eJournals Psychologie in Erziehung und Unterricht 59/2

Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
41
2012
592

Tests und Programme: Lehrerbeurteiltes Schülerverhalten

41
2012
Jörn R. Sparfeldt
Detlef H. Rost
Rayk Schleebusch
Anna-Luisa Heise
Die "Lehrereinschätzliste für Sozial- und Lernverhalten" (LSL) von Petermann & Petermann (2006) wird an N = 665 Grundschulkindern, deren Sozial- und Lernverhalten von N = 72 Lehrkräften eingeschätzt wurde, überprüft. Die psychometrischen Kennwerte sind mit denen des Manuals vergleichbar. Die von den Testautoren postulierte Binnendifferenzierung des Sozial- (sechs Skalen) und Lernverhaltens (vier Skalen) ließ sich mittels konfirmatorischer Faktorenanalysen auf Itemebene nicht belegen, auf Skalensummenebene bestätigten sich die deutlich korrelierenden Faktoren „Lernverhalten“ und „Sozialverhalten“. Die Beziehungen der Skalen zu Aspekten des lehrerbeurteilten Schülerverhaltens (Kopfnoten, lehrerbeurteilte Aspekte des Arbeits- und Sozialverhaltens, Fachzensuren in Mathematik und Deutsch) verwiesen auf eine gewisse konvergente Validität. Hinweise auf diskriminante Validität zeigten sich hinsichtlich der Zusammenhänge der Einzelskalen zwischen, aber nicht innerhalb beider Bereiche. Ökonomische LSL-Globaleinschätzungen mit lediglich einem Item pro LSL-Skala ergaben hohe konvergente Zusammenhänge mit den jeweiligen LSL-Originalskalen und weitgehend vergleichbare Validitäten wie die Original LSL-Skalen.
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n Tests und Programme Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2012, 59, 146 - 158 DOI 10.2378/ peu2012.art12d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Teacher’s Ratings of Students’ Behavior. An Evaluation of The LSL (Teacher’s Report Checklist for Social and Learning Behavior) Summary: This study analyzes the psychometric properties and selected validity aspects of a teacher’s report checklist for social and learning behavior (LSL; Petermann & Petermann, 2006). A sample of N = 72 elementary school teachers rated the social and learning behavior of N = 665 elementary school students. The psychometric properties of the postulated ten scales (four learning behavior scales and six social behavior scales) were comparable to the values reported by the test authors. The postulated ten-factorial structure of the LSL could, however, not be confirmed in item-based confirmatory factor analyses; a structure with two broad factors (learning behavior, social behavior) was confirmed in scale-based confirmatory factor analyses. Correlations with different aspects of the teacher-rated learning and social behavior and with grades for learning behavior, social behavior, mathematics, and German mainly evidenced convergent validity. Evidence for divergent validity occurred only regarding scales between the two broad facets (learning behavior, social behavior) but not within these broad facets. Ratings of the ten LSL-aspects with only one global item per scale yielded high correlations with the corresponding original LSL-scale. Correlations of these global judgments with the other assessed variables were comparable with the correlations of the original LSL-scales with these other variables. Keywords: Learning behavior, social behavior, teacher reported behavior, LSL, elementary school Zusammenfassung: Die „Lehrereinschätzliste für Sozial- und Lernverhalten“ (LSL) von Petermann & Petermann (2006) wird an N = 665 Grundschulkindern, deren Sozial- und Lernverhalten von N = 72 Lehrkräften eingeschätzt wurde, überprüft. Die psychometrischen Kennwerte sind mit denen des Manuals vergleichbar. Die von den Testautoren postulierte Binnendifferenzierung des Sozial- (sechs Skalen) und Lernverhaltens (vier Skalen) ließ sich mittels konfirmatorischer Faktorenanalysen auf Itemebene nicht belegen, auf Skalensummenebene bestätigten sich die deutlich korrelierenden Faktoren „Lernverhalten“ und „Sozialverhalten“. Die Beziehungen der Skalen zu Aspekten des lehrerbeurteilten Schülerverhaltens (Kopfnoten, lehrerbeurteilte Aspekte des Arbeits- und Sozialverhaltens, Fachzensuren in Mathematik und Deutsch) verwiesen auf eine gewisse konvergente Validität. Hinweise auf diskriminante Validität zeigten sich hinsichtlich der Zusammenhänge der Einzelskalen zwischen, aber nicht innerhalb beider Bereiche. Ökonomische LSL- Globaleinschätzungen mit lediglich einem Item pro LSL-Skala ergaben hohe konvergente Zusammenhänge mit den jeweiligen LSL-Originalskalen und weitgehend vergleichbare Validitäten wie die Original LSL-Skalen. Schlüsselbegriffe: Lernverhalten, Sozialverhalten, lehrerbeurteiltes Schülerverhalten, LSL, Lehrer- Einschätzliste, Grundschule Lehrerbeurteiltes Schülerverhalten Eine Evaluation der „Lehrereinschätzliste für Sozial- und Lernverhalten“ (LSL) Jörn R. Sparfeldt Universität des Saarlandes Detlef H. Rost, Rayk Schleebusch, Anna-Luisa Heise Philipps-Universität Marburg Lehrerbeurteiltes Schülerverhalten 147 Vermutlich würden alle Psychologen 1 und Pädagogen der Aussage zustimmen, dass Lern-, Arbeits- und Sozialverhalten in Theorie, Empirie und Praxis für Erfolg in Schule und Beruf bedeutsam sind. Die Relevanz erklärt sich unter anderem aus den Beziehungen zu z. B. Schulleistungen (vgl. z. B. Helmke & Weinert, 1997; Keller, 1993). Schulische Bildungspläne thematisieren diese Verhaltensweisen, entsprechende Kopfnoten wurden in einigen Bundesländern (wieder-)eingeführt. Die (in der Praxis zumeist unsystematischen) Beobachtungen des Arbeits- und Sozialverhaltens gehören - zumindest in der Grundschule - zu den Aufgaben des Lehrers. Deren diagnostische Güte hängt bekanntlich von der häufig kritisierten Beobachtungs- und Beurteilungsfähigkeit der Lehrkraft ab. Petermann und Petermann (2006, S. 12) stellten zusammenfassend fest, Lehrerurteile wiesen in der sozialen Wahrnehmung Vereinfachungstendenzen auf und überschätzten vielfach Schülerprobleme. Diese Beurteilungsfehler sollten, so die Hoffnung, durch eine Standardisierung minimiert werden. Die im deutschsprachigen Raum vorliegenden einschlägigen Instrumente sind allerdings für die Schulpraxis wenig hilfreich, da sie unökonomisch, nicht aktuell und psychometrisch nur eingeschränkt überprüft sind (z. B. Janowski, Fittkau & Rauer, 1981) und/ oder sich an psychiatrischen Diagnosen orientieren (z. B. Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist, 1993) und/ oder adäquate Normen fehlen (z. B. Fingerle & Mutzeck, 1996; Fingerle & Opp, 2004; vgl. Petermann & Petermann, 2006, S. 9 - 11). Diese Lücke soll die standardisierte und normierte „Lehrereinschätzliste für Sozial- und Lernverhalten“ (LSL; Petermann & Petermann, 2006) schließen. Unter Sozialverhalten werden auf Sozialpartner bezogene Verhaltensweisen verstanden. Dabei besteht ein enger Bezug zur sozialen Kompetenz (vgl. z. B. Brohm, 2009; Kanning, 2009). Holz-Ebeling (2010, S. 29) versteht unter „Arbeitsverhalten“ „alle offenen und verdeckten Aktivitäten, die auf den Lernprozess bezogen sind“. In Abgrenzung von „Lernen“ umfasse „Arbeiten“ auch Aktivitäten, die sich auf die Rahmenbedingungen des Lernens beziehen, und weise keinen direkten Bezug zum Produkt Lernerfolg auf. Trotz dieser Feindifferenzierung werden im Folgenden - im Wesentlichen im Sinne der Operationalisierung in der LSL - „Lernverhalten“ und „Arbeitsverhalten“ synonym verwendet. Normatives Ziel ist ein „angemessenes“ Lern- und Sozialverhalten. Die LSL lässt sich wie folgt beschreiben und kritisch würdigen: (1) Relative Verhaltensnähe In der Entwicklung von Lehrereinschätzlisten dominierten zunächst hochinferente Eigenschaftsratings mit (häufig) negativer Valenz (vgl. Kleber, 1978), die aber wenig hilfreich sind, wenn es um konkretes Verhalten oder das Aufzeigen funktionaler Beziehungen im Sinne der angewandten Verhaltensanalyse (vgl. z. B. Rost, 2010) geht. Heute werden zunehmend Schätzskalen mittlerer Inferenz oder Beobachtungen konkreten Verhaltens empfohlen (vgl. Ingenkamp & Lissmann, 2008, S. 91). Die LSL besteht aus 50 Aussagen - jeweils fünf für jede der sechs Sozialverhaltens-(„Kooperation“, „Selbstwahrnehmung“, „Selbstkontrolle“, „Einfühlungsvermögen/ Hilfsbereitschaft“, „Angemessene Selbstbehauptung“, „Sozialkontakt“) und vier Lernverhaltensskalen („Anstrengungsbereitschaft/ Ausdauer“, „Konzentration“, „Selbstständigkeit beim Lernen“, „Sorgfalt beim Lernen“). Der Lehrer soll die Auftretenshäufigkeit des Schülerverhaltens in den letzten vier Wochen beurteilen (vierstufig: „nie“ bis „häufig“). Eine Betrachtung der Items offenbart jedoch, dass oft ein Situationsbezug fehlt (z. B. „Schließt Kompromisse“ [„Kooperation“]). Bei einigen Items scheinen Beobachtung und Beurteilung recht leicht möglich zu sein (z. B. „Arbeitet im Allgemeinen ohne Flüchtigkeitsfehler“ [„Konzentration“]), bei anderen hingegen fraglich bzw. abhängig von entsprechenden Beobachtungssituationen 148 Jörn R. Sparfeldt et al. (z. B. „Schätzt die Folgen eigenen Handelns realistisch ein“ [„Selbstwahrnehmung“]; vgl. z. B. Wember, 2008). (2) Ressourcenorientierte Diagnostik Lange Zeit dominierte eine defizitorientierte Perspektive (vgl. Petermann & Petermann, 2006, S. 9 - 11); in den letzten Jahren bemühte man sich ergänzend oder ausschließlich um die Erfassung erwünschten Verhaltens (z. B. Fingerle, 2000; Fingerle & Opp, 2004, und der LSL-Vorläufer: Gießler-Fichtner, Freimann, Frey, Menzel & Petermann, 2000; Petermann, Menzel & Eckert, 2003). Praktisch erfolgt eine solche „ressourcenorientierte Diagnostik“ durch die Formulierung positiven bzw. erwünschten Verhaltens (wie man es auch in der LSL zu realisieren versuchte). Um dennoch im Bereich auffälligen Lern- und Sozialverhaltens differenzieren zu können, sollten viele „statistisch leichte“ Items (d. h. Aussagen mit hohen Zustimmungshäufigkeiten) resultieren. Dies deutet sich in LSL-Skalenmittelwerten zwischen 8.5 und 13.2 (Petermann & Petermann, 2006, S. 50 - 52; theoretischer Range: 0 bis 15) und entsprechend geringen Streuungen an. (3) Operationalisierung der Konstrukte Die Operationalisierung der LSL-Konstrukte durch Items kann ein gemeinsames Verständnis und eine verhaltensnähere Veranschaulichung des Schülerverhaltens erleichtern. Leider berichten die Autoren jedoch keine faktorenanalytische Prüfung der Zuordnung der Items zu den Skalen. Im Manual vermisst man ebenfalls die Skaleninterkorrelationen; die mitgeteilte PCA der Skalenwerte - mit klarer Zuordnung zu den beiden Globalbereichsfaktoren „Lernverhalten“ und „Sozialverhalten“ (latent: r = .60) - verweist auf deutliche Beziehungen der Skalen untereinander. Es entsteht der Verdacht einer Überdifferenzierung. (Die Autoren berichten keine deskriptiven Kennwerte und Normen für entsprechende Bereichsskalen, gaben aber in einer Therapieevaluationsstudie Bereichswerte an; vgl. Petermann, Petermann, Büttner & Krause- Leipoldt, 2008). Das jeweils angemessene Abstraktionsniveau bleibt zu klären. Mit dem breiten Altersbereich der LSL (6 bis 19 Jahre) zusammenhängend, variieren adäquate Ausprägungen der in den Items thematisierten Sachverhalte deutlich mit dem Alter; vermutlich (auch) aus diesem Grund finden sich in vielen Items Relativierungen (z. B. „Äußert Kritik angemessen“ [„Angemessene Selbstbehauptung“]). „Angemessen“ dürfte von Lehrer zu Lehrer partiell unterschiedlich verstanden werden. Das erschwert eine hinreichende Beurteilerübereinstimmung. (4) Ökonomie Bei der LSL-Konstruktion wurde pro Schüler höchstens fünf Minuten Bearbeitungszeit angestrebt (vgl. Petermann & Petermann, 2006, S. 3). Die 50 Aussagen erscheinen - relativ zur geringen Differenziertheit (s.o.) der damit zu gewinnenden diagnostischen Information - als recht unökonomisch. (5) Reliabilität Im Manual sind nur nach Altersgruppen getrennte und für die Skalen gute bis zufriedenstellende Homogenitäten angegeben ( a ≥ .89, „Sozialkontakt“: .82 ≤ a ≤ .86); Retest-Reliabilitäten fehlen. (6) Kriteriumsbezogene Validierung Die LSL-Autoren berichten nur Zusammenhänge mit Deutsch- und Mathematiknoten (sowie für ältere Schüler: Durchschnittsnote), die zumeist im erwarteten Bereich liegen (etwas engere Zusammenhänge mit Lernverhaltensals Sozialverhaltensskalen). Hinweise auf differentielle Skalenzusammenhänge innerhalb der Bereiche (die sich nicht andeuten) oder Beziehungen zu anderen, potenziell naheliegenden Validierungsvariablen (z. B. Kopfnoten) fehlen. Zwischenzeitlich wurde die LSL auch als abhängige Variable bei der Analyse entwicklungsbedingter Koordinationsstörungen eingesetzt (Kastner & Petermann, 2010 a, b). Lehrerbeurteiltes Schülerverhalten 149 (7) Normierung Die Normstichprobe umfasst 1480 Schüler verschiedener Bundesländer (6 bis 19 Jahre); getrennte Normen gibt es lediglich aufgegliedert für vier Altersbereiche sowie für Jungen und Mädchen, nicht aber getrennt nach Schulformen oder Klassenstufen. Aufgrund der als gering vermuteten Problembelastung wurden Gymnasiasten nicht einbezogen (vgl. Petermann & Petermann, 2006, S. 24. Bei den älteren Schülern der Normstichprobe im Alter bis zu 19 Jahren scheint es sich somit um überalterte Schüler anderer Schulformen und/ oder Oberstufenschüler von z. B. Gesamtschulen zu handeln). Werte mit einem Prozentrang PR ≤ 10 werden als „starke Verhaltensabweichung“, und mit 10 ≤ PR ≤ 20 als „risikobehaftet“ interpretiert (Petermann & Petermann, 2006, S. 22). Nicht thematisiert wird, ob eine solche schulformübergreifende Ergebnisinterpretation überhaupt sinnvoll ist. Die LSL ist das einzige uns bekannte aktuelle, psychometrisch einigermaßen überprüfte, standardisierte und im deutschen Sprachraum normierte Instrument für diesen Inhaltsbereich. Neue Instrumente bedürfen einer externen Evaluation; bislang liegen drei (schwerpunktmäßig deskriptive) Testbesprechungen vor (Gienger, 2007; Wember, 2008; Gerber, 2009). In unserer LSL-Evaluation berücksichtigen wir folgende vier Punkte: (1) psychometrische Kennwerte, (2) faktorielle Struktur, sowohl auf Itemals auch auf Skalenebene, (3) Beziehungen zu (a) Kopfnoten im Arbeits- und Sozialverhalten (von den Autoren nicht mitgeteilt), (b) Fachzensuren in Mathematik und Deutsch und (c) Validierungsskalen zur Erfassung verschiedener Facetten des lehrerbeurteilten Arbeits- und Sozialverhaltens (kriterienbezogene Validität; keine Angaben im Manual), (4) Klärung der Frage, ob die mit der LSL gewonnene Information mit einer Kurz-LSL wesentlich ökonomischer gewonnen werden kann. Der von der LSL abgedeckte Altersbereich ist recht groß (s. o.). Wir beschränken uns auf die dritte und vierte Klasse, da dort dem Lern- und Sozialverhalten wegen des anstehenden Übergangs auf weiterführende Schulen eine besondere Relevanz zugemessen wird. Methode Stichprobe Befragt wurden 74 Lehrkräfte aus 34 Grundschulen in Hessen, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern, die jeweils eine Zufallsauswahl von (bis zu) zehn Schülern ihrer dritten bzw. vierten Klasse (insgesamt: N = 686) einschätzten (Rücklaufquote - Lehrer: 74 %; Rücklaufquote - Schülerbeurteilungen: 73 %). Alle Lehrkräfte unterrichteten in der Klasse seit mehreren Monaten. Wenige Schüler wurden von der Auswertung ausgeschlossen (ein Lehrer beurteilte instruktionswidrig eine erste Klasse; ein Lehrer kreuzte zwischen den Antwortfeldern an; viele Mehrfachankreuzungen; nicht eindeutig einem Schüler zuzuordnende Fragebogenteile), sodass eine Analysestichprobe von N = 665 Schülern, die von 72 Lehrern eingeschätzt wurden, resultierte (n = 333 Schülerinnen, n = 329 Schüler, n = 3 ohne Angabe; 3. Klassenstufe: n = 370, 4. Klassenstufe: n = 280, n = 15 ohne Angabe; Durchschnittsalter: 9.5 Jahre, SD = 0.7). Variablen Folgende Variablen wurden erhoben: (1) LSL Der Fragebogen begann mit der (Original-)LSL (Petermann & Petermann, 2006) mit - wie im Original - vierstufigem Antwortformat. Die im Original vor den geblockten Items einer Skala abgedruckten Skalenbezeichnungen wurden als Globaleinschätzungsitems (s. u.) ans Ende des Gesamtfragebogens (und vor die deskriptiven Angaben und Fragen nach Zensuren) verschoben. (2) LSL-Globalbereiche LSL-Globalbereiche wurden am Ende des Fragebogens global eingeschätzt (Kurz-LSL), indem die Lehrer für jede der zehn LSL-Skalenbezeichnungen (als quasi-Items, z. B. „Kooperation“, 150 Jörn R. Sparfeldt et al. „Sorgfalt beim Lernen“) ankreuzten, wie häufig entsprechende Verhaltensweisen auftraten (Antwortformat und Beurteilungszeitraum wie in der LSL). (3) Validierungsskalen Zur Erfassung verschiedener Facetten des lehrerbeurteilten schülerseitigen Arbeits- und Sozialverhaltens stellten wir in Ermangelung einschlägiger Skalen in Anlehnung an Fingerle und Mutzeck (1996) sowie Janowski et al. (1981) Items zu acht Skalen zusammen, die jeweils inhaltlich ähnliche Verhaltensaspekte wie einzelne LSL-Skalen umschrieben, ohne identische bzw. allzu ähnliche Formulierungen aufzuweisen. Die Validierungsskalen wurden jeweils nur einer der beiden Teilstichproben „Niedersachsen“ (Ns; n = 331 Schülerbeurteilungen durch n = 35 Lehrkräfte) und „Hessen/ Mecklenburg-Vorpommern“ (He/ MV; n = 334 Schülerbeurteilungen durch n = 37 Lehrkräfte) vorgegeben und bei identischem Antwortformat bearbeitet: „Selbstbehauptung“ (Ns, 4 Items - z. B. „vertritt die eigene Meinung, auch wenn die Mehrzahl der Kameraden diese ablehnt“, a = .75 2 ), „Anstrengungsbereitschaft“ (Ns, 3 Items - z. B. „arbeitet gleichmäßig im Unterricht mit“, a = .86), „Konzentration“ (Ns, 3 Items - z. B. „ist im Unterricht nur selten ,nicht bei der Sache‘“, a = .74), „Selbständigkeit“ (Ns, 4 Items - z. B. „steuert das eigene Verhalten situationsgerecht“, a = .87), „Sorgfalt“ (Ns, 4 Items - z. B. „führt Arbeiten zuverlässig und genau aus“, a = .92), „kooperatives Verhalten“ (He/ MV, 5 Items - z. B. „bemüht sich darum, dass in der Gruppe alle Meinungen gehört werden“, a = .91), „Selbstkontrolle“ (He/ MV, 3 Items - z. B. „kann sich selbst kontrollieren (z.B. ist fähig, seine Gefühle und Affekte unter Kontrolle zu halten)“, a = .88), „Einfühlungsvermögen“ (He/ MV, 8 Items - z. B. „geht auf Bedürfnisse anderer Schüler ein“, a = .93). (4) Zensuren Die Lehrkräfte notierten die Kopfnoten im Arbeits- und Sozialverhalten des letzten Halbjahreszeugnisses. In MV (sowie an wenigen Schulen in He und Ns) wurden statt Kopfnoten verbale Beurteilungen vorgenommen; daher vergaben diese Lehrer für das entsprechende Schülerverhalten (Quasi-)Kopfnoten. Zusätzlich vermerkten sie die Zensuren des letzten Zeugnisses in Mathematik und Deutsch. Auswertung (1) Zur psychometrischen Analyse der LSL-Skalen berechneten wir Skalenmittelwerte, -streuungen, und -homogenitäten sowie Itemtrennschärfen. Für die Vergleiche mit der LSL-Stichprobe griffen wir auf die Werte der neunbis zehnjährigen Schüler zurück. Nur Mittelwerte und Standardabweichungen, nicht aber die weiteren Kennwerte, sind im LSL-Manual geschlechtsgetrennt aufgeführt, sodass (lediglich) die mittelwertsbasierten Vergleiche für Schülerinnen und Schüler getrennt vorgenommen werden konnten. (2) Die dimensionale Struktur der LSL analysierten wir mittels konfirmatorischer Faktorenanalysen (CFA, ML-Schätzung, Programm: AMOS 17; fehlende Werte wurden durch den in AMOS implementierten Full-Information-Maximum-Likelihood-Algorithmus ersetzt), und zwar auf Itemebene (alle Items indikatorisierten „ihren“ Faktor; die Faktorkorrelationen wurden geschätzt) und auf Skalenebene (alle Skalen[summenwerte] sollten „ihren“ Faktor der beiden Bereichsfaktoren „Arbeitsverhalten“ oder „Lernverhalten“ indikatorisieren; geschätzte Faktorkorrelation). Auf Itemebene erfolgte ergänzend die Analyse eines hierarchischen Modells mit zehn den LSL-Skalen entsprechenden Faktoren sowie zwei entsprechend breiteren Bereichsfaktoren. Über die Güte der Modellanpassung informieren übliche Fit- Indices (Tucker-Lewis-Index TLI; Comparative Fit Index CFI; Root Mean Square Error of Approximation RMSEA, ergänzt um c ² und df). Marsh, Craven und Debus (1999) bezeichneten TLI-Werte ab .90 als akzeptabel, RMSEA-Werte unter .08 bzw. .05 verweisen auf einen akzeptablen bzw. guten Modellfit (vgl. Byrne, 2001). (3) Hinweise auf konvergente und diskriminante Validität lieferten manifeste Korrelationen der theoretischen (und ggf. neu zu bildenden) LSL-Skalen mit den anderen Variablen (Validierungsskalen, Kopfnoten, Fachzensuren) 3 . Zur Beurteilung konvergent-diskriminanter Validität lehnten wir uns an den Multitrait-Multimethod-(MTMM) Ansatz von Campbell & Fiske (1959) an. (4) Zur Analyse der Globaleinschätzungen (Kurz- LSL) berechneten wir, im Anschluss an analoge (vgl. [2]) Dimensionsanalysen Korrelationen dieser Globaleinschätzungen mit (a) den Original-LSL-Skalen - auf den MTMM-Ansatz bezugnehmend - und (b) mit den Außenvariablen (Kopfnoten, Fachzensuren, Validierungsskalen). Die Korrelationskoeffizi- Lehrerbeurteiltes Schülerverhalten 151 enten der Beziehungen „(Original-)LSL mit Außenvariablen“ verglichen wir mit denen der Beziehungen „Kurz-LSL mit Außenvariablen“ anhand der Effektgröße q (Differenz der Fishers-Z-transformierten Korrelationskoeffizienten; vgl. Cohen, 1988). (5) Zur Kontrolle eventueller Effekte eines klassenbzw. lehrerinternen Bezugsrahmens wurden sämtliche Variablen für die weiterführenden Analysen - abgesehen von den deskriptiven Kennwerten (Mittelwerte, Standardabweichungen) sowie den deskriptiven Vergleichen dieser Kennwerte mit den Angaben im LSL-Manual - pro Lehrer z-standardisiert. Ergebnisse LSL-Skalenkennwerte Psychometrische Kennwerte der von den Testautoren angeführten Skalen finden sich in Tabelle 1. Unsere Schüler erzielten mit der Manualstichprobe vergleichbare Mittelwerte; in lediglich 4 von 20 geschlechtsgetrennten Vergleichen wurden kleine Differenzen beobachtet (Effektstärkenklassifikation nach Cohen, 1988): Den Schülern unserer Stichprobe wurden geringere Selbstkontrolle (d = -0.24), weniger Sozialkontakt (d = -0.35) und geringere Selbstständigkeit beim Lernen (d = -0.20) attestiert, den Schülerinnen höhere Anstrengungsbereitschaft/ Ausdauer (d = 0.24). Trennschärfen und Homogenitäten lagen in unserer Stichprobe in den im Manual angegebenen Bereichen. Wie bei den Testautoren waren sämtliche Skalenhomogenitäten hoch (Ausnahme „Sozialkontakt“). Faktorenanalysen Die Modellprüfungen auf Itemebene fielen unbefriedigend aus - sowohl in der Analyse der zehnfaktoriellen Struktur (TLI = .87; CFI = .89; RMSEA = .07; c ² = 4734.6, df = 1130) als auch in der durch die Manualbefunde nahegelegten und ergänzend berechneten zweifaktoriellen Struktur mit den beiden korrelierten (Bereichs-) Faktoren „Arbeitsverhalten“ und „Sozialverhalten“ (TLI = .75; CFI = .77; RMSEA = .10; c ² = 8441.2, df = 1174; Faktorkorrelation: r = .68). Auch eine hierarchische Struktur mit zehn den LSL-Skalen entsprechenden Faktoren und den beiden korrelierten Bereichsfaktoren (TLI = .87; CFI = .88; RMSEA = .07; c ² = 5028.6, df = 1164; r = .69) passte nicht. Die auf den Skalensummenwerten basierende Analyse mit zwei korrelierten Faktoren führte zu einer (beinahe) akzeptablen Modellanpassung (TLI = .94; CFI = .96; RMSEA = .105; c ² = 281.7, df = 34; standardisierte Regressionskoeffizienten: min. b = .74, max. b = .95), beide Faktoren korrelierten hoch (r = .68). Ein ergänzend berechnetes Ein-Faktor-Modell (Generalfaktor „Lehrereinschätzung“) wies eine ungenügende Modellanpassung auf (TLI = .57; CFI = .73; RMSEA = .27; c ² = 1765.6, df = 35; ∆c ² = 1483.9, ∆ df = 1, p < .01). Kriteriumsbezogene Korrelationen Zensuren Wegen der umgekehrten Polung sind sämtliche Korrelationskoeffizienten der Original-LSL- Skalen sowie der beiden durch Aufsummierung der entsprechenden Items gebildeten Bereichsskalen (Lernverhalten, Sozialverhalten) mit den Fachzensuren und den Kopfnoten negativ (Tab. 1). Manualentsprechend ergaben sich engere Zusammenhänge der Fachzensuren mit den LSL-Skalen des Arbeitsverhaltens (-.72 ≤ r ≤ -.41) als des Sozialverhaltens (-.49 ≤ r ≤ -.22). Die sechs Sozialverhaltensskalen korrelierten (numerisch) höher mit der Kopfnote im „Sozialverhalten“ (-.70 ≤ r ≤ -.59) als im „Arbeitsverhalten“ (-.64 ≤ r ≤ -.50), die vier Arbeitsverhaltensskalen hingen enger mit den Arbeitsverhaltens- (-.80 ≤ r ≤ -.69) als mit den Sozialverhaltenskopfnoten (-.63 ≤ r ≤ -.60) zusammen. Hiermit im Einklang war auch das Zusammenhangsmuster der neu gebildeten Bereichsskalen. Hingegen differierten die Korrelationen der Skalen des Bereichs „Sozialverhalten“ mit den Zensuren kaum; Gleiches gilt für die Arbeitsverhaltensskalen. 152 Jörn R. Sparfeldt et al. M SD r it a r neu neu neu LSL neu LSL Deutsch Mathematik AV SV m w m w m, w m, w m, w m, w neu P & P neu P & P neu neu Kooperation 11.7 12.9 3.0 2.8 .68/ .83 .67/ .79 .90 .89 -.38 -.32 -.28 -.22 -.53 -.66 Selbstwahrnehmung 10.0 11.9 3.6 2.9 .68/ .80 .67/ .82 .90 .90 -.49 -.36 -.40 -.27 -.64 -.70 Selbstkontrolle 10.0 12.1 3.7 2.9 .67/ .78 .75/ .80 .89 .91 -.29 -.27 -.22 -.20 -.50 -.70 Einfühlung/ Hilfsbereitschaft 9.6 12.1 3.6 3.3 .78/ .85 .71/ .85 .93 .95 -.35 -.29 -.24 -.16 -.51 -.59 Selbstbehauptung 10.9 12.5 3.5 2.9 .63/ .82 .70/ .84 .90 .91 -.49 -.27 -.39 -.14 -.61 -.69 Sozialkontakt 11.0 12.5 2.9 2.6 .39/ .79 .31/ .81 .82 .82 -.40 -.30 -.29 -.19 -.56 -.66 Anstrengungsbereitschaft 10.3 11.9 3.8 3.2 .69/ .86 .72/ .80 .92 .91 -.67 -.46 -.65 -.42 -.77 -.63 Konzentration 9.5 11.1 4.1 3.6 .79/ .88 .75/ .88 .94 .93 -.72 -.46 -.66 -.41 -.80 -.62 Selbstständigkeit 10.4 11.6 3.8 3.5 .75/ .87 .79/ .87 .94 .93 -.70 -.44 -.67 -.41 -.75 -.60 Sorgfalt 11.0 13.0 3.8 2.8 .78/ .83 .70/ .82 .93 .91 -.53 -.40 -.41 -.35 -.69 -.61 Sozialverhalten 63.0 73.8 17.3 14.8 .38/ .84 .97 -.47 -.33 -.65 -.76 Lernverhalten 41.2 47.4 14.3 12.1 .67/ .87 .97 -.71 -.64 -.82 -.67 Tab. 1: Mittelwerte (M), Streuungen (SD), minimale und maximale part-whole korrigierte Trennschärfen (r it ; min/ max) und Homogenitätskennwerte (Cronbachs a ) der theoretisch postulierten LSL-Skalen und der beiden Bereichsskalen (Sozialverhalten, Lernverhalten) unserer Stichprobe (neu) sowie der LSL-Manualstichprobe (LSL) ergänzt um die Korrelationen mit den Fachzensuren in Deutsch und Mathematik sowie den Kopfnoten im Arbeitsverhalten (AV) und im Sozialverhalten (SV) beider Stichproben Anmerkungen: Alle Korrelationskoeffizienten statistisch bedeutsam von Null verschieden (p < .05). m: männlich; w: weiblich Lehrerbeurteiltes Schülerverhalten 153 Validierungsskalen Globaleinschätzungen KO SK EI SB AN KON SE SO KO SW SK EI SB SOK AN KON SE SO Kooperation (KO) .73 .63 .74 .44 .51 .46 .58 .50 .77 .63 .61 .67 .43 .66 .50 .50 .43 .49 Selbstwahrnehmung (SW) .79 .65 .81 .53 .59 .54 .66 .55 .69 .73 .69 .67 .56 .65 .61 .58 .52 .56 Selbstkontrolle (SK) .65 .83 .75 .31 .48 .45 .53 .52 .63 .61 .72 .56 .37 .53 .50 .50 .39 .49 Einfühlung/ Hilfsbereitschaft (EI) .80 .49 .82 .45 .43 .41 .50 .43 .65 .58 .51 .78 .48 .64 .48 .43 .36 .42 Selbstbehauptung (SB) .74 .70 .78 .54 .61 .51 .67 .60 .66 .66 .68 .60 .54 .61 .60 .58 .51 .57 Sozialkontakt (SOK) .80 .60 .79 .49 .51 .46 .58 .57 .73 .65 .62 .71 .52 .74 .54 .51 .42 .52 Anstrengungsbereitschaft (AN) .61 .58 .61 .47 .84 .69 .83 .79 .55 .60 .62 .44 .47 .44 .86 .84 .83 .77 Konzentration (KON) .62 .56 .60 .54 .86 .69 .85 .81 .52 .63 .63 .38 .50 .44 .85 .85 .82 .78 Selbstständigkeit (SE) .62 .53 .57 .54 .81 .65 .86 .76 .52 .63 .59 .40 .51 .46 .80 .82 .87 .72 Sorgfalt (SO) .64 .55 .63 .35 .74 .62 .75 .87 .49 .56 .61 .47 .39 .47 .74 .71 .57 .80 Sozialverhalten .87 .75 .91 .55 .62 .51 .69 .63 .80 .76 .75 .77 .54 .72 .63 .59 .52 .60 Lernverhalten .68 .59 .65 .58 .88 .70 .89 .86 .59 .67 .67 .46 .51 .50 .88 .88 .83 .84 Tab. 2: Korrelationen der zehn theoretisch postulierten LSL-Skalen und der beiden Bereichsskalen (Sozialverhalten, Lernverhalten) mit den Validierungsskalen lehrerbeurteilten Schülerverhaltens und den zehn LSL-Globaleinschätzungen Anmerkung: Fett: auf Skalenebene konvergente Korrelationskoeffizienten; alle Korrelationskoeffizienten statistisch bedeutsam von Null verschieden (p < .05) 154 Jörn R. Sparfeldt et al. Validierungsskalen Die konvergenten Korrelationskoeffizienten der LSL-Skalen mit den Validierungsskalen waren substanziell positiv (r ≥ .54; Tabelle 2). Abgesehen von den niedrigeren Zusammenhängen mit „Selbstbehauptung“ lagen die Beziehungen zu den Validierungsskalen des identischen Bereichs (z. B. „Kooperation“ zu den weiteren Sozialverhaltensskalen) im Wesentlichen in vergleichbarer Größenordnung wie die konvergenten Koeffizienten, während die Beziehungen zu den Validierungsskalen des jeweils anderen Bereichs (z. B. „Kooperation“ zu den Lernverhaltensskalen) in der Regel substanziell niedriger ausfielen. LSL-Globaleinschätzungen Faktorenanalyse Die konfirmatorische Analyse mit den beiden den Bereichen entsprechenden Faktoren wies eine (beinahe) akzeptable Anpassung auf (TLI = .92; CFI = .95; RMSEA = .10; c ² = 273.7, df = 34; Faktorkorrelation: r = .73). Dies gilt - theorieentsprechend - nicht für das aufgrund der hohen Korrelation ebenfalls ergänzend berechnete Generalfaktormodell (TLI = .69; CFI = .80; RMSEA = .20; c ² = 972.7, df = 35; ∆c ² = 699.0, ∆ df = 1, p < .01). Beziehungen zur Original-LSL Die substanziellen konvergenten Korrelationen (.54 ≤ r ≤ .87) zeigen, dass ein hoher Anteil der LSL-Variabilität durch die Globaleinschätzungen (ein einziges Item pro Skala) aufgeklärt werden konnte (vgl. Tab. 2). Diese konvergenten Korrelationskoeffizienten (z. B. Globaleinschätzung „Kooperation“ mit der LSL- Skala r = .77) waren numerisch größer als die entsprechenden diskriminanten Koeffizienten (Ausnahmen sind die Beziehungen mit „Selbstbehauptung“ sowie die identische Korrelation von LSL-Konzentration mit den Globaleinschätzungen „Konzentration“ und „Anstrengungsbereitschaft“). Innerhalb der diskriminanten Koeffizienten resultierte zudem ein Muster: Die diskriminanten Koeffizienten eines Globalbereichs fielen häufig vergleichbar oder numerisch nur geringfügig niedriger als die konvergenten aus (z. B. Globaleinschätzung „Kooperation“ mit den LSL-Sozialverhaltensskalen -.63 ≤ r ≤ .73 - und LSL-Kooperation mit den weiteren Globaleinschätzungen des Sozialverhaltens - .43 [Selbstbehauptung] ≤ r ≤ .67), die diskriminanten Koeffizienten verschiedener Bereiche deutlich niedriger (z. B. Globaleinschätzung „Kooperation“ mit LSL-Arbeitsverhaltensskalen - .49 ≤ r ≤ .55 - und LSL-Kooperation mit weiteren Globaleinschätzungen des Arbeitsverhaltens - .43 ≤ r ≤ .50). Beziehungen zu Zensuren und Validierungsskalen Die Zusammenhänge einerseits der Original- LSL und andererseits der LSL-Globaleinschätzungen mit den weiteren Variablen geben Hinweise auf eventuelle differenzielle kriteriumsbezogene Validitäten beider Operationalisierungen. Differieren die Korrelationskoeffizienten (q; vgl. Cohen, 1988) der LSL mit den Außenvariablen „Zensuren“ und „Validierungsskalen“ nicht von den zugeordneten Korrelationskoeffizienten der Globaleinschätzungen mit diesen Außenvariablen, sind beide Operationalisierungen des Lern- und Arbeitsverhaltens diesbezüglich äquivalent (vgl. Tab. 3). Mittelgroße Effekte (q ≥ .30) zeigten sich in lediglich vier (von 120) Fällen: Die Original-LSL-Skala „Selbstbehauptung“ korrelierte enger mit den Validierungsskalen „Selbstkontrolle“ und „Einfühlungsvermögen“ sowie der Sozialverhaltens-Kopfnote (aufgrund der umgekehrten Polung von Zensuren hier mit negativem Vorzeichen). Außerdem hing die Original-LSL-Skala „Selbstkontrolle“ enger mit der Validierungsskala „Selbstkontrolle“ zusammen. Weiterhin resultierten häufiger kleine Effekte und vergleichbare Korrelationskoeffizienten. Lehrerbeurteiltes Schülerverhalten 155 Zensur Validierungsskalen Ma De AV SV KO SK EI SB AN KON SE SO Kooperation (KO) .02 -.01 .00 -.02 -.04 .03 -.21 .01 .04 .07 .04 .04 Selbstwahrnehmung .02 .05 -.02 -.13 .20 .10 .24 -.03 .02 .05 -.04 -.03 Selbstkontrolle (SK) .19 .22 .18 -.06 .02 .38 .12 -.14 -.20 -.13 -.26 -.22 Einfühlung/ Hilfsbereitschaft (EI) -.04 -.06 -.05 -.02 .13 -.10 .00 .11 .08 .08 .06 .04 Selbstbehauptung (SB) .02 -.03 -.17 -.38 .19 .44 .38 -.14 .24 .24 .22 .25 Sozialkontakt .02 -.04 -.11 -.12 .15 .18 .14 .04 .13 .12 .13 .14 Anstrengungsbereitschaft (AN) -.13 -.05 .00 -.02 .00 .03 -.02 .00 -.03 .00 .03 -.06 Konzentration (KON) -.10 -.08 -.08 -.03 .09 .03 .06 .12 .17 -.08 .07 .13 Selbstständigkeit (SE) -.02 -.02 -.11 -.12 .15 .07 .11 .05 .11 .03 .22 .13 Sorgfalt (SO) .13 .12 .08 -.06 .08 -.04 .09 -.02 -.09 -.02 .00 .04 Tab. 3: Effektstärke q zur Quantifizierung der Korrelationsdifferenzen der zehn LSL-Globaleinschätzungen und der zehn Original-LSL-Skalen mit den Fachzensuren, Kopfnoten und Validierungsskalen (Original-LSL minus Globaleinschätzung) Anmerkungen: Ma: Mathematik; De: Deutsch; AV: Arbeitsverhalten; SV: Sozialverhalten 156 Jörn R. Sparfeldt et al. Diskussion Unsere Hauptbefunde lassen sich knapp zusammenfassen: (1) Die psychometrischen Kennwerte der LSL- Skalen von Petermann & Petermann (2006) können in ihrer Größenordnung repliziert werden. (2) Die LSL ist mit zehn Skalen klar überdifferenziert: Konfirmatorische Faktorenanalysen auf Itemebene ergaben unbefriedigende Passungen; auf Skalenebene kann eine Aufspaltung in die beiden höher korrelierenden Bereiche „Arbeitsverhalten“ und „Sozialverhalten“ angenommen werden. (3) Bezogen auf die kriteriumsbezogene Validierung werden die Manualbefunde hinsichtlich der Fachzensuren repliziert sowie hinsichtlich entsprechender Validierungsskalen und Kopfnoten erweitert. Neben Hinweisen auf konvergente Validität (Kopfnoten sowie - erwartungsgemäß - mit den Validierungsskalen, die ähnliche Konstrukte erfassen sollten) mangelt es jedoch an diskriminanter Validität innerhalb der Skalen der Bereiche (nicht jedoch der Skalen zwischen den Bereichen). (4) Die von uns administrierten Ein-Item-Globaleinschätzungen pro LSL-Skala sind psychometrisch mit den LSL-Skalen weitgehend vergleichbar, aber bei akzeptabler Validität erheblich ökonomischer und deshalb aus praktischen Gesichtspunkten vorzuziehen. Ist das mittlere Abstraktionsniveau der LSL für viele Fragestellungen angemessen? Die Schaffung eines gemeinsamen Begriffsverständnisses kann Missverständnisse zwischen Lehrern und Eltern verhindern helfen. Doch dürfte der „gute Beratungslehrer“ hochinferente Verhaltensbeschreibungen ohnehin mit konkreten Verhaltensepisoden veranschaulichen. Hier ist der Nutzen der LSL vermutlich gering (auch wegen der Überdifferenzierung; doch vgl. Petermann, Petermann, Büttner & Krause-Leipoldt, 2008). Außerdem kann mit den 50 LSL-Items kaum mehr Information als mit den von uns konzipierten zehn Globalitems abgeschöpft werden. Die Globalitems sind hochinferent formuliert und können somit keine weiterführende Information liefern, will man Veränderungen in konkreten Verhaltensweisen aufzeigen. Dies trifft aber vergleichbar auch auf viele LSL-Items zu - und, mehr noch, auf alle LSL- Skalenwerte, die somit auch nicht informationshaltiger sind. Unsere Befunde wurden anhand von Dritt- und Viertklässlern gewonnen, der Übergang in weiterführende Schulen zeichnet sich ab. Valide und ökonomische standardisierte Instrumente mit einer Operationalisierung angemessenen Lern- und Sozialverhaltens könnten helfen, entsprechende Empfehlungen zu verbessern. Unsere Ergebnisse wecken Zweifel an solch positiven Effekten beim Einsatz der LSL. Es wäre eine reizvolle Aufgabe für die Testautoren, diese Zweifel und Schwächen mit ergänzenden Studien überzeugend auszuräumen und empirisch zu belegen, dass die LSL das hält, was ihre Autoren versprechen. Die von uns untersuchten Lehrer waren motiviert, engagiert und interessiert daran, inwieweit eine Einschätzliste hilfreich sein kann. Informelle Rückmeldungen thematisierten, die LSL sei für die Praxis viel zu aufwendig. Hinzu kommt, dass insgesamt 24 der von uns untersuchten Lehrkräfte ihre bis zu zehn zufällig aus ihrer Klasse ausgewählten Schüler bezüglich einzelner Items (über diese 24 Lehrkräfte in insgesamt 31 Items) identisch, d. h. ohne Varianz einschätzten. Ob dies ein grundsätzlicher Mangel der Itemformulierungen oder z. B. dem untersuchten Altersbereich geschuldet ist, bleibt zu klären. Unsere Befunde basieren zudem auf lehrerweise z-standardisierten Werten zur Kontrolle eventueller Bezugsrahmeneffekte; im LSL-Manual findet sich zum dort diesbezüglich gewählten Vorgehen kein Hinweis. Doch ein Vergleich der dargestellten, auf z-standardisierten Werten basierenden Befunde mit ergänzend berechneten Befunden, die auf den nicht-z-standardisierten Rohwerten unserer Daten basierten, führte zu vergleichbaren Interpretationen: So differierten Lehrerbeurteiltes Schülerverhalten 157 beispielsweise die Koeffizienten der Interkorrelationsmatrix der zehn LSL-Skalen kaum (-.10 ≤ q ≤ .06; q Median = -.03). Noch ungeklärt ist die Frage der Kontextabhängigkeit des mit der LSL erfassten Verhaltens (vgl. z. B. Arnold & Jürgens, 2001). Die in Items wie „Arbeitet ohne Unterbrechungen“ thematisierten Aspekte dürften mit dem jeweiligen Beobachtungskontext (z. B. Fach, Lehrkraft, Sozialform, Unterrichtsmethodik) variieren. Aber auch zur Beurteilerübereinstimmung - Kernkriterium „guter“ Verhaltensbeobachtungssysteme - fehlen im Manual Angaben, wie auch Gerber (2009) konstatiert. Bei uns waren die Skalenbezeichnungen der LSL nicht über den Items einer Skala, sondern am Ende abgedruckt. Diese geringfügige Modifikation dürfte die Ergebnisse nicht substanziell beeinflusst haben, wie die Replikation vieler Manualbefunde zeigt. Im Übrigen sollten solche (minimalen) Veränderungen keinen bedeutsamen Anteil der (systematischen) Varianz in diagnostischen Instrumenten aufklären (vgl. z. B. Sparfeldt, Schilling, Rost & Thiel, 2006); andernfalls wären massive Zweifel an der Validität angebracht. Abschließend sei angemerkt, dass eine einzelfallorientierte differentielle Profilinterpretation der zehn LSL-Skalen (über die deutlich korrelierenden Bereiche „Lernverhalten“ und „Sozialverhalten“ hinausgehend, vgl. das Auswertungsbeispiel bei Petermann & Petermann, 2006, S. 22 - 23) zum einen wegen der zu hohen Skaleninterkorrelationen und zum anderen beim jetzigen unbefriedigenden Stand der Validierung nicht vorgenommen werden sollte. Das gilt wegen des hohen Zusammenhangs auch für den Versuch, Diskrepanzen zwischen den Bereichen „Lernverhalten“ und „Sozialverhalten“ zu interpretieren. Dem an anderer Stelle gezogenen positiven Fazit der Testautoren zur LSL („eines im Schulbereich bewährten und ökonomischen Verfahrens“, Petermann; Petermann & Krummrich, 2008, S. 117; Hervorhebung von uns) können wir uns leider nicht anschließen. Literatur Arbeitsgruppe Deutsche Child Behavior Checklist (1993). Lehrerfragebogen über das Verhalten von Kindern und Jugendlichen; deutsche Bearbeitung der Teacher’s Report Form der Child Behavior Checklist (TRF). Einführung und Anleitung zur Handauswertung, bearbeitet von M. Döpfner & P. Melchers. Köln: Arbeitsgruppe Kinder-, Jugend- und Familiendiagnostik (KJFD). Arnold, K. H. & Jürgens, E. (2001). Schülerbeurteilung ohne Zensuren. Neuwied: Luchterhand. Brohm, M. (2009). Sozialkompetenz und Schule. 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Rost Rayk Schleebusch Anna-Luisa Heise Philipps-Universität Marburg Fachbereich Psychologie Gutenbergstraße 18 35032 Marburg E-Mail: rost@staff.uni-marburg.de Tel.: (0 64 21) 2 82 17 27 Fax: (0 64 21) 2 82 39 10 Erratum In Heft 1/ 2012 auf S. 75 ist ein Fehler in der Überschrift der linken Spalte in Tabelle 3 (Lernförderliche Faktoren mit relativ geringen Effektstärken nach Hattie [2009]) aufgetreten. Sie muss richtig lauten: Was hilft ein wenig? Der Autor bittet, das Versehen zu entschuldigen.