eJournals Psychologie in Erziehung und Unterricht 64/4

Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/peu2017.art20d
101
2017
644

Editorial

101
2017
Heike M. Buhl
Johanna Hilkenmeier
Das zunehmende Bewusstsein um die gemeinsame Verantwortung von Elternhaus und Schule sowohl für Erziehung als auch für Bildung von Schülerinnen und Schülern macht die Notwendigkeit einer Kooperation zwischen Lehrkräften und Eltern augenfällig. Im Aufgabenkanon von Lehrkräften ist aus der Elternarbeit eine Arbeit mit Eltern für gemeinsame Ziele geworden (Sacher, Sliwka, Tschöpe-Scheffler, Walper & Wild, 2013). Voraussetzung für Kooperation zwischen Elternhaus und Schule ist, dass beide Parteien interagieren (Epstein, 2002). Dies geschieht informell, wie z. B. bei Schulfeiern, oder auch bei formellen, gesetzlich geregelten Anlässen, wie Elternsprechtagen. Die dabei geführten Gespräche zwischen einer Lehrkraft, den Eltern oder einem Elternteil sowie ggf. der Schülerin oder dem Schüler dienen dazu, über die Lern- und Leistungsentwicklung der Schülerin bzw. des Schülers zu informieren und zu beraten (Schulgesetz Nordrhein-Westfalen, § 44). Ziel ist es letztendlich, Eltern zu einem günstigen Engagement für die schulische Bildung ihres Kindes zu befähigen und zu motivieren (Hoover-Dempsey & Sandler, 1995; vgl. Wild & Lorenz, 2010).[…]
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Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2017, 64, 241 -242 DOI 10.2378/ peu2017.art20d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Editorial Gespräche zwischen Eltern und Lehrkräften Heike M. Buhl, Johanna Hilkenmeier Universität Paderborn Das zunehmende Bewusstsein um die gemeinsame Verantwortung von Elternhaus und Schule sowohl für Erziehung als auch für Bildung von Schülerinnen und Schülern macht die Notwendigkeit einer Kooperation zwischen Lehrkräften und Eltern augenfällig. Im Aufgabenkanon von Lehrkräften ist aus der Elternarbeit eine Arbeit mit Eltern für gemeinsame Ziele geworden (Sacher, Sliwka, Tschöpe-Scheffler, Walper & Wild, 2013). Voraussetzung für Kooperation zwischen Elternhaus und Schule ist, dass beide Parteien interagieren (Epstein, 2002). Dies geschieht informell, wie z. B. bei Schulfeiern, oder auch bei formellen, gesetzlich geregelten Anlässen, wie Elternsprechtagen. Die dabei geführten Gespräche zwischen einer Lehrkraft, den Eltern oder einem Elternteil sowie ggf. der Schülerin oder dem Schüler dienen dazu, über die Lern- und Leistungsentwicklung der Schülerin bzw. des Schülers zu informieren und zu beraten (Schulgesetz Nordrhein-Westfalen, § 44). Ziel ist es letztendlich, Eltern zu einem günstigen Engagement für die schulische Bildung ihres Kindes zu befähigen und zu motivieren (Hoover-Dempsey & Sandler, 1995; vgl. Wild & Lorenz, 2010). Elterngespräche sind allerdings komplexe Beratungssettings, zu deren Beschreibung es umfassende Kenntnisse über die Gesprächsmerkmale und in praktischer Hinsicht für eine gelingende Interaktion darauf aufbauende Diagnose- und Beratungskompetenzen von Lehrkräften braucht. Beide Voraussetzungen sind bislang nicht erfüllt: Zwar gibt es einige wissenschaftliche Aufarbeitungen zur Beratung und Beratungskompetenz von Lehrkräften (im deutschen Sprachraum z. B. Aich, 2011; Gartmeier, Bauer, Fischer, Karsten & Prenzel, 2011; Hertel, 2009; Sauer, 2015) und u. a. daraus abgeleitete Empfehlungen und Trainings für die Praxis (z. B. Aich & Behr, 2015), doch braucht es weitere Forschung, da wenig über die Inanspruchnahme, den Ablauf, die Wirkung und die Förderung von Eltern-Lehrer-Gesprächen bekannt ist. Das vorliegende Sonderheft wendet sich dieser Thematik zu. Mit vier Beiträgen aus Psychologie, Erziehungswissenschaft und Linguistik sowie mit unterschiedlichen Methoden (Querschnitt, Längsschnitt, Gesprächsanalyse, Trainingsstudie) nähert es sich den Herausforderungen und Möglichkeiten, die sich durch Gespräche zwischen Lehrkräften und Eltern für alle Beteiligten ergeben. Drei empirische Arbeiten bieten die Grundlage für das Verständnis von Eltern-Lehrer-Gesprächen, wobei sie zunehmend konkreter auf die Gespräche selbst fokussieren. Im ersten Beitrag gehen Hertel, Jude und Sälzer umfassend anhand von Elternangaben und Testergebnissen aus PISA 2012 (Programme for International Student Assessment) u. a. den Fragen nach, wie sich Eltern in der Schule engagieren und wie sie ihre Kinder zu Hause fördern. Die Ergebnisse zeigen deutlich, dass das Engagement der Eltern und auch die Häufigkeiten von Gesprächen mit der Lehrkraft hoch sind und im Zusammenhang mit den Leistungen und Interessen der Schülerinnen und Schüler stehen. Die von den Autorinnen abschließend gestellte Frage, wie elterliches Engagement weiter gefördert werden kann, ist Thema der drei folgenden Beiträge. Die Untersuchung von Hilkenmeier, Wiescholek und Buhl fokussiert ebenfalls die elterliche Perspektive, speziell auf Eltern-Lehrer-Gespräche. Zentral ist die Frage nach motivationsförderlichen Elementen des Gesprächs für 242 Editorial die elterliche Unterstützung von Grundschulkindern. Die längsschnittliche Untersuchung zeigt die angenommene positive Wirkung von Wertschätzung und Autonomieunterstützung im Gespräch auf die Zufriedenheit der Eltern und ihre spätere Unterstützung auch im Zusammenspiel mit der Schülerinnen- und Schülerleistung. Dies verdeutlicht, wie wichtig die konkrete Gestaltung des Gesprächs durch die Lehrkraft ist. Mit dem Beitrag von Bennewitz und Wegner wechseln Perspektive und Methode, um sich der Gesprächsgestaltung weiter anzunähern. Gefragt wird, wie von Lehrkräften und Eltern Leistungsprobleme angesprochen werden. Dazu wurden zwei authentische Gespräche konversationsanalytisch rekonstruiert. Dieser detaillierte qualitative Zugang zeigt eine insofern problematische Gesprächsführung durch die Lehrkräfte, als diese vage bleiben, Ursachen für Leistungsprobleme auf die Schülerin bzw. den Schüler attribuieren und keine konkreten Hinweise zur Förderung geben. Diese Befunde machen eine Aus- und Weiterbildung von Lehramtsstudierenden und berufstätigen Lehrkräften erforderlich, die auf Elterngespräche vorbereiten. Hier setzt der Praxisbeitrag von Aich, Kuboth und Behr an, in dem ein Multiplikatoren-Training auf der Basis des bereits evaluierten Gmünder Modells für Gesprächsführung mit Eltern vorgestellt wird. Damit schlägt dieser vierte Beitrag im Sonderheft eine Brücke zur Nutzung der vorangegangenen Befunde sowie Beratungskonzeptionen für die Praxis und gibt dabei Einblicke in die konkrete Weiterbildung von Lehrkräften aus einer auch bildungspolitischen Perspektive heraus. Insgesamt unterstreichen die im Sonderheft zusammengeführten Beiträge die bedeutsame Rolle von Gesprächen zwischen Eltern und Lehrkräften sowohl für die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft selbst als auch für adäquates elterliches Schulengagement und damit für die Motivation und Leistung von Schülerinnen und Schülern. Da zugleich Veränderungsspielräume und -möglichkeiten aufgezeigt wurden, ist die Thematik auch für die schulische, hochschulische und bildungspolitische Praxis relevant. Literatur Aich, G. (2011). Professionalisierung von Lehrenden im Eltern-Lehrer-Gespräch. Entwicklung und Evaluation eines Trainingsprogramms. Hohengehren: Schneider. Aich, G. & Behr, M. (2015). Gesprächsführung mit Eltern. Weinheim: Beltz. Deci, E. L. & Ryan, M. R. (2002). Handbook of self-determination theory. Rochester: University of Rochester Press. Epstein, J. L. (2002). School, family, and community partnerships: Caring for the children we share. In J. L. Epstein, M. G. Sanders, B. S. Simon, K. C. Salinas, N. Rodriguez Jansorn & F. L. van Voorhis (Eds.), School, family, and community partnership. Your handbook for action (2nd ed., pp. 7 - 29). Thousand Oaks, CA: Corwin Press. Gartmeier, M., Bauer, J., Fischer, M. R., Karsten, G. & Prenzel, M. (2011). Modellierung und Assessment professioneller Gesprächsführungskompetenz von Lehrpersonen im Lehrer-Elterngespräch. In O. Zlatkin-Troitschanskaia (Hrsg.), Stationen Empirischer Bildungsforschung. Traditionslinien und Perspektiven (S. 412 - 426). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. https: / / dx.doi.org/ 10.1007/ 978-3-531-940 25-0_29 Hertel, S. (2009). Beratungskompetenz von Lehrern - Kompetenzdiagnostik, Kompetenzförderung, Kompetenzmodellierung. Münster: Waxmann. Hoover-Dempsey, K. V. & Sandler, H. (1995). Parental involvement in children’s education: Why does it make a difference? Teachers College Record, 97 (2), 310 - 331. Sacher, W., Sliwka, A., Tschöpe-Scheffler, S., Walper, S. & Wild, E. (2013). Qualitätsmerkmale schulischer Elternarbeit. Ein Kompass für die partnerschaftliche Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus. Düsseldorf: Vodafone Stiftung. Sauer, D. (2015). Wie beraten Lehrkräfte Eltern? Eine qualitativ rekonstruktive Studie zur Beratungsaufgabe von Lehrkräften. Opladen: Barbara Budrich. Wild, E. & Lorenz, F. (2010). Elternhaus und Schule. Paderborn: Schöningh (UTB). Prof. Dr. Heike M. Buhl Johanna Hilkenmeier Universität Paderborn Fach Psychologie Warburger Straße 100 D-33098 Paderborn E-Mail: Heike.Buhl@upb.de Johanna.Hilkenmeier@upb.de