eJournals Psychologie in Erziehung und Unterricht 62/3

Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
71
2015
623

Stress und Wohlbefinden von Kindern in der Grundschule

71
2015
Steffen Schmid
Nicola Wasserfall
Ines Schröder
Heike Eschenbeck
Annette Worth
In Baden-Württemberg wurde bis 2011 die Wahl der weiterführenden Schule nach der vierten Klasse durch eine verbindliche Grundschulempfehlung geregelt. Seit 2012 ist eine neue Regelung in Kraft, die ein beratendes Elterngespräch vorsieht und den Eltern die eigenständige Entscheidung in Bezug auf die weiterführende Schule überträgt. In dieser Studie wurde hinsichtlich des Übergangs von der Grundschule auf die weiterführende Schule geprüft, welche Auswirkungen der Wechsel der Regelung auf das selbstberichtete Stresserleben und das im Selbst- und Elternbericht erfasste Wohlbefinden der Kinder hat. Untersucht wurden einerseits im Jahr 2011 120 Viertklässler, die eine verbindliche Grundschulempfehlung erhalten hatten, und andererseits im Jahr 2012 164 Viertklässler, bei denen ein beratendes Elterngespräch stattgefunden hatte. Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder in einzelnen Schulen und generell Mädchen vom Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung profitieren. Mögliche Gründe für den Geschlechtseffekt werden diskutiert.
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n Empirische Arbeit Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2015, 62, 218 -227 DOI 10.2378/ peu2015.art12d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Stress und Wohlbefinden von Kindern in der Grundschule Was bewirkt der Wechsel von der verbindlichen Grundschulempfehlung zum beratenden Elterngespräch? Steffen Schmid 1 , Nicola Wasserfall 1 , Ines Schröder 1 , Heike Eschenbeck 1 , Annette Worth 2 , Carl-Walter Kohlmann 1 1 Pädagogische Hochschule Schwäbisch Gmünd 2 Pädagogische Hochschule Karlsruhe Zusammenfassung: In Baden-Württemberg wurde bis 2011 die Wahl der weiterführenden Schule nach der vierten Klasse durch eine verbindliche Grundschulempfehlung geregelt. Seit 2012 ist eine neue Regelung in Kraft, die ein beratendes Elterngespräch vorsieht und den Eltern die eigenständige Entscheidung in Bezug auf die weiterführende Schule überträgt. In dieser Studie wurde hinsichtlich des Übergangs von der Grundschule auf die weiterführende Schule geprüft, welche Auswirkungen der Wechsel der Regelung auf das selbstberichtete Stresserleben und das im Selbst- und Elternbericht erfasste Wohlbefinden der Kinder hat. Untersucht wurden einerseits im Jahr 2011 120 Viertklässler, die eine verbindliche Grundschulempfehlung erhalten hatten, und andererseits im Jahr 2012 164 Viertklässler, bei denen ein beratendes Elterngespräch stattgefunden hatte. Die Ergebnisse zeigen, dass Kinder in einzelnen Schulen und generell Mädchen vom Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung profitieren. Mögliche Gründe für den Geschlechtseffekt werden diskutiert. Schlüsselbegriffe: Kinder, Grundschulempfehlung, Stress, Wohlbefinden Stress and Well-Being in Children in Primary School: The Effects of the Change From an Obligatory Secondary School Recommendation to a Parent-Teacher Consultation Summary: The change to secondary school after the fourth grade was determined by an obligatory secondary school recommendation made by the primary school in Baden-Wuerttemberg, Germany, until 2011. In 2012 a new arrangement using a parent-teacher consultation took effect to empower parents to decide what kind of secondary school their children should go to. In this study the effects of the change from an obligatory secondary school recommendation to a parent-teacher consultation were examined, especially those on stress and well-being. In 2011, 120 children with an obligatory secondary school recommendation were examined and one year later in 2012, 164 children with a parent-teacher consultation. Results showed that children in some schools and also the girls in general benefit from the new arrangement. Possible reasons for the gender-specific differences are discussed. Keywords: Children, school recommendation, stress, well-being Der vorliegende Beitrag beschäftigt sich mit Stresserleben und Wohlbefinden von Kindern vor der Zeit des Schulwechsels von der Grundschule auf die weiterführende Schule. Konkreter Anlass für die Analyse ist der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung in Baden- Württemberg im Dezember 2011 und damit einhergehend die Einführung eines beratenden Elterngesprächs mit eigenständiger Entscheidung der Eltern für die weiterführende Schule ihres Kindes. Von der Landesregierung in Baden-Württemberg wurde am 17. 12. 2011 ein Gesetz zur Abschaffung der verbindlichen Grundschulempfehlung verabschiedet, welches den Eltern mehr Entscheidungsfreiheiten hinsichtlich der Art Stress und Wohlbefinden von Kindern in der Grundschule 219 der weiterführenden Schule für ihr Kind ermöglicht. Anstelle der verpflichtenden Grundschulempfehlung, die die höchstmöglich zu besuchende weiterführende Schule vorschrieb, soll durch ausführliche Elterngespräche eine eigenständige Entscheidung der Eltern im Hinblick auf die weiterführende Schule erreicht werden. Paragraph 5, Absatz 2 des Schulgesetzes für Baden-Württemberg (SchG) lautet: „Die Grundschule berät die Erziehungsberechtigten, welche der auf ihr aufbauenden Schularten für das Kind geeignet ist. Hierbei werden neben dem Leistungsstand auch die soziale und psychische Reife sowie das Entwicklungspotenzial der Kinder betrachtet. Es wird über die möglichen Angebote aufgeklärt und die Auswirkungen der Entscheidung der Eltern werden dargelegt. Die Einschätzung, welche Schulart dem Lernstand und Entwicklungspotenzial des Kindes am meisten entspricht, obliegt danach den Erziehungsberechtigten. Sie treffen für ihr Kind die Entscheidung über die auf der Grundschule aufbauende Schulart.“ In einer Presseerklärung vom 15. 4. 2013 meldet das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg (2013), dass es gelungen sei, durch den Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung den Druck von Dritt- und Viertklässlern bezüglich des Erreichens einer spezifischen Schulartempfehlung zu nehmen. Auf der Basis einer Sichtung des relevanten Forschungsstands zu Stress und Wohlbefinden in der Schule soll in der vorliegenden Arbeit geprüft werden, ob sich der kommunizierte positive Eindruck nach Einführung der neuen Regelung auch empirisch stützen lässt. Stresserleben und Stresssymptomatik von Kindern und Jugendlichen genießen zurzeit eine gewisse Aufmerksamkeit. Die Elefanten- Kinderstudie (vgl. Beisenkamp, Müthing, Hallmann & Klöckner, 2012) weist darauf hin, dass bereits jedes vierte Kind regelmäßig gestresst ist, was sich auf der Ebene körperlicher und psychischer Reaktionen zumeist durch Symptome wie Kopf- oder Bauchschmerzen und Nervosität darstellt (vgl. Eschenbeck, 2010; Lohaus, Beyer & Klein-Heßling, 2004). Mit Blick auf stressbezogene Situationen zeigte sich, dass die Schule beispielsweise durch Hausaufgaben oder Noten einen Stressfaktor darstellt (Spirito, Stark, Grace & Stamoulis, 1991). Schulbezogener Stress kann durch den Druck, spezifische Leistungen zu erreichen, oder durch Sorgen bezüglich der erbrachten Schulleistung entstehen (vgl. Beyer & Lohaus, 2007; Seiffge-Krenke, 2007), wodurch in der Grundschulzeit der Leistungsdruck in der Mitte der vierten Klasse für die Kinder zuzunehmen scheint. So ist nach Ball, Lohaus und Miebach (2006) die Phase des Schulwechsels von der Grundschule auf die weiterführende Schule eine Zeit, die mit einem erhöhten Maß an Stress verbunden ist, da gewisse Leistungen für eine Empfehlung für die gewünschte Schule erreicht werden müssen (vgl. auch Zimmerman, Copeland, Shope & Dielman, 1997). Beim Schulwechsel handelt es sich innerhalb dieser Forschungsperspektive zumeist um ein kritisches Ereignis, das eine Reihe stresshafter Veränderungen mit sich bringt. Denkbar sind hierbei kleinere tägliche Stressoren (daily hassles), wie z. B. zu viele Hausaufgaben oder Probleme mit einem Lehrer. Elben, Lohaus, Ball und Klein-Heßling (2003) zeigten ferner, dass vor allen Dingen der Wechsel auf das Gymnasium stressreich ist und sich die Anspannung, die in der Zeit vor dem Schulwechsel vorhanden ist, erst nach dem Schulübergang verringerte. Der Schulübertritt ist jedoch nicht für jedes Kind gleichermaßen mit Stress und Sorgen verbunden. Der Wechsel von der Grundschule auf die weiterführende Schule kann für Kinder auch als Herausforderung angesehen werden und mit positiven Veränderungen assoziiert sein (vgl. Wallis & Barrett, 1998). Vor allem bei Mädchen ließen sich ein vermehrtes Stresserleben und häufiger auftretende psychische wie auch physische Symptome feststellen (Lohaus et al., 2004). Ferner ergaben sich gerade in Umbruchphasen deutliche Unterschiede im Stresserleben bei Menschen mit Migrationshintergrund. Beispielsweise zeigten kurz vor dem Schulabschluss Jugendliche mit Migrationshintergrund (in der zweiten Generation) ein höheres Stressniveau als diejenigen ohne Migrationshintergrund (Reiss et al., 2010). 220 Steffen Schmid et al. Bezogen auf den Wechsel von der verbindlichen Grundschulempfehlung zum beratenden Elterngespräch sind die Befunde zentral, die günstige Effekte von erweiterten Handlungsoptionen und reduziertem Leistungsdruck (hier: unbedingt einen spezifischenNotendurchschnitt für eine Empfehlung für die weiterführende Schule zu bekommen) auf das Stresserleben demonstrierten (vgl. Ball et al., 2006; Zimmerman et al., 1997). Das Wohlbefinden von Kindern (siehe Bullinger, 2009; Ravens-Sieberer, Wille, Nickel, Ottova & Erhart, 2009) wird auch im Kontext Schule betrachtet (für einen Überblick vgl. Hascher & Edlinger, 2009). Verschiedene positive als auch negative situative und personale Faktoren beeinflussen das Wohlbefinden. So wirken sich neben einem guten Schulklima insbesondere Freundschaften, Freude an der Schule und ein hoher Selbstwert positiv auf das Wohlbefinden aus, während Sorgen hinsichtlich der Schulleistung, Leistungsdruck oder soziale Probleme das Wohlbefinden negativ beeinflussen können (vgl. Hascher, 2004; Hascher & Hagenauer, 2011; Saab & Klinger, 2010). Obwohl für den Einfluss des personalen Faktors Geschlecht auf schulbezogenes Wohlbefinden ein eher uneinheitliches Befundmuster vorliegt (Hascher & Hagenauer, 2011), scheinen Mädchen doch mehr als Jungen von Sorgen belastet zu sein, die sich auf das Wohlbefinden auswirken können. Es wird davon ausgegangen, dass der Wechsel von der verbindlichen Grundschulempfehlung zum beratenden Elterngespräch mit einer Reduktion von Leistungsdruck verbunden ist und damit günstige Effekte auf Stresserleben und Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler aufweist. Dieser günstige Effekt könnte auch durch soziale Faktoren befördert werden. Die Chance, mit den Freundinnen und Freunden auf die weiterführende Schule wechseln zu können, dürfte unter der neuen Regelung weniger beeinträchtigt sein. So geht Hypothese 1 davon aus, dass das im Selbstbericht angegebene Stresserleben von Kindern unter der neuen Regelung des beratenden Elterngesprächs geringer ausfällt als von Kindern mit verbindlicher Grundschulempfehlung. Analog wird hinsichtlich des Wohlbefindens in Hypothese 2 die Annahme geprüft, dass Kinder mit der Regelung des beratenden Elterngesprächs im Vergleich zur Gruppe der Kinder mit der Regelung der verbindlichen Grundschulempfehlung höhere Wohlbefindenswerte sowohl im Selbstbericht als auch im Fremdbericht durch die Eltern aufweisen. Da das Geschlecht mit Stresserleben und Wohlbefinden verbunden ist und für Migrationshintergrund sowie die besuchte Schule Einflüsse nicht auszuschließen sind, werden diese Variablen als Kontrollvariablen berücksichtigt. So wird für die Mädchen erwartet, dass sie mehr Stress und weniger Wohlbefinden als Jungen berichten. Im Sinne einer eher offenen Fragestellung werden auch mögliche Einflüsse des Migrationshintergrunds betrachtet. Methode Die vorliegende Untersuchung ist eingebettet in die Längsschnittstudie zu Bewegung und Umgang mit Stress (BUS-Studie) 1 , die sich über vier Messzeitpunkte erstreckt und Stress, Stressbewältigung, körperlich-sportliche Aktivität, Wohlbefinden sowie die schulische Leistung (anhand der Deutsch- und Mathematiknote) bei Schülerinnen und Schülern der Klassen 3 bis 7 betrachtet. Der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung, der von der grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg beschlossen wurde, fiel in den Erhebungszeitraum, sodass Viertklässler mit verbindlicher Grundschulempfehlung (Erhebungszeitpunkt Frühjahr 2011) und Viertklässler ohne verbindliche Grundschulempfehlung, dafür aber mit dem beratenden Elterngespräch (Erhebungszeitpunkt Frühjahr 2012), miteinander verglichen werden können. Stichprobe und Untersuchungsplan Von den insgesamt 14 angeschriebenen staatlichen Grundschulen der Stadt Schwäbisch Gmünd sagten acht die Mitwirkung an der Untersuchung zu, wobei eine Schule nur unter der alten Regelung der verbind- 1 Das Projekt wird seit 2010 vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg gefördert; Projektleitung: Carl-Walter Kohlmann, Heike Eschenbeck und Annette Worth. Stress und Wohlbefinden von Kindern in der Grundschule 221 lichen Grundschulempfehlung mit Viertklässlern vertreten war und somit nicht in die Auswertung einging. Insgesamt nahmen an der Untersuchung 284 Grundschulkinder (137 Jungen, 147 Mädchen) der vierten Klasse im Alter von 9 bis 11 Jahren (M = 9.56, SD = 0.54) aus sieben Schulen teil. Die Stichprobe bestand einerseits aus 120 Schülerinnen und Schülern, die 2011 am Ende der vierten Klasse noch eine verbindliche Grundschulempfehlung erhielten, sowie andererseits aus 164 Schülerinnen und Schülern, die 2012 keine verbindliche Grundschulempfehlung mehr für den nahenden Schulwechsel bekamen. Die Kinder der beiden Untersuchungszeitpunkte besuchten dieselben Schulen und die Erhebungen in den Schulen und die schriftliche Befragung der Eltern wurden jeweils im März und April durchgeführt. In den sieben teilnehmenden Schulen fand die Untersuchung als Gruppenerhebung innerhalb von ungefähr 60 Minuten während der regulären Schulzeit statt. Alle Eltern, deren Kinder an der Erhebung teilgenommen hatten, wurden angeschrieben und um das Ausfüllen des Elternfragebogens zum Wohlbefinden ihres Kindes gebeten. Die Rücklaufquote der Elternfragebögen betrug 67 % im Jahr 2011 und 53 % im Jahr 2012. Zum Zeitpunkt der Erhebung war bei der ersten Gruppe (verbindliche Grundschulempfehlung 2011) die Grundschulempfehlung bereits gegeben worden. Bei der zweiten Gruppe (beratendes Elterngespräch 2012) hatte das beratende Elterngespräch bereits stattgefunden, die Anmeldung an der weiterführenden Schule war jedoch noch nicht abgeschlossen. Erhebungsinstrumente Stresserleben Das Stresserleben wurde mithilfe des Fragebogens zur Erhebung von Stress und Stressbewältigung bei Kindern und Jugendlichen (SSKJ 3 - 8; Lohaus, Eschenbeck, Kohlmann & Klein-Heßling, 2006) erfasst. Über sechs Items wird die Stressbelastung in potenziellen Stresssituationen erfragt, die sich auf Stress in schulischen und in sozialen Alltagssituationen beziehen (Cronbachs a = .74; Beispielitem: Stell dir vor, du bekommst einen Test zurück und hast eine schlechte Note bekommen. Wie viel Stress hast du, wenn dir so etwas passiert? ). Zusätzlich zu den in der Originalversion verwendeten sechs Items wurde ein Item zu Hausaufgaben mit aufgenommen (Stell dir vor, du hast sehr viele Hausaufgaben und kommst damit nicht zurecht). Auf einem vierstufigen Antwortformat von gar keinen Stress bis sehr viel Stress soll das Stresserleben in der jeweils gegebenen Situation selbst eingeschätzt werden, indem das zur Antwort passende Gesichtsicon angekreuzt wird. Da die Skala nur wenige Items enthält und zudem nur bei drei Personen fehlende Werte auftraten, wurden diese Personen von den Analysen ausgeschlossen. Wohlbefinden Das Wohlbefinden wurde sowohl im Selbstals auch im Fremdbericht durch die Eltern mittels der revidierten Fassung des Fragebogens zur Erfassung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität bei Kindern und Jugendlichen (Kid-KINDL R ; Ravens-Sieberer, 2003; Ravens- Sieberer & Bullinger, 2000) erhoben. Über 24 Items wird hierbei ein Gesamtwert für das Wohlbefinden aus 6 Dimensionen mit je 4 Items gebildet: körperliches Wohlbefinden (z. B. In der letzten Woche hatte ich viel Kraft und Ausdauer), emotionales Wohlbefinden (z. B. In der letzten Woche habe ich viel gelacht und Spaß gehabt), Selbstwert (z. B. In der letzten Woche war ich stolz auf mich), Wohlbefinden in der Familie (z. B. In der letzten Woche habe ich mich zu Hause wohl gefühlt), Wohlbefinden in Bezug auf Freunde (z. B. In der letzten Woche bin ich bei anderen „gut“ angekommen) und schulisches Wohlbefinden (z. B. In der letzten Woche hat mir der Unterricht Spaß gemacht). In Anlehnung an die genannten Beispielitems des Selbstberichts sind die Fragen für den Fremdbericht aus Sicht der Eltern über ihr Kind formuliert (z. B. …hatte mein Kind viel Kraft und Ausdauer). Sowohl Selbstals auch Fremdbericht weisen ein fünfstufiges Antwortformat von nie bis immer auf. Nur Datensätze mit weniger als drei fehlenden Werten in der Kindbzw. Elternversion des KINDL wurden berücksichtigt. Von 284 Kindern hatten 258 vollständige Datensätze und 20 einen oder zwei fehlende Werte in der Kinderversion des KINDL. Von 167 Elternversionen des KINDL waren 143 vollständig und 18 hatten einen oder zwei fehlende Werte. Fehlende Werte wurden mit der Imputationsmethode Predictive Mean Matching (eine Imputation) mit MICE durchgeführt (van Buuren & Groothuis- Oudshoornals, 2011). Für den Selbstwie auch den Elternbericht resultierten mit Cronbachs a = .83 bzw. .82 zwar gute Reliabilitätswerte für die Gesamtscores des Wohlbefindens, jedoch nicht durchweg befriedigende interne Konsistenzen für die einzelnen Subskalen (Selbstbericht: mittleres Cronbachs a = .61; Variation von a = .46 für Freunde bis a = .76 für Selbstwert; Elternbericht: mittleres Cronbachs a = .59; Variation von a = .52 für Freunde bis a = .64 für Familie). Ravens-Sieberer und Bullinger (2000) berichten im 222 Steffen Schmid et al. KINDL-Manual Skalenfitwerte nach MAP (Hays, Hayashi, Carson & Ware, 1988) größer .87 für die Skalen des Selbstberichts und größer .83 für die Skalen des Elternberichts. Kontrollvariablen Neben dem Geschlecht der Kinder wurden sowohl der Migrationshintergrund, die besuchte Schule als auch die Halbjahresnoten als Kontrollvariablen in den Analysen berücksichtigt. Im Fragebogen wurde über zwei Items der Migrationshintergrund der Eltern erfasst. Mit jeweils einem Item wurde für die Mutter und den Vater erfragt, wo diese geboren wurden. Wenn eines der Elternteile in einem anderen Land als Deutschland geboren wurde, wurde von einem Migrationshintergrund ausgegangen. Nach zu Beginn der Studie eingeholtem Einverständnis der Eltern wurden über die jeweiligen Klassenlehrer die Halbjahresnoten der Schülerinnen und Schüler in Mathematik und Deutsch erfragt 2 , da diese beiden Noten bis ins Jahr 2011 ausschlaggebend für die verbindliche Grundschulempfehlung bezüglich der weiterführenden Schule waren. Lag der Durchschnitt der beiden Noten zwischen 1.0 und 2.5, wurde bis 2011 mitgeteilt, dass das Kind auf alle drei Schularten gehen konnte, für den Bereich 2.6 bis 3.0 konnte das Kind die Real- oder Hauptschule besuchen und von 3.1 bis 4.0 war die Hauptschule die verbindliche Empfehlung. Es wurde mithilfe des Notenschnitts also die höchstmöglich zu besuchende Schule festgelegt. Basierend auf diesem Notenspiegel wurde eine Einteilung in Leistungsgruppen vorgenommen: 1.0 bis 2.5: Leistungsgruppe Gymnasium, 2.6 bis 3.0: Leistungsgruppe Realschule, 3.1 bis 4.0: Leistungsgruppe Hauptschule. Ergebnisse Voranalysen Es zeigten sich keine signifikanten Unterschiede für die Regelung (verbindliche Grundschulempfehlung, beratendes Elterngespräch) hinsichtlich der Geschlechterverteilung, c 2 (1, N = 284) =0.01, ns, und des Migrationshintergrunds, c 2 (1, N = 275) = 0.05, ns (siehe Tab. 1). Ferner bestanden keine Unterschiede für die Regelung in Bezug auf die drei Leistungsgruppen, c 2 (2, N = 262) = 3.40, ns (siehe Tab. 2). 3 2 Von einer Schule wurden für beide Viertklässlergruppen keine Noten mitgeteilt. 3 Auch hinsichtlich der realisierten Wahl der weiterführenden Schule fanden sich für den Ostalbkreis zwischen den beiden untersuchten Schuljahren keine Unterschiede (Hauptschule 2011: 25 %, 2012: 25 %; Realschule 2011: 39 %, 2012: 38 %; Gymnasium 2011: 37 %, 2012: 37 %; Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 2014). Regelung Erhebungszeitpunkt n Geschlecht weiblich Migrationshintergrund Verbindliche Grundschulempfehlung Beratendes Elterngespräch Frühjahr 2011 Frühjahr 2012 120 164 52 % 52 % 37 % 38 % Tab. 1: Stichprobenbeschreibung Anmerkungen: Ein Migrationshintergrund wurde angenommen, wenn mindestens ein Elternteil nicht in Deutschland geboren wurde. Aufgrund von fehlenden Angaben sind die Stichprobengrößen für den Migrationshintergrund n = 116 (2011) bzw. n = 159 (2012). Leistungsgruppe Regelung n a Hauptschule Realschule Gymnasium Verbindliche Grundschulempfehlung (2011) Beratendes Elterngespräch (2012) 103 159 27 (26,2 %) 31 (19,5 %) 25 (24,3 %) 31 (19,5 %) 51 (49,5 %) 97 (61,0 %) Tab. 2: Gemeinsame Verteilung von Regelung und Leistungsgruppe Anmerkungen: Die Leistungsgruppen wurden auf Basis der Durchschnittsnote aus Deutsch und Mathematik eingeteilt. Durchschnittsnote 1.0 bis 2.5: Leistungsgruppe Gymnasium, Note 2.6 bis 3.0: Leistungsgruppe Realschule, Note 3.1 bis 4.0: Leistungsgruppe Hauptschule. Diese Einteilung wurde bis 2011 für die verbindliche Grundschulempfehlung herangezogen. a Von einer Schule (n = 16 Schülerinnen und Schüler) wurden keine Noten mitgeteilt. Stress und Wohlbefinden von Kindern in der Grundschule 223 Stresserleben und Wohlbefinden Es wurden univariate Varianzanalysen mit den unabhängigen Variablen Regelung (verbindliche Grundschulempfehlung, beratendes Elterngespräch), Geschlecht, besuchte Schule (Schule A bis G) und Migrationshintergrund (ja, nein) durchgeführt. Für das Stresserleben fand sich kein bedeutsamer Haupteffekt der Regelung, F(1, 223) = 1.64, ns. Signifikant wurde allerdings die Interaktion Regelung × besuchte Schule, F(6, 223)=2.86, p < .05 (siehe Abb. 1). In zwei Schulen (B, C) führte die Einführung der neuen Regelung (beratendes Elterngespräch anstatt verbindlicher Grundschulempfehlung) zu einer bedeutsamen Reduktion des Stresserlebens bei den Schülerinnen und Schülern. In den anderen Schulen resultierten keine bedeutsamen Unterschiede. Das zusätzlich verwendete Stressitem zu Schwierigkeiten mit den Hausaufgaben wies nur eine tendenziell signifikante Interaktion Regelung × Geschlecht auf, F(1, 224) = 3.61, p < .06, mit einem bei den Mädchen im Vergleich zu den Jungen deutlicheren Unterschied der beiden Regelungen zugunsten des beratenden Elterngesprächs (verbindliche Grundschulempfehlung, Jungen: n = 56, M = 2.68, SD = 0.96, Mädchen: n = 60, M = 3.00, SD = 0.86; beratendes Elterngespräch, Jungen: n = 76, M = 2.43, SD = 0.96, Mädchen: n = 82, M = 2.50, SD = 0.97). Ferner zeigte sich beim Stresserleben ein signifikanter Haupteffekt für das Geschlecht, F(1, 223) = 13.20, p < .001. Unabhängig von der Regelung berichteten Mädchen (n = 146, M = 15.84, SD = 3.35) mehr Stress als Jungen (n = 135, M = 13.69, SD = 3.92). Signifikant war auch die Interaktion der besuchten Schule mit dem Migrationshintergrund, F(6, 223) = 2.29, p < .05. Der Effekt basierte allerdings nur auf zwei Schulen. Während in Schule D Kinder mit Migrationshintergrund mehr Stress erlebten als Kinder ohne Migrationshintergrund, verhielt es sich in Schule A umgekehrt. Für den Gesamtwert des selbstberichteten Wohlbefindens konnte kein Haupteffekt der Regelung belegt werden, F(1, 219) = 0.72, ns, jedoch eine signifikante Interaktion Regelung × Geschlecht, F(1, 219) = 4.77, p < .05 (siehe Abb. 2). So zeigte sich bei den Mädchen mit verbindlicher Abb. 1: Stresserleben als Funktion der Interaktion von Regelung und besuchter Schule (p < .05). Anmerkungen: In den Stichprobenangaben bezieht sich die erste Zahl auf die verbindliche Grundschulempfehlung und die zweite auf das beratende Elterngespräch. ** p < .01. 24 22 20 18 16 14 12 10 8 6 Stresserleben (Intensität) Schule A Schule B Schule C Schule D Schule E Schule F Schule G (n =5/ 9) (n =21/ 40) (n =16/ 13) (n =19/ 28) (n =14/ 13) (n =10/ 24) (n =31/ 30) Verbindliche Grundschulempfehlung Beratendes Elterngespräch ** ** 224 Steffen Schmid et al. Grundschulempfehlung ein geringeres Wohlbefinden als bei den Jungen. Dieser Unterschied zwischen den Geschlechtern ist bei der Viertklässlergruppe mit beratendem Elterngespräch nicht mehr vorhanden. Eine Inspektion der Dimensionen des Wohlbefindens ergab, dass dieser Interaktionseffekt insbesondere auf die Subskalen Freunde und Selbstwert zurückzuführen ist; Interaktion Regelung × Geschlecht: F(1, 219) = 9.08, p < .01 und F(1, 219) = 6.37, p < .05. Ein analoger, tendenziell signifikanter Interaktionseffekt konnte auch für die Subskala Schule gefunden werden, F(1, 219) = 3.16, p < .08. Der Gesamtscore des elternberichteten Wohlbefindens variierte in Abhängigkeit von der besuchten Schule (Haupteffekt), F(1, 112) = 2.48, p < .05 (höheres Wohlbefinden in Schulen A, D und F als in den Schulen B, C und G). Wie für den Selbstbericht zeigte sich auch für den Elternbericht eine signifikante Interaktion Regelung × Geschlecht, F(1, 112) = 3.91, p = .05 (siehe Abb. 2). Während im Jahr 2011 mit verbindlicher Grundschulempfehlung Mädchen aus Sicht der Eltern geringere Werte im Wohlbefinden aufwiesen als Jungen, war das Wohlbefinden der Geschlechter bei der neuen Regelung (beratendes Elterngespräch, 2012) fast identisch. Bei Inspektion der Subskalen des Wohlbefindens wurden die analogen Interaktionseffekte allerdings nicht mehr signifikant (p > .11). Diskussion Verbunden mit einer gesetzlichen Neuregelung des Übertritts auf die weiterführende Schule wurden mögliche Unterschiede zwischen Viertklässlern mit verbindlicher Grundschulempfehlung (alte Regelung) und Viertklässlern mit beratendem Elterngespräch (neue Regelung) in den Bereichen Stresserleben und Wohlbefinden betrachtet. Innerhalb des Stresserlebens zeigte sich nicht der erwartete generelle Unterschied zwischen den Kindern, die noch eine verbindliche Grundschulempfehlung bekamen, und jenen, die diese ein Jahr später nicht mehr erhielten. Jedoch spricht die Interaktion zwischen der Regelung und der besuchten Schule dafür, dass an einzelnen Schulen ein bedeutsam geringeres Stresserleben bei den Schülerinnen und Schülern nach 114 104 94 84 74 64 54 44 34 24 Wohlbefinden (Gesamtwert) Verbindliche Beratendes Verbindliche Beratendes Grundschulempfehlung Elterngespräch Grundschulempfehlung Elterngespräch (n =55/ 60) (n =74/ 80) (n =39/ 39) (n =39/ 40) Jungen Mädchen Selbstbericht Elternbericht ** ** Abb. 2: Wohlbefinden der Kinder im Selbst- und Elternbericht (jeweils Kid-KINDLR-Gesamtwert) als Funktion der Interaktion (jeweils p ≤ .05) von Geschlecht und Regelung (verbindliche Grundschulempfehlung, beratendes Elterngespräch). Anmerkungen: In den Stichprobenangaben bezieht sich die erste Zahl auf die Jungen und die zweite auf die Mädchen. ** p < .01. Stress und Wohlbefinden von Kindern in der Grundschule 225 dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung berichtet wird. Somit lässt sich nicht pauschal von einer Reduktion des Stresserlebens durch die neue Regelung sprechen, sondern von einer Verbesserung an manchen Schulen. Es kann angenommen werden, dass diejenigen Schulen, an denen ein vergleichsweise erhöhtes Stressniveau vorlag, von dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung profitieren und sich das Stressempfinden z. B. durch eine veränderte Art der Schüler-Lehrer-Interaktion reduziert hat. Ferner zeigte sich der in der Literatur beschriebene Geschlechtsunterschied im Stresserleben mit höheren Werten für die Mädchen (z. B. Lohaus et al., 2004). Passend ist in diesem Zusammenhang auch das tendenziell höhere Belastungserleben der Mädchen bei den Hausaufgaben unter der alten Regelung. Vermutlich beschäftigen sich die Mädchen vermehrt mit vorhandenen Stresssituationen und präferieren ein anderes Bewältigungsverhalten als die Jungen (vgl. Eschenbeck, 2010). Der zusätzlich gefundene Interaktionseffekt zwischen Migrationshintergrund und besuchter Schule legt nahe, dass bereits ohne veränderte Regelung an Schulen unterschiedliche Bedingungen für einzelne Gruppen vorherrschen. Leider wurden keine schulspezifischen Merkmale wie z. B. die schulische Ausstattung oder das Schulklima innerhalb der Untersuchung erfasst, die eine Aufschlüsselung der Situation ermöglichen könnte, sodass weitere Forschung in diesem Bereich auf konkrete Schulbesonderheiten Wert legen sollte. Hypothese 1, dass die neue Regelung zu geringerem Stresserleben führt, konnte mit dem verwendeten Messinstrument somit nur für Schülerinnen und Schüler einzelner Schulen und tendenziell für Mädchen mit dem Stress bei Hausaufgaben bestätigt werden. Die Analysen für das Wohlbefinden lieferten zwar keinen bedeutsamen Haupteffekt für die Regelung, d. h. es zeigte sich kein genereller Unterschied zwischen Kindern mit verbindlicher Grundschulempfehlung und Kindern mit beratendem Elterngespräch, es fand sich jedoch eine signifikante Interaktion zwischen der Regelung und dem Geschlecht. Für die Mädchen ist - im Unterschied zu den Jungen - der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung mit deutlich günstigeren Werten im Wohlbefinden verbunden. Mädchen berichten unter der neuen Regelung (beratendes Elterngespräch) nicht nur selbst über ein höheres Wohlbefinden als unter der alten Regelung (verbindliche Grundschulempfehlung). Relevant ist, dass dieser Befund auch für das durch die Eltern berichtete kindliche Wohlbefinden zu erkennen ist. Somit wurde für die zweite Hypothese eine partielle Bestätigung gefunden. Zu verstärktem Stress und reduziertem Wohlbefinden kann beitragen, dass Mädchen höhere Selbstkontrolle aufweisen und sich nicht so stark an kurzfristigen Zielen ausrichten wie Jungen (vgl. Baier & Pfeiffer, 2011). Mit dem Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung muss folglich nicht mit jeder Klassenarbeit auf eine spezifische weiterführende Schule hingearbeitet werden, sondern es könnte zu einer Reduktion hinsichtlich des Leistungsdrucks kommen, die sich bei Mädchen in höherem allgemeinen Wohlbefinden darstellt. Ferner könnte für Mädchen der soziale Faktor eine stärkere Rolle spielen als für Jungen. Das frühzeitige Wissen, mit Freundinnen auch dieselbe weiterführende Schule besuchen zu können, dürfte für Mädchen besonders wichtig sein, da bei ihnen das Interesse an Freunden bzw. Freundschaften besonders hervorsticht (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest, 2013). Es scheint, dass das Wohlbefinden für die Jungen unabhängig von der Regelung ähnlich hoch ist und sich die Mädchen insgesamt mit der neuen Regelung auf das Niveau der Jungen hin bewegen. Somit profitieren vor allem die Mädchen vom Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung. Dies darf jedoch - wegen der ungünstigeren Ausgangslage der Mädchen im Wohlbefinden - nicht vorschnell als weiterer Beleg für die These gesehen werden, dass „die Entwicklung des Bildungssystems […] mit einer Erfolgsgeschichte für die Frauen einher[geht], die sich kontinuierlich fortschreibt“ (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2012, S. 210; siehe auch Leven, Quenzel & Hurrelmann, 2010). Weitere Forschung zu diesem Themenbereich sollte verstärkt auch die durch den Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung möglicherweise resultierenden Veränderungen bei 226 Steffen Schmid et al. Lehrerinnen und Lehrern sowohl in der Grundschule als auch in den weiterführenden Schulen betrachten (zur Gestaltung von Lernumgebungen und zur sozialen Integration siehe z. B. Hascher & Edlinger, 2009). Ferner wären ebenfalls die Veränderungen hinsichtlich der Elternautonomie bei der Entscheidung über die weiterführende Schule von Relevanz, da Eltern ihr Kind nun auf die gewünschte Schule schicken können, ohne dass ein gewisser Notenschnitt erreicht werden muss, was sich für die Kinder entlastend auswirken könnte. Ziel der BUS-Studie, in deren Rahmen die vorliegende Analyse vorgenommen wurde, war nicht primär, den Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung zu untersuchen. Die gesetzliche Änderung wurde erst nach Beginn des ersten Untersuchungszeitraums eingeführt, wodurch ein Vergleich der beiden Viertklässlergruppen mit alter und neuer Regelung möglich wurde. Einschränkend für diese Untersuchung muss deswegen festgehalten werden, dass der Zeitpunkt der Erhebung wahrscheinlich nicht mit der Phase des höchsten Leistungsdrucks zusammenfiel, da das Halbjahreszeugnis bereits ausgehändigt war und somit die mögliche weiterführende Schulart nach der Grundschule hätte bekannt sein müssen. Bemerkenswert ist, dass sich dennoch der Effekt der Regeländerung von der verbindlichen Grundschulempfehlung zum beratenden Elterngespräch zu diesem Zeitpunkt im selbstberichteten Stresserleben und im Wohlbefinden sowohl aus Sicht der Kinder als auch aus Sicht der Eltern nachweisen ließ. Der Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung geht nicht für alle Schülerinnen und Schüler mit weniger Stress und höherem Wohlbefinden einher. Es sind vielmehr einzelne Gruppen, die von dieser Regeländerung profitieren. So zeigte sich bei zwei Schulen, die zuvor noch höhere Werte als die anderen Schulen hatten, eine deutliche Reduktion im Stresserleben mit der neuen Regelung. Hervorzuheben ist insbesondere, dass die Mädchen in ihrem Wohlbefinden vom Wegfall der verbindlichen Grundschulempfehlung profitieren, da dieses nun das Niveau der Jungen erreicht. Dieses Resultat zeigte sich sowohl im Selbstals auch im Elternbericht. Erwähnenswert bleibt zudem, dass zu dem gewählten Untersuchungszeitpunkt der Wechsel zum beratenden Elterngespräch nicht mit negativen Folgen für Stresserleben oder Wohlbefinden der Schülerinnen und Schüler verbunden war. Danksagung Wir bedanken uns bei den Schulen, ihren Lehrerinnen und Lehrern, den Schülerinnen und Schülern und deren Eltern für ihre Teilnahme und Mitarbeit an der Untersuchung. Ferner danken wir allen Studierenden und studentischen Hilfskräften für die Unterstützung bei der Datenerhebung sowie dem Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden- Württemberg und dem Forschungsfonds der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd für die finanzielle Unterstützung. Literatur Autorengruppe Bildungsberichterstattung. 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