Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/peu2012.art09d
3_059_2012_2/3_059_2012_2.pdf41
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Wie gehen Erwachsene mit dem Lachen und Auslachen um?
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Yves S. Weibel
René T. Proyer
Untersucht wird der Zusammenhang zwischen erinnerten sozialen Unterstützungs- und Belastungsfaktoren in Kindheit und Jugend durch Familie, Lehrer und Gleichaltrige mit der Ausprägung der Angst vor dem Ausgelachtwerden (Gelotophobie), der Freude am Ausgelachtwerden (Gelotophilie), der Freude daran, andere auszulachen (Katagelastizismus) sowie zur Lebenszufriedenheit im Erwachsenenalter (N = 288; die Daten wurden online erhoben). Höhere erinnerte Unterstützung ging mit geringeren Werten in Gelotophobie und höheren in Gelotophilie einher (keine Beziehung zu Katagelastizismus). Ebenso ging höhere erinnerte Unterstützung mit höherer Lebenszufriedenheit einher. Für die Angst vor dem Ausgelachtwerden schien vor allem die Unterstützung durch Gleichaltrige gefolgt von jener durch die Eltern von großer Bedeutung zu sein. Geringere erinnerte Unterstützung durch Lehrer hing nur in geringem Ausmaß mit Gelotophobie zusammen, sodass den Lehrern hier keine zentrale Rolle zuzukommen scheint. Allerdings fand sich, dass Unterstützung durch Lehrer (ebenso wie jene durch Eltern oder Gleichaltrige) mit höherer Lebenszufriedenheit einherging. Die Studie zeigt robuste Zusammenhänge zwischen sozia¬len Unterstützungs- und Belastungsfaktoren und Reaktionen auf den Umgang mit (Aus-)Lachen und Ausgelachtwerden im Erwachsenenalter.
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n Empirische Arbeit Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2012, 59, 81 - 92 DOI 10.2378/ peu2012.art09d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Wie gehen Erwachsene mit dem Lachen und Auslachen um? Zur erinnerten Rolle von Lehrern, Familie und Gleichaltrigen Yves S. Weibel, René T. Proyer Universität Zürich, Schweiz How Do Adults Deal with Laughter and Being Laughed at? The Remembered Role of Teachers, Family and Peers Summary: This study deals with remembered social support and strain in childhood and youth from family, peers, and teachers and its relations to the fear of being laughed at (gelotophobia), the joy of being laughed at (gelotophilia), the joy of laughing at others (katagelasticism) and satisfaction with life in adults (N = 288; data were collected in an online study). Higher remembered support was associated with lower scores in gelotophobia and higher expressions in gelotophilia (and existed independently from katagelasticism). Higher remembered support was also associated with greater life satisfaction. Gelotophobia was primarily related to lower support from peers and to a lesser degree from parents. Lower support from teachers was only marginally related to gelotophobia and it was concluded that they do not play a major role for the expression of gelotophobia. However, remembered support from teachers (as well as support from parents and peers) was related to higher satisfaction with life. Overall, remembered social support seems to be robustly related to the way people deal with ridicule and being laughed at as adults. Keywords: Bullying, gelotophobia, humor, laughing, social support Zusammenfassung: Untersucht wird der Zusammenhang zwischen erinnerten sozialen Unterstützungs- und Belastungsfaktoren in Kindheit und Jugend durch Familie, Lehrer und Gleichaltrige mit der Ausprägung der Angst vor dem Ausgelachtwerden (Gelotophobie), der Freude am Ausgelachtwerden (Gelotophilie), der Freude daran, andere auszulachen (Katagelastizismus) sowie zur Lebenszufriedenheit im Erwachsenenalter (N = 288; die Daten wurden online erhoben). Höhere erinnerte Unterstützung ging mit geringeren Werten in Gelotophobie und höheren in Gelotophilie einher (keine Beziehung zu Katagelastizismus). Ebenso ging höhere erinnerte Unterstützung mit höherer Lebenszufriedenheit einher. Für die Angst vor dem Ausgelachtwerden schien vor allem die Unterstützung durch Gleichaltrige gefolgt von jener durch die Eltern von großer Bedeutung zu sein. Geringere erinnerte Unterstützung durch Lehrer hing nur in geringem Ausmaß mit Gelotophobie zusammen, sodass den Lehrern hier keine zentrale Rolle zuzukommen scheint. Allerdings fand sich, dass Unterstützung durch Lehrer (ebenso wie jene durch Eltern oder Gleichaltrige) mit höherer Lebenszufriedenheit einherging. Die Studie zeigt robuste Zusammenhänge zwischen sozialen Unterstützungs- und Belastungsfaktoren und Reaktionen auf den Umgang mit (Aus-)Lachen und Ausgelachtwerden im Erwachsenenalter. Schlüsselbegriffe: Bullying, Gelotophobie, Humor, Lachen, soziale Unterstützung 82 Yves S. Weibel et al. Wie gehen Erwachsene mit dem Lachen und Auslachen um? Zur erinnerten Rolle von Lehrern, Familie und Gleichaltrigen Humor und Lachen sind im Allgemeinen positiv konnotiert, werden aber nicht immer positiv eingesetzt und wahrgenommen (z. B. Sarkasmus oder Auslachen). In der Literatur gibt es Hinweise auf Menschen, die eine stabile und extreme Angst vor dem Ausgelachtwerden aufweisen (sog. Gelotophobie; s. Ruch & Proyer, 2008 a). Gelotophobiker haben Schwierigkeiten, Humor und Lachen positiv, freudvoll oder entspannend wahrzunehmen. Das Lachen anderer Menschen weckt bei ihnen aversive Reize. Sie empfinden das Lachen und Lächeln anderer Menschen als „Angriff“ oder Strategie, die diese einsetzen, um sie herabzusetzen. Das Lachen anderer Menschen beziehen Gelotophobiker häufig ohne für Außenstehende erkennbaren Grund auf sich. Sie empfinden sich selbst als lächerlich und sehen darin auch den Grund für das Lachen der anderen (vgl. Ruch, 2009; Titze, 2009). Auch wenn Humor und Lachen gemeinhin positiv wahrgenommen werden, können beide doch auch negativ eingesetzt werden. Ein Beispiel dafür wären Fälle von Bullying in der Schule oder im Berufsleben (i. S. von Auslachen, Verspotten). Bullying ist ein im schulischen Kontext relevantes Phänomen (Schäfer & Albrecht, 2004). Aktuelle Studien zeigen, dass die Auswirkungen von Bullying bei einigen Personen bis hin zu Posttraumatischen Belastungsstörungen reichen können (Kreiner, Sulyok & Rothenhäusler, 2008). Eine Reihe von Studien hat sich dem Zusammenhang von Gelotophobie und Erfahrungen mit Bullying gewidmet. Opfer von Bullying erzielten beispielsweise bei Platt und Ruch (2009) höhere Werte in der Angst vor dem Ausgelachtwerden als Personen ohne entsprechende Erfahrungen (vgl. Platt, Proyer & Ruch, 2009). Platt und Kollegen diskutieren, ob Gelotophobiker in manchen Fällen einem „Fehlalarm“ unterliegen; also als humorvoll gemeinte Bemerkungen anderer (z. B. ArbeitskollegInnen, MitschülerInnen) als Bullying missinterpretieren. Dies trifft keinesfalls auf alle Fälle zu und diese Ergebnisse lassen nicht den Schluss zu, dass Opfer von Bullying lediglich höhere Angst vor dem Ausgelachtwerden haben. Allerdings stellt sich die Frage, welche Rolle humorbezogene Fehlwahrnehmungen bei manchen der Fälle und auch den damit verbundenen möglichen Konsequenzen spielen können. Fehlerhafte Interpretationen könnten sich etwa auf Bemerkungen humoristischen Inhalts beziehen oder auf Situationen, in denen sich andere gar nicht dessen bewusst sind, dass ihr Lachen (oder Lächeln) als Auslachen interpretiert werden könnte (z. B. in einem Restaurant, wenn Gelotophobiker das Lachen anderer Gäste auf sich beziehen). Jüngst hat Führ (2010) die erste Arbeit zu Gelotophobie bei Kindern und Jugendlichen vorgelegt. Mehr als 1000 dänischen 11 - 16-Jährigen hat er dabei auch Fragen zu Erfahrungen mit Bullying gestellt. Führ berichtet eine, mit Erwachsenen vergleichbare, Korrelation von r(1302) = .33 (p < .001) mit der Angst vor dem Ausgelachtwerden. Das bedeutet, dass diese Zusammenhänge bereits im Jugendalter zu bestehen scheinen. Allerdings fehlen noch Daten aus Längsschnittstudien, die kausale Beziehungen genauer beschreiben könnten. Denkbar sind unterschiedliche Beziehungen. Man kann etwa annehmen, dass Gelotophobiker Humor und Lachen anderer missverstehen und als Auslachen interpretieren; durch ihr auffälliges Verhalten (übervorsichtig, distanziert, ungeschickt) laden Gelotophobiker geradezu dazu ein, dass andere sie als Opfer entdecken, was zu vermehrten Erfahrungen mit Bullying führen kann; weiter kann man auch argumentieren, dass Opfer von Bullying mehr Gelotophobie als Folge ihrer negativen Erfahrungen entwickeln. Bezogen auf den Schulalltag berichtet Führ (2010) auch Daten zu Absenzen von der Schule und dem Wunsch, der Schule fern zu bleiben. Jene SchülerInnen erzielten die höchsten Werte in Gelotophobie, die häufig darüber nachdenken, der Schule fern zu bleiben, aber tat- Umgang mit Lachen und Auslachen 83 sächlich wenige Fehlzeiten aufwiesen. Auffallend war, dass die Zahl gelotophober Kinder und Jugendlicher wesentlich größer war als jene, die für dänische Erwachsene berichtet wird (Führ, Proyer & Ruch, 2009). Titze (2009), der die ersten Fallgeschichten zur Gelotophobie veröffentlicht und den Begriff in die Literatur eingeführt hat, nimmt an, dass unter anderem wiederholte, traumatische Erfahrungen mit dem Ausgelachtwerden in Kindheit und Jugend das Auftreten gelotophober Auffälligkeiten begünstigen. Er beschreibt eine Reihe von Konsequenzen, die unter anderem auch reduzierte Lebenszufriedenheit beinhalten (vgl. Proyer, Ruch & Chen, 2012). Dafür, dass intensive Erfahrungen mit Hänseleien (teasing) in Kindheit und Jugend Auswirkungen bis hin ins Erwachsenenalter haben können, finden sich eine Reihe von Belegen in der Literatur. So fanden Faith und Kollegen (2008) in einer Stichprobe Erwachsener (18 - 86 Jahre), dass das erinnerte Gehänseltwerden (teasing) in der Kindheit (in den Bereichen akademische Leistung, soziale Aspekte und Aspekte der äußeren Erscheinung) mit späteren Symptomen von Depressivität, Ängstlichkeit und Einsamkeit einhergeht (vgl. Edwards, Martin & Dozois, 2010). Daraus ergeben sich Hinweise darauf, dass die erlebte soziale Unterstützung oder Belastungen in Kindheit und Jugend (z. B. Erfahrungen mit dem Gehänseltwerden und/ oder Ausgelachtwerden vs. unterstützende Erfahrungen) einen Einfluss darauf haben könnten, wie Erwachsene mit dem Lachen anderer Menschen umgehen. Ruch und Proyer (2008 b; Ruch, 2009; Ruch & Proyer, 2009 a) vertreten einen dimensionalen Ansatz zur Gelotophobie, der aus früheren Überlegungen von Gelotophobie als kategoriales (klinisches) Konstrukt (vgl. Titze, 2009) entwickelt wurde. In einer Vielzahl von Studien wurde gezeigt, dass das Merkmal auch in einem nicht-klinischen Kontext valide ist und reliabel erfasst werden kann. Standardmäßig erfolgt dies über den GELOPH<15> (Ruch & Proyer, 2008 b; s. a. Proyer et al., 2009). Die Autoren arbeiten mit (empirisch ermittelten) cut-off-Werten, die eine Kategorisierung in keine Gelotophobie (Mittelwerte < 2.50), sowie in leichte (M < 3.00), mittlere (M < 3.50) und extreme (M ≥ 3.50) Ausprägungen erlauben. Ruch und Proyer (2008 b) fanden in einer (nicht klinischen) Stichprobe deutscher Erwachsener 11.65 % Gelotophobiker. Gelotophobie weist Ähnlichkeiten mit angstbezogenen Merkmalen auf. Bei Carretero-Dios und Kollegen (2010) korrelierten Skalen zur sozialen Angst, zur Angst vor negativer Bewertung sowie zur Gelotophobie zwar hoch, luden aber auf drei (den theoretisch erwarteten) voneinander gut abgrenzbaren Faktoren (exploratorisch, konfirmatorisch). Es handelt sich also nicht um austauschbare oder redundante Merkmale. Darüber hinaus gibt es auch experimentelle Belege, die die Validität des Merkmals Gelotophobie stützen (vgl. Ruch, Altfreder & Proyer, 2009). Gelotophobie, Gelotophilie und Katagelastizismus Davon ausgehend, dass das Empfinden von Angst nicht die einzige mögliche Reaktion auf das Lachen anderer Menschen ist, haben Ruch und Proyer (2009 b) eine Studie durchgeführt, um andere (affektive) Reaktionen empirisch zu beschreiben. Es fanden sich Menschen, die geradezu Freude daran empfinden, ausgelacht zu werden (Gelotophilie). Gelotophile suchen aktiv Situationen, in denen sie andere über sich zum Lachen bringen können (z. B. etwas Peinliches zum allgemeinen Gelächter genussvoll erzählen). Es bereitet ihnen Freude, andere Menschen z. B. durch Geschichten von peinlichen Missgeschicken zum Lachen zu bringen. Hier ist etwa an den Klassenkasper in der Schule zu denken oder an Menschen, die auch ihr peinlichstes Erlebnis so genüsslich ausschlachten, dass alle herzhaft darüber lachen. Weiter beschreiben Ruch und Proyer (2009 b) Personen, die Freude daran haben, andere Menschen auszulachen (Katagelastizisten; kategelao = gr. auslachen). Katagelastizisten versuchen aktiv solche Situationen herzustellen, in denen sie andere Menschen auslachen kön- 84 Yves S. Weibel et al. nen. Sie genießen das und empfinden dabei kein schlechtes Gewissen - wen es stört, ausgelacht zu werden, der/ die muss sich eben wehren! Hier ist an Personen zu denken, die bereit sind für einen „Lacher“ Grenzen zu überschreiten und dabei auch verletzend sein können; eine Regelverletzung nehmen sie in Kauf. Ruch und Proyer (2009 b) haben einen Fragebogen (PhoPhiKat-45) entwickelt, der die Erfassung der drei beschriebenen Merkmale, psychometrisch gut abgesichert erlaubt. Bislang gibt es keine empirischen Daten dazu, wie sich (erinnerte) soziale Belastung oder Unterstützung im Jugendalter dahin gehend auswirkt, wie Erwachsene mit dem Lachen und Auslachen umgehen. Ruch und Proyer (2009 b) berichten Ergebnisse zum Zusammenhang zwischen erinnerten Erlebnissen des Ausgelachtwerdens durch Vater, Mutter und gleichaltrige Freunde (jeweils für Häufigkeit und Intensität) in Kindheit und Jugend. Gelotophobie war mit häufigeren und intensiveren Erinnerungen an das Ausgelachtwerden verbunden (in Kindheit und Jugend; vor allem vonseiten des Vaters). Während sich für Gelotophilie keine bedeutsamen Zusammenhänge fanden, berichteten Katagelastizisten, von (gleich- und gegengeschlechtlichen) Gleichaltrigen in Kindheit und Jugend ausgelacht worden zu sein. Die vergleichsweise geringe Höhe der Koeffizienten legte allerdings nahe, dass diese Erfahrungen die Entstehung und Aufrechterhaltung der Dispositionen im Umgang mit dem (Aus-)Lachen nicht vollends erklären können. Die Ergebnisse sind als Hinweise darauf zu verstehen, dass das Verhalten der Eltern bzw. von Freunden einen Einfluss darauf haben könnte, wie Menschen mit dem Lachen anderer und dem Auslachen umgehen. Ziel der vorliegenden Studie ist es, die Zusammenhänge zwischen subjektiv erinnerter Unterstützung in Kindheit und Jugend durch Familie (Eltern, Geschwister), Gleichaltrige (Freunde, Mitschüler, romantische Beziehungen) und Lehrer mit Gelotophobie, Gelotophilie und Katagelastizismus im Erwachsenenalter ( ≥ 18 Jahre) zu untersuchen und dabei auch die Rolle der Lebenszufriedenheit zu thematisieren. Es wird ein Zusammenhang zwischen geringerer Unterstützung und höheren Ausprägungen in Gelotophobie erwartet. Darüber hinaus legen Einzelfallbeobachtungen zur Gelotophobie nahe, dass der Beziehung zu den Eltern eine besondere Bedeutung hinzukommt (Titze, 2009). Demgegenüber wird ein positiver Zusammenhang zwischen Gelotophilie und sozialer Unterstützung erwartet. Es wird angenommen, dass Personen, die in einer unterstützenden Umgebung aufgewachsen sind, weniger Schwierigkeiten damit haben, eigene Missgeschicke, peinliche Erlebnisse oder Ähnliches auf humorvolle Art mit anderen Menschen zu teilen - und deren Lachen zu genießen. Bei Katagelastizisten wird davon ausgegangen, dass sie in einer eher weniger unterstützenden Umgebung aufgewachsen sind, in vergleichsweise geringerem Ausmaß über soziale Fertigkeiten verfügen und daher beim Lachen mit anderen und über andere Menschen eher dazu neigen, Grenzen zu überschreiten. Weiter wird angenommen, dass ein höheres Maß an erinnerter Unterstützung auch mit höherer Lebenszufriedenheit einhergeht. Darüber hinaus werden aus der Literatur abgeleitete Annahmen zum Zusammenhang zwischen Lebenszufriedenheit und den drei Merkmalen im Umgang mit dem (Aus-)Lachen getestet. Für Gelotophobie gibt es bereits empirische Daten, die einen negativen Zusammenhang zur Lebenszufriedenheit zeigen (Proyer et al., 2012). Dies deckt sich gut mit theoretischen Annahmen (vgl. Titze, 2009). Darüber hinaus geht höhere Angst vor dem Ausgelachtwerden mit geringerem Erleben von Freude einher (vgl. Platt, 2008; Platt & Ruch, 2009). Es wird angenommen, dass Gelotophobiker im Alltag weniger positive Emotionen erleben können, was den Aufbau potenzieller Ressourcen beeinträchtigen kann (Fredrickson, 2001) und so ebenfalls zur reduzierten Lebenszufriedenheit beiträgt. Das gegenteilige Muster wird für Gelotophilie angenommen, wo die häufigen Erfahrungen mit dem Lachen mit dem Erleben Umgang mit Lachen und Auslachen 85 positiver Emotionen in Zusammenhang stehen können, was wiederum in Zusammenhang mit höherer Lebenszufriedenheit gesehen wird. Empirische Ergebnisse in Richtung eines positiven Zusammenhangs zur Extraversion und in Richtung emotionaler Stabilität bei Gelotophilen (Proyer et al., 2010) stützt diese Annahmen. Die Beschreibung und Definition von Katagelastizismus deuten in keine eindeutige Richtung; bezogen auf die Lebenszufriedenheit scheinen Ausprägungen in beide Richtungen möglich. Angenommen wird, dass es Katagelastizisten gibt, die andere auslachen und dabei Freude erleben; andere jedoch aus anderen Gründen (z. B. im Sinne einer kompensatorischen Selbsterhöhung oder um die eigene Angst vor dem Ausgelachtwerden zu überdecken; vgl. Ruch & Proyer, 2009), die nicht im Zusammenhang mit Lebenszufriedenheit stehen müssen. Methodik Stichprobe Die Stichprobe bestand aus N = 288 Personen (73.3 % Frauen) zwischen 18 und 73 Jahren (M = 27.96, SD = 10.36). Mehr als ein Drittel der Teilnehmer (34.5 %) hatte eine höhere Schule mit Abitur abgeschlossen, 22.3 % eine Berufsausbildung, 18.6 % eine Universität oder Fachhochschule und 9.5 % die Pflichtschule (9 - 10 Jahre), Universität oder Fachhochschule ohne Abschluss gaben 14.9 % an (von einer Person fehlen Angaben). Erhebungsmethoden Der PhoPhiKat-45 (Ruch & Proyer, 2009 b) erfasst mit je 15 positiv gepolten Items Gelotophobie („Wenn in meiner Gegenwart gelacht wird, werde ich misstrauisch“), Gelotophilie („Ich genieße es, wenn andere Menschen über mich lachen“) und Katagelastizismus („Ich habe Freude daran, andere Menschen bloßzustellen und freue mich, wenn sie ausgelacht werden“; jeweils 1 = „trifft gar nicht zu“ bis 4 = „trifft sehr zu“). Bei Ruch und Proyer zeigte der Pho- PhiKat-45 in einer Konstruktions- und einer Replikationsstichprobe eine stabile Faktorenstruktur sowie hohe Reliabilität ( a ≥ .84) und Stabilität ( ≥ .73 über sechs Monate). Verschiedene Studien unterstützen die Reliabilität, Validität und Nützlichkeit des Instruments (z. B. Proyer, Hempelmann & Ruch, 2009; Ruch, Beermann & Proyer, 2009). Die Lebenszufriedenheit wurde mit einer deutschen Fassung der Satisfaction with Life Scale (SWLS, Diener et al., 1985) erfasst. Die SWLS besteht aus fünf Items zur persönlichen Beurteilung der Lebenszufriedenheit im Allgemeinen (z. B. „In den meisten Bereichen kommt mein Leben meinem Idealbild nahe“; jeweils siebenfach abgestuft von „trifft völlig zu“ bis „trifft überhaupt nicht zu“). Die SWLS ist eines der Standard-Messinstrumente für die Erfassung subjektiver Lebenszufriedenheit. Der Fragebogen zu subjektiv erlebten sozialen Unterstützungs- und Belastungsfaktoren (SEUBF; Weibel, Giger & Proyer, 2008) wurde für diese Studie zusammengestellt. Er besteht aus 122 Items in einem vierfach abgestuften Antwortformat (1 = „trifft gar nicht zu“, bis 4 = „trifft sehr zu“). Neben einem Gesamtwert werden Skalen für Lehrer, Gleichaltrige und Familie (Eltern und Geschwister) berechnet. Ablauf der Studie Der Fragebogen zu subjektiv erlebten sozialen Unterstützungs- und Belastungsfaktoren (SEUBF) wurde zur Erfassung einer möglichst umfassenden Rückschau auf die Kindheit und Jugend entwickelt. Es wurden bestehende Fragebögen für Kinder oder Jugendliche, die Situationen mit Gleichaltrigen, Lehrern sowie Eltern und Geschwistern ansprechen, von zwei unabhängig arbeitenden Personen gesichtet und passende Items ausgewählt. Zusätzliche Fragen wurden generiert, um noch offene Bereiche abzudecken. Alle Fragen wurden von vier Psychologen mit Erfahrung im Bereich der Gelotophobieforschung bewertet und in der Formulierung angepasst. Fragen wurden in den SEUBF aufgenommen, wenn sie (1.) unterstützendes Verhalten beschreiben (z. B. „Meine Eltern lobten mich oft.“); (2.) Zustimmung oder Ablehnung inhaltlich klar interpretiert werden können (z. B. „Meine Eltern sagten oft, ich hätte zwei linke Hände.“); (3.) ersichtlich war, wer die Unterstützung gegeben hat (z. B. „Meine Geschwister halfen mir bei den Hausaufgaben.“); (4.) die Frage aus dem Erlebnisalltag eines/ einer Jugendlichen stammt und von allen Teilnehmern beantwortet werden kann, also nicht einzelfallspezifisch war (z. B. „Meine Mitschüler haben mich ernst genommen“); und (5.) durch die Items sollten möglichst viele Verhält- 86 Yves S. Weibel et al. nisse zu Personen erfasst werden, die unterstützend wirken können. Als letzter Schritt wurde der SEUBF von Studierenden der Psychologie aus höheren Semestern durchgesehen und kommentiert, um missverständliche oder wenig verständliche Formulierungen anpassen zu können. Die Studie wurde online durchgeführt. Die TeilnehmerInnen wurden über verschiedene Quellen angesprochen. Neben E-Mail-Newslettern und Ankündigungen auf der Webseite des Instituts, an dem die Studie durchgeführt wurde, wurde auch in Printmedien für die Studie geworben. So gab es etwa einen Bericht zum Thema „Lachen und Auslachen in der Kindheit und Jugend“ in einer Gratis-Zeitung, die in öffentlichen Verkehrsmitteln aufliegt, bei dem der Link zur vorliegenden Studie veröffentlicht wurde. Die Studie selbst wurde dort zum Thema „Humor, Lachen und Auslachen“ beworben. Zielpersonen waren Menschen über 18 Jahre, weitere Einschränkungen wurden nicht gemacht. Nach Abschluss der Studie haben alle TeilnehmerInnen eine allgemeine Ergebnisrückmeldung sowie für einzelne Verfahren (PhoPhiKat-45, SWLS) eine individuelle Rückmeldung erhalten (per Email zugesandt). Ergebnisse Für alle eingesetzten Fragebögen wurden Reliabilität und Trennschärfekoeffizienten berechnet. Diese Koeffizienten sowie Angaben zur Verteilung der Daten finden sich in Tabelle 1. Die Tabelle zeigt, dass alle Skalen eine hohe Messgenauigkeit (interne Konsistenz) aufwiesen ( ≥ .84) und der Median der Trennschärfekoeffizienten ebenfalls hoch war; z. B. .59 über alle SEUBF-Skalen. Der niedrigste Trennschärfekoeffizient wurde für das Item „Ich war längere Zeit von Zuhause weg (z. B. Internat, Heimaufenthalt etc.)“ gefunden (r = .15), den höchsten Koeffizienten wies das Item „Ich fühlte mich von meinen Mitschülern ausgeschlossen“ (r = .84) auf. Die Kennwerte für Schiefe und Exzess wiesen auf Normalverteilung der Daten hin. Die Interkorrelationen zwischen den SEUBF-Skalen lagen bei r = .26 (Lehrer und Gleichaltrige), r = .38 (Lehrer und Familie) und r =.40 (Familie und Gleichaltrige; alle p < .001); Eltern und Geschwister korrelierten mit r = .50 (p < .001). In Gelotophobie und Gelotophilie gab es keine Geschlechtsunterschiede (p > .05). Männer beschrieben sich als katagelastizistischer als Frauen (M = 2.19 vs. M = 1.91; t(264) = 4.52, p < .01). Numerisch kleine, aber signifikante Zusammenhänge fanden sich zwischen dem Alter und Gelotophobie (r = -.18; p < .01) sowie Gelotophilie (r = -.13; p < .05), nicht aber mit Katagelastizismus (r = -.11; n.s.). Tabelle 2 enthält Korrelationskoeffizienten zum Zusammenhang zwischen Gelotophobie, Items Min Max M SD Schiefe Exzess a M TS SEUBF Gesamt Familie Eltern Geschwister Lehrer Gleichaltrige Gelotophobie Gelotophilie Katagelastizismus SWLS 122 58 39 19 14 50 15 15 15 5 1.74 1.62 1.49 1.32 1.07 1.46 1.07 1.00 1.00 1.00 3.74 3.97 3.97 4.00 3.97 3.74 3.60 3.47 3.53 7.00 2.82 2.93 3.01 2.84 2.73 2.80 2.18 2.30 1.99 4.59 0.38 0.47 0.51 0.55 0.51 0.56 0.66 0.52 0.45 1.36 -0.26 -0.39 -0.58 -0.43 -0.22 -0.39 0.20 -0.15 0.52 -0.54 -0.33 -0.46 -0.18 -0.24 -0.04 -0.78 -0.95 -0.52 0.24 -0.41 .96 .95 .94 .90 .86 .96 .91 .87 .84 .88 0.59 0.52 0.52 0.54 0.62 0.66 0.65 0.55 0.48 0.74 Tab. 1: Psychometrische Kennwerte und Verteilung der verwendeten Fragebogen zu subjektiv erlebten Unterstützungs- und Belastungsfaktoren (SEUBF), Gelotophobie, Gelotophilie und Katagelastizismus (Phophikat-45) sowie Lebenszufriedenheit (SWLS). Anmerkungen: N = 259 - 288, SWLS = Satisfaction with Life Scale, Items = Anzahl Items, Min = Minimum, Max = Maximum, a = Cronbach Alpha, M TS = Median der Trennschärfen Umgang mit Lachen und Auslachen 87 Gelotophilie, Katagelastizismus und den subjektiv erlebten sozialen Unterstützungs- und Belastungsfaktoren. Darüber hinaus auch Korrelationen zwischen Lebenszufriedenheit und den Skalen von PhoPhiKat-45 und SEUBF. Tabelle 2 zeigt, dass die subjektiv eingeschätzte Angst vor dem Ausgelachtwerden umso größer war, je geringer die erinnerte Unterstützung ausgeprägt war. Die SEUBF Gesamtskala wies einen Anteil von knapp 25 % gemeinsam erklärter Varianz mit Gelotophobie auf, wobei der Zusammenhang zu den Gleichaltrigen am höchsten ausgeprägt war. Ein gegenläufiges Bild fand sich für die Gelotophilie, wo sich ein positiver Zusammenhang zur erinnerten Unterstützung zeigte. Für Katagelastizismus fanden sich durchgehend Nullkorrelationen. Alle SEUBF-Skalen waren positiv mit Lebenszufriedenheit korreliert. In ähnlichem Ausmaß korrelierte Gelotophobie negativ und Gelotophilie positiv mit Lebenszufriedenheit (Nullkorrelation bei Katagelastizismus). Partielle Korrelationen, in denen die Einflüsse der einzelnen Skalen auf Gelotophobie und Gelotophilie unabhängig von den anderen Skalen bestimmt wurden, zeigten, dass die Korrelation zu den Gleichaltrigen auch bei Kontrolle der Einflüsse von Familie und Eltern numerisch geringfügig niedriger wurde, sich aber am Gesamtbild nichts änderte (Gelotophobie: r = -.50, Gelotophilie r = .36; p < .001). Die Skala Lehrer alleine korrelierte mit keiner der anderen Skalen (alle p > .05). Die Korrelationen zur Skala Familie ohne Gleichaltrige und Lehrer wurde niedriger (r = -.13 [p < .05] für Gelotophobie und r = .08 [n.s.] für Gelotophilie). In schrittweisen Regressionsanalysen wurde der Frage nachgegangen, inwiefern Gelotophobie, Gelotophilie und Katagelastizismus als Kriterien durch demografische Variablen, die SEUBF-Skalen sowie die jeweils anderen beiden Strategien im Umgang mit dem Lachen vorhergesagt werden können. Dabei wurden in einem ersten Schritt die Variablen Geschlecht, Alter und Bildungsgrad in die Analyse aufgenommen (Methode: enter), in Schritt zwei die SEUBF-Skalen (stepwise) und in Schritt drei die jeweils anderen Skalen aus dem PhoPhi- Kat-45 (stepwise). Für Gelotophobie fand sich ein multipler Korrelationskoeffizient von R 2 = .44 (F[6, 264] = 33.35; p < .001). Im finalen Modell erwiesen sich das Alter ( b = -0.17, p < .01), Unterstützung durch die Familie ( b = -0.14, p < .01), Unterstützung durch Gleichaltrige ( b = -0.39, p < .001) sowie Gelotophilie ( b = -0.26, p < .001) als statistisch signifikante Prädiktoren. Inhaltlich bedeutsam schien allerdings hauptsächlich die erlebte Unterstützung, deren Hinzunahme in der Regression einen großen inkrementellen Anstieg in der Vorhersage der Angst vor dem Ausgelachtwerden leistete ( ∆ R 2 = .27). Ein ähnliches Bild fand sich für die Gelotophilie mit einem Gelotophobie Gelotophilie Katagelastizismus SWLS Gesamt Gesamt Gesamt Frauen Männer Gesamt Gesamt Familie Eltern Geschwister Gleichaltrige Lehrer SWLS -.49*** -.33*** -.33*** -.24*** -.57*** -.18** -.47*** .36*** .23*** .17** .23*** .42*** .13* .38*** .05 .00 .00 .00 .06 .04 .03 .01 -.02 -.03 -.02 .03 .03 -.04 .19 .08 .13 .09 .22 .09 .13 .44*** .35*** .37*** .28*** .37*** .27*** - Tab. 2: Korrelationen der subjektiv erlebten Unterstützungs- und Belastungsfaktoren (SEUBF) mit Gelotophobie, Gelotophilie und Katagelastizismus (PhoPhiKat-45) sowie der SWLS. Anmerkungen: N = 240 - 273, (179 - 197 Frauen; 61 - 69 Männer); Gesamt = Gesamtstichprobe; SWLS = Satisfaction with Life Scale. * p < .05, ** p < .01, *** p < .001 88 Yves S. Weibel et al. R 2 = .38 (F[6, 264] = 26.11; p < .001). Statistisch bedeutsame Prädiktoren im finalen Modell waren erlebte Unterstützung durch Gleichaltrige ( b = 0.19, p < .01) sowie Gelotophobie ( b = 0.32, p < .001) und Katagelastizismus ( b = 0.35, p < .001). Hier erwiesen sich primär Unterstützung durch Gleichaltrige ( ∆ R 2 = .16) und Katagelastizismus ( ∆ R 2 = .12) als inhaltlich bedeutsamste Prädiktoren. Der multiple Korrelationskoeffizient für Katagelastizismus betrug R 2 = .24 (F[4, 264] = 20.63; p < .001). Statistisch bedeutsame Prädiktoren im finalen Modell waren Alter ( b = -0.15, p < .01), Bildungsgrad ( b = 0.15, p < .01) und Geschlecht ( b = -0.29, p < .001) sowie Gelotophilie ( b = 0.38, p < .001). 1 Erinnerte Unterstützung und Ausprägungen im PhoPhiKat-45 Die berichteten Korrelationen legen nahe, dass geringe Unterstützung mit höheren Werten in Gelotophobie einhergingen. Allerdings ist unklar, wie viel Unterstützung erforderlich ist, um unter dem empirisch abgeleiteten cut-off-Wert zu bleiben. Zur Klärung dieser Frage wurden die Skalenmittelwerte jeder Person für die SEUBF-Skalen Familie, Lehrer und Gleichaltrige in eine von vier gleich großen Gruppen von 1 = niedrigste Unterstützung (die untersten 25 % der Mittelwerte) bis 4 = höchste Unterstützung (oberste 25 %) eingeteilt. Durch Aufaddieren der einzelnen Skalenwerte entstanden zehn Gruppen von „in allen Skalen niedrigste SEUBF-Werte“ (Summenwert = 3) bis zu „in allen Skalen höchste Summenwerte“ (Summenwert = 12). 2 Die Gruppengröße lag dabei zwischen 12 und 37 Personen. Für die Gruppen wurden Mittelwerte für Gelotophobie, Gelotophilie und Katagelastizismus berechnet. Cut-off-Werte gibt es nur für Gelotophobie, für die beiden anderen Merkmale, sollte primär der Mittelwertsverlauf beschrieben werden. In einfaktoriellen Varianzanalysen mit Gelotophobie, Gelotophilie oder Katagelastizismus als abhängiger Variable und der Ausprägung in den zehn Kategorien als unabhängiger Variable wurden die Mittelwerte verglichen. Abbildung 1 zeigt den Mittelwertsverlauf der drei Skalen für jede der zehn Gruppen. Abbildung 1 zeigt, dass sich Gelotophobie (F[9, 218] = 9.43, p < .001) und Gelotophilie (F[9, 218] = 5.20, p < .001 für Gelotophilie) in Abb. 1: Vergleich der Werte in Gelotophobie, Gelotophilie und Katagelastizismus mit Mittelwerten berichteter erlebter Unterstützung in 10 Kategorien (1 = niedrigste Unterstützung, 10 = höchste Unterstützung). Umgang mit Lachen und Auslachen 89 Abhängigkeit vom Ausmaß erinnerter Unterstützung signifikant unterschieden haben. Für Katagelastizismus fanden sich, bei geringer Streuung der Gruppenmittelwerte (1.82 bis 2.16) keine signifikanten Gruppenunterschiede (F[9, 218] = 1.00, n.s.). Anschließend durchgeführte Post-hoc-Tests (LSD) zeigten, dass in Bezug auf Gelotophobie die vier am geringsten unterstützten Gruppen keine signifikanten Unterschiede aufwiesen (das ist 1 - 4 in Abbildung 1); diese waren auch nicht von der Gruppe 6 (= mittleres Ausmaß an erinnerter Unterstützung) verschieden. Dasselbe fand sich für die vier am stärksten unterstützten Gruppen (8 - 10). Berücksichtigt man eine gewisse Schwankungsbreite (also eine Unterschreitung des cut-off-Werts von einer Standardabweichung) so zeigte sich, dass in diesem Bereich lediglich die vier Gruppen mit höchster erinnerter Unterstützung lagen. Inhaltlich bedeutete das, dass es nicht ausreichte, sich in einem einzelnen Bereich an höchstmögliche Unterstützung zu erinnern, um geringe Werte in Gelotophobie zu erzielen. Hinweise auf kompensatorische Effekte (z. B. Gleichaltrige können fehlende Unterstützung durch Familie und Lehrer ausgleichen) konnten somit nicht gefunden werden. In Bezug auf Gelotophilie unterschied sich die Gruppe mit niedrigster erinnerter Unterstützung (= Gruppe 1) nicht signifikant von den Gruppen 4 bis 8. Die Gruppe mit höchster erinnerter Unterstützung unterschied sich nicht in ihrer Gelotophilie-Ausprägung von der zweithöchsten Gruppe (= 9) und einer Gruppe mittelhoher Ausprägung (= 7). Wie bei der Gelotophobie unterschieden sich die Gruppen keine und mittlere Unterstützung wenig voneinander und erst hohe Unterstützung ging mit hohen Werten in Gelotophilie einher. Diskussion In vorliegender Studie wurden die Zusammenhänge zwischen subjektiv erinnerter sozialer Unterstützung in Kindheit und Jugend und den Ausprägungen in der Angst vor dem Ausgelachtwerden (Gelotophobie), der Freude daran (Gelotophilie) sowie der Freude daran, andere auszulachen (Katagelastizismus) untersucht. Den Erwartungen entsprechend erinnern sich Personen mit gesteigerter Angst vor dem Ausgelachtwerden an geringere Unterstützung. Auf korrelativer Ebene scheinen die Ergebnisse aus der therapeutischen Praxis kommende Vorstellungen zur Entwicklung der Gelotophobie zu unterstützen (wiederholte traumatische Erfahrungen in Kindheit und Jugend in Zusammenhang mit dem Ausgelachtwerden; vgl. Titze, 2009). Dennoch scheinen dabei noch eine Vielzahl anderer Faktoren eine Rolle zu spielen, wie beispielsweise Persönlichkeitsaspekte oder das Emotionserleben (Platt & Ruch, 2009; Ruch & Proyer, 2009 b; Ruch, Proyer & Ventis, 2010). Die Ergebnisse geben aber auch Hinweise darauf, dass das Erleben sozialer Unterstützung ein protektiver Faktor sein kann. Gelotophile Personen erinnern sich an eine unterstützende Umgebung in Kindheit und Jugend. Interpretativ kann das bedeuten, dass die Erfahrung, unterstützt zu werden, auch dazu führt, dass weniger Scheu davor besteht, andere über sich selbst zum Lachen zu bringen, über sich selbst lachen und daraus Freude ziehen zu können. Vor allem die Unterstützung durch Gleichaltrige spielt sowohl für Gelotophobie als auch Gelotophilie eine zentrale Rolle (32 % bzw. 18 % gemeinsam aufgeklärte Varianz), an zweiter Stelle folgt die Familie (11 %, 5 %). Für die Unterstützung durch Lehrer fand sich ein signifikanter, aber numerisch kleiner Zusammenhang (3 %, 2 %). Auch in multiplen Regressionsanalysen erwies sich die Skala Lehrer als inhaltlich vernachlässigbarer Prädiktor. Gelotophobie und Gelotophilie scheinen also nicht in Zusammenhang mit erinnerter Unterstützung (oder Belastung) durch Lehrer zu stehen. Dennoch scheint die Schule bzw. die Situation im Klassenverband ein wichtiger Faktor zu sein. Führs (2010) Befund, dass der häufige Wunsch, der Schule fern zu bleiben, mit höherer Angst vor dem Ausgelachtwerden einhergeht, ist hier zu nennen. Bei SchülerInnen wie auch bei Erwachsenen scheinen Erfahrungen 90 Yves S. Weibel et al. mit Bullying mit höherer Angst vor dem Ausgelachtwerden einherzugehen (Führ, 2010; Platt et al., 2009). Weitere empirische Studien dazu fehlen aber derzeit noch. Ideal wäre in diesem Zusammenhang ein längsschnittliches Design, da man daraus auch Aussagen darüber ableiten kann, ob SchülerInnen, die ausgelacht werden, gelotophobe Zeichen entwickeln oder ob es eine Prädisposition gibt und Mitschüler eine Schwäche ausmachen und gerade jene MitschülerInnen auslachen, die ohnehin schon gelotophob sind. Es zeigte sich, dass es nicht ausreicht, lediglich in einem der durch den SEUBF abgedeckten Bereiche Unterstützung erfahren zu haben, um unter dem cut-off-Wert für Gelotophobie zu liegen. Die Frage, warum keine kompensatorischen Effekte zu finden sind, kann vorläufig nur auf Basis von Vermutungen beantwortet werden. Es ist etwa die Frage zu stellen, ob weder die Familie noch Freunde noch Lehrer alleine die Entwicklung gelotophober Probleme auslösen noch verhindern können, wenn nicht andere Aspekte zum Tragen kommen (z. B. das Ausbleiben oder Vorhandensein von Unterstützung durch Gleichaltrige). Unter Umständen kann nur das Zusammenspiel von Familie, Gleichaltrigen und Lehrkräften einen protektiven Faktor gegen die Angst vor dem Ausgelachtwerden darstellen. Es zeigt sich aber auch, dass das Klima in der Klasse und in der Schule im Allgemeinen sehr wohl Auswirkungen haben kann, wie Kinder (und Erwachsene später) mit dem Lachen und Auslachen umgehen. Ein Klassenklima, in dem zum Ausdruck kommt, dass Lachen und Lächeln positive Funktionen haben (Lachen also nicht mit Auslachen gleichzusetzen ist) und soziale Beziehungen verstärken und festigen können, scheint besonders dazu angetan, dass Gelotophobie keine große Rolle im Alltag der Schülerinnen und Schüler spielen muss. Dies ist vor allem unter dem Gesichtspunkt zu sehen, dass das gelotophobe Emotionserleben durch Scham, Angst und geringe Freude gekennzeichnet ist (vgl., Platt, 2008; Platt & Ruch, 2009; Proyer, Platt, & Ruch, 2010). Es ergeben sich daraus auch Hinweise auf Interventionen für den Schulalltag; etwa die Thematisierung von Angst oder Scham oder der Rolle des (Aus-)Lachens im Klassenverband. Katagelastizismus scheint weitgehend unabhängig vom Ausmaß erinnerter Unterstützung zu existieren. Wie auch in früheren Studien (z. B. Ruch & Proyer, 2009 b), sind Geschlecht und Alter sehr gute Prädiktoren für Katagelastizismus (junge Männer). Allerdings ist noch unklar, welche Mechanismen hier genau wirken, die gerade junge Männer besonders dazu prädestinieren, Freude daran zu empfinden, andere auszulachen. Denkbar wäre es, dass dadurch die eigene Rolle in einer Gruppe erkämpft, gefestigt und/ oder bestätigt (Hierarchie) und Unsicherheit kaschiert werden soll, die mit dem Erwachsenwerden verbunden sind, oder ob hier ganz andere Faktoren (z. B. biologische) eine Rolle spielen. Aufschluss würden hier beispielsweise qualitative Studien bringen, wo mit Personen mit extremen Ausprägungen strukturierte Interviews geführt werden, um die Wirkmechanismen weiter zu ergründen. In die erwartete Richtung fallen Zusammenhänge zwischen Lebenszufriedenheit und Gelotophobie (negativ; 22 % gemeinsam aufgeklärte Varianz), Gelotophilie (positiv; 13 %) und dem SEUBF aus (positiv; 19 %). Das deckt sich mit den von Proyer et al. (2012) berichteten Daten aus China, Österreich und der Schweiz. Es zeigte sich, dass jene Personen, die mehr Unterstützung berichtet haben, sich als Erwachsene auch lebenszufriedener einschätzen. Ein wichtiger Hinweis, der anzeigt, dass hier in der Erziehung Grundlagen späteren Wohlbefindens mitbegründet werden können. In der vorliegenden Studie wurden biografische Daten retrospektiv erhoben. Hier sind durch Erinnerungseffekte Einschränkungen bei der Interpretation zu beachten (vgl. Schumacher, Hinz & Brähler, 2002). Kritisch zu erwähnen ist, dass die beschriebenen Zusammenhänge aufgrund des korrelativen Designs Umgang mit Lachen und Auslachen 91 nicht ursächlich interpretiert werden können. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Gelotophobiker ihre eigene Kindheit insgesamt negativer betrachten, unabhängig davon, wie diese tatsächlich war (vgl. Crick & Dodge, 1994). Troy und Sroufe (1987) wiesen darauf hin, dass Hänseln unter Schulkindern nicht unabhängig vom Bindungsstil zu den Eltern ist, was einen Einfluss auf die Erinnerung haben könnte. Es fehlen bislang nicht-korrelative Studien, die die berichteten Zusammenhänge genauer prüfen. Darüber hinaus liegen zur Validität des SEUBF, abgesehen von den hier berichteten Daten, keine Ergebnisse vor. Für Folgestudien müssten diese beigebracht werden, ebenso wie weitere psychometrische Analysen des Instruments. Auch wenn für Gelotophobie in der Regel keine Geschlechtsunterschiede berichtet werden (vgl. z. B. Ruch & Proyer, 2008 a, b) wäre es wünschenswert in Folgestudien auf ein balanciertes Verhältnis von Männern und Frauen in der Stichprobe zu achten, da in der vorliegenden Studie Frauen überrepräsentiert waren. Danksagung Dank geht an Joël Giger für seine Unterstützung bei der Durchführung dieser Studie. Anmerkungen 1 Wurden in der Analyse abhängige Variablen und Prädiktoren vertauscht, so zeigte sich, dass Gelotophobie ( b = -0.49, p < .001) und Freude daran, ausgelacht zu werden ( b = 0.15, p < .05) aus dem PhoPhiKat-45 (Prädiktoren; enter, Schritt 2) einen signifikanten Beitrag zur Aufklärung der erinnerten erlebten sozialen Unterstützung leisteten (demografische Variablen erwiesen sich als nicht bedeutsam; R 2 = .34 (F[3, 265) = 44.71, p < .001). 2 Es interessieren hier also nur die Summenwerte, nicht, aber wie diese entstanden sind. Beispielsweise könnten Personen mit Summenwert 7 entweder die Kombination Familie = 4, Lehrer = 1 und Gleichaltrige = 2 oder 2-1-4 oder 4-2-1 oder eine beliebige andere Kombination aufgewiesen haben. Es ist eine interessante Forschungsfragestellung, ob Personen mit spezifischen Kombinationen (also etwa 4-1-2 im Vergleich zu 1-2-4) auch psychologisch-inhaltliche Relevanz aufweisen. Dazu ist allerdings eine größere Stichprobengröße erforderlich, um alle möglichen Kombinationen mit einer ausreichenden Zahl an Personen besetzen zu können. Literatur Carretero Dios, H., Ruch, W., Agudelo, D., Platt, T. & Proyer, R.T. (2010). Fear of being laughed at and social anxiety: A preliminary psychometric study. Psychological Test and Assessment Modeling, 52, 108 - 124. Crick, N. R. & Dodge, K. A. (1994). A review and reformulation of social information processing mechanisms in children’s social adjustment. Psychological Bulletin, 115, 72 - 101. Diener, E., Emmons, R. A, Larson, R. J. & Griffin, S. 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