5 8 50 9 28.1 Tabelle 2: Merkmale der Stichprobe Lernlust statt Lernfrust 309 von Müttern und teilweise auch von Kindern jeweils getrennt bearbeitet wurden. Bei der Kontrollgruppe wurden analoge Erhebungen im Jahresabstand durchgeführt, sodass Verlaufsdaten für ein (dem zeitlichen Abstand zwischen Prä- und Follow-up-Test) vergleichbares Zeitfenster vorliegen. Die Zufriedenheit der Teilnehmer mit dem Training wurde ebenfalls mittels Fragebögen zum Post- und zum Followup-Zeitpunkt erfasst. Stichprobe Die Rekrutierung der Probanden erfolgte durch Inserate in lokalen Radiosendern und Tageszeitungen sowie über die pädagogisch-psychologische Beratungsstelle der Universität Bielefeld. Voraussetzung für die Teilnahme waren Lernprobleme des Kindes im Fach Mathematik sowie der Besuch der 4./ 5. Klassenstufe. Die teilnehmenden Familien wurden der Präsenz- oder Autodidaktikgruppe zugewiesen, die nach den vor Trainingsbeginn erfassten mathematischen und kognitiven Fertigkeiten der Kinder, deren Geschlecht und der besuchten Schule parallelisiert wurden. Insgesamt konnten für die Trainingsgruppen 40 Mütter rekrutiert werden (19 in der Präsenzgruppe, 21 in der Autodidaktikgruppe). Die drop-out-Rate im Verlauf des Trainings fiel mit 2.8 % erfreulich niedrig aus. Die nachfolgenden Analysen basieren somit auf Daten von insgesamt 33 trainierten Müttern (Präsenz: N = 17; Autodidaktik: N = 16), die an allen Erhebungen teilgenommen haben, sowie den Angaben der 32 untrainierten Mütter, die zeitgleich an einer Längsschnittstudie teilnahmen. Das durchschnittliche Alter aller Mütter liegt bei ca. 42 Jahren, der überwiegende Teil verfügt über die (Fach-)Hochschulreife und arbeitet Voll- oder Teilzeit. Die Kinder (62 % Mädchen) aller teilnehmenden Mütter sind im Mittel ca. 10 Jahre alt. Genaue Angaben zu den Merkmalen der drei Teilstichproben sind Tabelle 2 zu entnehmen. Aufgrund der Parallelisierung unterscheiden sich die Kinder der beiden Trainingsgruppen weder in ihren intellektuellen und mathematischen Basisfertigkeiten [t (1; 38) = -1.65 ns] noch in ihren Intelligenzwerten [t (1; 35) = 0.98 ns] oder der besuchten Schulform [ c 2 (1; 33) = 0.02 ns]. Auch hinsichtlich des Geschlechts [ c 2 (1; 33) = 0.02 ns] und des Alters [t (1; 38) = 0.38 ns] zeigen sich zwischen den Trainingsgruppen keine Differenzen. Im Vergleich zur Kontrollgruppe erzielen nur die Kinder der Autodidaktikgruppe [F (2; 62) = 6.50**] schlechtere Mathematiknoten (mittlere Differenz: -2.86***). Ferner sind die Kinder der Präsenzgruppe etwas jünger als die der Kontrollgruppe [F (2; 68) = 3.25*; mittlere Differenz: -.57*]. Unterschiede hinsichtlich der besuchten Schule [ c 2 (1; 40) = 22.71*** 3 ] zeigen sich insofern, als in den beiden Trainingsgruppen Kinder zusammengefasst sind, die sich vor oder nach dem Übergang in eine weiterführende Schule befinden, während die Kinder der Kontrollgruppe ausnahmslos die Grundschule besuchen. Die Verteilung der Geschlechter in den beiden Trainingsgruppen und der Kontrollgruppe unterscheidet sich nicht signifikant [ c 2 (2; 71) = .86 ns]. Mit Blick auf soziodemografische Merkmale der Familie ergeben sich weder zwischen den Trainingsgruppen [Bildungshintergrund: c 2 (3; 40) = 2.04 ns; Umfang der Berufstätigkeit: c 2 (3; 40) = 4.64 ns; Alter der Mutter: t (37) = 0.02 ns] noch im Vergleich der Trainingsgruppen mit der Kontrollgruppe [Bildungshintergrund: c 2 (6; 71) = 4.38 ns; Umfang der Berufstätigkeit: c 2 (6; 69) = 5.13 ns; Alter der Mutter: F (2; 67) = .004 ns] statistisch abzusichernde Unterschiede. Erhebungsinstrumente Kognitive und mathematische Lernvoraussetzungen der Kinder Um bei der Gruppenzuweisung die mathematische Leistungsfähigkeit der Kinder berücksichtigen zu können, wurde die neuropsychologische Testbatterie für Zahlenverarbeitung und Rechnen bei Kindern eingesetzt (ZAREKI; von Aster, 2001), ein etabliertes Verfahren zur Diagnostik von Rechenschwächen. Die Auswertung der ZAREKI-Gesamtwerte ergab, dass die getesteten Kinder mehrheitlich über geringe Basisfähigkeiten im mathematischen Bereich verfügen, jedoch bei lediglich 4 Kindern eine Rechenschwäche nach DSM IV vorliegt. Die kognitive Leistungsfähigkeit der Kinder in den Trainingsgruppen wurde mittels des Cultural Fair Test (CFT; Weiß, 1998) erfasst. 3 *** p < .001, ** p < .01, * p < .05 + p < .10 310 Elke Wild, Judith Gerber Akzeptanz des Trainings und subjektiver Trainingserfolg Urteile zur Strukturqualität (Erreichbarkeit der Beratungsstelle, Zufriedenheit mit der fachlichen Kompetenz) sowie zur globalen Trainingszufriedenheit wurden direkt nach Abschluss des Trainings mithilfe von Einzelitems erfasst (vgl. Tabelle 3). Ebenfalls zum Abschluss wurde die Bewertung der Prozessqualität über Einzelitems erfasst (vgl. Tabelle 3). Skalen zur Messung des subjektiven Trainingserfolgs wurden direkt im Anschluss an das Training sowie sechs Monate danach vorgegeben. Elterliche Hilfe beim Lernen Die lehr-lern-bezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen der Mütter wurden über Selbstberichte mithilfe von Skalen erfasst, die der Längsschnittstudie „Selbstbestimmte Formen der Lernmotivation in Elternhaus und Schule“ entstammen (Wild, 2000). Die elterliche Hilfe wurde auf drei Dimensionen („Autonomieunterstützende Hilfe“, „Leistungsorientierter Druck“ und „Responsivität“) erfasst, die Einstellungen auf zwei Dimensionen („Prozessorientierung“ und „Produktorientierung“) (vgl. Tabelle 4). Die Selbstberichte der trainierten Mütter wurde zu drei Messzeitpunkten erhoben, die Mütter der Kontrollgruppe wurden an zwei, dem Prä- und Follow-up-Messzeitpunkt entsprechenden Terminen befragt. Mütterliches Kompetenzerleben Die elterliche Selbstwirksamkeit in Bezug auf die Hausaufgabenunterstützung wurde mit einer eigens konstruierten Kurzskala (vgl. Tabelle 4) erfasst. Negativ formulierte Items wurden invertiert, sodass höhere Werte durchgängig positivere Ausprägungen kennzeichnen. Beurteilung der Hausaufgabensituation Die Konflikthaftigkeit der Hausaufgabensituation und die Einstellung zum gemeinsamen Lernen wurden aus Sicht der Mütter und Kinder mit jeweils zwei Einzelitems erfasst (vgl. Tabelle 4). Strukturqualität (post) Wie zufrieden waren Sie mit … N M sd … der Lage bzw. Erreichbarkeit der Universität? 39 3.56 .68 … der fachlichen Kompetenz der Trainer? * 18 3.89 .32 … der fachlichen Kompetenz der Mitarbeiter? # 20 3.60 .50 Prozessqualität (post) Wie zufrieden waren Sie mit … N M sd … der Gesamtdauer der Maßnahme? 39 3.05 .69 … dem zeitlichen und organisatorischen Gesamtaufwand? 38 2.82 .77 Ergebnisqualität - Subjektiver Trainingserfolg Post Follow up N M sd N M sd Im Verlaufe des Elterntrainings konnte ich mein Verhalten gegenüber meinem Kind positiv verändern. 39 3.08 .58 33 2.82 .47 Durch das Elterntraining bekam ich ein besseres Verständnis für die Hausaufgabenprobleme meines Kindes. 39 3.23 .54 33 3.06 .66 Die Hausaufgabenkonflikte meines Kindes haben sich im Verlauf des Elterntrainings verringert. 39 2.85 .75 33 2.85 .62 Globale Trainingszufriedenheit (post, follow up) Post Follow up Ich bin mit dem Elterntraining zufrieden. 39 3.15 .71 32 3.16 .77 Ich würde das Elterntraining Freunden und Bekannten empfehlen. 39 3.28 .89 33 3.21 .65 N = Anzahl der Probanden; M = arithmetisches Mittel; SD = Standardabweichung * wurde nur in der Präsenzgruppe erfragt; # wurde nur in der Autodidaktikgruppe erfragt Tabelle 3: Deskriptive Angaben zu den Indikatoren für die Trainingsakzeptanz Lernlust statt Lernfrust 311 Elterliches Verhalten beim häuslichen Lernen Prä Post Follow up Beispielitem Itemzahl a M SD a M SD a M SD Autonomieunterst. Bei einer schlechten Note versuche ich, gemeinsam mit meinem Kind den Grund für die schlechte Note herauszufinden. 4 .71 3.22 .53 .68 3.41 .52 .59 3.36 .46 Leistungsdruck Bei einer schlechten Note schimpfe ich mit meinem Kind und verlange von ihm, mehr zu lernen. 5 .70 1.91 .60 .85 1.61 .61 .73 1.53 .53 Responsivität Wenn mein Kind über das Ergebnis einer Arbeit enttäuscht ist, mache ich ihm Mut für das nächste Mal. 9 .73 3.61 .33 .69 3.58 .31 .72 3.59 .31 Lehr-Lernbezogene Einstellungen Prozessorientierung Ich finde es wichtig, dass mein Kind nachfragt, wenn es etwas nicht versteht. 7 .59 3.73 .27 .68 3.70 .30 .76 3.68 .35 Produktorientierung Ich lege großen Wert darauf, dass mein Kind gute Noten heimbringt. 5 .62 2.10 .48 .71 2.03 .58 .71 1.89 .52 Selbstwirksamkeit Ich fühle mich nicht kompetent genug, um meinem Kind beim Lernen zu helfen. 6 .74 2.87 .52 .78 3.12 .43 .80 3.14 .44 Beurteilung der HA-Situation durch Mütter und Kinder (prä, post, follow up) Prä Post Follow up N M sd N M sd N M sd Bei den Hausaufgaben habe ich mit meinem Kind häufig Streit. 40 3.05 .85 39 2.38 .67 32 2.38 .75 Bei den Hausaufgaben habe ich mit meiner Mutter häufig Streit. 40 2.43 1.2 39 1.92 .81 32 1.91 .82 Ich lerne gerne mit meinem Kind 39 2.77 .74 39 2.67 .74 32 2.75 .80 Ich würde lieber ohne meine Mutter lernen. 40 2.05 .88 39 2.21 .83 32 2.12 .71 Tabelle 4: Skalen zum mütterlichen Verhalten, lehr-lernbezogenen Einstellungen mit Beispielitems, Itemzahl, Cronbachs Alpha, Mittelwert und Standardabweichung; Einzelitems zur Beurteilung der Hausaufgabensituation durch Mütter und Kinder. 312 Elke Wild, Judith Gerber Die Items aller Skalen waren anhand einer vierstufigen Likertskala (1 = stimmt überhaupt nicht bis 4 = stimmt ganz genau) zu beantworten. Auswertungen Bezogen auf die Akzeptanz des Trainings (globale Zufriedenheit, Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität), den subjektiven Trainingserfolg sowie die Beurteilung der Hausaufgabensituation und die mütterliche Selbstwirksamkeit wurde geprüft, ob sich Unterschiede im zeitlichen Verlauf und/ oder differenzielle Effekte zwischen den beiden Trainingsgruppen (Präsenzvs. Autodidaktikgruppe) ergeben. Hierzu wurde für jede abhängige Variable eine Varianzanalyse mit Messwiederholung berechnet mit der Trainingsvariante als between-subject- Faktor. Für die mütterlichen Verhaltensweisen beim und Einstellungen zum häuslichen Lernen lagen zusätzlich Angaben der untrainierten Kontrollgruppe vor. Um diese mit den Werten der trainierten Mütter zur Prä- und Follow-up-Messung vergleichen zu können, wurden beide Trainingsgruppen zu einer Experimentalgruppe zusammengefasst. Da die Skalen zur Autonomieunterstützenden Hilfe und Responsivität substanziell miteinander interkorrelieren, wurde für die varianzanalytische Prüfung dieser Variablen eine Alpha-Adjustierung nach Bonferroni vorgenommen (p < .003). Ergebnisse Im ersten Teil dieses Abschnitts werden Befunde zur allgemeinen Zufriedenheit und zum subjektiven Trainingserfolg aus Sicht der Mütter vorgestellt. Daran anschließend werden Ergebnisse zu den erzielten Veränderungen in den lernbezogenen Verhaltensweisen und Einstellungen berichtet. Hierbei wird auf Unterschiede sowohl zwischen den beiden Trainingsvarianten als auch zwischen trainierten und untrainierten Müttern eingegangen. Schließlich wird erläutert, inwiefern eine Steigerung im mütterlichen Kompetenzerleben, eine Reduktion der Hausaufgabenkonflikte und eine positivere Haltung zum gemeinsamen Lernen erzielt werden konnte. Akzeptanz und subjektiver Trainingserfolg Insgesamt wurde das Training ausgesprochen positiv bewertet, wobei sich bezüglich der globalen Akzeptanz keine Unterschiede zwischen dem Urteil der Mütter ergaben, die an den beiden Trainingsvarianten teilgenommen hatten. Direkt nach dem Training äußerten sich 89.5 % der Mütter der Präsenzgruppe mit dem Training zufrieden und würden es weiterempfehlen. Auch die Mütter der autodidaktischen Gruppe waren durchgängig zufrieden (85 %) und immerhin ¾ der Mütter würden diese Trainingsform ebenfalls weiterempfehlen. Sechs Monate nach Beendigung des Trainings war die Zufriedenheit in beiden Gruppen unverändert hoch (93.8 % Präsenz- und 87.5 % Autodidaktikgruppe) und die meisten (88.2 % Präsenz- und 87.5 % Autodidaktikgruppe) würden auch weiterhin eine Empfehlung für das Training aussprechen. Bezüglich der Struktur- und Prozessqualität zeigte sich, dass die Erreichbarkeit und fachliche Kompetenz der Mitarbeiter und Trainer von allen Müttern durchgängig hoch eingeschätzt wurde (vgl. Tabelle 3). Hinsichtlich der Zufriedenheit mit der Gesamtdauer des Trainings und dem zeitlichen und organisatorischen Aufwand, die beide sehr positiv eingeschätzt wurden, ließen sich zwischen den beiden Trainingsvarianten ebenfalls keine Unterschiede feststellen. Den subjektiven Trainingserfolg schätzten die Mütter beider Gruppen zum Zeitpunkt der Beendigung des Trainings durchgängig als hoch ein. Direkt nach dem Training gaben 87.2 % Prozent an, ihr Verhalten positiv verändert zu haben, 94.9 % berichteten von einem besseren Verständnis für die Hausaufgabensituation ihres Kindes und 69.2 % nahmen weniger Hausaufgabenkonflikte der Kinder wahr. Sechs Monate nach dem Training zeigte sich eine weitere Verbesserung des Verhaltens [F (1; 31) = 3.417 + , h 2 = .10] und des Verständnisses für die Hausaufgabensituation [F (1; 31) = 9.146**, h 2 = .23] aller trainierten Mütter. Lediglich das Ausmaß der Hausaufgabenkonflikte entwickelte sich in der subjek- Lernlust statt Lernfrust 313 tiven Wahrnehmung der Mütter der beiden Gruppen unterschiedlich [F (1; 31) = 5.307*, h 2 = .15]. Während die Präsenzgruppe direkt im Anschluss an das Training über einen deutlicheren Rückgang an Hausaufgabenproblemen berichtete als die Autodidaktikgruppe, ließen sich zum dritten Messzeitpunkt keine Unterschiede zwischen den Trainingsgruppen mehr ausmachen. Elterliche Hilfe - Unterschiede in der elterlichen Hilfe zwischen den beiden Trainingsgruppen Mit Blick auf die Bewertung der Wirksamkeit des Trainings ist entscheidend, ob und in welchem Ausmaß die lehr-lernbezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen der Mütter durch das Training verändert werden konnten. Für den Vergleich der beiden Trainingsgruppen wurden die Angaben zum Prä-Post- und Follow up-Zeitpunkt herangezogen. Unabhängig von der Trainingsvariante zeigte sich, dass das Ausmaß an Kontrolle deutlich [F (2; 62) = 13.14***; h 2 = .15] sank und auch die Produktorientierung tendenziell [F (2; 62) = 2.93 + ; h 2 = .09] abnahm. Eine nähere Inspektion der Verläufe ergab, dass kontrollierende Verhaltensweisen vor allem zwischen Prä- und Post-Test rückläufig waren (mittlere Differenz: .29***), eine produktorientierte Haltung der Mütter dagegen leicht, aber stetig vom ersten zum dritten Messzeitpunkt zurückging (mittlere Differenz: .19*). Tendenziell differenzielle Entwicklungsverläufe für die beiden Trainingsgruppen ergaben sich lediglich für das selbstberichtete Ausmaß an Kontrolle [F (2; 62) = 2.74 + ; h 2 = .08]. Während Mütter der Präsenzgruppe bereits direkt im Anschluss an das Training ihren leistungsorientierten Druck verringerten (mittlere Differenz: .45***) und auch sechs Monate nach Trainingsende weniger Kontrolle ausübten als vor dem Training (mittlere Differenz: .51***), ließ sich für die Mütter der Autodidaktikgruppe ein signifikanter Abfall im kontrollierenden Verhalten lediglich vom Präzum Follow-up-Zeitpunkt statistisch absichern (mittlere Differenz: .21*). Keine Veränderungen ergaben sich im Grad der mütterlichen Responsivität [F (2; 62) = 0.08 ns; h 2 = .003], Autonomieunterstützung [F (2; 62) = 3.18*; h 2 = .09] und Prozessorientierung [F (2; 62) = 0.42 ns; h 2 = .01]. Für alle drei Variablen zeigten sich auch keine signifikanten Interaktionseffekte [Responsivität: F (2; 62) = .97 ns; h 2 = .03; Autonomieunterstützung: F (2; 62) = 2.21 ns; h 2 = .07; Prozessorientierung: F (2; 62) = 0.72 ns; h 2 = .02]. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass bereits zum ersten Messzeitpunkt durchgängig sehr hohe Werte in allen drei Dimensionen erzielt worden waren. Elterliche Hilfe - Unterschiede zwischen trainierten und nicht-trainierten Müttern Da von der untrainierten Kontrollgruppe nur Daten im Jahresabstand vorlagen, wurden diese mit den Angaben zum Prä- und Follow up- Zeitpunkt verglichen. Varianzanalysen mit Messwiederholung wiesen erwartungskonforme Unterschiede im Verhalten zwischen trainierten und untrainierten Müttern in zwei von fünf Dimensionen elterlicher Hilfe als statistisch bedeutsam aus und zwar im Ausmaß des leistungsorientierten Drucks [F (1; 63) = 31.23***; h 2 = .33] und der Produktorientierung der Mütter [F (1; 63) = 10.52**; h 2 = .14] (vgl. Abb. 1). Die trainierten Mütter verzichteten zunehmend auf kontrollierende Verhaltensweisen (mittlere Differenz: .36***) und orientierten sich weniger am Lernergebnis (mittlere Differenz: .14*). Dagegen stieg in der untrainierten Gruppe das Ausmaß dysfunktionaler Verhaltensweisen über einen Zeitraum von einem Jahr an (mittlere Differenz für leistungsorientierten Druck: -.27** und für Produktorientierung: -.14*). Für die übrigen Variablen ließen sich weder Veränderungen über die Zeit [Autonomieunterstützende Hilfe: F (1; 63) = 1.57 ns; h 2 = .02; Responsivität: F (1; 61) = 1.45 ns; h 2 = .02; Prozessorientierung: F (1; 63) = 0.59 ns; h 2 = .00] feststellen noch ergaben sich differenzielle Entwicklungsverläufe zwischen Experimental- und Kontrollgruppe [Autonomieunterstützende 314 Elke Wild, Judith Gerber Hilfe: F (1; 63) = 2.92 + ; h 2 = .04; Responsivität: F (1; 61) = 0.16 ns; h 2 = .00; Prozessorientierung: F (1; 63) = 0.54 ns; h 2 = .01]. Mütterliches Kompetenzerleben Erwartungskonform schätzten sich die Mütter, die am Training teilgenommen hatten, im Vergleich zu Müttern der Kontrollgruppe als deutlich kompetenter im Umgang mit der Hausaufgabensituation ein [F (2; 60) = 7.496***; h 2 = .20]. Dieser generelle Kompetenzzuwachs ist vor dem Hintergrund differenzieller Entwicklungsverläufe in beiden Trainingsvarianten zu sehen [F (2; 60) = 3.065*; h 2 = .09]. Während das Kompetenzerleben der Mütter der Präsenzgruppe im Verlauf des Trainings deutlich stieg (mittlere Differenz: -.43*) und auch zum dritten Messzeitpunkt signifikant über dem Eingangsniveau lag (mittlere Differenz: -.32*), zeichnete sich für die Mütter der autodidaktischen Gruppe ein verlangsamter Anstieg im Kompetenzerleben ab, sodass nur die mittlere Differenz zwischen den Messungen zur Prä- und Post-Messung (-.23*) statistisch abzusichern war. Bewertung der Hausaufgabensituation durch Mütter und Kinder Das zentrale Ziel des Trainings lag in der Reduktion der wahrgenommenen Hausaufgabenkonflikte. Die Auswertung der diesbezüglichen Angaben der trainierten Mütter ergaben, dass erwartungsgemäß der Streit beim häuslichen Lernen deutlich von Präzum Posttest sank [F (2; 60) = 22.74***; h 2 = .43]. Tendenziell differenzielle Entwicklungsverläufe [F (2; 60) = 2.442 + ; h 2 = .08] für die beiden Trainingsgruppen ergaben sich insofern, als bei den Müttern der Präsenzgruppe vor allem vom ersten zum zweiten Messzeitpunkt eine deutliche Verbesserung (mittlere Differenz: .88***) und anschließend eine Konsolidierung (mittlere Differenz: -.18 ns.) zu verzeichnen war. Bei den Müttern der Autodidaktikgruppe zeichnete sich ebenfalls ein signifikanter, absolut betrachtet aber geringerer Rückgang konfliktärer Interaktionen im Trainingsverlauf ab (mittlere Differenz präpost: .47**). Interessanterweise setzte sich diese Tendenz auch nach dem Training fort (mittlere Differenz post-follow up: .33*), sodass das Konfliktpotenzial - über den gesamten Zeitraum hinweg betrachtet - in beiden Gruppen etwa gleich stark zurückging (mittlere Differenz für die Präsenzgruppe: .71**; für die Autodidaktikgruppe: .80**). Auch aus Kindersicht nahm der Streit bei den Hausaufgaben im Verlauf des Trainings ab [F (2; 60) = 5.216**; h 2 = .15; mittlere Differenz prä-post: .47*]. Nach Trainingsende ließ sich allerdings kein weiterer Abfall im Streit verzeichnen (mittlere Differenz post-follow up: .03 ns), auch ergaben sich keine signifikanten Interaktionseffekte [F (2; 60) = 0.80 ns; h 2 = .03]. Über alle Messzeitpunkte hinweg berichteten Abbildung 1: Veränderung der lehr-lern-bezogenen Einstellungen und Verhaltensweisen in der Gruppe trainierter vs. nicht-trainierter Mütter Lernlust statt Lernfrust 315 Kinder, deren Mütter an dem Präsenztraining teilnahmen, häufiger über Streit bei den Hausaufgaben (mittlere Differenz: .71**). Mit dem Rückgang konfliktärer Mutter- Kind-Interaktionen beim häuslichen Lernen sollte eine Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass das kindliche compliance steigt, d. h. Kinder auch von sich aus die Hilfe ihrer Eltern suchen und nutzen. In unseren Analysen haben wir diesen Aspekt aufgegriffen, indem Kinder und Mütter gebeten wurden einzuschätzen, wie gerne sie jeweils mit dem anderen lernen. Ein Vergleich der beiden Trainingsgruppen [F (2; 60) = 2.37 + ; h 2 = .07] ergab, dass sich in der Autodidaktikgruppe die Neigung, ohne die Mutter lernen zu wollen, nicht veränderte (mittlere Differenz prä-post: .19 ns; post-follow up: -.25 ns). Auch für die Kinder der Präsenzgruppe konnte lediglich auf die sechs Monate nach dem Training bezogen ein tendenzieller Anstieg in einer positiven, der Mutter zugewandten Einstellung beobachtet werden (mittlere Differenz prä-post: -.31 ns; post-follow up: .38*). Das Ausmaß, in dem die trainierten Mütter selbst gerne mit ihrem Kind lernen, veränderte sich ebenfalls nicht [F (2; 60) = 1.66 ns; h 2 = .05]. Diskussion Ausgehend von dem Mangel an selektiven Präventionsmaßnahmen, die Eltern in einer sinnvollen Ausgestaltung häuslicher Lehr-Lern-Arrangements unterstützen, werden in diesem Beitrag erste Ergebnisse zur Akzeptanz und Wirkung eines Trainings vorgestellt, das sich an Eltern von SchülerInnen vor und nach dem Übergang in eine weiterführende Schule richtet, die mit Lernproblemen im Fach Mathematik kämpfen. Da leistungsschwache und verhaltensauffällige Kinder und deren Eltern das nachmittägliche Lernen als besonders belastend erleben, zielte das Elterntraining primär auf eine Reduktion der Hausaufgabenkonflikte und eine Steigerung der mütterlichen Selbstwirksamkeit im Umgang mit schulischen Belangen. Hierüber und über eine Optimierung der mütterlichen Hilfe sollte eine positivere Haltung zum gemeinsamen Lernen aufseiten der Kinder und Mütter gefördert werden. Die Trainingskonzeption basiert wesentlich auf selbstbestimmungstheoretischen Überlegungen, mehrdimensionalen Konzeptionen elterlichen Erziehungsverhaltens und empirischen Befunden zur Funktionalität verschiedener Formen der elterlichen Hilfe. Um dem in der Literatur vieldiskutierten Problem der selektiven Inanspruchnahme von psychoedukativen Weiterbildungsangeboten Rechnung zu tragen, wurden zwei Trainingsvarianten (autodidaktisches vs. Präsenztraining) entwickelt und im Rahmen einer Studie evaluiert, in der ein quasiexperimentelles Kontrollgruppendesign mit Messwiederholung realisiert wurde. Die Befunde zur Akzeptanz des Trainings fielen erwartungsgemäß sehr positiv aus, wobei sich Teilnehmer beider Trainingsvarianten nicht in ihren Urteilen zur Struktur- und Prozessqualität unterschieden. Auch berichtete die Mehrheit aller Probanden, dass sie von der Teilnahme am Training deutlich profitiert hätten. Optimierungsmöglichkeiten deuten sich lediglich im Hinblick auf die Verständlichkeit der Lehrmaterialien an - für die autodidaktische Bearbeitung der Informationen werden weiterführende Erläuterungen und Beispiele zur Illustration als zielführend erachtet. Durchaus ermutigend sind auch die Ergebnisse zu den lehr-lern-bezogenen Haltungen, Einstellungen und Verhaltensweisen der Mütter, da eine Reihe angestrebter Veränderungen erreicht wurde: in beiden Gruppen konnte eine Reduktion der Hausaufgabenkonflikte sowohl aus Mütterals auch aus Kindersicht erzielt werden und auch die avisierte Steigerung des mütterlichen Kompetenzerlebens wurde erreicht. Darüber hinaus waren wünschenswerte Veränderungen in der Qualität der mütterlichen Hilfe in Richtung einer Reduktion kontrollierender und produktorientierter Haltungen zu verzeichnen. Die ausbleibenden Effekte auf den Dimensionen Autonomieunterstützung, Responsivität und Prozessorientierung führen wir wesentlich darauf zurück, dass die teilnehmenden Mütter bereits zu 316 Elke Wild, Judith Gerber Trainingsbeginn sehr hohe Durchschnittswerte in den diesbezüglichen Skalen erzielten und insofern von Deckeneffekten auszugehen ist. Unter Anwendungsgesichtspunkten zeichnet sich somit in Einklang mit Befunden zum Nutzen bibliotherapeutischer Vorgehensweisen (Hahlweg, Heinrichs, Kuschel & Feldmann, 2008) ab, dass über eine angeleitete, letztlich aber autodidaktische Erarbeitung von Informationen prinzipiell Einstellungs- und Verhaltensänderungen erzielt werden können. Ein solches Vorgehen ist nicht nur sehr viel ökonomischer, sondern könnte auch die Chance eröffnen, einen breiteren Adressatenkreis zu erreichen. Hier ist weniger an bildungsfernere Familien zu denken, die der Evaluationsstudie von McElvany und Artelt (2007) zufolge über autodidaktische Maßnahmen schwer zu erreichen sind und die auch in der vorliegenden Arbeit unterrepräsentiert waren. Eine größere Ausschöpfung scheint vielmehr bei Müttern möglich, die aufgrund beruflicher Verpflichtungen nicht an regelmäßigen Sitzungen teilnehmen können oder wollen bzw. die aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse nicht von einem Austausch in der Gruppe, jedoch von der Bearbeitung der (leicht übersetzbaren) Materialien profitieren würden. Wenngleich differenzielle Entwicklungsverläufe in beiden Trainingsgruppen nur partiell zu beobachten waren, zeichnete sich über alle outcome-Kriterien hinweg doch ein relativ durchgängiges Muster ab. Im Vergleich zu Müttern der Autodidaktikgruppe schienen Mütter der Präsenzgruppe im Verlauf des Trainings stärkere Lernerfolge zu verzeichnen. Veränderungen vom Postzum Follow-up-Zeitpunkt waren kaum beobachtbar, sodass von einer Phase der Konsolidierung gesprochen werden kann. Bei den Müttern, die sich die Materialien eigenständig zu Hause erarbeiteten, deutete sich dagegen ein langsamerer, dafür aber kontinuierlicherer Lernfortschritt an. Hier setzten sich positive Veränderungen auch teilweise nach dem Training fort, sodass im Follow up die Gruppenunterschiede durchgängig schwächer ausfielen als im Posttest. Unter Implementationsgesichtspunkten ist zu vermuten, dass der autodidaktische Zugang zunächst höhere kognitive und motivationale Anforderungen an die Probanden stellt, deren Bewältigung aber letztlich dazu beiträgt, dass Inhalte auch über das Training hinaus im Alltag zur Anwendung gebracht werden. Um sicherzustellen, dass die statistisch abzusichernden Einstellungs- und Verhaltensänderungen auch als Trainingseffekte im engeren Sinne interpretierbar sind, wurden die Entwicklungsverläufe der trainierten Mütter mit denen einer unbehandelten Gruppe von Müttern, die freiwillig an einer parallel laufenden Längsschnittstudie teilnahmen, verglichen. Dass signifikante Unterschiede sämtlich zuungunsten der untrainierten Mütter ausfielen und sich bei den nicht-trainierten Müttern eine Zunahme an negativen Verhaltensmustern abzeichnete, die in Einklang mit vorliegenden Befunden zum stageenvironment-fit-Ansatz steht (z. B. Gutman & Eccles, 2007), spricht dafür, dass durch das Training erwartbar dysfunktionalen Entwicklungen entgegengewirkt werden kann. Um diese Einschätzung weiter substanziieren zu können, gilt es in nachgeschalteten Analysen zu untersuchen, ob mütterliche Verhaltensänderungen auch von den Kindern wahrgenommen werden und sich in deren Motiv- und Lernentwicklung niederschlagen. Dies ist nicht zuletzt deshalb wichtig, da selbstberichtete und kindperzipierte Erziehungspraktiken meist schwach korrelieren (zusf. Wild & Gerber, 2008), Eltern nur bedingt über die Motivation und das Lernverhalten ihrer Kinder informiert sind (Trautwein & Kropf, 2004) und im Rahmen der Evaluation von Schüler- und Lehrertrainings gefunden wurde, dass es in Abhängigkeit von der Eingangsmotivation (vorübergehend) zu paradoxen Effekten kommen kann (Dresel, 2000; Rheinberg & Krug, 2005). Weitere Aufschlüsse erwarten wir zudem von einer Analyse der Verhaltensdaten, da gerade bei der Realisierung eines autonomieunterstützenden Verhaltens (non-)verbalen Aspekten eine wichtige Rolle zukommt (z. B. Ryan, Mims & Koestner, 1983). Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass in unserer Studie Lernlust statt Lernfrust 317 - wie in anderen Interventionsstudien auch - sozial wenig privilegierte Familien unzureichend erfasst wurden und dass die ermittelten Effektstärken je nach berücksichtigtem Kriterium schwanken. Die Optimierung des Trainings auch unter dem Gesichtspunkt der Niedrigschwelligkeit wird daher eine Aufgabe für die Zukunft bleiben. Literatur Aster, von M. & Weinhold, M. (2001). ZAREKI - Neuropsychologische Testbatterie für Zahlenverarbeitung und Rechnen bei Kindern. Frankfurt/ Main: Swets & Zeitlinger. Balli, S. J., Wedman, J. F & Demo, D. (1997). Family involvement with middle-grades homework: Effects of differential prompting. Journal of Experimental Education, 66 (1), 31 - 48. Bromme, R. (1997). Kompetenzen, Funktionen und unterrichtliches Handeln des Lehrers. In F. E. Weinert (Hrsg.), Psychologie des Unterrichts und der Schule. Enzyklopädie der Psychologie, Bd.D/ I/ 3 (S. 177 - 212). 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