Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/peu2013.art01d
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2013
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Programme für Mütter mit schädigendem Erziehungsverhalten, das das Risiko oder den Tatbestand einer Kindeswohlgefährdung darstellt
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2013
Christoph Liel
Welche Effekte haben Programme bei Hochrisiko-Müttern auf die Verhinderung (wiederholter) Kindesmisshandlung und Vernachlässigung? Der Artikel beschreibt Methodik und Ergebnisse eines systematischen Forschungsreviews, der Meta-Analysen und Übersichten analysiert, um einen Überblick über erreichbare Präventionswirkungen zu geben, und im Anschluss Evalua¬tionsstudien über einzelne Programme beschreibt (z. B. Child Maltreatment Prevention Program, Projekt SafeCare, Pathways Triple P). Ergebnisse: 4 Meta-Analysen und zwei Übersichten können moderat positive Effekte der Programme nachweisen. die sich bei selektiver Prävention auf die Senkung des Misshandlungsrisikos und auf die Verhinderung tatsächlicher Gefährdungsereignisse beziehen. Indizierte Präventionsprogramme wurden nur auf das Misshandlungsrisiko hin überprüft, mit ebenfalls moderaten Effektstärken. Die Analyse von 32 Programmevaluationen zeigt, dass selektive Ansätze meist auf die Steigerung des Erziehungswissens ausgerichtet sind, während mit verifizierten Kinderschutzfällen eher problembezogen gearbeitet wird. Bei einem Gruppensetting können flankierende einzelfallbezogene und ins Wohnumfeld zugehende Interventionen die Wirksamkeit steigern
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Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2013, 60, 11 - 25 DOI 10.2378/ peu2013.art01d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel n Übersichtsartikel Programme für Mütter mit schädigendem Erziehungsverhalten, das das Risiko oder den Tatbestand einer Kindeswohlgefährdung darstellt Eine systematische Analyse der internationalen Forschungsliteratur Christoph Liel Deutsches Jugendinstitut e.V. München Parenting Programs for Mothers Who Are at Risk or Indicated for Child Abuse and Neglect - A Systematic Review of the International Research Literature Summary: This article describes method and results of a systematic review of research literature. First, the average effect of parenting programs for high risk mothers in preventing (further) child abuse and neglect in review of reviews and meta-analysis is analyzed. Second, single evaluation studies are classified and positive outcomes for single programs are described (i. e. Child Maltreatment Prevention Program, Project SafeCare, Pathways Triple P). Results: 4 meta-analyses and two reviews show moderate effect sizes of selective prevention programs in reducing risk potential and reports of child abuse. Indicated prevention programs were only tested in reducing the risk of child abuse, also finding moderate effect sizes. 32 evaluation studies show a program array: Selective programs target academic knowledge and parenting skills whereas indicated prevention focuses on mothers’ problem behavior. Group interventions are probably more effective in connection with single sessions or home-visitations. Keywords: Parenting Program, Mothers, Child Abuse, Child Neglect, Review Zusammenfassung: Welche Effekte haben Programme bei Hochrisiko-Müttern auf die Verhinderung (wiederholter) Kindesmisshandlung und Vernachlässigung? Der Artikel beschreibt Methodik und Ergebnisse eines systematischen Forschungsreviews, der Meta-Analysen und Übersichten analysiert, um einen Überblick über erreichbare Präventionswirkungen zu geben, und im Anschluss Evaluationsstudien über einzelne Programme beschreibt (z. B. Child Maltreatment Prevention Program, Projekt SafeCare, Pathways Triple P). Ergebnisse: 4 Meta-Analysen und zwei Übersichten können moderat positive Effekte der Programme nachweisen. die sich bei selektiver Prävention auf die Senkung des Misshandlungsrisikos und auf die Verhinderung tatsächlicher Gefährdungsereignisse beziehen. Indizierte Präventionsprogramme wurden nur auf das Misshandlungsrisiko hin überprüft, mit ebenfalls moderaten Effektstärken. Die Analyse von 32 Programmevaluationen zeigt, dass selektive Ansätze meist auf die Steigerung des Erziehungswissens ausgerichtet sind, während mit verifizierten Kinderschutzfällen eher problembezogen gearbeitet wird. Bei einem Gruppensetting können flankierende einzelfallbezogene und ins Wohnumfeld zugehende Interventionen die Wirksamkeit steigern. Schlüsselbegriffe: Elternprogramm, Mütter, Kindesmisshandlung, Kindesvernachlässigung, Review Die Fremdunterbringungsquote von Kindern ist in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern relativ hoch (Thoburn, 2007). Aus Sicht der Forschung besteht ein Zusammenhang von Fremdunterbringungen zu Kindeswohlgefährdungen in Familien, d. h. Fremdunterbringungen sind ein Mittel, um Kinder nach dem Bekanntwerden von Gefährdungen vor (weiterer) Misshandlung und Vernachlässigung zu schützen (Kindler, 2012; Lamberty, de Paz Martinez 12 Christoph Liel & Müller, 2010). Überwiegend werden vor oder nach Inobhutnahmen bzw. Herausnahmen von Kindern aus Familien ambulante Hilfen eingesetzt. Aus zwei Längsschnittstudien zu Fallverläufen nach Gefährdungsmeldungen im deutschen Kinderschutz ergeben sich Hinweise, dass die eingesetzten ambulanten Hilfen als überwiegend nicht qualifiziert genug bewertet werden können (Strobel, Liel & Kindler, 2009; Kindler, 2012). Zum Beispiel wurden laut einer Auswertung von 53 Jugendamtsakten ambulante Hilfen zu 29 % erfolgreich und zu 49 % nicht erfolgreich beendet (Strobel et al., 2009). Bei 74 % wurden weitere Gefährdungsereignisse und bei 67 % eine spätere Unterbringung des Kindes außerhalb der Familie berichtet (ebd.). Einem zweiten Befund zufolge lag die Abbruchquote ambulanter Hilfen bei einer Stichprobe von 220 Fällen ein Jahr nach dem Eingang der Gefährdungsmeldung bereits bei 52 % (Kindler, 2012). Deshalb werden verschiedene, einander ergänzende strategische Anstrengungen unternommen, um die Qualität ambulanter Hilfen in Deutschland systematisch zu verbessern. Die Strategien bestehen darin, (1) die Wirkungen von Hilfen systematisch zu erforschen, (2) Hilfen passgenauer zu gestalten und (3) präventive Hilfen frühzeitiger auf bestimmte Risikogruppen auszurichten. Dass solche Anstrengungen auch tatsächlich zur Verringerung von Fremdunterbringungen beitragen können, beweist eine vergleichende Untersuchung von zwei Landkreisen mit und ohne systematische Prävention von Kindeswohlgefährdungen in den USA (Prinz, Sanders, Shapiro, Whitaker & Lutzker, 2009). Tatsächlich Verlass können präventive und ambulante Maßnahmen bieten, wenn sie hinreichend wirkungsbelegt sind. Dieser Artikel möchte einen Beitrag zu einer evidenzbasierten Qualitätsentwicklung leisten und das internationale empirische Wissen über Wirkweise und Erfolgsaussichten von Programmen für Mütter zur Prävention von Kindeswohlgefährdungen der deutschen Jugendhilfe zugänglich machen. Denn der Einbezug internationaler Forschung besitzt bei der Gestaltung von sozialpädagogischen Interventionen in Deutschland bisher wenig Tradition. Eine evidenzbasierte Interventionsentwicklung kann jedoch die Erfolgsaussichten von ambulanten Maßnahmen hinsichtlich der Verhinderung weiterer Kindesmisshandlung und -vernachlässigung steigern. Der systematische Forschungsreview zielt auf Gruppenprogramme mit Müttern ab, bei denen ein überdurchschnittlich hohes Risiko für Kindesmisshandlung und -vernachlässigung besteht oder bereits eine Gefährdung oder Schädigung des Kindes festgestellt wurde. Denn Gruppenarbeit wird bei Risiken für Kindeswohlgefährdung in Deutschland bisher wenig eingesetzt, obwohl sie bestehende Einzelfallhilfen ergänzen kann. Der Impuls für diese Untersuchung ging von einem deutschen Träger der Sozialen Arbeit aus. 1 Gruppenangebote für Mütter stellen eine Form sogenannter Elternprogramme dar, die auf eine Vermittlung von Erziehungswissen und -techniken abzielen. Sie verfolgen eine Programmlogik, die in der deutschen Jugendhilfe nur geringe Tradition besitzt: Ein Programm wird definiert als zeitlich begrenzte und zielgerichtete Abfolge von vorgegebenen Arbeitsweisen und Methoden zur Veränderung eines bestimmten Problemverhaltens (z. B. Kindesmisshandlung). Nicht Gegenstand des Forschungsreviews sind hingegen frühe Hilfen, die meist zugehend auf Schwangere bzw. Eltern von unter 3-jährigen Kindern abzielen, weil diese Hilfeform in den letzten Jahren in Deutschland systematisch ausgebaut wurde. Eine Abgrenzung ist allerdings nicht trennscharf möglich, da es auch im Bereich der frühen Hilfen Beispiele für Elternprogramme gibt (z. B. auch eine deutsche Studie: Suess, Bohlen, Mall, A. & Maier, 2010). 1 Der Beratungsstelle „Gewalt in Familien“ der Diakonie Düsseldorf, die den Auftrag für den Forschungsreview erteilt hat, sei für die Freigabe des Reviews herzlich gedankt! Die vollständige Untersuchung mit Informationen zu Programminhalten, Evaluationsinstrumenten und einer weiteren Forschungsfrage steht zum Download bereit unter http: / / www.diakonie-duessel dorf.de/ uploads/ tx_didbasic/ Expertise_M%C3% BCtterprogramme__Endbericht_.pdf Programme zur Prävention von Kindeswohlgefährdung - ein Überblick 13 Nach Erläuterung des methodischen Vorgehens bei der Untersuchung erfolgt die Vorstellung der Ergebnisse zweigeteilt. Zunächst wird das aus Meta-Analysen und Übersichten gewonnene Wirkungswissen zu Präventionsangeboten bei Kindeswohlgefährdung übersichtsartig dargestellt, das einen Vergleich von Elternprogrammen mit anderen Maßnahmen ermöglicht. Dann werden Befunde zu einzelnen Programmen mit Müttern vorgestellt. Die Einzelstudien werden getrennt dargestellt und bewertet, je nachdem ob sie die Gefährdungsrisiken und -ereignisse oder ob sie die andere Erfolgsvariablen im Zusammenhang mit Kindesmisshandlung und -vernachlässigung überprüft haben. Methodik der Datengewinnung und Analyse Die Untersuchung wurde im Zeitraum von April bis Dezember 2010 durchgeführt. Die Datengrundlage wurde durch eine Recherche psychologischer und sozialwissenschaftlicher Forschungsliteratur gewonnen. In die Literaturdatenbanken „PsycInfo“ und „Sowiport“ wurden die englischen Suchbegriffe „Child Abuse“, „Child Maltreatment“, „Child Neglect“ jeweils kombiniert mit „Prevention“, „Intervention“, „Treatment“ und „Program“ sowie die deutschen Suchbegriffe „Kindeswohlgefährdung“ und „Kindesmisshandlung“ kombiniert mit „Prävention“ und „Gruppentherapie“ eingegeben. Andere Gefährdungstatbestände, wie z. B. sexueller Missbrauch, Schütteltrauma oder Gedeihstörungen, sollten nicht Bestanteil dieser Untersuchung werden, weil sie eine noch spezifischere Diagnostik und Interventionen erfordern. Befunde hierzu werden z. B. in Forschungsübersichten von Skowron & Reinemann (2005), Mikton & Butchart (2009) und von Edgeworth & Carr (2006) berichtet. Für die Auswahl wurden methodische Mindeststandards der Studien und die thematische Passung der evaluierten Programme zugrunde gelegt. Folgende Auswahrkriterien wurden für die Studien und die Programme formuliert: Die Studien mussten mittels standardisierter Verfahren erhobene und zu verschiedenen Messzeitpunkten oder zwischen Untersuchungsgruppen verglichene Daten beschreiben. Die Studien mussten Programme untersuchen, die (1) im Gruppensetting arbeiten, (2) auf Mütter ausgerichtet sind, (3) identifizierte Risikofälle für eine Kindeswohlgefährdung aufnehmen, (4) Schädigungsverhalten und -risiken fokussiert bearbeiten und (5) durch Anleitung die Erziehungsfähigkeit systematisch steigern wollen. Von der Suche ausgeschlossen waren Studien über sexuellen Missbrauch, im häuslichen Umfeld angesiedelte frühe Hilfen, Suchtprävention für Mütter oder Kinder und Mutter-Kind-Therapien. Arbeitsschritte Eingabe Suchbegriffe Auswertung Meta-Analysen und Reviews Weitere Recherchen Auswertung Einzelstudien Ausschluss nach Bewertung Untersuchungsbefund Datenbank PsycInfo Datenbank Sowiport 80 Treffer Studien 59 Treffer Reviews 304 Treffer Studien 0 Treffer Reviews 12 Reviews 4 Reviews 4 Reviews 12 Studien 39 Studien 23 Studien 5 Studien 19 Studien 18 Studien 7 Studien 20 Studien 5 Studien 32 Studien Programme Kindeswohlgefährdung Abb. 1: Flow-Chart 14 Christoph Liel In den Ergebnissen der Sucheingaben wurde im ersten Schritt nach Meta-Analysen und Übersichten (Reviews) gesucht. Zu 12 gefundenen Übersichten, 4 davon Meta-Analysen, kamen 4 durch weitere Durchsicht von Literaturlisten hinzu. Im zweiten Schritt wurde nach Evaluationsstudien über einzelne Präventionsprogramme in den Datenbanken und in den Literaturlisten der Reviews gesucht. In den Datenbanken wurden 35 Evaluationen gefunden und aus den Übersichtsarbeiten, insbesondere den 4 Meta-Analysen (Geeraert, van den Noortgate, Grietens & Onghena, 2004; Lundahl, Nimer & Parsons, 2006; MacLeod & Nelson, 2000; Skowron & Reinemann, 2005) und 4 Übersichten (Holzer, Higgins, Bromfield, Richardson & Higgins, 2006, Holzer, Bromfield & Richardson, 2006; MacMillan et al., 2009; Spangler, 2004), 39 Einzelstudien über Gruppeninterventionen bezogen. Von den gesamt gefundenen 74 Studien wurden 42 Studien nach Einzelfallprüfung der oben genannten Kriterien ausgeschlossen bzw. waren doppelt oder in einem Fall nicht verfügbar. Da der Fundus an methodisch hochwertigen Studien über Programme, die mit Müttern mit hohem Misshandlungs- und Vernachlässigungsrisiko in Gruppen arbeiten, gering war, wurden einige dem thematischen Passungskriterium „Gruppensetting“ nicht entsprechende Programme in die Forschungsübersicht aufgenommen. Entweder waren die Befunde dazu sehr aussagekräftig oder die untersuchten Programme enthielten beachtenswerte Einzelaspekte hinsichtlich der Hilfegestaltung bei Kindesmisshandlung oder -vernachlässigung. 32 Einzelstudien wurden in die Untersuchung aufgenommen. Ergebnisse Ergebnisse im Überblick: Analyse von Übersichten und Meta-Analysen Zunächst wird der mittlere Effekt von Interventionen zur Prävention von (wiederholter) Kindesmisshandlung und Vernachlässigung betrachtet. Prinzipiell lassen sich daraus Rückschlüsse ziehen, ob Gruppenprogramme im Ansatz und im Vergleich zu anderen Hilfen für Mütter Erfolg versprechend sind. Dieser Analyseschritt erfordert eine zumindest grobe Systematisierung des Spektrums der Ansätze. Die meisten Übersichtsarbeiten unterscheiden Ansätze hinsichtlich der Gefährdungstatbestände (Misshandlung, Vernachlässigung oder beides), der Zielgruppenselektion (universell, selektiv oder indiziert) und dem Einsetzen der Prävention (proaktiv oder reaktiv). Universelle Prävention zielt auf die Allgemeinbevölkerung, selektive Prävention auf bereits identifizierte Risikofälle und indizierte Prävention auf Fälle ab, bei denen bereits eine Kindeswohlgefährdung nachgewiesen wurde und weitere Vorfälle verhindert werden sollen (Mikton & Butchart, 2009). Proaktive Hilfen setzen meist schon vor der Geburt und in den ersten 3 Lebensjahren des Kindes ein, bevor Gefährdungen bekannt werden, während reaktive Hilfen eher auf Familien mit Kindern im Schulalter nach dem Eintreten tatsächlicher Gefährdungen oder Verhaltensauffälligkeiten des Kindes abzielen (MacLeod & Nelson, 2000). Frühe Hilfen werden also meist proaktiv und ins häusliche Umfeld zugehend beschrieben, während Elternprogramme eher als reaktiv, überwiegend gruppenorientiert und einrichtungsbasiert dargestellt werden (Mikton & Butchart, 2009; Holzer, Higgins, Bromfield, Richardson & Higgins, 2006). Darüber hinaus werden häufig intensive familienstabilisierende Maßnahmen, soziale Unterstützung und Mehrebenenprogramme unterschieden (z.B. Barlow, Simkiss & Stewart- Brown, 2006). Mehrebenenprogramme verknüpfen entweder Präventionsangebote für alle Zielgruppenebenen (Prinz et al., 2009) oder mehrere unterschiedliche Interventionen (z.B. Einzel- und Gruppenangebote) für denselben Gefährdungsfall miteinander (Mikton & Butchart, 2009; Skowron & Reinemann, 2005; MacLeod & Nelson, 2000). Die aus der Gesundheitsförderung stammende Unterscheidung von universeller, selektiver und indizierter Prävention beinhaltet bezogen auf den Kinderschutz mindestens zwei Unschärfen. Eine Unschärfe besteht darin, dass selektive Ansätze eine Bandbreite von eher unspezifischen Risikogruppen (z. B. Alleinerziehende) bis hin zu durch Screenings ausgefeilt identifizierten Hochrisikofällen ansprechen. Eine weitere Unschärfe betrifft die eher theore- Programme zur Prävention von Kindeswohlgefährdung - ein Überblick 15 tische Abgrenzung indizierter Prävention von Treatment, die bei Kinderschutzfällen zwischen der Prävention weiterer Gefährdungen des Kindes oder der Geschwister und der Behandlung einer Schädigung des Kindes unterscheidet. Aufgrund dieser Unschärfen ist eine genauere Analyse der behandelten Risikobzw. Gefährdungsgruppen nötig. Für diese Untersuchung von Interesse sind Ansätze selektiver und indizierter Prävention sowie Treatments. Wirkungswissen über Präventionsprogramme zur Kindeswohlgefährdung Aus 16 Übersichten über Präventionsprogramme zur Kindeswohlgefährdung wurden 4 Meta-Analysen, die mehrere Kontrollgruppenstudien einzelner Präventions- und Interventionsprogramme zusammenfassen (Lundahl et al., 2006; Skowron & Reinemann, 2005; Geeraert et al., 2004; MacLeod & Nelson, 2000), und zwei Reviews of Reviews, also um übergeordnete Systematisierungen von Meta-Analysen (Mikton & Butchart, 2009; Barlow, Simkiss & Stewart-Brown, 2006), ausgewertet, da hier Effektstärken bzw. explizite Bewertungen der Unterschiede enthalten waren. Das Interventionswissen wird dadurch beschränkt, dass viele Studien als Ergebnisvariablen keine Erhebungen von Misshandlungs- und Vernachlässigungsvorfällen enthalten, sondern sich auf die Verringerung von Risiken für weitere Kindeswohlgefährdungen beschränken. In den Übersichten und Meta-Analysen werden frühe Hilfen besonders positiv beurteilt, aber auch für Elterntrainings können positive Effekte nachgewiesen werden. Allerdings wird bei Elternprogrammen meist nicht zwischen Einzel- und gruppenorientierten Maßnahmen unterschieden (Lundahl et al., 2006). Die Effektstärken sind durchweg moderat bis hoch. Stärker erscheinende Effekte können bei der Quelle/ Studie Einbezogene Ansätze Untersuchte Studien und Hilfen/ verwendete Veränderungsmaße Beurteilung/ Effektstärke Mikton & Butchart (2009): Review of Reviews Universelle und selektive Präventionsansätze, Treatment ausgeschlossen Total (26 Reviews; 298 Studien) Frühe Hilfen (17; 148) • Risikofaktoren • Gefährdungsereignisse Elterntrainings (7; 46) • Risikofaktoren • Gefährdungsereignisse Mehrebenenprogramme (3; 7) • Risikofaktoren • Gefährdungsereignisse Selbsthilfe/ Unterstützung (2; k. A.) • Risikofaktoren effektiv vielversprechend effektiv vielversprechend vielversprechend vielversprechend unklar Barlow et al. (2006): Review of Reviews Selektive und indizierte Präventionsansätze Total (15 Reviews; 610 Studien) Frühe Hilfen (7; k. A.) • Risikofaktoren • Gefährdungsereignisse Elterntrainings (6; k. A.) • Risikofaktoren • Gefährdungsereignisse Mehrebenenprogramme (4; k. A.) • Risikofaktoren Selbsthilfe/ Unterstützung • Risikofaktoren • Gefährdungsereignisse effektiv vielversprechend vielversprechend unklar unklar unzureichend unzureichend Tab. 1: Wirkungsaussagen in Übersichtsarbeiten ➝ 16 Christoph Liel Modifikation von Gefährdungsrisiken als bei der Verhinderung weiterer Misshandlungs- und Vernachlässigungsereignisse nachgewiesen werden. Elternprogramme zeigen insgesamt positive Wirkungen bei der Senkung des Gefährdungsrisikos (MacLeod & Nelson, 2000; Skowron & Reinemann, 2005; Lundahl et al., 2006) und haben in einer Meta-Analyse einen moderaten Effekt auf die Verhinderung tatsächlicher Gefährdungsereignisse (Lundahl et al., 2006). Dieser Befund bezieht sich ausschließlich auf selektive Prävention. Inwieweit Elternprogramme für Eltern ausreichen, die bereits durch eine Misshandlung bzw. Vernachlässigung aufgefallen sind, kann daher nicht sicher beurteilt werden. Quelle/ Studie Einbezogene Ansätze Untersuchte Studien und Hilfen/ verwendete Veränderungsmaße Beurteilung/ Effektstärke MacLeod & Nelson (2000): Meta-Analyse Universelle, selektive und indizierte Präventionsansätze, Treatment ausgeschlossen Total (56 Studien) Frühe Hilfen (23) Elterntrainings (5) Intensive Familienstabilisierung (10) Mehrebenenprogramme (5) Selbsthilfe/ Unterstützung (2) • Risikofaktoren und Gefährdungsereignisse - Häusliches Klima (10) - Elterliche Einstellungen (12) - Interaktionsbeobachtung (20) - Fremdunterbringungen (16) - Gefährdungsereignisse (13) d = .41 d = .41 d = .34 d = .38 d = .37 d = .62 d = .41 ohne Angabe ohne Angabe ohne Angabe ohne Angabe ohne Angabe Geeraert et al. (2004): Meta-Analyse Selektive Prävention (frühe Hilfen, Elterntrainings) für Eltern von 0 -3 Jährigen Total Frühe Hilfen/ Elterntrainings (40) • Risikofaktoren - Entwicklung des Kindes - Interaktionsbeobachtung - Elterliche Einstellungen - Elterl. psychosoz. Funktionsfähigkeit - Materielle Situation - Soziale Unterstützung • Gefährdungsereignisse d = .29 d = .23 d = .36 d = .33 d = .25 d = .38 d = .25 d = .26 Lundahl et al. (2006): Meta-Analyse Selektive Prävention (nur Elterntrainings) Total Elterntrainings (23 Studien) (M), davon mit Kontrollgruppe (8 Studien) (M) • Risikofaktoren (M) - Elterliche Gefühlsregulation (5) - Elterliche Einstellungen (4) - Interaktionsbeobachtung (6) • Gefährdungsereignisse (3) d = .52 d = .48 d = .49 d = .30 d = .67 d = .50 d = .45 Skowron & Reinemann (2005): Meta-Analyse Treatment bei Gefährdungstatbeständen, Präventionsansätze ausgeschlossen Total (21 Studien), ohne sex. Missbrauch (14 Studien) • Risikofaktoren (M) - Entwicklung des Kindes (7) - Aussagen des Kindes (8) - Elterliche Einstellungen (7) - Elterliche Bewertung des Kindes (9) - Beobachtung des Kindes (4) - Interaktionsbeobachtung (2) d = .54 d = .40 d = .36 d = .28 d = .44 d = 53 d = .42 d = .30 d = .21 Anmerkungen: effektiv = Wirkung in mindestens 2 Studien oder Übersichten; vielversprechend = Wirkung in mindestens einer Studie; unklar = Wirkung schwach oder gemischt; unzureichend = keine Wirkung in mindestens 2 Studien oder Übersichten ➝ Programme zur Prävention von Kindeswohlgefährdung - ein Überblick 17 Korrelate für eine höhere oder niedrigere Programmwirksamkeit Die Übersichtsarbeiten machen zum Teil auch Angaben über einzelne Programmcharakteristika mit einer höheren oder niedrigeren Wirksamkeit. Kognitiv-verhaltensorientierte Programme, die auf die Vermittlung positiver Erziehungstechniken abzielen, erzielen gute Wirkungen im Vergleich zu nicht-verhaltensorientierten Programmen, die eher an der Eltern-Kind-Kommunikation und an Problemlösungen arbeiten (Lundahl et al., 2006). Eine längere Zeitdauer und höhere Sitzungszahl verbessert die Wirkungen bei den Eltern (Lundahl et al., 2006; MacLeod & Nelson, 2000). Weil keine absoluten Angaben über Trainingszeiten gemacht werden, lassen sich Länge und Intensität nur dimensional im Programmvergleich bestimmen. Gruppenprogramme zeigen stabile Effektstärken im Vergleich zu einzel- und familienorientierter Arbeit und zu Mehrebenenprogrammen (Skowron & Reinemann, 2005). Dabei ist es unerheblich, ob mit Selbstmeldern oder mit von Kinderschutzbehörden und Familiengerichten überwiesenen Klienten gearbeitet wird (ebd.). Ergebnisse mit der Lupe: Analyse von einzelnen Programmevaluationen In einem zweiten Schritt wird das Wirkungswissen über Programme mit Müttern zur Prävention von (erneuter) Kindeswohlgefährdung quasi mit einer Lupe betrachtet, indem einzelne Programmevaluationen zusammengestellt und analysiert werden. Leitend für die Einordnung der Programme ist die empirische Erhebungs- und Ergebnisqualität der Befunde. Als besonders aussagekräftig werden Befunde eingestuft, die Programmeffekte auf das tatsächliche Auftreten von Kindesmisshandlung und -vernachlässigung überprüft haben. Eine zweite etwas weniger zuverlässige Möglichkeit, Effekte auf die Auftretenswahrscheinlichkeit von Gefährdungsereignissen zu messen, ist, die Mütter selbst zu ihrem Rückfallpotenzial zu befragen. Für den Selbstbericht von Kindeswohlgefährdung validiert und meist gebräuchlich ist das Child Abuse Potential Inventory (CAPI) (Milner, 1986). Erhebungen dokumentierter Rückfälle oder des Gefährdungsrisikos mittels CAPI werden in dieser Untersuchung als belastbarer gegenüber anderen Erfolgskriterien eingestuft, die einen im günstigen Fall einen durch Forschung empirisch bestätigten und im ungünstigen Fall unhinterfragt vorausgesetzten Zusammenhang zu Kindeswohlgefährdungen aufweisen. Deshalb werden diese Studien in zwei getrennten Abschnitten zusammengestellt. Bei der Analyse weiter berücksichtigt werden Erhebungsart aller Ergebnisvariablen (Fremdrating, Interaktionsbeobachtung, Selbstbericht), Stichprobengröße, Einsatz von Kontrollgruppen und Zufallseinteilung der Untersuchungsgruppen. Zur Ordnung und Beurteilung der Programme werden in diesem Review ausschließlich Ergebnisse herangezogen, die laut Studien auf Signifikanz getestet worden sind Programme, bei denen das Misshandlungsrisiko oder Rückfälle untersucht wurden Insgesamt liegen 12 Studien über 11 Elternprogramme vor, von denen 6 Studien das selbst berichtete, 2 das fremd eingeschätzte Gefährdungsrisiko und 7 amtlich dokumentierte Gefährdungsereignisse erhoben haben. 5 von 6 Studien über das Misshandlungs- und Vernachlässigungsrisiko berichten einen signifikanten Rückgang durch die Intervention verglichen mit der Ausgangslage (Acton & Durning, 1992; Fenell & Fishel, 1998; Sanders et al., 2004; Thomasson et al., 1981; Wolfe, Edwards, Manion & Koverola, 1988) und mit Kontrollgruppen (Fenell & Fishel, 1998; Wolfe et al., 1988). In der 6. Studie (Gershater-Molko, Lutzker & Wesch, 2002) werden hierzu keine Angaben gemacht. 6 der 7 Studien mit einer tatsächlichen Kindeswohlgefährdung als Ergebnisvariable verwendeten ein Kontrollgruppendesign. In 4 der 6 kontrollierten Studien werden signifikant weniger Gefährdungsfälle nach der Intervention berichtet (Britner & Reppucci, 1997; Gershater-Molko et al., 2002; Prinz et al., 2009; Strong 18 Christoph Liel & Raffe, 1991). Mit Ausnahme von Prinz et al. (2009) bezogen die Evaluationen Follow-Up- Zeiträume von 0,5 - 5 Jahre ein. Die untersuchten Programme hatten eine Dauer von 8 - 24 Wochen bzw. Sitzungen. 7 von ihnen können als selektive und 4 als indizierte Prävention klassifiziert werden. 5 Programme arbeiten mit Müttern vorwiegend im Einzelsetting (DePanfilis & Dubowitz, 2005; Gershater-Molko, Lutzker & Wesch, 2003; Jouriles et al., 2010; Strong & Raffe, 1991; Wolfe et al., 1988). 3 Einzelsettings sehen zwar die Kombination mit Gruppenarbeit vor, die sich aber entweder auf reine Wissensvermittlung konzentriert (Wolfe et al., 1988) oder in 2 Fällen nicht durchgeführt werden konnte (Strong & Raffe, 1991; DePanfilis & Dubowitz, 2005). Bezogen auf Programme mit dem Schwerpunkt Gruppenarbeit arbeiten 4 ausschließlich im Gruppensetting (Acton & Durning, 1992; Britner & Reppucci, 1997; Fenell & Fishel, 1998; Thomasson et al., 1981) und 2 ergänzend mit Hausbesuchen und telefonischen Einzelkontakten (Wolfe, Sandler & Quelle und Ansatz Interventionsgruppe Programm Studiendesign Acton & Durning (1992): indiziert, kognitivverhaltensorientiert, Gruppe 69 % Mütter 71 % verifizierte Kinderschutzfälle Alter des Kindes: k. A. Ärger Management Training (13 Sitzungen) Prä/ Post ohne KG (N = 29) SB Britner & Reppucci (1997): selektiv, psychoedukativ, Gruppe 100 % Mütter minderjährig Alter des Kindes: 0 -1 J. Elterntrainingsprogramm und Unterstützung (12 Wochen) Prä/ Post/ Follow-Up mit KG (N = 125/ 410) SB; DOK Fenell & Fishel (1998): selektiv, individualpsychologisch, Gruppe 89 % Mütter 22 % verifizierte Kinderschutzfälle Alter des Kindes: 4 -14 J. Systematic Training of Effective Parenting (9 Wochen) Prä/ Post mit KG (Warteliste) (N = 10/ 8) SB Gershater-Molko et al. (2002): indiziert, Mehrebenenprogramm, zugehend, einzeln 100% verifizierte Kinderschutzfälle Alter des Kindes: 0 -5 J. Projekt SafeCare (max. 24 Wochen) Post/ Follow-Up mit KG (parallelisiert) (N = 41/ 41) SB; DOK Sanders et al. (2004): selektiv, kognitivverhaltensorientiert, Mehrebenenprogramm, Gruppe 92 - 94 % Mütter 4 - 6 % verifizierte Kinderschutzfälle Alter des Kindes: 2 -7 J. Triple P Programm (8 Wochen) sowie Erweiterungsmodul für Kindeswohlgefährdung (12 Wochen) RCT von 2 IG Prä/ Post/ Follow-Up ohne KG (N = 39/ 35) SB; VB Prinz et al. (2009): universell, selektiv und indiziert, kognitivverhaltensorientiert, Mehrebenenprogramm 11 % verifizierte Kinderschutzfälle und 3 - 4 % Fremdunterbringungsrate je 1000 Kinder in US-Counties Alter des Kindes: 0 -12 J. Alle Präventionsstufen des Triple P Programms RCT Prä/ Post mit KG (N = 9/ 9 US-Counties) SB; DOK Wolfe et al. (1981): indiziert, psychoedukativ, Gruppe überwiegend Mütter 100% verifizierte Kinderschutzfälle Alter des Kindes: 2 -10 J. Child Management Program (8 Wochen) Prä/ Post/ Follow-Up mit KG (N = 8/ 8) SB, VB, DOK Nicht dargestellte Studien über nicht passgenaue oder ohne KG evaluierte Programme: DePanfilis & Dubowitz (2005); Jouriles et al. (2010); Thomasson et al. (1981); Strong & Raffe (1991); Wolfe et al. (1988) Tab. 2: Programmevaluationen mit (weiterer) Kindeswohlgefährdung als Ergebnisvariable Anmerkungen: RCT = randomisierte Kontrollstudie; Prä/ Post/ Follow-Up = vorher, nachher und nach Folgezeitraum; IG = Interventionsgruppe, KG = Kontrollgruppe; N = Gesamtzahl der Untersuchten in der IG/ KG, SB = Selbstbericht, VB = Verhaltensbeobachtung; FR = Fremdrating; DOK = Aktendokumentation Programme zur Prävention von Kindeswohlgefährdung - ein Überblick 19 Kaufman, 1981; Sanders et al., 2004). Die Gruppenangebote fokussieren die Verhinderung von Kindesmisshandlung, während Einzelangebote durchgängig auch Vernachlässigung einbeziehen. Für eine Gruppenarbeit mit Müttern, die bereits durch Kindeswohlgefährdung aufgefallen sind, sehr geeignet sind das „Ärger Management Training“ (Acton & Durning, 1992) und das „Child Management Program“ (Wolfe et al., 1981), die beide jedoch aufgrund fehlender Kontroll- oder sehr kleiner Vergleichsgruppen als nicht ausreichend evaluiert zu bewerten sind. Den höchsten Grad der empirischen Absicherung haben ein Elternprogramm für minderjährige Mütter, evaluiert von Britner & Reppucci (1997), und die beiden Mehrebenenprogramme SafeCare (Gershater-Molko et al., 2002) und Triple P (Prinz et al., 2009; Sanders et al., 2004), weil sie mit akzeptablen Stichprobengrößen kontrolliert auf weitere Gefährdungsereignisse der Mütter hin untersucht wurden. Die beiden Mehrebenenprogramme sind zudem in etwas anderen Formaten und mit etwas anderen Zielgruppen genauer untersucht und konzeptionell besser ausgearbeitet worden. Ein 12-wöchiges Elternprogramm für Teenager-Mütter mit spezifischem Misshandlungsrisiko, geringem Einkommen und wenig sozialer Unterstützung wurde nach langjähriger Praxis in Virgina von Britner & Reppucci (1997) evaluiert. Schwerpunkt der Gruppenarbeit mit Müttern, identifiziert in Geburtenkliniken, liegt auf der Vermittlung von Disziplinierungstechniken unter Berücksichtigung eines weiteren erziehungs- und gesundheitsbezogenen Themenspektrums (z. B. Bindung, Erziehungskontinuität, Unfallverhütung). Der Studie zufolge wurden bei 125 Programmteilnehmerinnen signifikant weniger aktenkundige Gefährdungsereignisse verglichen mit einer risikounspezifischeren Kontrollgruppe (n = 314) und longitudinal verbesserte mütterliche Erziehungseinstellungen gemessen (ebd.). Das Elternprogramm SafeCare wird in mehreren Bundesstaaten der USA eingesetzt und richtet sich an Eltern mit Misshandlungs- und Vernachlässigungsrisiken und -indikationen (Lutzker, Bigelow, Doctor & Kessler, 1998; Edwards & Lutzker, 2008). Dort konnte eine Studie signifikant seltenere weitere Gefährdungsmeldungen im Vergleich mit klassischen familienunterstützenden Maßnahmen über einen Nachfolgezeitraum von 2 Jahren nach Programmende nachweisen (Gershater-Molko et al., 2002). In 2 weiteren Studien wurden auch Verbesserungen der Erziehungs- und Fürsorgefähigkeit und der häuslichen Unfallverhütung anhand der Selbstevaluation von Fachkräften (Gershater-Molko et al., 2003) sowie eine hohe Programmzufriedenheit anhand von Teilnehmerbewertungen (Taban & Lutzker, 2001) gefunden. Das Einzeltraining umfasst mittlerweile die Module kindliche Gesundheit, häusliche Sicherheit, Eltern-Kind-Interaktion und problemzentrierte Beratung mit je einer Sitzung zur Baseline-Einschätzung und 5 Trainingssitzungen. Trotz einer fehlenden erklärten Ausrichtung auf Mütter und eines Einzelsettings ist das SafeCare Programm für diese Untersuchung relevant. Denn ein auf Gefährdungslagen passgenauer Zuschnitt der Hilfe ermöglicht, dass das das Programm das gesamte Spektrum und auch schwerere Formen von Misshandlung und Vernachlässigung behandeln kann. Das „Positive Parenting Program“ Triple P ist ein australisches Mehrebenenprogramm der Gesundheitsförderung und mittlerweile auch im deutschsprachigen Raum verbreitet, wenn auch pädagogisch umstritten (für eine Kritik siehe Deegener & Hurrelmann, 2002). Die Programmlevels sind auf alle 3 Zielgruppen von Prävention abgestimmt. Der Standard-Gruppenlevel zielt auf Eltern mit Erziehungsschwierigkeiten ab und wurde mittlerweile um das Modul „Pathways“ für Eltern mit Risiken für Kindeswohlgefährdung ergänzt. Beim randomisierten Prä/ Post-Vergleich des Gruppenprogramms mit und ohne Ergänzungsmodul konnte eine Studie signifikante Verbesserungen selbst berichteten Erziehungsverhaltens für beide Gruppen zeigen. Zwar gingen das selbst berichtete Gefährdungspotenzial und unrealis- 20 Christoph Liel tische Erziehungserwartungen mit dem Zusatzmodul signifikant stärker zurück. Es wurden aber eher unspezifische Risikofälle behandelt, denn bei nur 6 % bzw. 4 % waren Gefährdungsmeldungen bekannt (Sanders et al., 2004). Es ist unklar, ob das Triple P Programm auch nach verifizierten Gefährdungsereignissen ausreichende Präventionswirkung bezüglich weiterer Vorfälle hat. Im Rahmen einer randomisierten Kontrollstudie in 18 Landkreisen der USA wurden gemeinwesenbezogene Wirkungen des Triple P Gesamtprogramms untersucht: bekannt gewordene Gefährdungsereignisse, Fremdunterbringungen und auf Misshandlungen zurückgeführte Verletzungen von Kindern gingen in den Landkreisen hochsignifikant zurück, in denen Triple P eingesetzt wurde (Prinz et al., 2009). Weil solche Flächenuntersuchungen sehr geringe Selektionseffekte der Stichprobe haben, sind diese Ergebnisse vielversprechend. Für eine Bestätigung von einzelnen Programmelementen (z. B. Gruppenlevel, Pathways-Modul) werden weitere Befunde benötigt (Mac- Millan et al., 2009). Programme, bei denen andere Erfolgsvariablen in Verbindung mit Kindeswohlgefährdung untersucht wurden 20 weitere Studien haben die Programmwirksamkeit mit ausschließlich anderen Erfolgsvariablen als Rückfallfreiheit oder geringes Rückfallrisiko untersucht. Bei 3 der untersuchten Programme handelt es sich um einzelfallbezogene oder nicht dezidiert beschriebene Erziehungshilfen (Casanueva, Martin, Runyan, Barth & Bradley, 2008; Lindner, 2005; Whiteman, Fanshel & Grundy, 1987). Alle anderen Angebote sind Gruppenprogramme, in 2 Fällen ergänzt um Hausbesuche (Peterson, Tremblay, Ewigman & Saldana, 2003) bzw. Hausbesuche oder begleiteten Umgang (Russell, Gockel & Harris, 2007). Die Zeitdauer der Programme bewegte sich zwischen 6 und 30 Wochen bzw. Sitzungen. Lediglich 2 Mehrebenenprogramme, untersucht von Rodrigo, Máqiuez, Correa, Martín & Rodríguez (2006) und Russell et al. (2007), gingen mit 8 bzw. 6 - 12 Monaten Dauer über diese Zeitspanne hinaus. 4 Programme wurden als universelle, 8 als selektive und 7 als indizierte Prävention klassifiziert, die in 13 Fällen ausschließlich Kindesmisshandlung und in 6 Fällen Misshandlung und Vernachlässigung als Präventionsziel hatten. 9 Studien verlassen sich nicht nur auf verzerrungsanfällige Befragungen von Klienten, sondern sichern die Erfolgsbewertung mit Interaktionsbeobachtungen oder Fremdeinschätzungen ab. Einige Befunde erweisen sich auch hinsichtlich weiterer empirischer Gütekriterien als recht fundiert: 8 Studien erhoben die Daten unter teils randomisierten (Egan, 1983; Hughes & Gottlieb, 2004; Peterson et al., 2003) mindestens aber kontrollierten Bedingungen (Barth, Blythe, Schinke & Schilling II, 1983; Constantino et al., 2001; Letarte, Normandeau & Allard, 2010; Schinke, Barth, Gilchrist & Maxwell, 1986; Whiteman et al., 1987). 5 kontrollierte Studien bezogen Follow-Up-Zeiträume von 3 - 18 Monaten ein (Barth et al., 1983; Casanueva et al., 2008; Constantino et al., 2001; Peterson et al., 2003; Whipple & Wilson, 1996). Jedoch waren die Vergleichsgruppen zum Teil klein. Lediglich eine Evaluation von Casanueva et al. (2008) hat eine große Stichprobe von etwa 600 Klienten mit Kontrollgruppe untersucht. Die Befunde von Egan (1983); Huebner (2002), Hughes & Gottlieb (2004); Letarte et al., (2010) und Peterson et al. (2003) belegen gute Wirkungen der evaluierten Programme. Die Studie von Egan (1983) untersuchte ein Stressmanagement- und Erziehungstraining an einer kleinen randomisierten Stichprobe (N = 41), indem sie das Erziehungsverhalten von Müttern im Rollenspiel mit ihren Kindern beobachteten. Die Studie belegt Verbesserungen mütterlicher Stresswahrnehmung und des Erziehungseinflusses auf das Kind nach dem Elternprogramm. Auch andere Kontrollgruppenstudien (Barth et al., 1983; Whiteman et al., 1987) können positive Zusammenhänge des Trainings mütterlicher Selbstkontrolle und Ärgerdesensibilisierung mit einer Steigerung der Programme zur Prävention von Kindeswohlgefährdung - ein Überblick 21 Empathiefähigkeit und effektiverem Umgang mit dem Kind nachweisen. Die Kombination der Trainingselemente Ärgerbewältigung mit Erziehungswissen und -techniken könnte somit Erfolg versprechend sein. Für Feld der Erziehungstrainings ist beispielsweise das lerntheoretische „Parents and Children“ aus der Programmfamilie „The Incredible Years“ (Webster-Stratton & Reid, 2010) evaluiert. Ein Befund von Hughes & Gottlieb (2004) bescheinigt dem Programm auf Grundlage einer randomisierten Kontrollgruppenstudie mit 26 überwiegend verifizierten Kinderschutzfällen signifikante Verbesserungen mütterlicher Erziehungswahrnehmung. Die Programmteilnehmerinnen waren zudem in beobachteten Spielsituationen wesentlich mehr am Spiel ihrer Kinder beteiligt als Mütter auf einer Warteliste. Ein anderes „Incredible Years“ Programm untersuchten Letarte et al. (2010) Quelle und Ansatz Interventionsgruppe Programm Studiendesign Barth et al. (1983): selektiv, kognitivverhaltensorientiert, Gruppe Eltern und Mütter geringe Impulskontrolle Alter des Kindes: <5, 5 -12, >12 J. Training der Selbstkontrolle (8 Sitzungen) Prä/ Post/ Follow-Up mit KG (N=10/ 10) SB, VB Egan (1983): indiziert, kognitiv-verhaltensorientiert, Gruppe 63 % Mütter 100% verifizierte Kinderschutzfälle Alter des Kindes: 2 -12 J. Stressmanagement- und Erziehungstraining (6 Sitzungen) RCT Prä/ Post mit 3 IG und 1 KG (N =11/ 11/ 9/ 10) SB; VB Fantuzzo, Stevenson, Kabir & Perry (2007): indiziert, gemeinwesenorientiert, Gruppe 84 % Mütter 34 % verifizierte Kinderschutzfälle Alter des Kindes: Ø 5 J. informelle Unterstützung und Themengruppen (10 Sitzungen) RCT Prä/ Post mit KG (N = 61/ 55) SB Huebner (2002): selektiv, individualpsychologisch, Gruppe 95 % Mütter 31 % verifizierte Kinderschutzfälle Alter des Kindes: 0 -3 J. Systematic Training of Effective Parenting (8 Sitzungen) Prä/ Post ohne KG (N=199) SB Hughes & Gottlieb (2004): indiziert, kognitiv-verhaltensorientiert, Gruppe 100 % Mütter 66 % Kinderschutzfälle Alter des Kindes: 3 -8 J. Elternprogramm Parents and Children aus der Incredible Years Programmfamilie (8 Sitzungen) RCT Prä/ Post mit KG (Warteliste) (N =13/ 13) SB; VB Letarte et al. (2010): indiziert, kognitivverhaltensorientiert, Gruppe 82 % Mütter 100 % Kinderschutzfälle Alter des Kindes: Ø 9 J. Elternprogram Incredible Years (16 Sitzungen) Prä/ Post mit KG (Warteliste) (N = 36/ 9) SB Peterson et al. (2003): selektiv, kognitivverhaltensorientiert, Gruppe 100 % Mütter selbst berichtete körperliche Bestrafung Alter des Kindes: 1; 6 -4 J. Child Maltreatment Prevention Program (16 Sitzungen) RCT Prä/ Post/ Follow-Up mit KG (N = 42/ 57) SB, FR Nicht dargestellte Studien über nicht passgenaue oder ohne KG evaluierte Programme: Casanueva et al. (2008); Constantino et al. (2001); Cowen (2001); Fetsch, Schultz, Wahler & James J. (1999); Golub, Espinosa, Damon & Card (1987), Lindner (2005); Moore & Finkelstein (2001); Rodrigo et al. (2006), Russell et al. (2007); Whipple (1999); Whipple & Wilson (1996); Whiteman et al. (1987); Schinke et al. (1986) Tab. 3: Programmevaluationen mit anderen Ergebnisvariablen als Kindeswohlgefährdung Anmerkungen: RCT = randomisierte Kontrollstudie; Prä/ Post/ Follow-Up = vorher, nachher und nach Folgezeitraum; IG = Interventionsgruppe, KG = Kontrollgruppe; N = Gesamtzahl der Untersuchten in der IG/ KG, SB = Selbstbericht, VB = Verhaltensbeobachtung; FR = Fremdrating 22 Christoph Liel kontrolliert an 45 Kinderschutzfällen in Montreal und konnten Verbesserungen der selbstberichteten elterlichen Erziehungspraxis im Vergleich zu einer kleinen Wartelisten-Kontrollgruppe nachweisen. Die empfundene Selbstwirksamkeit der Mütter veränderte sich im Vergleich zur Warteliste hingegen nicht. Aus der „The Incredible Years“ Familie stehen mittlerweile noch Ergänzungsmodule für Kinderschutzfälle zur Verfügung (Webster-Stratton & Reid, 2010), über die allerdings noch keine Evaluationen veröffentlicht sind. Selektiv präventiver und daher für Risikofälle im Kinderschutz wahrscheinlich zu wenig intensiv ist das STEP Programm, das für die Altersgruppen von unter 3-jährigen und 4 - 14-jährigen Kindern entwickelt und evaluiert wurde. In einer Geburtsklinik konnte bei fast 200 Müttern Verbesserungen der Stresswahrnehmung und Interaktion mit dem Kleinkind nachgewiesen werden (Huebner, 2002) und bei einer sehr kleinen Risikostichprobe für Kindeswohlgefährdung (N = 10/ 8) bestand ein positiver Zusammenhang der Teilnahme mit einem gesenkten Misshandlungspotenzial laut CAPI (Fenell & Fishel, 1998, siehe Tab. 2). Werden Wirksamkeit und Eignung nach bekannt gewordener Kindeswohlgefährdung gleichermaßen berücksichtigt, so verschafft die Evaluation von Peterson et al. (2003) einem auf Kindesmisshandlung und kindlichen Verletzungsrisiken zentrierten Elterntraining für Hochrisikofälle Vorteile im Programmvergleich. Das „Child Maltreatment Prevention Program“ richtet sich ausschließlich an Mütter und nimmt auch identifizierte Kinderschutzfälle auf. Die Psychoedukation im Gruppensetting wird durch Hausbesuche intensiviert. Eine auf Kindesmisshandlung zentrierte Arbeitsweise ist konzeptionell sehr verankert, indem gewaltbegünstigende Erziehungseinstellungen, unrealistische Erwartungen an das Kind und überzogene Ärgerreaktionen problematisiert werden. Die Studie hat fast 100 Mütter unter randomisierten Kontrollbedingungen mittels Selbst- und Fremdratings untersucht und sich bei der Erfolgsmessung auf empirische Stellvertretervariablen für Kindeswohlgefährdung fokussiert. Die Mütter wurden zur Anwendung körperlicher Gewalt in der Erziehung klinisch befragt und mussten während des Programms ein Disziplinierungstagebuch führen (Peterson, Tremblay, Ewigman & Popkey, 2002). Altersangemessenes Erziehungswissen, Problemlösekompetenz und Selbstwirksamkeit der Mütter wurden ebenso wie Erwartungen und Ärger bezogen auf das Kind erhoben und die Fähigkeit zur Anleitung des Kindes von nicht involvierten Studierenden fremd bewertet. Die Studie konnte eine Abnahme rigider körperlicher Bestrafung sowie Verbesserungen des Erziehungswissens und der Problemlösekompetenz der Mütter nachweisen. Auch über einen Nachfolgezeitraum von einem Jahr verstetigten sich positive Effekte durch Abnahme rigider nichtkörperlicher Disziplinierung und kindzentrierten Ärgers sowie einer Steigerung empfundener Selbstwirksamkeit verglichen mit der Kontrollgruppe (Peterson et al., 2003). Schlussfolgerungen Die vorgestellte Untersuchung hat zur Aufgabe, empirisch gestützte Vorschläge für ein Gruppenprogramm für Mütter zur Beseitigung verifizierten Schädigungspotenzials für Kindeswohlgefährdung zu entwickeln. Im Ergebnis zeigt sich, dass es für ein solches Vorhaben in Deutschland Erfolg versprechende Modellprogramme gibt. Grundsätzlich zeigt der Forschungsstand: Je mehr die Programme selektiv präventiv ausgerichtet sind, je mehr liegt der Schwerpunkt auf Wissensvermittlung über kindliche Entwicklung und richtige Erziehungstechniken. Nach bekannt gewordener Kindeswohlgefährdung, d. h. bei indizierter Prävention, wird mit Müttern hingegen eher situationsbezogen und an der konkreten Eskalationsverhinderung im Erziehungsalltag gearbeitet. Daher empfiehlt es sich, bei einer gruppenorientierten Intervention auch einzelfallbezogene und ins Wohnumfeld Programme zur Prävention von Kindeswohlgefährdung - ein Überblick 23 zugehende Elemente zu integrieren. An verifizierten Kinderschutzfällen überprüfte Programme beinhalten in der Regel einzelfallbezogene und die Mutter-Kind-Interaktion anleitende Elemente. Viele Programme kombinieren zudem Erziehungs- und Stressbewältigungstraining, sofern sie auf die Prävention von Kindesmisshandlung abzielen. Sofern auch Kindesvernachlässigung berücksichtigt wird, ist eine Einbeziehung der häuslichen Situation z. B. durch einen Sicherheitscheck der Wohnung unabdingbar. Abhängig von der intendierten Zielgruppe und dem Alter des Kindes kann auf verschiedene evaluierte Ansätze zurückgegriffen werden. Bei Risiken für Kindeswohlgefährdung stehen mehrere Programme zur Auswahl: Das STEP-Programm kann aufgrund zweier Befunde (Huebner, 2002; Fenell & Fishel, 1998), die z. B. auf beobachteten Eltern-Kind-Interaktionen basieren, für Mütter von Kindern aller Altersgruppen (0 - 3 Jahre bzw. 4 - 14 Jahre) empfohlen werden. Derzeit mit am besten wirkungsbestätigt, d. h. auf Misshandlungsrisiken und -ereignisse hin untersucht, ist allerdings das Triple-P Programm inklusive dem Pathways-Ergänzungsmodul, das für Eltern von 2 - 7-jährigen Kindern konzeptioniert ist (Sanders et al., 2004; Prinz et al., 2009). Bezogen auf Hochrisiko- und verifizierte Kinderschutzfälle sind beide Programme, STEP und Triple-P, möglicherweise etwas zu selektiv präventiv ausgerichtet. Für diese Zielgruppen etwas besser geeignet und im Grenzbereich zwischen selektiver und indizierter Prävention angesiedelt sind zwei Elternprogramme. Das Elterntrainingsprogramm für minderjährige Mütter mit unter 2-jährigen Kindern kann durch die Untersuchung von dokumentierten Gefährdungsmeldungen während des Programms als zuverlässig evaluiert bezeichnet werden (Britner & Reppucci, 1997). Dieses Programm intendiert auch die Prävention von Kindesvernachlässigungen. Ausschließlich auf Kindesmisshandlung ausgelegt und mit einer proxybasierenden Erhebungsmethodik aufwendig untersucht worden ist das „Child Maltreatment Prevention Program“ (Peterson et al., 2003), das zur Prävention von (weiterer) Misshandlung von 1,5 - 5-jährigen Kindern daher überdurchschnittlich wirkungsbelegt und auch genderbezogen auf Mütter ausgerichtet ist 2 . Für verifizierte Kinderschutzfälle liegen bisher nur Gruppenprogrammvorschläge vor, die (noch) nicht hinreichend empirisch geprüft sind. Diese Aussage gilt für das Stressmanagement- und Erziehungstraining für Eltern 2 - 12jähriger Kinder (Egan, 1983) und für die beiden „Incredible Years“ Programme für Mütter von 3 - 8-jährigen Kindern (Hughes & Gottlieb, 2002; Letarte et al., 2010). Das einzige auf Rückfälle von Kindeswohlgefährdung überprüfte Programm im Bereich indizierter Prävention ist das Projekt SafeCare, das aber ein Einzelsetting vorsieht (Sanders et al., 2004). Darüber hinaus ist das Projekt SafeCare auch das einzige Elternprogramm, das Kindesmisshandlungs- und -vernachlässigungstatbestände konzeptionell gleichermaßen berücksichtigt. Es könnte möglicherweise Hinweise für eine gefährdungsabhängige Hilfegestaltung im Kinderschutz liefern. Diese Untersuchung kann den Ansatz, mit Müttern programmbezogen an der Verhinderung von (weiteren) Kindeswohlgefährdungen zu arbeiten, prinzipiell unterstützen. Der internationale Forschungsstand weist aber noch Lücken auf, die sich z. B. auf die dezidierte Beurteilung unterschiedlicher Hilfesettings und die Arbeit mit verifizierten Kinderschutzfällen beziehen. Dennoch sind die hier diskutierten Programme geeignet, um als Vorlage für die Interventionsentwicklung in der deutschen Jugendhilfe genutzt werden. Zwar kann die forschungsbasierte Interventionsentwicklung die Evaluation tatsächlicher Programmwirkungen nicht ersetzen, aber später erleichtern. 2 Allerdings wird das „Child Maltreatment Prevention Program“ möglicherweise nicht weiterentwickelt, weil die Entwicklerin Lizette Peterson zwischenzeitlich leider verstorben ist. 24 Christoph Liel Literatur Acton, R. G. & Durning, S. M. (1992). Preliminary Results of Aggression Management Training for Aggressive Parents. Journal of Interpersonal Violence, 7 (3), 410 - 417. Barlow, J., Simkiss, D., & Stewart-Brown, S. (2006). Interventions to prevent or ameliorate child physical abuse and neglect: findings from a systematic review of reviews. Journal of Children’s Services, 1 (3), 6 - 28. Barth, R. P., Blythe, B. J., Schinke, S. P., & Schilling II, R. F. (1983). Self-Control Training with Maltreating Parents. Child Welfare, 62 (4), 313 - 324. Britner, P. A. & Reppucci, N. D. (1997). 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