eJournals Psychologie in Erziehung und Unterricht 57/4

Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/peu2010.art17d
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2010
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Welchen Beitrag leistet die peer group für die Lesemotivation von Schülerinnen und Schülern zu Beginn der Sekundarstufe?

101
2010
Maik Philipp
Dietmar Gölitz
Maria von Salisch
Spätestens seit den PISA- und IGLU-Studien ist das Interesse am inner- und außerschulischen Erwerb von Lesekompetenz und -motivation im Rahmen der Lesesozialisation gewachsen. Während die Rolle der Familie in der Lesesozialisation empirisch gut belegt ist, ist über den Einfluss der Gruppen der gleichaltrigen Freundinnen und Freunde auf die Lesemotivation von Kindern und Jugendlichen wenig bekannt. Deshalb wurden in einer Querschnittstudie N = 501 Fünftklässler im Alter von 10 bis 11 Jahren aus Haupt- und Realschulen und Gymnasien mit Frage-bögen befragt. Die Auswertung mittels einer Strukturgleichungsanalyse zeigt, dass die von den Teilnehmern wahrgenommene Leseorientierung in ihrer peer group neben Geschlecht und der lesebezogenen Fähigkeitsselbsteinschätzung zur Erklärung der Lesemotivation beiträgt.
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n Empirische Arbeit Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2010, 57, 241 - 256 DOI 10.2378/ peu2010.art17d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Welchen Beitrag leistet die peer group für die Lesemotivation von Schülerinnen und Schülern zu Beginn der Sekundarstufe? Maik Philipp, Dietmar Gölitz, Maria von Salisch Leuphana Universität Lüneburg What is the Contribution of the Peer Group to the Reading Motivation of Secondary School Students? Summary: Interest in the acquisition of reading literacy and reading motivation by means of schooling and extracurricular activities has grown in the years since the publication of the PISA 2000 study. Whereas the role of the family in reading socialization is well established, little is known about the influence of children’s same-age friends on their motivation to read. Therefore, a sample of N = 501 children who were ten to eleven years old and attended fifth grade in three different school tracks (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) was asked by means of a questionnaire. A structural equation model showed that participants’ perceptions of their peer group’s attitude towards reading contributed to explaining their reading motivation besides gender and reading related self-perceptions. Keywords: Reading motivation, reading socialization, peer group, childhood, secondary school Zusammenfassung: Spätestens seit den PISA- und IGLU-Studien ist das Interesse am inner- und außerschulischen Erwerb von Lesekompetenz und -motivation im Rahmen der Lesesozialisation gewachsen. Während die Rolle der Familie in der Lesesozialisation empirisch gut belegt ist, ist über den Einfluss der Gruppen der gleichaltrigen Freundinnen und Freunde auf die Lesemotivation von Kindern und Jugendlichen wenig bekannt. Deshalb wurden in einer Querschnittstudie N = 501 Fünftklässler im Alter von 10 bis 11 Jahren aus Haupt- und Realschulen und Gymnasien mit Fragebögen befragt. Die Auswertung mittels einer Strukturgleichungsanalyse zeigt, dass die von den Teilnehmern wahrgenommene Leseorientierung in ihrer peer group neben Geschlecht und der lesebezogenen Fähigkeitsselbsteinschätzung zur Erklärung der Lesemotivation beiträgt. Schlüsselbegriffe: Lesemotivation, Lesesozialisation, peer group, Kindheit, Sekundarstufe I Lesekompetenz gilt als Schlüsselqualifikation, mit der sich Individuen persönlich weiterentwickeln, sich Berufsmöglichkeiten und Lebensbereiche erschließen und an Gesellschaft und Kultur teilhaben können (Artelt et al., 2005). Als Lesekompetenz lässt sich allgemein jene Fähigkeit bezeichnen, „geschriebene Texte unterschiedlicher Art in ihren Aussagen, ihren Absichten und ihrer formalen Struktur zu verstehen und in einen größeren sinnstiftenden Zusammenhang einordnen zu können, sowie in der Lage zu sein, Texte für verschiedene Zwecke sachgerecht zu nutzen“ (Baumert, Artelt, Klieme & Stanat, 2001, S. 290). Was die Lesekompetenzen von Schülerinnen und Schülern in Deutschland angeht, kamen die internationalen Leistungsvergleichsstudien PISA und IGLU allerdings zu unterschiedlichen Ergebnissen. Am Ende der Primarstufe hatten die in den Jahren 2001 und 2006 in IGLU getesteten deutschen Schülerinnen und Schüler vierter Klassen ein hohes Leseverständnis und waren in ihren Leistungen vergleichsweise homogen (Bos et al., 2003; Bos et al., 2007). Die in den 242 Maik Philipp et al. PISA-Studien 2000, 2003 und 2006 untersuchten 15-Jährigen aus der Bundesrepublik schnitten im internationalen Vergleich deutlich schlechter ab, und ihre Leistungen streuten teilweise so stark wie in keinem anderen Land der Untersuchung (Artelt, Stanat, Schneider & Schiefele, 2001; Schaffner, Schiefele, Drechsel & Artelt, 2004; Drechsel & Artelt, 2007). Entsprechend mehren sich Studien, die sich dem sich hier andeutenden Scheren-Effekt bei der Entwicklung der Lesekompetenz widmen (Retelsdorf & Möller, 2008 a; McElvany, Kortenbruck & Becker, 2008). Wie gut Kinder und Jugendliche lesen können, hängt unter anderem mit ihrer Lesemotivation zusammen, und zwar sowohl theoretisch postuliert wie auch empirisch belegt. Insbesondere die habituelle intrinsische Lesemotivation, das heißt die gewohnheitsmäßige Bereitschaft zu lesen, weil diese Aktivität an sich belohnend bzw. befriedigend ist (Möller & Schiefele, 2004), wird in ihrem positiven Beitrag zur Ausbildung von Lesekompetenz immer wieder betont (Artelt et al., 2005; Urhahne, 2008) und empirisch herausgestellt (Schaffner & Schiefele, 2007). Beide großen Leistungsstudien PISA und IGLU bestätigten wegen ihres querschnittlichen Designs zwar nicht die Wirkung, wohl aber eine Kovariation zwischen Lesemotivation und -kompetenz: In IGLU 2001 korrelierte die Lesefreude mit der Leseleistung (r = .22; Bos et al., 2003), fünf Jahre später war der Zusammenhang etwas höher (r = .31; Bos et al., 2007). In PISA 2001 ließ sich eine Korrelation von dem täglichen freiwilligen Lesen und der Leseleistung ermitteln (r = .28, p < .001; Artelt et al., 2001). Böck (2007) berichtet in diesem Zusammenhang für die österreichische PISA 2000- Population von einem noch stärker ausgeprägten Zusammenhang von Leselust und -kompetenz (r = .38). Zwar sind diese Korrelationen moderat, aber wie einflussreich die Lesemotivation ist, verdeutlicht die Mediationsanalyse der PISA-2000-Daten, bei der der Leistungsvorteil der Mädchen auf ein nichtsignifikantes Niveau sank, wenn die Lesefreude gleich groß war (Stanat & Kunter, 2001). Dieser Befund, der auf die Eminenz der Lesemotivation hinweist, wirft die Frage auf, was Unterschiede in der Lesemotivation bedingt. In diesem Beitrag widmen wir uns einer vernachlässigten Instanz der Lesesozialisation, nämlich den Gruppen von Gleichaltrigen, für die plausibel angenommen werden kann, dass sie spätestens in der Jugend eine wichtige und womöglich die wichtigste Rolle für die Genese von Lesemotivation und -verhalten spielt (Rosebrock, 2004). Dazu werden wir in einem ersten Abschnitt des Beitrags die theoretischen und empirischen Determinanten der Lesemotivation herausarbeiten und in einem zweiten Teil empirische Befunde zum Beitrag von peer groups für die Lesemotivation von Kindern fünfter Klassen präsentieren. Theoretischer und empirischer Hintergrund zur Lesemotivation Möller und Schiefele (2004) beschreiben ein Erwartungs-Wert-Modell (Abbildung 1), in welchem die Lesemotivation eine bedeutsame Rolle für die Lesekompetenz spielt. Die Autoren vermuten auf der Basis empirischer Befunde, dass die Lesemotivation vermittelt über die Lesemenge und den Einsatz von Lesestrategien, d. h. über das Leseverhalten, einen positiven Einfluss auf die Lesekompetenz ausübt (Guthrie, Wigfield, Metsala & Cox, 2004; Retelsdorf & Möller, 2008 d). Das Modell legt nahe, dass auch die gleichaltrigen Freundinnen und Freunde (peers) einen Einfluss auf Lesemotivation (und damit auf Lesekompetenz) haben. So lassen sich die peers zur sozialen Umwelt zählen, dem Ausgangspunkt des Modells, nämlich als wichtige Bezugspersonen, deren Leseverhalten wahrgenommen und verarbeitet wird. Aus der Wahrnehmung speisen sich lesebezogene motivationale Überzeugungen (z. B. das Selbstkonzept als Leser je nach peer-Umfeld), Wert- und Erwartungskognitionen und letztlich die Lesemotivation (etwa im Bereich der extrinsischen Motivation durch den sozialen Vergleich mit den Gleichaltrigen). Ein aus Sicht Welchen Beitrag leistet die peer group für die Lesemotivation? 243 der Jugendlichen leseaffines peer-Umfeld hätte dem Modell zufolge gute Chancen, dass es das individuelle lesebezogene Selbstkonzept, die Wertkognitionen, die Leselust sowie das -verhalten und damit letztlich mittelbar die Lesekompetenz der Jugendlichen positiv beeinflusst. Für einen solchen Zusammenhang gibt es erste empirische Hinweise: Anhand der deutschen PISA-2000-Teilnehmer konnte Meier (2004) zeigen, dass die Testergebnisse bei jenen 76 Prozent der 15-Jährigen mit Zugehörigkeit zu einer Clique schlechter ausfielen, wenn sie ihre peer- Gruppen als aggressiv beschrieben. Jugendliche aus lesefreundlichen Cliquen hingegen schnitten bei der Lesekompetenz besser ab, allerdings nur die Mädchen. Aufgeworfen, aber ungeklärt bleibt damit, ob lesefreundliche peers einen positiven Beitrag zur Genese der Lesemotivation haben. Diese Frage stellt sich auch im Licht der PISA-2000-Re-Analyse von Meier (2004), da eine aggressive und eine Leseorientierung laut eigenen Berechnungen mit dem öffentlich zugänglichen Datensatz anhand des Skalen- Handbuches (Kunter et al., 2002) nur schwach negativ korrelieren (r = -,19; p < ,001). Einem devianten Freundeskreis anzugehören, in dem Probleme nicht mit Diskussionen gelöst werden, schließt demnach nicht kategorisch aus, dass diese Freunde gern und viel lesen. Das heißt auch, dass Leseaffinität und Devianz in der peer group unterschiedliche Konstrukte sind, deren Gegenläufigkeit auf den ersten Blick theoretisch überzeugt, empirisch aber nicht ohne Weiteres feststellbar ist. Wie entwickelt sich die Lesemotivation in Kindheit und Jugend? Die wenigen vorhandenen deutschsprachigen Querschnittstudien mit einer breiten Spanne des Alters der Untersuchten (Harmgarth, 1997; Böck, 2000) als auch die methodisch streckenweise anfechtbare Lesebiografie-Forschung (Graf, 1995) deuten darauf hin, dass es in dem Übergang zur Jugend zu einer (Buchbzw. Belletristik-)„Lesekrise“ kommt, die v. a. die Lesemotivation betrifft und Abbildung 1: Erwartungs-Wert-Modell der Lesemotivation und -kompetenz (Quelle: Möller & Schiefele, 2004, S. 105) 244 Maik Philipp et al. gerade bei Jungen stärker ausfällt und mitunter dauerhaft zum Abbruch des (Freizeit-)Lesens führen kann. Einen solchen Rückgang der habituellen Lesemotivation konnten Retelsdorf und Möller (2008 a) in ihrer Längsschnittstudie in der Sekundarstufe ebenfalls beobachten. Dort ließ bei unterschiedlichen Ausgangsniveaus in Klasse 5 die Freude am Lesen in allen untersuchten Schulformen in der sechsten Klasse etwa gleich stark nach. Unter Berücksichtigung des dritten Messzeitpunkts in Klasse 8 zeigte sich, dass dieser Verlust nicht linear erfolgt, sondern sich ein ‚Leseknick‘ in Form eines größeren Verlusts der Lesemotivation von Klasse 5 zu Klasse 6 zeigte, und das war wiederum in allen Schulformen der Fall (Retelsdorf & Möller, 2008 c). Hinzu kommt, dass der Rückgang der habituellen tätigkeitsspezifischen Lesemotivation bei den Jungen ausgeprägter war als bei den Mädchen (Retelsdorf & Möller, 2008 d). Diese geschlechtsspezifischen Befunde decken sich mit Erkenntnissen zur Lesesozialisation, d. h. all jenen Prozessen, die dazu führen, dass Lesemotivation, -verhalten und -kompetenz ausgebildet werden (Rosebrock, 2006; Hurrelmann, 1999). Aus der Lesesozialisationsforschung ist bekannt, dass die soziale Umwelt in Form von Familie, Schule und peer group günstige bzw. ungünstige Einflüsse auf den Erwerb von Lesemotivation und -kompetenz nehmen (Hurrelmann, 2004). Die Rolle der Familie für die Entwicklung von Lesemotivation als Grundstein der Lesekompetenz ist empirisch gut belegt (Hurrelmann, Hammer & Nieß, 1995; McElvany, 2008; Retelsdorf & Möller, 2008 b; Wieler, 1997). Welche Relevanz die Schule für die Lesesozialisation und den Aufbau der Lesemotivation hat, ist seltener erforscht worden. Bislang durchgeführte Studien weisen jedoch darauf hin, dass das Potenzial der Schule für eine gelingende Lesesozialisation im Sinne einer lesemotivationsförderlichen Passung zwischen Schülermerkmalen und Didaktik bzw. Methode (Christmann & Rosebrock, 2006) sowohl in der Primarals auch in der Sekundarstufe oft ungenutzt bleibt (Gattermaier, 2003; Hurrelmann et al., 1995; Pieper, Rosebrock, Wirthwein & Volz, 2004; Richter & Plath, 2005). Während in der angloamerikanischen Forschung belegt ist, dass gleichaltrige Freundinnen und Freunde (peers) einen Einfluss auf den schulischen Erfolg und die Persönlichkeitsentwicklung haben (von Salisch, 2000, 2007; Wentzel, 2009), ist über die Rolle von peers und peer groups (Cliquen) für die Lesesozialisation bislang nur wenig empirisch gesichert. Entsprechend überwiegen theoretische Annahmen und Modelle, die am differenziertesten für peer groups beschrieben wurden (Groeben & Schroeder, 2004; Pieper & Rosebrock, 2004; Rosebrock, 2004), die daher zum Gegenstand unserer Studie geworden sind. Damit widmen wir uns einem Ausschnitt der vielfältigen peer- Beziehungen, die sich einem Klassifikationsversuch von Oswald und Uhlendorff (2008) zufolge in drei Kategorien einteilen lassen. Die erste Variante bilden die formalen, nicht freiwilligen peer-Gebilde wie Schulklassen (Krappmann, 2004), die zweite non-formale (freiwillig, aber mit pädagogischer Leitung) wie Vereine und die dritte informelle Beziehungen, die die Heranwachsenden ohne Aufsicht von Erwachsenen und aus freien Stücken aufsuchen. In diese letzte Kategorie lassen sich viele und teils disparate peer-Verbindungen einordnen: Netzwerke, Bekannte, enge und lose Freunde, Feinde und die uns interessierenden Cliquen. Postuliert, aber bislang kaum überprüft ist fürs Lesen beispielsweise, dass diese peer groups nicht nur die Leseleistung, sondern die Lesemotivation beeinflussen (Groeben & Schroeder, 2004; Rosebrock, 2004). Ein erster empirischer Hinweis stammt von Retelsdorf und Möller (2007), aus ihrer schon erwähnten Längsschnittstudie „Lesen in der Sekundarstufe“. Sie konnten nachweisen, dass der höhere Stellenwert des Lesens bei peers in Klasse 5 mit einem stärker ausgeprägten Leseselbstkonzept und einer höheren intrinsischen Lesemotivation einherging, damit aber nur vermittelt über die Motivationsvariable zu dem Zuwachs der Lesekompetenz zwischen Klasse 5 und 6 beitrug. Der Effekt zwischen den von der sozialen Welchen Beitrag leistet die peer group für die Lesemotivation? 245 Herkunft der Eltern bedingten gemeinsamen vorschulischen literarischen Aktivitäten der Eltern mit ihren Kindern und dem elterlichen Leseverhalten auf Lesemotivation, der sich mehrfach als bedeutsam erwiesen hatte (Retelsdorf & Möller, 2008 b; Hurrelmann et al., 1995), blieb in der Analyse allerdings unberücksichtigt. Wir vertreten die Auffassung, dass Familie und peers in der Lesesozialisation gemeinsam betrachtet werden sollten. Denn zum einen stehen das von sozialer Herkunft und dem Migrationshintergrund abhängige elterliche Verhalten (Hurrrelmann, 2004; Hurrelmann, Hammer & Nieß, 1995; Retelsdorf & Möller, 2008 b) und die aus der Familie bekannten Normen mit dem Beginn der Jugend auf dem Prüfstand im Kontext der peers. Zum anderen sind die lesesozialisatorischen Prozesse in der Familie, die bekanntlich mit einer differenziell ausgeprägten Lesekompetenz zusammenhängen, maßgeblich beim Übergang in die einzelnen Schulformen der Sekundarstufe (Arnold, Bos, Richert & Stubbe, 2007) - und damit für den Zugang zu ähnlich lesekompetenten und -motivierten peers. Daher ist es von Interesse, ob die Leseorientierung in der peer group als informelle Sozialisationsinstanz im Vergleich zum Leseklima in der Familie einen zusätzlichen Beitrag für die Erklärung von Unterschieden in der Lesefreude leistet. Zugleich sind weitere, teilweise schulisch-formale Merkmale zu berücksichtigen, die sich in dem Modell von Möller und Schiefele (2004) finden: Rückmeldungen zur Leseleistung, Fähigkeitsselbsteinschätzungen, aber auch Merkmale wie das Geschlecht und ein Migrationshintergrund. Welche Zusammenhänge zwischen diesen Variablen unseres Erachtens bestehen, zeigt Abbildung 2. Die abhängige Variable in unserem Modell ist die intrinsische tätigkeitsspezifische und habituelle Lesemotivation. Dabei nehmen wir vier direkte Effekte von den Erwartungen an das Lesen, dem Geschlecht, dem Leseklima in der Familie und der peer-Leseorientierung an. Wir vermuten, dass es zwei Hauptstränge gibt, über die sich die Lesefreude vorhersagen lässt. Im oberen Teil der Abbildung dargestellt ist der erste: Hierbei gehen wir davon aus, dass mit Leistungsrückmeldungen über erfolgreiche Leseleistungen ein höheres Zutrauen in die eigenen Textverstehensleistungen einhergehen sollte, was in einer höheren Leselust mündet. Wir vermuten im zweiten Strang, dass das Lesen in der Familie mit dem Stellenwert, den es in den Cliquen hat, zusammenhängt und die Variablen beider informeller Lesesozialisations- Abbildung 2: Theoretisches Modell zur Vorhersage der Lesemotivation (Peer-Modell) 246 Maik Philipp et al. instanzen die Lesemotivation prognostizieren. Zwischen diesen beiden Strängen bestehen Interdependenzen. Das Leseklima in der Familie dürfte positiv mit den Leseleistungen und - wie auch die Leseorientierung in der Clique - den Erwartungen an das Lesen zusammenhängen, umgekehrt sollte die Leseleistung die Cliquen- Leseorientierung vorhersagen. Daneben erwarten wir, dass die Leseleistung und die Leseorientierung der peer group vom Geschlecht abhängen und dass das Leseklima in der Familie bei Kindern niedriger ist, deren Eltern nicht in Deutschland geboren wurden und die zu Hause eine andere Sprache als Deutsch sprechen. Methodik Stichprobe An der Fragebogenstudie aus einem Dissertationsprojekt (Philipp, 2008, 2010) nahmen insgesamt 501 Schülerinnen und Schüler 23 fünfter Klassen (279 Jungen, 222 Mädchen) aus der Region Lüneburg teil, die zwischen 9 und 13 Jahren und im Durchschnitt 10,6 Jahre (SD = .08) alt waren. Die Schülerinnen und Schüler stammten aus Hauptschulen (N = 78), Realschulen (N = 192) sowie Gymnasien (N = 222). Diese Stichprobe entspricht in ihrer Zusammensetzung weitgehend der Verteilung auf die drei Schularten in der Region. Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund im gesamten Sample betrug 11,1 %; Verteilungsunterschiede hinsichtlich Geschlecht und Migrationshintergrund lagen in den Schulformen nicht vor. Die schriftliche Befragung erfolgte im Klassenverband in der Mitte der fünften Klasse (Dezember 2006 bis Februar 2007). Der Erhebungszeitpunkt war bewusst nach dem Übergang in die neue Schulform gewählt, da anzunehmen war, dass dann neue Freundschaften mit Klassenmitgliedern geschlossen worden waren und sich außerdem die Cliquen neu formiert hatten (Preuss-Lausitz, 1999). Erhebungsinstrumente Der Fragebogen enthielt vier große Bereiche. Der größte Teil der Fragen bezog sich auf das Individuum, d. h. auf das Freizeit- und Leseverhalten der Kinder, ihre Lektürepräferenzen und die Lesemotivation. Nur Kinder, die angaben, in einer Clique Mitglied zu sein, wurden gebeten, Fragen zur Leseorientierung ihres Freundeskreises zu beantworten. Im Bereich der peer group konzentrierten sich die Fragen auf die Anschlusskommunikation über Medieninhalte, die Leseorientierung in der Clique und den Tausch von Medien mit Freundinnen und Freunden. Die Fragen zur Familie gingen vorrangig der Lesenähe der Eltern und dem Buchbesitz nach, und die zur Schule schließlich der Schulfreude in Form des Spaßes am Deutschunterricht und der Frage, wie gern die Kinder zur Schule gehen. Im Folgenden werden die Einzelskalen erläutert. Die Skala „Lesemotivation“ bestand aus sieben Items (Cronbachs a = .84), die primär der PISA 2000-Skala „Leselust“ entstammen (Kunter et al., 2002). Die Kinder sollten angeben, wie sehr sie Aussagen wie „Ich lese außerhalb der Schule, weil es mir Spaß macht“ zustimmten. Der Grad der Zustimmung zu positiven Aussagen ist vierstufig von 1 bis 4 kodiert: 1 = ‚stimmt gar nicht‘; 2 = ‚stimmt eher nicht‘; 3 = ‚stimmt eher‘; 4 = ‚stimmt ganz genau‘. Je höher der Skalenmittelwert liegt, desto ausgeprägter ist die Lesemotivation. Mit den „Erwartungen an das Lesen“ wurde die Einschätzung des Verstehenserfolgs ermittelt. Zwei Einzelitems aus der IGLU-Skala „Leseselbstkonzept Lesen“ (Bos et al., 2005) flossen hier ein: „Wenn ich für mich alleine lese, verstehe ich fast alles von dem, was ich lese“ und „Lesen fällt mir sehr leicht“ (Cronbachs a = .47). 1 Die Antworten waren wie bei der Lesemotivation, entsprechend weisen höhere Werte auf eine höhere Fähigkeitsselbsteinschätzung hin. Die Skala „Leseklima in der Familie“ umfasste vier Items mit einer vierstufigen Likert-Skala und hatte eine zufriedenstellende Reliabilität (Cronbachs a = .73). Die Items bezogen sich darauf, wie gern die ganze Familie liest und ob die Elternteile aus Sicht der Kinder häufig lesen. Eine Beispiel-Aussage aus der Skala lautete „Unsere ganze Familie liest gern“; die Antwortvorgaben samt Kodierung entsprachen denen der Skala „Lesemotivation“. Höhere Werte bezeichnen ein günstigeres familiales Leseklima. 1 Auch wenn dieser Koeffizient den gängigen Konventionen nicht genügt, nach denen ein Alpha-Wert von unter .67 (Bortz & Döring, 2006) bzw. .55 (Rost, 2007) als unterdurchschnittlich gilt, verwenden wir die Variable, weil wir davon ausgehen, dass die niedrige interne Konsistenz vor allem auf die geringe Zahl der Items (2) zurückzuführen ist. Welchen Beitrag leistet die peer group für die Lesemotivation? 247 Die Skala „Leseorientierung in der Clique“ bestand aus 13 Items (Cronbachs a = .80). Bis auf das Item „Die meisten meiner Freunde geben viel Geld für Bücher aus“, das aus der PISA-Studie stammt (Kunter et al., 2002), wurde die Skala für die Studie neu konzipiert. Sie enthielt v. a. Aussagen zur lesebezogenen Anschlusskommunikation mit den Freundinnen und Freunden („Wenn ich etwas beim Lesen nicht verstehe, spreche ich mit Freunden darüber“), deren wahrgenommenem Interesse („Meinen Freunden ist es egal, was ich lese“) und Leseverhalten („In meinem Freundeskreis gibt es jemanden, der viel liest“). Die Antwortvorgaben und deren Kodierung entsprachen denen der Skala Lesemotivation. Die Leseaffinität in der peer group ist umso größer, je höher die Werte ausfallen. Die „Leseleistung“ wurde über zwei Indikatoren ermittelt. Zum einen gaben die Kinder an, welche Deutschnote sie in Klasse 4 in der Grundschule hatten; diese Zensur korrelierte bei IGLU 2001 und 2006 stark mit der ermittelten Testleistung (r = -.76 bzw. -.78; Arnold et al., 2007) und lässt demnach auf ein höheres Leseverstehen schließen, je besser die Note ist. Zum anderen sollten die Deutschlehrkräfte aus der fünften Klasse einschätzen, wie gut jedes einzelne Kind in ihrer Klasse im Vergleich zu seinen Mitschülern in der Klasse liest (von sehr unterbis sehr überdurchschnittlich). Diese Einschätzung wurde z-standardisiert; die interne Konsistenz aus dem Maß beider Leistungsschätzungen ist befriedigend (Cronbachs a = .79). Statistische Auswertungsmethoden Da keine Hinweise auf systematische Verzerrungen durch fehlende Werte vorliegen und diese im Durchschnitt weniger als 5 % der Stichprobe betragen, wurde entsprechend den Hinweisen von Rost (2007) auf eine multiple Imputation verzichtet. Die Stichprobe wurde im Klassenverband befragt, und explorative einfaktorielle Varianzanalysen weisen auf klassenbedingte Unterschiede für die analysierten Variablen hin. Allerdings ist beim bisherigen Stand der Forschung unklar, inwieweit die in Schulklassen geschachtelte Datenstruktur auch Einfluss auf die Leseorientierung in der peer group hat. Es ist nicht anzunehmen, dass es sich bei dieser um eine Variable handelt, deren Einschätzung wie z. B. beim Klassenklima von einer ganzen Schulklasse geteilt wird, sondern nur von der jeweiligen peer group. Von dieser ist unklar, inwieweit sie eine Untergruppe des Klassenverbandes ist. 2 Ob die Leseorientierung in der peer group mit der der Lesemotivation der Teilnehmer zusammenhängt, haben wir mittels eines Vergleiches zweier genesteter Strukturgleichungsmodelle überprüft, einem Basismodell ohne den Pfad der Leseorientierung in der peer group auf die Lesemotivation und einem Peer-Modell, das zusätzlich diesen Pfad enthält. In das theoretische Modell (siehe Abbildung 2) gehen das Geschlecht und der Migrationsstatus als manifeste Prädiktoren ein. Die Leseleistung wird als latente Variable mit den invertierten selbstberichteten Deutschnoten vom Ende der vierten Klassenstufe und den Fremdeinschätzungen der Leseleistung als Messmodellen modelliert. Für die Skalen Lesemotivation, Leseklima in der Familie und Leseorientierung in der Clique wurden Subskalen aus den gerade und ungerade nummerierten Items geparcelt und daraus latente Variablen gebildet. Die latente Variable Erwartungen an das Lesen wurde aus den beiden Items „Wenn ich für mich alleine lese, verstehe ich fast alles von dem, was ich lese“ und „Lesen fällt mir sehr leicht“. Zunächst wurde das Basismodell ohne einen Pfad von der Leseorientierung in der Clique auf die Lesemotivation geschätzt. Für dieses Modell wurden also nur vier Determinanten der Lesemotivation spezifiziert: das Geschlecht, der Migrationshintergrund, die Erfolgserwartung an das Lesen und das Leseklima in der Familie. Das Basismodell wurde im Anschluss an die Identifikation mit der bestmöglichen Modifikation verbessert und das resultierende Modell wurde mithilfe eines hierarchischen c 2 -Differenzentests mit dem Peer-Modell verglichen. Das Modell, vom dem eine bessere Anpassung erwartet wird, enthält zusätzlich den Pfad der Leseorientierung in der Clique auf die Lesemotivation. Die Berechnungen wurden mit der Computersoftware Amos 7.0 (Arbuckle & Wothke, 1999) unter Verwendung der Maximum Likelihood-Methode durchgeführt. 2 Wir überprüften, ob eine genestete Datenstruktur vorliegen könnte. Die Ergebnisse einer explorativen Zweiebenenanalyse (Klasse und Schüler) mit HLM wiesen auf einheitliche Effekte auf beiden Ebenen hin, durch die Verschachtelung bedingte Effekte traten nicht auf. Wir verzichten deshalb auf explizite Analysen von Unterschieden zwischen den befragten Schulklassen. Wir haben außerdem von Mehrebenenanalysen abgesehen, da uns ein N von unter 30 Klassen als zu gering für eine aussagekräftige Analyse erschien. Zudem können wir uns auch nicht auf die peer group als Analyseeinheit beziehen, da für diesen Messzeitpunkt keine Informationen über die Zusammensetzung der peer groups vorliegen. 248 Maik Philipp et al. Ergebnisse Zunächst wurden mit den manifesten Variablen Lesemotivation und Leseorientierung in der peer group Varianzanalysen für die Faktoren Geschlecht und Schulart durchgeführt (vgl. Tabellen 1 und 2 im Anhang). Die Lesemotivation aller befragten Kinder differierte in der zweifaktoriellen Varianzanalyse in den einzelnen Teilgruppen des Samples infolge des Geschlechts und der besuchten Schulform (Geschlecht: F = 40.87, df = 1, p < .001; Schulform: F = 70.81, df = 2, p < .001). Die Interaktion beider Faktoren verfehlte die Signifikanzgrenze (F = 1.41, df = 2, p = .11). Erwartbar lag der Mittelwert der Mädchen mit mittlerem Effekt über dem der Jungen (M Mädchen = 3.46, SD Mädchen = .53 vs. M Jungen = 3.07, SD Jungen = .71; Cohens d = .63). Diese Differenz setzte sich in den Schularten fort. Schulkinder aus Haupt- und Realschulen ähnelten sich tendenziell (M HS = 2.84, SD HS = .74.; M RS = 3.02, SD RS = .67), es bestand nur ein schwacher Vorsprung der Realschüler/ innen (Cohens d = .31). Die Unterschiede zwischen Hauptschul- und Gymnasialkindern (M GYM = 3.59, SD GYM = .40) waren am stärksten ausgeprägt (Cohens d = 1.32), die zwischen Realschüler/ innen und Gymnasiast/ innen zwar nicht so groß, aber immer noch mit starkem Effekt (Cohens d = 1.07). Vier von fünf Kindern (80.2 %) gaben an, Mitglied in einer Clique zu sein, Jungen etwas häufiger als Mädchen (81.0 % vs. 79.3 %). Alle weiteren Analysen beziehen sich auf diese Befragten. Der Großteil der Cliquen hatte sich laut Selbstauskünften in der Schule kennengelernt, viele von ihnen wahrscheinlich gerade erst im ersten Halbjahr der fünften Klasse. Die Zusammensetzung der Cliquen hinsichtlich der Geschlechter war im Gesamtsample ähnlich. Der überwiegende Teil der Jungen (77.6 %) und der Mädchen (75.7 %) bewegte sich in geschlechtshomogenen Cliquen, der Rest in peer groups mit Jungen und Mädchen. Es ist auffällig, dass gerade Kinder an Gymnasien dazu neigten, sich in geschlechtshomogenen Cliquen zu organisieren (93.8 % bei den Jungen, 92.9 % bei den Mädchen), während Haupt- und Realschüler/ innen in ihren Cliquen deutlich häufiger auf peers beider Geschlechter trafen (34.2 % bei den Hauptschüler/ innen, 34.2 % bei den Realschüler/ innen). Die Leseorientierung der peer groups weist einen Mittelwert von 2.69 (SD = .57) auf. In der zweifaktoriellen Varianzanalyse wurde der Faktor Geschlecht signifikant (F = 34.90, df = 1, p < .001): Die Werte der Mädchen lagen deutlich über denen der Jungen (M Mädchen = 2.85, SD Mädchen = .54 vs. M Jungen = 2.47, SD Jungen = .53; Cohens d = .71). Der Haupteffekt der Schulart auf die Leseorientierung der Clique war ebenfalls signifikant (F = 40.67, df = 2, p < .001) und schlug sich in den Differenzen zwischen Gymnasiast/ innen einerseits und Haupt- und Realschüler/ innen andererseits mit starken Effektstärken nieder. Erneut unterschieden sich Haupt- und Realschüler/ innen faktisch nicht (M HS = 2.42, SD HS = .56; M RS = 2.43, SD RS = .52; Cohens d = .03). Umgekehrt beschrieben die Gymnasiast/ innen ihre Cliquen als deutlich lesefreundlicher (M GYM = 2.91, SD GYM = .48), als ihre Altersgleichen aus Hauptschulen (Cohens d = .98) und Realschulen (Cohens d = .96) das taten. Schulart und Geschlecht interagierten nicht statistisch bedeutsam. Um den Beitrag der Leseorientierung in der peer group auf die Lesemotivation zu prüfen, wurden das Basismodell ohne diesen Zusammenhang und das genestete, um einen Freiheitsgrad reduzierte Peer-Modell mit diesem Zusammenhang miteinander verglichen (Schermelleh-Engel, Moosbrugger & Müller, 2003). In Tabelle 3 im Anhang sind die Mittelwerte, Standardabweichungen und einfachen Korrelationen der beobachteten Variablen sowie die mit Amos geschätzten Korrelationen dargestellt. Das Basismodell ohne den Pfad von der Leseorientierung in der Clique auf die Lesemotivation wurde mit der stärksten identifizierbaren Modifikation verbessert (siehe zu Vor- und Nachteilen solcher post-hoc-Modifikationen Loehlin, 1998). Es handelt sich um die Korrelation der Messfehler des Parcels der geraden Items der latenten Lesemotivation mit dem Messfehler des ungeraden Parcels der latenten Leseorientierung in der peer group. Welchen Beitrag leistet die peer group für die Lesemotivation? 249 Zwar verfehlte auch dieses verbesserte Modell den Fit im c 2 -Test der Anpassungsgüte (df = 39, c 2 = 103.031, p < .01), doch deuten verschiedene Näherungsmaße für die Anpassungsgüte auf eine zufriedenstellende Übereinstimmung der postulierten Struktur mit den Daten hin (NFI = .92, TLI = .90, CFI = .95, RMSEA = .06, ECVI = .52). Das Peer-Modell mit dem Pfad von der latenten Variablen Leseorientierung in der Clique auf die latente Lesemotivation (siehe Abbildung 3) sollte dem Basismodell überlegen sein. Es erweist sich im c 2 -Differenzentest tatsächlich als signifikant überlegen (df = 1, ∆c 2 = 4.193, p < .05). Sowohl der c 2 -Test der Anpassungsgüte (df = 38, c 2 = 98.838, p < .01) als auch die Näherungsmaße deuten auf eine Überlegenheit hin (NFI = .93, TLI = .91, CFI = .96, RMSEA = .06, ECVI = .49). Das Geschlecht hängt in dem Peer-Modell signifikant mit der Leseleistung ( b = .20, p < .001), der Lesemotivation ( b = .19, p < .001) und der Leseorientierung in der Clique ( b = .29, p < .001) zusammen. Der Migrationshintergrund ist nur für das Leseklima in der Familie bedeutsam, indem er ein leseförderliches Leseklima zu Hause leicht zu behindern scheint ( b = -.14, p = .018). Das Leseklima in der Familie geht auffällig mit der Leseleistung einher ( b = .56, p < .001), aus der sich rechnerisch ein größeres Zutrauen in den eigenen Leseverstehenserfolg speist ( b = .60, p < .001). Mit der Lesemotivation (R 2 = .67) hängt neben der Erwartung an das Lesen ( b = .50, p < .001) und dem Geschlecht ( b = .19, p < .001) auch die Leseorientierung der Clique ( b = .32, p < .01) zusammen. Da- Abbildung 3: Empirisches Peer-Modell - Erläuterung: P1 = ungerade geparcelte Items, P2 = gerade geparcelte Items; D = invertierte Deutschzensur Kl. 4, L = fremdeingeschätztes Lesevermögen; I1 = Item 1, I2 = Item 2; ° = Regressionsgewicht auf 1 gesetzt. Alle Pfade sind mit p < .05 signifikant, nicht signifikante Pfade wurden der Übersichtlichkeit halber aus der Abbildung entfernt. Fitwerte: c 2 -Test der Anpassungsgüte: df = 38, c 2 = 98.838, p < .01; NFI = .93, TLI = .91, CFI = .96, RMSEA = .06, ECVI = .49. 250 Maik Philipp et al. mit liegt für diese Stichprobe ein Hinweis vor, dass die Leseorientierung in der Clique eines Kindes neben dem Geschlecht und der Erwartung an das Lesen einen substanziellen Beitrag zu seiner Lesemotivation leistet. Das vergleichsweise starke standardisierte Beta-Gewicht von .32 zeigt, dass die Leselust der Kinder umso größer ist, je positiver sie die Einstellungen und Verhaltensweisen in ihrer peer-Leseumwelt wahrnehmen. Diskussion Die Diskrepanzen in den Leseleistungen deutscher Schülerinnen und Schüler am Ende der Grund- und Pflichtschulzeit (Bos et al., 2003, 2007; Artelt et al., 2001) sowie Untersuchungen zu einer sinkenden Lesemotivation am Beginn der Sekundarstufe (McElvany, Kortenbruck & Becker, 2008; Möller & Retelsdorf, 2008 a) weisen darauf hin, dass sich am Anfang des Jugendalters die von Lesebiografie-Forschern ebenfalls ermittelte sogenannte „Lesekrise“ einstellt (Graf, 1995). Ob peers dafür bedeutsam sind, ist bislang unseres Wissens bisher noch nicht untersucht worden. Insgesamt führte unsere Studie den Nachweis, dass neben den Erwartungen an das Lesen die Leseorientierung der peer group einen eigenständigen Beitrag zur Ausprägung der tätigkeitsspezifischen habituellen Lesemotivation zu Beginn der Sekundarstufe I leistet. Kinder, die vor Kurzem aus der Grundschule in die weiterführenden Schulformen gewechselt sind, scheinen demnach in ihrer Lesefreude davon zu profitieren, wenn sie sich in Cliquen bewegen, die sie als leseaffin beschreiben. Dieser Hauptbefund steht im Einklang mit den Befunden von Retelsdorf und Möller (2007) und ermutigt schulische und außerschulische Lesefördermaßnahmen, die die Lesemotivation erhöhen und dazu auf die Gleichaltrigen setzen („Leseanimation“, Rosebrock & Nix, 2008), allerdings zeigte sich bei uns kein Effekt auf die Erwartungs-Komponente. Interessanterweise ließ sich ebenfalls kein direkter Effekt des familialen Leseklimas nachweisen. Dennoch ist die Familie für die Leseaffinität wichtig, denn anscheinend bewegen sich Kinder mit häufig lesenden Eltern in Freundeskreisen, auf die das ebenso zutrifft. Dieser Gleichklang lässt wegen des kurz vor der Studie vollzogenen Wechsels in die Haupt- und Realschule oder das Gymnasium vermuten, dass sich Kinder in der neuen Schule Cliquen mit Mitgliedern suchen, deren Lesesozialisation in der Familie ähnlich verläuft. Zugleich wurden Kinder, deren familiales Leseklima positiv ausgeprägt ist, von ihren Deutschlehrern als bessere Leser beschrieben und hatten in Klasse 4 bessere Zensuren im Fach Deutsch. Die in der Schule gezeigte Leseleistung ging mit einem höheren Vertrauen in die eigenen Leseverstehensfähigkeiten einher, welches die wichtigste Determinante der Lesemotivation war. Dieses Ergebnis ist konform mit theoretischen Modellen (Möller & Schiefele, 2004) und empirischen Befunden dazu (Artelt, Schiefele, Schneider & Stanat, 2002; Chapman, Tunmer & Prochnow, 2000; Retelsdorf & Möller, 2008 b; Valentine, DuBois & Cooper, 2004). Auch wenn wir in den Strukturgleichungsanalysen nicht gesondert auf die Schulformen eingegangen sind, so ist festzuhalten, dass sie Kinder je nach besuchter Schule ihre peer groups anders beschrieben haben. Hier zeigte sich, dass Kinder aus Haupt- und Realschulen tendenziell ähnlich leseaffine Cliquen haben. Zugleich unterschieden sie sich stark von denen der Gymnasiasten, die in ihren Cliquen ein lesefreundlicheres Umfeld finden bzw. es als solches wahrnehmen. Insgesamt legen die Daten nahe, dass es gewissermaßen zwei peer group-Leseumwelten gibt: eine gymnasiale und eine nicht-gymnasiale. Das ist deshalb bedeutsam, weil sich damit der Anregungsgehalt der peers für Lesemotivation und -verhalten möglicherweise systematisch unterscheidet. Bereits in der ersten PISA-Studie ließ sich in Mehrebenenanalysen ermitteln, dass das mittlere Niveau der Intelligenz aller Schülerinnen und Schüler einer Schule prädiktiv für die ermittelte individuelle Lesekompetenz Welchen Beitrag leistet die peer group für die Lesemotivation? 251 war (Baumert & Schümer, 2001). Unter Umständen ist dies für die Lesemotivation ebenfalls so. Hervorzuheben ist ferner die Bedeutung des Geschlechts in unserer Studie. Wie in vielen anderen Untersuchungen lasen Mädchen nicht nur in den Augen ihrer Deutschlehrer besser und hatten bessere Noten im Fach Deutsch. Zusätzlich hatten sie mehr Freude am Lesen (für einen Überblick zu Geschlechtsspezifika im Lesen siehe Philipp & Garbe, 2008). Dass sie darüber hinaus ihre Cliquen als lesefreundlicher beschrieben, deutet darauf hin, dass das Geschlecht neben dem direkten Effekt einen indirekten, über die Leseorientierung vermittelten, Mediator-Effekt auf die Lesemotivation hat. 3 Dies lässt vermuten, dass Mädchen mehr von dem Leseumfeld ihrer Cliquen profitieren könnten (Groeben & Schroeder, 2004). Erste Indizien dafür zeigten sich sowohl in PISA 2000 (Meier, 2004) als auch in dem Schweizer Forschungsprojekt „Literale Resilienz“. Hier erwiesen sich unterstützende Freundschaften und solche Freundinnen und Freunde, die vom Nutzen des Schreibens überzeugt waren, für weibliche Jugendliche mit lesesozialisatorisch ungünstigen Bedingungen (tiefe Sozialschicht) als Schutzfaktor und gingen mit hohen Werten im Leseverständnis-Test einher (Schneider, Häcki Buhofer, Bertschi-Kaufmann, Kassis & Kronig, 2009). Die Geschlechterunterschiede in unserer Studie liegen anscheinend quer zur besuchten Schulform, denn in allen drei Schulformen waren die Werte der Mädchen bezüglich Lesemotivation und -orientierung der peer groups höher. Dadurch dass die Kinder (lese)leistungsbasiert Schulformen zugewiesen worden sind (Arnold et al., 2007; Savolainen, Ahonen, Aro, Tolvanen & Holopainen, 2008), dürften sie in den neuen Klassen leistungshomogenere und in ihren Einstellungen dem Lesen gegenüber ähnliche peers finden. Die Folge könnte ein Matthäus-Effekt (Stanovich, 1986) im Freundeskreis sein. Diese sich abzeichnende Bedeutsamkeit der peer groups für Lesemotivation und auch -kompetenz wirft die Frage auf, wie sich die Prozesse des peer-Einflusses gestalten. Die außerschulische Lektüre von Büchern und anderen Texten dürfte vom Interesse und dem Gespräch darüber in der eigenen Clique profitieren (Philipp, Salisch & Gölitz, 2008), sei es aufgrund von Modelllernen angesichts des eifrigen „Leseverhaltens wichtiger Personen“ oder wegen den „sozialen Vergleichsprozessen“, die beide im Erwartungs-Wert-Modell thematisiert werden (Möller & Schiefele, 2004). Denkbar sind ferner komplexere Prozesse, die die Offenheit der Person gegenüber peer-Einflüssen, die Beziehungskonstellation mit den beeinflussenden Peers sowie weitere Kontext-Faktoren in ein umfassendes Modell der Einflussnahme der peers einbeziehen (Brown, Bakken, Ameringer & Mahon, 2008). Neben den neuartigen Befunden unserer Studie, die auf das Zusammenspiel individueller, struktureller und sozialer Variablen für die Lesemotivation verweisen, sind natürlich auch die Beschränkungen zu nennen. Zunächst einmal handelt es sich um ein regional begrenztes Sample, was die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse beschränkt. Die querschnittliche Anlage der Studie erlaubt zudem keine Antwort auf die Frage, ob sich lesemotivierte Kinder einen Freundeskreis aus Leseratten und Bücherwürmern suchen (Selektion), ob die Leseorientierung der Clique die individuelle Lesemotivation erhöht bzw. verringert (Wirkung) oder ob beide Wirkrichtungen gleichzeitig existieren. Über echte Wirkungen der peer groups können wir anhand unserer Daten demnach keine kausale Aussage treffen. Daneben basieren mit Ausnahme des fremdeingeschätzten Lesevermögens alle Variablen auf Selbstauskünften; insbesondere bei der Cliquen-Leseorientierung wäre es wünschenswert, die Selbstwahrnehmungen der peers und ihre 3 Wir haben tatsächlich nach den von Baron und Kenny (1986) aufgestellten Kriterien einen partiellen Mediatoreffekt ermitteln können. Die Ergebnisse dieser Regressionsanalysen können auf Anfrage vom Erstautor bezogen werden. 252 Maik Philipp et al. Sicht auf die Leseaffinität ihrer Gruppe zu kennen. Fremdeinschätzungen dieser Art würden auch das Problem der gemeinsamen Methodenvarianz der Selbstauskünfte beheben, d. h. eine Projektion der eigenen Leselust auf die der Freunde. Eine weitere Einschränkung liegt darin, dass die Lesekompetenz nicht mit Tests erfasst wurde. Zwar war die interne Konsistenz der latenten Variable „Leseleistung“ ausreichend, echte Tests vermag sie wegen der Unterschiedlichkeit der Leistungseinstufungen in den Klassen jedoch nicht zu ersetzen. Die für die Leselust vorhersagestärkste Erwartungs- Variable in unserem Modell ließe sich ebenfalls sicherlich durch Einbeziehung von weiteren Items in ihrer internen Konsistenz bzw. durch den Gebrauch einer geprüften Skala (z. B. Möller & Bonerad, 2007) verbessern. Weitere Studien können diese methodischen Beschränkungen überwinden, indem sie auf folgende Aspekte eingehen. Erstens können nur Längsschnittstudien eine „Wirkung“ der Leseorientierung der peer groups auf die Lesemotivation nachweisen bzw. die Bedeutung der peers im Wirkgefüge der generell abnehmenden Lesemotivation in der Sekundarstufe untersuchen. Dabei sollten - zweitens - nicht nur Cliquen, sondern auch dyadische Freundschaften und evtl. weitere Arten von peer-Beziehungen zum Forschungsgegenstand werden (Rubin, Bukowski & Laursen, 2009). Zu prüfen wäre drittens, ob die peers nicht erst zu Beginn der Sekundarstufe, sondern schon vorher in der Primarstufe zur Ausbildung der Lesemotivation beitragen (Richter & Plath, 2005). Ertragreich erscheinen schließlich Studien, die die Prozesse erhellen, mit denen die peer groups auf die Lesemotivation ihrer Mitglieder Einfluss nehmen, um auf diesem Wege vielleicht auch die Gründe für die bei PISA (Stanat & Kunter, 2001) zu beobachtenden Geschlechterunterschiede bei der Lesemotivation aufzuklären. Solche Studien scheinen uns zugleich deshalb ertragreich, weil in der entwicklungsbedingt normativ wünschenswerten Abnabelung von Erwachsenen auch ein Potenzial liegt. Insofern wäre eine stärkere Forschungsaktivität, die die vielen weißen Flecken auf der Landkarte tilgen könnte, mehr als wünschenswert. Denn so ließe sich eine Vorstellung über die möglicherweise pädagogisch nutzbaren Prozesse innerhalb der peer groups gewinnen, die für die Effekte der peers auf die Lesemotivation verantwortlich sind. Literatur Arbuckle, J. & Wothke, W. (1999). Amos Users’ Guide Version 4.0. Chicago: Small Waters Corporation. Arnold, K.-H., Bos, W., Richert, P. & Stubbe, T. C. (2007). 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Welchen Beitrag leistet die peer group für die Lesemotivation? 255 Quelle QS df MQS F p R 2 Korrigiertes Modell 65.52 5 13.10 41.98 .00 .30 Konstanter Term 4164.52 1 4164.52 13340.85 .00 .96 Geschlecht 44.21 2 22.10 70.81 .00 .22 Schulform 12.76 1 12.76 40.87 .00 .08 Geschlecht * Schulform 1.41 2 .71 2.26 .11 .01 Fehler 153.27 491 .31 Gesamt 5450.71 497 Korrigierte Gesamtvariation 218.79 496 R 2 .29 Tabelle 1: Zweifaktorielle Varianzanalyse (Geschlecht, Schulform) für die manifeste Skala „Lesemotivation“ Quelle QS df MQS F p R 2 Korrigiertes Modell 32.85 5 6.57 27.49 .00 .27 Konstanter Term 2230.38 1 2230.38 9333.97 .00 .96 Geschlecht 19.44 2 9.72 40.67 .00 .18 Schulform 8.34 1 8.34 34.90 .00 .08 Geschlecht * Schulform .06 2 .03 .13 .88 .00 Fehler 91.04 381 .24 Gesamt 2807.21 387 Korrigierte Gesamtvariation 123.89 386 R 2 .27 Tabelle 2: Zweifaktorielle Varianzanalyse (Geschlecht, Schulform) für die manifeste Skala „Leseorientierung in der Clique“ Dr. Maik Philipp Fachhochschule Nordwestschweiz Zentrum Lesen Kasernenstr. 20 CH-5000 Aarau E-Mail: maik.philipp@fhnw.ch Dietmar Gölitz Leuphana Universität Lüneburg Institut für Psychologie D-21332 Lüneburg E-Mail: goelitz@uni.leuphana.de Prof. Dr. Maria von Salisch Leuphana Universität Lüneburg Institut für Psychologie D-21332 Lüneburg E-Mail: salisch@uni-lueneburg.de Anhang 256 Maik Philipp et al. M SD N 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 01 Migrationshintergrund (1: vorhanden; 2: nicht vorhanden) 1.12 .33 394 .02 -.02 -.03 -.04 -.12 -.15 -.09 -.10 -.11 -.04 -.05 02 Geschlecht (1: Jungen; 2: Mädchen) 1.44 .50 390 .02 .21 .30 .17 .02 .18 .13 -.04 .04 .32 .26 03 Leseorientierung peer group - gerade Items 2.22 .67 398 -.02 .18 .51 .15 .11 .08 .22 .30 .24 .34 .16 04 Leseorientierung in der Clique - ungerade Items 2.93 .65 398 -.03 .30 .51 .21 .22 .33 .41 .45 .45 .54 .41 05 Item 1 Erwartung an das Lesen 3.44 .79 392 -.05 .05 .10 .16 .28 .13 .15 .10 .28 .34 .27 06 Item 2 Erwartung an das Lesen 3.31 .86 391 -.07 .07 .14 .24 .28 .34 .34 .17 .23 .35 .29 07 Leseleistung Mitte Klasse 5 (z-standardisierte Fremdeinschätzung der Lehrkraft) .49 1.20 334 -.10 .13 .21 .35 .20 .28 .50 .29 .24 .36 .39 08 selbstberichtete invertierte Deutschzensur Ende Klasse 4 2.41 2.12 378 -.11 .15 .25 .40 .23 .33 .53 .36 .34 .35 .43 09 Leseklima Familie - gerade Items 2.82 .86 390 -.11 .00 .28 .46 .15 .22 .30 .34 .57 .33 .24 10 Leseklima Familie - ungerade Items 2.98 .86 393 -.10 .00 .27 .44 .15 .21 .29 .33 .58 .40 .30 11 Lesemotivation - gerade Items 3.14 .82 396 -.04 .32 .32 .53 .27 .39 .36 .42 .36 .34 .66 12 Lesemotivation - ungerade Items 3.30 .67 397 -.03 .27 .16 .44 .23 .32 .30 .35 .30 .29 .66 Tabelle 3: Mittelwerte, Standardabweichungen und Korrelationen der beobachteten Variablen (untere Diagonale) und mit Amos geschätzte Korrelationen im Peer- Modell (obere Diagonale; N = 398) Anmerkungen: Nach einer Bonferroni-Korrektur für die 72 Korrelationen (.05/ 72) ergibt sich, dass Beträge von r > .20 statistisch abgesichert sind (bei p < .0007 und mit einer Power > .8 für N = 398).