Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2018
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Empirische Arbeit: Kennen Lehrkräfte die Beweggründe ihrer Schülerinnen und Schüler für schulisches Engagement?
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2018
Paul Hinnersmann
Katja Görich
Stephan Dutke
Motivationsbezogene Einschätzungen von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern weisen oft eine geringe Übereinstimmung auf. Ursache hierfür könnte stereotypbasiertes Urteilen aufseiten der Lehrkräfte sein. In zwei Studien wurde geprüft, inwieweit Lehrkräfte sich bei der Einschätzung der Lernbeweggründe ihrer Schülerinnen und Schüler an stereotypen Vorstellungen von Lernmotivation von Schülerinnen und Schülern orientieren. In Studie 1 wurden stereotype Vorstellungen von Schülermotivation an Lehramtsstudierenden und erfahrenen Lehrkräften erhoben. Hiermit wurden die Daten von Dutke und Hinnersmann (2015) reanalysiert, die eine geringe Übereinstimmung zwischen Schüler- und Lehrkrafturteilen zeigten. Die Reanalyse belegt, dass die Lernbeweggründe, die Lehrkräfte individuellen Schülerinnen und Schülern zuschrieben, stereotypen Vorstellungen von Lehrkräften und Lehramtsstudierenden zur Lernmotivation von Schülerinnen und Schülern ähnlicher waren als den Einschätzungen der Schülerinnen und Schüler selbst. Studie 2 zeigte, dass dies auch zutrifft, wenn die Stereotypdaten und die Einschätzungen der Lernbeweggründe von Schülerinnen und Schülern nicht an unterschiedlichen, sondern an den gleichen Lehrkräften erhoben wurden. Es wird diskutiert, ob Unterschiede in der Urteilsgüte zwischen Lehrkräften sich je nach Selbsteinschätzungen der Schülerinnen und Schüler mit dem Ausmaß an Stereotyporientierung der Lehrkräfte erklären lassen.
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n Empirische Arbeit Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2018, 65, 17 -34 DOI 10.2378/ peu2017.art16d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Kennen Lehrkräfte die Beweggründe ihrer Schülerinnen und Schüler für schulisches Engagement? Zwischen merkmal- und stereotyporientierten Urteilen Paul Hinnersmann, Katja Görich, Stephan Dutke Universität Münster Zusammenfassung: Motivationsbezogene Einschätzungen von Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern weisen oft eine geringe Übereinstimmung auf. Ursache hierfür könnte stereotypbasiertes Urteilen aufseiten der Lehrkräfte sein. In zwei Studien wurde geprüft, inwieweit Lehrkräfte sich bei der Einschätzung der Lernbeweggründe ihrer Schülerinnen und Schüler an stereotypen Vorstellungen von Lernmotivation von Schülerinnen und Schülern orientieren. In Studie 1 wurden stereotype Vorstellungen von Schülermotivation an Lehramtsstudierenden und erfahrenen Lehrkräften erhoben. Hiermit wurden die Daten von Dutke und Hinnersmann (2015) reanalysiert, die eine geringe Übereinstimmung zwischen Schüler- und Lehrkrafturteilen zeigten. Die Reanalyse belegt, dass die Lernbeweggründe, die Lehrkräfte individuellen Schülerinnen und Schülern zuschrieben, stereotypen Vorstellungen von Lehrkräften und Lehramtsstudierenden zur Lernmotivation von Schülerinnen und Schülern ähnlicher waren als den Einschätzungen der Schülerinnen und Schüler selbst. Studie 2 zeigte, dass dies auch zutrifft, wenn die Stereotypdaten und die Einschätzungen der Lernbeweggründe von Schülerinnen und Schülern nicht an unterschiedlichen, sondern an den gleichen Lehrkräften erhoben wurden. Es wird diskutiert, ob Unterschiede in der Urteilsgüte zwischen Lehrkräften sich je nach Selbsteinschätzungen der Schülerinnen und Schüler mit dem Ausmaß an Stereotyporientierung der Lehrkräfte erklären lassen. Schlüsselbegriffe: Motivation, Lernmotivation, diagnostische Kompetenz von Lehrkräften, stereotypbasierte Einschätzungen Do Teachers Know Their Students’ Reasons for Engagement in School? Between Individualized and Stereotype-Based Judgments Summary: Stereotype-based, non-individualized judgments of teachers might explain the oftentimes low correspondence between teachers’ and students’ judgments concerning learning motivation. Two studies addressed the question of whether teachers’ judgments about their students’ reasons to learn are stereotype-based. In Study 1, data from Dutke and Hinnersmann (2015) were reanalyzed based on additional data on stereotypical views of (prospective) teachers on students’ reasons to learn. The results showed that the reasons teachers ascribed to their students resembled the stereotype-based reasons more than the reasons students reported themselves. Study 2 demonstrated that this result holds even when, in contrast to Study 1, all data (reasons ascribed to individual students and stereotype data) were collected from the same sample of teachers. The paper discusses to which extent differences between teachers regarding the quality of their judgments on student motivation might be explained by their reliance on motivation-related stereotypes. Keywords: Motivation, learning motivation, teachers’ diagnostic competences, stereotype-based judgments Autorenhinweis Katja Görich arbeitet jetzt an der Universität Osnabrück (Institut für Erziehungswissenschaft). 18 Paul Hinnersmann, Katja Görich, Stephan Dutke Die Frage nach der Motivation von Schülerinnen und Schülern ist für Lehrkräfte oft dann von besonderer Relevanz, wenn sich ihre Erwartungen an das Verhalten von Schülerinnen und Schülern nicht erfüllen. Dann stellt sich diese Frage defizitorientiert: Warum erscheinen manche Schülerinnen und Schüler unmotiviert, warum bereiten sie sich nicht vor, nehmen Lern- und Unterstützungsangebote nicht wahr? Aber was sind die Beweggründe dafür, dass sich Schülerinnen und Schüler engagieren, Lernaktivitäten aufnehmen, Hausarbeiten anfertigen, sich auf Prüfungen vorbereiten (Buff, 2001; Buff, Reusser & Pauli, 2010; Dutke & Hinnersmann, 2015)? Kenntnis dieser Beweggründe erscheint vor dem Hintergrund von Forschungsarbeiten, die auf die Bedeutung von Beweggründen hinsichtlich des emotionalen Erlebens und der Leistung bei lernbezogenen Zielen hinweisen (z. B. Gaudreau, 2012; Vansteenkiste et al., 2010; Vansteenkiste, Lens, Elliot, Soenens & Mouratidis, 2014), als eine der Voraussetzungen für individuelle Förderung. Deshalb ist es von unterrichtspraktischer Bedeutung, inwieweit Lehrkräfte diese Beweggründe zutreffend einschätzen können. Eine hinreichende Übereinstimmung zwischen der Lehrersicht auf die Motivation individueller Schülerinnen und Schüler mit deren eigener Sicht auf ihre Motivation herzustellen, erfordert (motivations-)diagnostische Kompetenzen, die verstärkt Gegenstand empirischer Forschung geworden sind (Artelt & Gräsel, 2009). Wie zutreffend erkennen Lehrkräfte die Beweggründe ihrer Schülerinnen und Schüler, schulische Lernhandlungen auszuführen? In Studien zu dieser Frage beurteilen sich Schülerinnen und Schüler oft selbst hinsichtlich motivationaler Konstrukte mithilfe standardisierter Skalen. Ihre Lehrkräfte nehmen dann anhand der gleichen Skalen eine Fremdeinschätzung der Schülerinnen und Schüler vor. Insgesamt weisen die bisherigen Ergebnisse auf eine eher geringe Übereinstimmung zwischen den Selbsteinschätzungen der Schülerinnen bzw. Schüler und den Fremdeinschätzungen durch ihre Lehrkräfte hin. Givvin, Stipek, Salmon und MacGyvers (2001) berichteten geringe bis mittlere Korrelationen zwischen Schülerselbsteinschätzungen verschiedener motivationaler Konstrukte und den Einschätzungen durch ihre Lehrkräfte (z. B. Lernzielorientierung: r = .15 bis r = .30; Selbstwirksamkeit: r = .26 bis r = .45). Bezüglich der Lernzielorientierung wiesen die Einschätzungen von Lehrkräften sowie Schülerinnen und Schülern in der Studie von Dicke, Lüdtke, Trautwein, Nagy und Nagy (2012) signifikante Zusammenhänge zwischen r = .16 und r = .41 auf, ebenso für die annähernde Performanzzielorientierung (zwischen r = .14 und r = .26). Hinsichtlich der vermeidenden Performanzzielorientierung fanden Dicke et al. (2012) keine signifikanten Korrelationen zwischen Schüler- und Lehrereinschätzungen (außer im Fach Englisch: r = .11). Ebenfalls keine bzw. nur geringe Zusammenhänge berichteten Gagné und St Père (2001) für die Merkmale intrinsische Motivation (r = -.01), extrinsische Motivation (r = .15) und Persistenz (r = .00). Ein wenig höher korrelierten die Einschätzungen zwischen Schülerinnen bzw. Schülern und Lehrkräften hinsichtlich des Interesses für Mathematik und Deutsch mit r = .37 und r = .30 für Grundschulklassen bzw. mit r = .32 und r = .21 für Gymnasialklassen (Karing, 2009). Lee und Reeve (2012) verglichen Lehrkraft- und Schülerurteile bezogen auf Motivation und Engagement der Schülerinnen und Schüler und kontrollierten dabei die Schulleistung. Bei bivariater Betrachtung zeigten sich bezüglich Motivation und Engagement signifikante Korrelationen zwischen der Selbst- und Fremdeinschätzung. Bei statistischer Kontrolle der Schülerleistungen waren jedoch die Korrelationen der Urteile über die Schülermotivation nicht mehr signifikant. Lee und Reeve folgerten, dass die Lehrkräfte die Motivation ihrer Schülerinnen und Schüler zwar recht akkurat einschätzen konnten, dass sie dabei jedoch weitgehend auf Informationen über die Schulleistungen zurückgriffen (vgl. Kaiser, Retelsdorf, Südkamp & Möller, 2013). Kennen Lehrkräfte die Beweggründe ihrer Schülerinnen und Schüler für schulisches Engagement? 19 Spinath (2005) stellte fest, dass die von ihr untersuchten Lehrkräfte eine Tendenz zur Unterschätzung der Lernmotivation ihrer Schülerinnen und Schüler aufwiesen. Urhahne, Chao, Florineth, Luttenberger und Paechter (2011) differenzierten zwischen Schülerinnen und Schülern, die von der Lehrkraft als leistungsstark oder als leistungsschwach eingeschätzt wurden. Die Lehrkräfte schätzten die Lernmotivation von Schülerinnen und Schülern, die sie für leistungsstark hielten, treffender ein als die Lernmotivation von Schülerinnen und Schülern, die eher für leistungsschwach gehalten wurden. Anstatt Urteilsskalen vorzugeben, baten Dutke und Hinnersmann (2015) Schülerinnen und Schüler, in eigenen Worten Gründe dafür zu nennen, warum sie für ein bestimmtes Schulfach tätig werden. Die Nennungen wurden elf motivationalen Inhaltskategorien nach Buff (2001, siehe Tab. 1) zugeordnet. Dadurch entstand für jede Schülerin bzw. jeden Schüler ein Profil aus den relativen Häufigkeiten, mit denen die von der jeweiligen Schülerin bzw. dem jeweiligen Schüler genannten Gründe den elf Inhaltskategorien zugewiesen wurden (Eigenprofil). Gleichzeitig wurden die Klassenbzw. Kursleiterinnen und -leiter gebeten, für jede befragte Schülerin bzw. jeden befragten Schüler die Beweggründe anzugeben, die aus Lehrersicht ausschlaggebend für deren Lernaktivitäten sind. Diese Gründe wurden den gleichen Inhaltskategorien zugeordnet wie die der Schülerinnen und Schüler. Die relativen Häufigkeiten der Nennungen in den elf Kategorien stellen das motivationale Profil dar, das die Lehrkraft dieser Schülerin bzw. diesem Schüler zuschrieb (Fremdprofil). Zur Quantifizierung der Profilähnlichkeit berechneten Dutke und Hinnersmann (2015) für jede Schülerin bzw. jeden Schüler die Korrelation zwischen dem Eigen- und dem Fremdprofil über die elf Inhaltskategorien. Je höher die Profilkorrelation, umso ähnlicher waren das Eigenprofil (generiert aus den Schülerangaben) und das Fremdprofil (generiert aus den Lehrerangaben über genau diese Schülerin bzw. diesen Schüler). Im Durchschnitt war die Ähnlichkeit zwischen Eigen- und Fremdprofil gering (r - = .17), variierte jedoch erheblich zwischen den Lehrkräften (von r = -.09 bis r = .48). Da wiederum die elf Inhaltskategorien entsprechend der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan (1985, 2012) nach dem Grad der Autonomie in der Handlungsregulation den übergeordneten Regulationsformen fremdbestimmt-extrinsisch, selbstbestimmt-extrinsisch und intrinsisch zugeordnet wurden, war es möglich, auch inhaltlich zu bestimmen, worin die Diskrepanz zwischen Lehrkräften und Schülerinnen bzw. Schülern in ihren Einschätzungen bestand. Schülerinnen und Schüler schätzten sich stärker selbstbestimmt-extrinsisch motiviert ein, als dies ihre Lehrkräfte taten, während diese ihre Schülerinnen und Schüler wiederum stärker fremdbestimmt-extrinsisch motiviert einschätzten als diese sich selbst. Zusammengefasst zeigen die Ergebnisse der dargestellten Studien erstens, dass die Übereinstimmung zwischen motivationsbezogenen Einschätzungen von Lehrkräften und Schülerinnen bzw. Schülern eher gering ist. Zweitens wird kenntlich, dass die Übereinstimmung der motivationsbezogenen Einschätzungen zwischen Lehrkräften stark variiert, unabhängig davon, ob die Urteile der Schülerinnen und Schüler und der Lehrkräfte mittels quantitativer Instrumente erhoben wurden (Spinath, 2005) oder mittels qualitativer Erhebungsinstrumente (Dutke & Hinnersmann, 2015). Wie lassen sich diese Ergebnisse erklären? Neben der Möglichkeit, dass mangelnde Reliabilität der Messverfahren die Übereinstimmung beeinträchtigen kann, ist eine Besonderheit der Urteilssituation aufseiten der Lehrkräfte zu beachten. Die von den Lehrkräften einzuschätzenden motivationalen Merkmale der Schülerinnen und Schüler stellen im Sinne des Linsenmodells (Brunswik, 1956) oder des Realistic Accuracy Model (Funder, 1995) distale Merkmale dar, die nicht direkt beobachtet werden können, sondern über proximale Hinweisreize erschlossen werden müssen. Diese Hinweisreize - wie z. B. Ausdauer und Intensität bei der Auf- 20 Paul Hinnersmann, Katja Görich, Stephan Dutke gabenbearbeitung, Leistung, positive und negative Aktivierung - sind im Regelfall nicht eindeutig auf ein bestimmtes motivationales Merkmal zurückzuführen. Die Hinweisreize sind also nur eingeschränkt valide für die Einschätzung der distalen Merkmale. Zudem sind auch die proximalen Hinweisreize für die Lehrkräfte nicht immer leicht zu erkennen (z. B. Anstrengung oder positive und negative Aktivierung), da Klassensituationen Schülerverhalten oft stark normieren. Dies bedeutet, dass die gezeigten Verhaltensweisen der Schülerinnen und Schüler nicht immer indikativ für bestimmte motivationale Merkmalsausprägungen sein müssen. Eine mangelnde Validität der Hinweisreize und Schwierigkeiten ihrer Identifikation könnten also die geringe motivationsbezogene Urteilsgenauigkeit der Lehrkräfte erklären. Folgt man dem Kontinuummodell der sozialen Urteilsbildung von Fiske und Neuberg (1990), ist zudem zu erwarten, dass Lehrkräfte bei der Einschätzung der Lernbeweggründe ihrer Schülerinnen und Schüler eher auf Basis stereotyper Vorstellungen von Motivation von Schülerinnen und Schülern urteilen als anhand der individuellen Merkmale ihrer Schülerinnen und Schüler. Fiske und Neuberg (1990) beschreiben in ihrem Kontinuummodell, dass die soziale Urteilsbildung initial stets auf Basis der Kategorisierung anhand salienter Merkmale der zu beurteilenden Person und der mit der Kategorisierung verbundenen stereotypen Vorstellungen erfolgt (vgl. auch Fiske, Lin & Neuberg, 1999). In Abhängigkeit von der Motivation der beurteilenden Person, eine möglichst zutreffende Einschätzung des distalen Merkmals zu treffen, und den ihr dafür zur Verfügung stehenden kognitiven Kapazitäten kann die Urteilsbildung über diese initiale Kategorisierung hinausgehen und in eine bewusste und ressourcenintensivere Analyse von Merkmalen der zu beurteilenden Person übergehen. Die Motivation zu einer genaueren, stärker merkmalsbasierten Analyse und einer daraus resultierenden Rekategorisierung der zu beurteilenden Person würde dem Kontinuummodell zufolge jedoch vornehmlich dann angeregt, wenn neue Informationen inkompatibel mit dem durch die initiale Kategorisierung aktivierten Stereotyp sind. Wie oben beschrieben, sind die für die Einschätzung motivationaler Merkmale notwendigen proximalen Hinweisreize allerdings häufig mehrdeutig. Deshalb dürfte eine Inkompatibilität zwischen aktiviertem motivationsbezogenen Stereotyp und proximalen Hinweisreizen nur selten deutlich werden und damit die Motivation zu einer aufwendigeren, stärker an den individuellen Merkmalen der Person orientierten Einschätzung zumeist gering sein. Hinzu kommt, dass Unterrichtssituationen hohe, die kognitiven Ressourcen stark beanspruchende Anforderungen an die Lehrkräfte stellen. Dem Kontinuummodell zufolge sollte deshalb die Wahrscheinlichkeit verringert sein, dass Lehrkräfte die Handlungsbeweggründe in einer ressourcenfordernden individualisierten, merkmalsorientierten Weise erschließen. Deshalb nehmen wir an, dass die Urteilsbildung der Lehrkräfte eher auf der Ebene einer schnellen, ressourcenschonenden, nicht-individualisierten Zuschreibung verbleibt (Chaiken & Trope, 1999; Fiske & Neuberg, 1990). Eine geringe Differenzierung zwischen Schülerinnen und Schülern wäre die Folge. Auch dies könnte erklären, warum die Übereinstimmung zwischen Lehrer- und Schülerurteilen im Mittel nur gering ausfällt (Dutke & Hinnersmann, 2015; Gagné & St Père, 2001; Givvin et al., 2001; Karing, 2009; Lee & Reeve, 2012; Spinath, 2005; Urhahne et al., 2011). In dieser Studie wird die Hypothese geprüft, dass sich Lehrkräfte bei der Einschätzung der Lernbeweggründe ihrer Schülerinnen und Schüler eher an stereotypen Vorstellungen der Motivation von Schülerinnen und Schülern im Allgemeinen orientieren als an den individuellen Merkmalen ihrer Schülerinnen und Schüler. Diese Hypothese beruht auf der Annahme, dass (a) die proximalen Indikatoren für motivationale Merkmale schwer erkennbar und von geringer Validität sein können, (b) im Sinne des Kontinuummodells der sozialen Urteilsbildung (Fiske & Neuberg, 1990) es an Anlässen mangeln könnte, eine ressourcenintensivere merkmalsorientierte Analyse zu initiieren und (c) die Kennen Lehrkräfte die Beweggründe ihrer Schülerinnen und Schüler für schulisches Engagement? 21 hierfür erforderlichen Verarbeitungsressourcen aufseiten der Lehrkräfte unter Umständen eng begrenzt sind. Die zweite Hypothese lautet, dass Lehrkräfte sich umso weniger an stereotypen Vorstellungen der Motivation von Schülerinnen und Schülern im Allgemeinen orientieren, je mehr sie sich an individuellen Merkmalen ihrer Schülerinnen und Schüler orientieren. Auch diese Annahme ergibt sich aus dem Kontinuummodell. Werden erst einmal Ressourcen in die Verarbeitung individueller Merkmale der beurteilten Person investiert, ist der Rückgriff auf ein leicht verfügbares Stereotyp nicht mehr erforderlich. Hypothese 1 wird in der vorliegenden Arbeit wie folgt getestet. In Studie 1 werden stereotype Vorstellungen der Motivation von Schülerinnen und Schülern an Lehramtsstudierenden und erfahrenen Lehrkräften erhoben. Hiermit werden die Daten aus Dutke und Hinnersmann (2015) reanalysiert. Es wird geprüft, ob die Einschätzungen der Lehrkräfte (Fremdprofil) mit einem stereotypen Profil von Beweggründen höher korrelieren als mit den Beweggründen, die die Schülerinnen und Schüler dieser Lehrkräfte selbst nannten (Eigenprofil). Sollten Fremd- und Eigenprofil (erhoben in Dutke & Hinnersmann, 2015) geringer korrelieren als Fremd- und Stereotypprofil, wären die Verteilungen von Beweggründen, die Lehrkräfte ihren Schülerinnen und Schülern zuschreiben, dem Stereotyp ähnlicher als der Verteilung von Beweggründen, die die Schülerinnen und Schüler selbst genannt haben. Studie 2 folgt dem Vorbild der Untersuchung von Dutke und Hinnersmann (2015) mit dem Unterschied, dass Fremd- und Stereotypprofil nicht an unterschiedlichen Personen, sondern an den gleichen Lehrkräften erhoben wurden. Auch hier wird geprüft, ob Fremd- und Eigenprofil geringer korrelieren als Fremd- und Stereotypprofil. Zur Prüfung von Hypothese 2 wird in Studie 1 wie in Studie 2 getestet, ob beim Vergleich der Lehrkräfte untereinander die Ähnlichkeit zwischen Fremd- und Stereotypprofil umso höher ist, je geringer die Ähnlichkeit zwischen Fremd- und Eigenprofil ist. Studie 1 In dieser Studie wurde an n = 170 Lehramtsstudierenden und n = 93 erfahrenen Lehrkräften an Schulen erhoben, welche Beweggründe sie im Allgemeinen, ohne Ansehen bestimmter Personen dem schulischen Engagement von Schülerinnen und Schülern zuschreiben. Dieses Stereotypprofil wurde mit den motivationsbezogenen Einschätzungen verglichen, die die Lehrkräfte (n = 9 Lehrerinnen und n = 7 Lehrer) in Dutke und Hinnersmann (2015) über ihre eigenen Schülerinnen und Schüler (n = 173 Schülerinnen und n = 156 Schüler) abgegeben hatten. Methode Teilnehmende Studierende: Es nahmen drei Stichproben von Lehramtsstudierenden teil: (a) n = 71 Studierende des Lehramts Grundschule (GS, mittleres Alter = 23.2 Jahre, mittlere Semesterzahl = 3.6), (b) n = 21 Studierende des Lehramts Haupt-/ Realschule (HR, mittleres Alter = 25.1 Jahre, mittlere Semesterzahl = 3.7) sowie (c) n = 78 Studierende im Lehramt Gymnasium/ Gesamtschule (GY, mittleres Alter = 23.7 Jahre, mittlere Semesterzahl = 6.3). Die Teilnehmenden wurden in Lehrveranstaltungen der Universität Münster gewonnen. Die Teilnahme war freiwillig. Lehrkräfte: Alle Daten der berufstätigen Teilnehmenden wurden durch eine Online-Befragung gewonnen. Über die Schulleitungen von 118 Schulen im Münsterland und die Homepages bzw. Zeitschriften verschiedener Lehrerverbände wurde der Link zu dieser Umfrage verbreitet. Insgesamt n = 28 Lehrer und n = 65 Lehrerinnen (46,5 %) von n = 200, die dem Link gefolgt waren, absolvierten die Umfrage vollständig. Unter diesen Personen befanden sich: (a) n = 17 Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen (GS, mittlere Zahl von Dienstjahren = 22.9), (b) n = 10 Lehrerinnen und Lehrer an Haupt-, Realschulen (HR, mittlere Zahl von Dienstjahren = 13.4), (c) n = 44 Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien (GY, mittlere Zahl von Dienstjahren = 16.3) und (d) n = 15 Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen (BS, mittlere Zahl von Dienstjahren = 17.2). Die HR- Stichprobe war zu klein, um aus ihren Daten ein hinreichend zuverlässiges Profil zu generieren und 22 Paul Hinnersmann, Katja Görich, Stephan Dutke wurde nicht weiter berücksichtigt. Die BS-Stichprobe wurde ebenfalls nicht weiter berücksichtigt, weil sich in der zu reanalysierenden Stichprobe keine Schülerinnen und Schüler an beruflichen Schulen befanden. Material und Ablauf Studierende: Die studentischen Teilnehmenden erhielten die schriftliche Beschreibung einer fiktiven Untersuchungssituation. Sie sollten sich vorstellen, es würde eine repräsentative Stichprobe von Schülerinnen und Schülern befragt, warum sie „etwas für die Schule machen“ (vgl. Buff, 2001). Dabei wurden die Studierenden aufgefordert, sich Schülerinnen und Schülern jeweils der Schulform vorzustellen, an der sie später unterrichten würden. Die Schülerinnen und Schüler seien aufgefordert worden, ihre Gründe für schulisches Lernhandeln in freiem Antwortformat zu formulieren. Den Teilnehmenden wurde erklärt, dass die von den Schülerinnen und Schülern genannten Gründe elf Kategorien zugeordnet werden könnten. Diese elf Kategorien, die Inhaltskategorien von Buff (2001, siehe Tab. 1), wurden schriftlich erläutert und mit je einem Beispiel veranschaulicht. In einer Tabelle, in der die Kategorien mit Erläuterungen aufgelistet waren, sollten die Studierenden die Verteilung der Beweggründe auf die elf Kategorien in Prozent nennen, die sie bei einer solchen Untersuchung erwarten würden. Die Erhebung fand während unterschiedlicher Psychologievorlesungen für Studierende des Lehramts statt. Lehrkräfte: Die Teilnehmenden bearbeiteten die mit der Befragungssoftware Unipark gestaltete Umfrage online. Den Teilnehmenden wurde erläutert, dass sie eine Einschätzung vornehmen sollten, was ihrer Meinung nach Schülerinnen und Schüler dazu bewegt, etwas für das Unterrichtsfach zu machen, das die Lehrkraft unterrichtet. Den Lehrkräften wurde erklärt, dass die Beweggründe für Lernhandlungen von Schülerinnen und Schülern den elf Kategorien von Buff (2001) zugeordnet werden können. Die elf Kategorien wurden erläutert und jeweils anhand eines Beispiels veranschaulicht. Die Teilnehmenden wurden dann gebeten, das Unterrichtsfach anzugeben, das sie unterrichteten und auf das sie sich bei ihren nun folgenden Angaben beziehen wollten. Danach wurden sie instruiert, sich eine repräsentative Stichprobe von Schülerinnen und Schülern derjenigen Schulform vorzustellen, an der die jeweilige Lehrkraft unterrichtete. Daraufhin sollten sie ihre Einschätzungen abgeben, wie viel Prozent der Beweggründe für fachbezogene Lernhandlungen auf jede einzelne der elf Kategorien entfallen würden. Regulationsform Nr. Kategorie Beispiel Intrinsisch 1 2 Positives Erleben und Interesse Positives Erleben im Handlungsvollzug … weil ich Mathe einfach spannend finde … weil ich Lust auf kniffelige Problemlösungen habe Selbstbestimmtextrinsisch 3 4 5 6 7 8 Bedeutsamkeit, Nutzen (aktuell) Bedeutsamkeit, Nutzen (künftig) Bedeutsamkeit, Nutzen (allgemein) Kompetenzerweiterung Selbstdiagnose Persönliche Relevanz von Noten … um jetzt in der Schule wieder gut mitzukommen … um Grundlagen für mein Berufsleben zu schaffen … weil mathematische Fähigkeiten generell wichtig im Leben sind … weil ich es einfach verstehen will … weil ich wissen will, ob ich für ein Mathestudium geeignet bin … weil es für mich selbst wichtig ist, ein gutes Abitur zu haben Fremdbestimmtextrinsisch 9 10 11 Ehrgeiz und Ansehen Druck, Zwang, Erwartungen Gratifikationen und Sanktionen … weil es angesehen ist, gut in Mathe zu sein … weil meine Eltern Druck machen … um keinen Ärger zu bekommen Tab. 1: Kategorien von Beweggründen für schulische Lernhandlungen nach Buff (2001) mit Beispielen aus den Schülerantworten (Dutke & Hinnersmann, 2015) Kennen Lehrkräfte die Beweggründe ihrer Schülerinnen und Schüler für schulisches Engagement? 23 Auswertung und Ergebnisse Beschreibung der Stereotypprofile Die mittleren relativen Häufigkeiten in den elf Kategorien wurden innerhalb der Studierendenstichprobe getrennt für die GS-, HR- und GY-Studierenden berechnet und innerhalb der Lehrkräftestichprobe getrennt für die GS- und GY-Lehrkräfte (Abb. 1). Während die Profile, die von Studierenden erhoben wurden, untereinander signifikant korrelierten (r > .81, p < .01), war die Korrelation zwischen den GS- und GY- Profilen, die an Lehrkräften erhoben wurden, nicht signifikant (r = .56). Die drei an Studierenden erhobenen Profile korrelierten zwar signifikant mit dem an Lehrkräften erhobenen GY-Profil (r > .63, p < .05), aber nicht mit dem für Grundschülerinnen und -schüler (r < .59). Obwohl die fünf Profile augenfällige Ähnlichkeiten aufweisen, kann also nicht von einem einzigen, über Befragte und Schulformen hinweg homogenen Stereotypprofil ausgegangen werden. Deshalb werden im Folgenden die Analysen getrennt für die von Studierenden und Lehrkräften erhobenen Stereotypprofile ausgeführt. Außerdem werden die Fremdprofile nur mit den Stereotypprofilen verglichen, die sich auf die Schulform beziehen, der die jeweiligen Schülerinnen und Schüler angehören. Differenziertheit der Einschätzungen der Lehrkräfte Das erste Ziel der Reanalyse besteht in der Prüfung von Hypothese 1. Dabei ist zu prüfen, inwieweit sich die Urteile der Lehrkräfte, die in Dutke und Hinnersmann (2015) untersucht wurden, stärker an einem Stereotyp von Schülermotivation orientieren als an den individuellen motivationsrelevanten Merkmalen ihrer Schülerinnen und Schüler. Dutke und Hinnersmann (2015) hatten für jede einzelne Schülerin bzw. jeden einzelnen Schüler die Korrelation zwischen seinem bzw. ihrem Eigenprofil und dem Profil der Beweggründe, die die jeweilige Abb. 1: Stereotypprofile erhoben an Lehramtsstudierenden bzw. erfahrenen Lehrkräften (Studie 1). Anmerkungen: GS = Grundschülerinnen und -schüler, GY = Gymnasiastinnen und Gymnasiasten, HR = Haupt- und Realschülerinnen und -schüler; Pos. = positives. 30 20 10 0 1 Pos. Erleben/ Interesse 2 Pos. Erleben im Handlungsvollzug 3 Bedeutsamkeit/ Nutzen (aktuell) 4 Bedeutsamkeit/ Nutzen (künftig) 5 Bedeutsamkeit/ Nutzen 6 Kompetenzerweiterung 7 Selbstdiagnose 8 Persönliche Relevanz v. Noten 9 Ehrgeiz/ Ansehen 10 Druck/ Zwang 11 Gratifikation/ Sanktion Relative Häufigkeit [%] Studierende (GS) Studierende (GY) Studierende (HR) Lehrkräfte (GS) Lehrkräfte (GY) 24 Paul Hinnersmann, Katja Görich, Stephan Dutke Lehrkraft genau dieser Person zugeschrieben hatte (Fremdprofil), berechnet. Die mittlere Korrelation zwischen Fremd- und Eigenprofil betrug lediglich r - = .17 (SD = .38), war aber signifikant unterschiedlich von null, t(328) = 8.25, p < .001. Das Fremdprofil, basierend auf den Einschätzungen der Lehrkräfte, ähnelte dem Eigenprofil der Schülerinnen und Schüler also nur in sehr geringem Maße (Dutke & Hinnersmann, 2015). Mithilfe der in der vorliegenden Studie gewonnenen Stereotypdaten konnte nun zusätzlich geprüft werden, inwieweit das Fremdprofil einem Stereotyp von Schülermotivation ähnelt. Hierzu wurden jeder Schülerin bzw. jedem Schüler aus der Studie von Dutke und Hinnersmann (2015) diejenigen Stereotypprofile zugeordnet, die ihrer/ seiner Schulform entsprachen. Dann wurde für jede Schülerin bzw. jeden Schüler die Korrelation zwischen dem Profil an Gründen berechnet, die die Lehrkraft individuell dieser Person zugeschrieben hatte (Fremdprofil), und (a) dem Stereotypprofil erhoben an Lehramtsstudierenden und (b) dem Stereotypprofil erhoben an erfahrenen Lehrkräften. 1 Durchschnittlich korrelierte das Fremdprofil mit dem Stereotypprofil der Studierenden mit r - = .32, SD = .29. Demgegenüber korrelierte das Fremdprofil mit dem Profil, das sich die Schülerinnen und Schüler selbst zugeschrieben hatten, nur mit r - = .17 (Dutke & Hinnersmann, 2015). Dieser Unterschied war signifikant, t(328) = 5.51, p < .001, d = 0.46, 95 % CI [0.61, 0.30], auch dann, wenn über alle Schülerinnen und Schüler, die von der gleichen Lehrkraft beurteilt worden waren, aggregiert wurde und Lehrkraft anstelle von Schülerin bzw. Schüler als Zufallsfaktor betrachtet wurde, t(15) = 2.31, p = .035. Durchschnittlich ähnelte also das von der Lehrkraft zugeschriebene Profil dem Studierenden-Stereotypprofil mehr als dem, das sich aus den Angaben der jeweiligen Schülerin bzw. des jeweiligen Schülers selbst ergab. Die mittlere Korrelation zwischen Fremdprofil und dem Stereotypprofil, das an Lehrkräften erhoben wurde, betrug r - = .27, SD = .30. Der Unterschied zwischen den mittleren Korrelationen (Fremd- und Stereotypprofil vs. Fremd- und Eigenprofil) war signifikant, t(299) = 3.03, p = .003, d = 0.22, 95 % CI [0.38, 0.06], - jedoch nicht mehr, wenn über alle Schülerinnen und Schüler, die von der gleichen Lehrkraft beurteilt worden waren, aggregiert wurde und Lehrkraft anstelle von Schülerin bzw. Schüler als Zufallsfaktor betrachtet wurde, t(13) = 1.95, p = .073. Allerdings ist bei diesem Test zu beachten, dass die Freiheitsgrade reduziert sind, weil die Lehrkräfte und Schülerinnen bzw. Schüler der Haupt- und Realschule aus der Studie von Dutke und Hinnersmann (2015) nicht berücksichtigt wurden - für diese Schulform konnte wegen zu geringer Teilnehmerzahl kein Stereotypprofil gebildet werden. Ergänzend wurde Hypothese 1 regressionsanalytisch geprüft. Innerhalb jeder Schülerin bzw. jedes Schülers wurde das Fremdprofil aus dem Eigenprofil und dem Stereotypprofil vorhergesagt. Das gemittelte, standardisierte Betagewicht des Stereotypprofils (Studierendenangaben, M = .32, SD = .33) war höher als das der Eigenprofile der Schülerinnen und Schüler, M = .14, SD = .42, t(315) = 4.905, p < .001. Ein vergleichbarer Unterschied wurde gefunden, wenn das Stereotypprofil in die Regressionen einging, das aus den Angaben der Lehrkräfte gewonnen wurde, Stereotypprofil: M = .23, SD = .33; Fremdprofil: M = .12, SD = .43; t(315) = 3.240, p < .01. Zur Vorhersage der Beweggründe, die die Lehrkräfte ihren Schülerinnen und Schülern zuschrieben, trugen also stereotype Vorstellungen über Schülermotivation mehr bei als die Angaben der Schülerinnen und Schüler selbst. Das zweite Ziel der Reanalyse besteht darin festzustellen, inwieweit die Urteile der Lehrkräfte sich in dem Maße mehr an dem Stereotyp von Motivation von Schülerinnen und Schülern im Allgemeinen orientieren, in dem sie sich weniger an individuellen Schülermerkmalen 1 Weder die Korrelationen zwischen Fremd- und Eigenprofil noch die Korrelationen zwischen Fremd- und Stereotypprofil unterschieden sich zwischen den Schülerinnen und Schülern in Abhängigkeit ihres Geschlechts. Kennen Lehrkräfte die Beweggründe ihrer Schülerinnen und Schüler für schulisches Engagement? 25 orientierten (Hypothese 2). Zur Prüfung dieser Hypothese wurde folgendes Verfahren gewählt. Es wurde jeweils eine ANOVA mit dem Innerhalb-Personen-Faktor Ähnlichkeitsmaß (Korrelation zwischen Fremd- und Stereotypprofil vs. Korrelation zwischen Fremd- und Eigenprofil) sowie dem Zwischen-Personenfaktor Lehrkraft berechnet. Wenn die Ähnlichkeit zwischen Fremd- und Eigenprofil umso höher ist, je geringer die Ähnlichkeit zwischen Fremd- und Stereotypprofil ist, sollte diese Analyse einen signifikanten Interaktionseffekt zwischen Ähnlichkeitsmaß und Lehrkraft zeigen. Für das Stereotypprofil auf der Basis der Studierendenurteile wurde die erwartete Interaktion gefunden, F(15, 313) = 7.22, p < .001, η p 2 = .26. Die Interaktion drückt sich darin aus, dass Fremd- und Stereotypprofil umso höher korrelieren, je geringer Fremd- und Eigenprofil korrelieren (Abb. 2). Betrachtet man die Lehrkräfte, deren Fremdprofile keine Ähnlichkeit mit den Eigenprofilen ihrer Schülerinnen und Schüler aufwiesen (bei denen sich also die Fremd-Eigenprofilkorrelationen nicht signifikant von null unterschieden), korrelierten Fremd- und Stereotypprofil durchschnittlich signifikant höher, r - = .37, SD = .13, als Fremd- und Eigenprofil, r - = .07, SD = .10, t(10) = 6.31, p < .001. Für das Stereotypprofil auf der Basis der Urteile erfahrener Lehrkräfte wurde die erwartete Interaktion ebenfalls gefunden, F(13, 286) = 2.48, p = .004, η p 2 = .10. Betrachtet man die Lehrkräfte, bei denen sich die Fremd-Eigenprofilkorrelationen nicht signifikant von null unterschieden, korrelierten Fremd- und Stereotypprofil durchschnittlich signifikant höher, r - = .23, SD = .13, als Fremd- und Eigenprofil, r - = .10, SD = .07, t(8) = 3.21, p = .012 (Abb. 3). Mittlere Profilkorrelation 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 -0,1 -0,2 -0,3 11 16 3 7 5 12 1 15 2 4 6 8 14 13 10 9 Lehrkraft Ähnlichkeit zwischen Fremd- und Eigenprofil Ähnlichkeit zwischen Fremd- und Stereotypprofil (Studierende) Abb. 2: Mittlere Korrelationen zwischen Fremd- und Eigenprofil sowie zwischen Fremd- und Stereotypprofil (Studierende) pro Lehrkraft aus der Stichprobe von Dutke und Hinnersmann (2015). Die mittleren Korrelationen zwischen Fremd- und Eigenprofil sind nur bei den Lehrkräften 8, 9, 10, 13 und 14 signifikant unterschiedlich von null (alle p < .0045, Bonferroni-korrigiert). 26 Paul Hinnersmann, Katja Görich, Stephan Dutke Diskussion Die Beweggründe für schulisches Lernhandeln, das die Lehrkräfte aus Dutke und Hinnersmann (2015) ihren eigenen Schülerinnen und Schülern zuschrieben, ähnelte im Mittel einem an Lehramtsstudierenden und einem an erfahrenen Lehrkräften erhobenen Stereotyp von Schülermotivation mehr als den Angaben, die die Schülerinnen und Schüler selbst machten. Die von den Lehrkräften zugeschriebenen Beweggründe könnten also zu einem signifikanten Anteil von einer allgemeinen, nicht auf das Individuum bezogenen Sicht auf typische Beweggründe, schulisch aktiv zu werden, geprägt sein. Außerdem wurde gezeigt, dass die Orientierung an stereotypen Vorstellungen von Motivation von Schülerinnen und Schülern umso größer ist, je geringer die Korrelation von Fremd- und Eigenprofil ist. Wenn also die Ähnlichkeit zwischen Lehrer- und Schülersicht hoch ist, ist die Orientierung am Stereotyp geringer. Dieses umgekehrte Verhältnis zwischen Stereotyp- und Merkmalsorientierung ist konsistent mit dem Kontinuummodell von Fiske und Neuberg (1990). Kritisch kann angemerkt werden, dass die für diese Reanalyse verwendeten Stereotypprofile an anderen Personen erhoben wurden als denjenigen, deren Einschätzungen in Relation zu diesen Stereotypen gesetzt wurden. Die hier zugrunde gelegte Untersuchungslogik setzt voraus, dass die Lehrkräfte, die in Dutke und Hinnersmann (2015) individuelle Schülerinnen und Schüler beurteilt haben, ein ähnliches Stereotyp von Schülermotivation haben wie die in der vorliegenden Studie befragten Lehrkräfte. Diese Annahme ist nicht unwahrscheinlich, aber auch nicht empirisch belegt. Deshalb wird in der zweiten Studie die Untersuchung von Dutke und Hinnersmann (2015) wiederholt, mit dem Unterschied, dass das Fremd- und das Stereotypprofil an der gleichen Lehrkräftestichprobe erhoben wird. Mittlere Profilkorrelation 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 -0,1 -0,2 -0,3 3 7 5 12 1 15 2 4 6 8 14 13 10 9 Ähnlichkeit zwischen Fremd- und Eigenprofil Ähnlichkeit zwischen Fremd- und Stereotypprofil (Lehrkräfte) Lehrkraft Abb. 3: Mittlere Korrelationen zwischen Fremd- und Eigenprofil sowie zwischen Fremd- und Stereotypprofil (Lehrkräfte) pro Lehrkraft aus der Stichprobe von Dutke und Hinnersmann (2015). Die mittleren Korrelationen zwischen Fremd- und Eigenprofil sind nur bei den Lehrkräften 8, 9, 10, 13 und 14 signifikant unterschiedlich von null (alle p < .0045, Bonferroni-korrigiert). Kennen Lehrkräfte die Beweggründe ihrer Schülerinnen und Schüler für schulisches Engagement? 27 Studie 2 Diese Studie folgt der Untersuchungsmethode aus Dutke und Hinnersmann (2015): Gymnasiastinnen und Gymnasiasten wurden gefragt, warum sie „etwas für [Deutsch, Englisch, Mathematik] machen“, und sie durften pro Fach bis zu vier frei formulierte Gründe nennen. Diese wurden von zwei unabhängigen Ratern den elf Inhaltskategorien von Buff (2001) zugewiesen (Tab. 1). Gleichzeitig wurden die Kursleiterinnen und -leiter, die diese Schülerinnen und Schüler unterrichteten, gebeten, für diese individuell anzugeben, warum sie bzw. er etwas für das Unterrichtsfach macht, das die Lehrkraft unterrichtet (Deutsch, Englisch oder Mathematik). Aus diesen Angaben wurden für jede Schülerin bzw. jeden Schüler das Eigenprofil und das Fremdprofil erstellt. Mindestens eine Woche vor dieser Befragung waren die Lehrkräfte gebeten worden, für eine imaginäre repräsentative Stichprobe von Gymnasialschülerinnen und -schülern in Prozent einzuschätzen, wie sich deren Beweggründe anteilig auf die elf Inhaltskategorien nach Buff (2001) verteilen würden. Aus diesen Daten wurde das Stereotypprofil für das jeweilige Fach erstellt. Wie in Studie 1 wurde auf dieser Grundlage geprüft, ob die Korrelation zwischen Fremd- und Eigenprofil geringer ist als die zwischen Fremd- und Stereotypprofil (Hypothese 1) und ob die Fremd-Stereotypprofilkorrelation umso geringer ist, je höher die Fremd-Eigenprofilkorrelation ist (Hypothese 2). Im Gegensatz zur ersten Studie stammten die Daten für das Fremd- und das Stereotypprofil nun aber von den gleichen Lehrkräften. Methode Teilnehmende Es nahmen 21 Lehrkräfte der Fächer Mathematik (n = 7), Englisch (n = 5) und Deutsch (n = 9) sowie 234 Schülerinnen und Schüler an der Studie teil. Die Lehrkräfte (10 weiblich, 11 männlich) waren zwischen 26 und 59 Jahren alt (M = 35.3, SD = 8.7) und inklusive Referendariat seit durchschnittlich 8.2 Jahren (SD = 6.7) als Lehrkräfte tätig. Von den 234 Schülerinnen und Schülern wurden zu n = 62 Schülerinnen und Schülern Einschätzungen zu ihren Lernbeweggründen von ihren Lehrkräften eingeholt. Nur die Angaben dieser 62 Schülerinnen und Schüler (28 weiblich, 34 männlich) gingen in die Analyse ein. Diese Schülerinnen und Schüler wurden zufällig aus ihrer Klasse ausgewählt und stammten aus zehn Schulklassen der achten (n = 6) und neunten (n = 4) Jahrgangsstufe dreier Gymnasien in Nordrhein-Westfalen und Hessen. Material und Ablauf In einem ersten Schritt wurde mittels Fragebogen analog zum Vorgehen in Studie 1 das Stereotyp der Lehrkräfte zur Motivation von Schülerinnen und Schülern erfasst. In einem zweiten Schritt wurden - wie bei Dutke und Hinnersmann (2015) - die Einschätzungen von den Lehrkräften über die Lernbeweggründe ihrer eigenen Schülerinnen und Schüler erhoben. Diese Einschätzungen wurden frühestens eine Woche nach Erfassung der stereotypen Vorstellungen der Lehrkräfte zur Motivation von Schülerinnen und Schülern eingeholt. Die Lehrerinnen und Lehrer sollten auf die Frage „Wenn diese Schülerin/ dieser Schüler etwas für Ihr Unterrichtsfach macht, warum tut er/ sie das dann? “ bis zu vier Gründe aufschreiben, die nach Meinung der Lehrkraft ausschlaggebend für Lernhandlungen der jeweiligen Schülerin bzw. des jeweiligen Schülers sind. Die Lehrkräfte mussten nur zu jeder vierten Schülerin bzw. jedem vierten Schüler der Klasse entsprechende Angaben machen. Welche Schülerin bzw. welcher Schüler durch die jeweilige Lehrkraft zu beurteilen war, wurde durch die Versuchsleitung zufällig ausgewählt. In einem dritten Schritt wurden die Selbsteinschätzungen der Schülerinnen und Schüler hinsichtlich ihrer Lernbeweggründe erfasst. Das Vorgehen zur Erhebung der Schülerdaten entsprach dem Vorgehen in der Studie von Dutke und Hinnersmann (2015). Die Schülerinnen und Schüler wurden gebeten, ihre Beweggründe für Lernhandlungen in freiem Antwortformat anzugeben. Pro Fach (Mathematik, Englisch und Deutsch) konnten sie bis zu vier Gründe aufschreiben. Die von den Schülerinnen und Schülern und Lehrkräften genannten Beweggründe wurden in zwei Schritten den elf Inhaltskategorien nach Buff (2001) zugeordnet. Im ersten Schritt ordneten zwei Urteilerinnen, die mit dem Kategoriensystem nach Buff (2001) vertraut waren, die Beweggründe unabhängig 28 Paul Hinnersmann, Katja Görich, Stephan Dutke voneinander den Kategorien zu. Die initiale Urteilerübereinstimmung war mit κ = .71 mittelmäßig. Im zweiten Schritt wurden alle Fälle, bei denen keine Übereinstimmung bestand, mit einer dritten mit dem Kategoriensystem vertrauten Person diskutiert und teilweise neu bewertet. Es resultierte eine Urteilerübereinstimmung von κ = .99. Gründe, die in dieser Phase nicht übereinstimmend klassifiziert wurden, gingen nicht in die Analysen ein. Anschließend wurde für jede Schülerin bzw. jeden Schüler pro Fach die prozentuale Verteilung der von ihr bzw. ihm genannten Beweggründe auf die elf Kategorien berechnet (Eigenprofil). In gleicher Weise wurde die prozentuale Verteilung der den Schülerinnen und Schülern durch ihre Lehrkräfte zugeschriebenen Beweggründe auf die elf Kategorien pro Schülerin bzw. Schüler berechnet (Fremdprofil). Anschließend wurde pro Schülerin bzw. Schüler die Korrelation zwischen ihrem / seinem Eigenprofil des jeweiligen Schulfaches und dem korrespondierenden fachspezifischen Fremdprofil für diese Schülerin bzw. diesen Schüler berechnet. Da manche Schülerinnen und Schüler von mehreren Lehrkräften (in unterschiedlichen Fächern) eingeschätzt wurden, resultierten insgesamt 109 Profilkorrelationen. Auswertung und Ergebnisse Beschreibung der Stereotypprofile Die fachspezifischen Stereotypprofile der Lehrkräfte korrelierten untereinander zwischen r = .745 (p < .01) und r = .843 (p < .01). Trotz dieser hohen Ähnlichkeit fallen bezüglich einzelner Kategorien Unterschiede zwischen den Stereotypprofilen der Englisch-, Mathe- und Deutschlehrkräfte auf. So schrieben die Englischlehrkräfte den Kategorien 6 (Kompetenzerweiterung) und 11 (Gratifikation/ Sanktion) eine höhere Bedeutung zu als die Mathematiklehrkräfte. Deutschlehrkräfte wiederum schätzten die Bedeutung der Kategorie 9 (Ansehen/ Ehrgeiz) höher ein, als dies die Englisch- und Mathematiklehrkräfte taten. Aufgrund dieser Unterschiede werden für die Berechnung der Fremd-Stereotypprofilkorrelationen jeweils die Stereotypprofile verwendet, die sich auf das gleiche Fach beziehen wie die dem jeweiligen Fremdprofil zugrunde liegenden Angaben einer Lehrkraft. Differenziertheit der Einschätzungen der Lehrkräfte Wie in Studie 1 wurden die Korrelationen der Eigenprofile jeder Schülerin bzw. jedes Schülers mit den korrespondierenden Fremdprofilen der Lehrkräfte und die Korrelationen zwischen diesen Fremdprofilen und den fachspezifischen Stereotypprofilen berechnet. 2 Die durchschnittliche Korrelation zwischen Fremd- und Stereotypprofil fiel mit r - = .37, SD= .35, wie in Studie 1 signifikant höher aus als die durchschnittliche Korrelation zwischen Fremd- und Eigenprofil mit r - = .12 (SD = .35), t(108) = 7.330, p < .001. Der Unterschied zwischen den beiden Korrelationen bleibt auch signifikant, wenn die Fremd- Eigenprofilkorrelationen jeder Schülerin bzw. jedes Schülers und die entsprechenden Fremd- Stereotypprofilkorrelationen gemittelt werden, also Schülerin bzw. Schüler statt jeder einzelnen Profilkorrelation der Zufallsfaktor ist, t(61) = 5.975, p < .001. Der Unterschied bleibt ebenfalls signifikant, wenn über alle Schülerinnen und Schüler, die von der gleichen Lehrkraft beurteilt wurden, aggregiert wird und Lehrkraft anstelle von Schülerin bzw. Schüler als Zufallsfaktor betrachtet wird, t(20) = 6.341, p < .001. Durchschnittlich ähnelte also das von der Lehrkraft zugeschriebene Profil dem Stereotypprofil mehr als dem Profil, das sich aus den Angaben der jeweiligen Schülerin bzw. des jeweiligen Schülers ergibt. Dies entspricht Hypothese 1 und repliziert das Ergebnis aus Studie 1. Ergänzend wurde Hypothese 1 regressionsanalytisch geprüft. Wie in Studie 1 wurde innerhalb jeder Schülerin bzw. jedes Schülers das Fremdprofil aus dem Eigenprofil und dem Stereotypprofil vorhergesagt. Das gemittelte, standardisierte Betagewicht des Stereotypprofils (M = .39, SD = .35) war höher als das der Eigenprofile der Schülerinnen und Schüler, M = .01, SD = .31, t(61) = 5.387, p < .001. Die von den Lehrkräften geäußerten stereotypen Vorstellungen über Schü- 2 Weder die Korrelationen zwischen Fremd- und Eigenprofil noch die Korrelationen zwischen Fremd- und Stereotypprofil unterschieden sich zwischen den Schülerinnen und Schülern in Abhängigkeit ihres Geschlechts bzw. zwischen Schülerinnen und Schülern mit höheren und geringeren Schulleistungen. Kennen Lehrkräfte die Beweggründe ihrer Schülerinnen und Schüler für schulisches Engagement? 29 lermotivation trugen also zur Vorhersage der Beweggründe, die die Lehrkräfte ihren Schülerinnen und Schülern zuschrieben, mehr bei als die Einschätzungen der Schülerinnen und Schüler selbst. Die zweite Hypothese besagt, dass die Orientierung an Stereotypen umso geringer sein sollte, je stärker sich ein Urteiler an individuellen Merkmalen der Person orientiert. Wie in Studie 1 wurden die beiden Ähnlichkeitsmaße in einer ANOVA mit dem Innerhalb- Personenfaktor Ähnlichkeitsmaß (Korrelation zwischen Fremd- und Stereotypprofil vs. Korrelation zwischen Fremd- und Eigenprofil) und dem Zwischen-Personenfaktor Lehrkraft miteinander verglichen. Ebenso wie in Studie 1 waren die Haupteffekte der Faktoren Lehrkraft, F (20, 88) = 1.714, p = .046, η p 2 = .280, und Ähnlichkeitsmaß, F(1, 88) = 54.29, p < .001, η p 2 = .383 signifikant. Die Interaktion der beiden Faktoren war hingegen nicht signifikant, F(20, 88) = 1.35, p = .145, η p 2 = .241. Anders als vorhergesagt (und als in Studie 1 gefunden) war die Korrelation zwischen Fremd- und Stereotypprofil unabhängig von der Korrelation zwischen Eigen- und Fremdprofil. Dies entspricht nicht der in Hypothese 2 formulierten Erwartung. Diskussion Das aus individuellen Zuschreibungen von Lernbeweggründen zu jeder einzelnen Schülerin bzw. jedem einzelnen Schüler gewonnene Fremdprofil von Lehrkräften korrelierte im Mittel höher mit dem Stereotypprofil von Schülermotivation dieser Lehrkräfte als mit den Selbsteinschätzungen ihrer Schülerinnen und Schüler. Dieses Ergebnis weist erneut darauf hin, dass die individuellen Einschätzungen der Lehrkräfte zu den Beweggründen ihrer Schüle- Mittlere Profilkorrelation 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0 -0,1 -0,2 -0,3 9 21 14 7 11 3 5 16 12 1 20 4 19 2 8 17 13 18 10 15 6 Ähnlichkeit zwischen Fremd- und Eigenprofil Ähnlichkeit zwischen Fremd- und Stereotypprofil Lehrkraft Abb. 4: Mittlere Korrelationen zwischen Fremd- und Eigenprofil sowie zwischen Fremd- und Stereotypprofil pro Lehrkraft (Studie 2). 30 Paul Hinnersmann, Katja Görich, Stephan Dutke rinnen und Schüler, etwas für das von ihnen unterrichtete Fach zu machen, zu einem bedeutsamen Anteil auf allgemeine Vorstellungen von Schülermotivation zurückgeführt werden können (Hypothese 1). Wie in der Studie von Dutke und Hinnersmann (2015) zeigte sich zudem abermals, dass bei der Einschätzung von Lernbeweggründen die Übereinstimmung der Selbsteinschätzungen der Schülerinnen und Schüler und der Fremdeinschätzungen durch ihre Lehrkräfte im Mittel gering ist und sich im Bereich der in den einleitend vorgestellten Studien zu motivationsdiagnostischen Kompetenzen von Lehrkräften gefundenen Werte bewegt. Anders als in der ersten Studie wurden jedoch keine Hinweise dafür gefunden, dass diese stereotyporientierte Beurteilung von Schülermotivation in dem Maße abnimmt, in dem die merkmalsbasierte, individuelle Einschätzung zunimmt. Die Unabhängigkeit zwischen Übereinstimmung von Fremd- und Eigenprofil und der Übereinstimmung von Fremd- und Stereotypprofil war zunächst nicht erwartet worden (Hypothese 2), steht allerdings auch nicht zwingend im Widerspruch zum Kontinuummodell von Fiske und Neuberg (1990). Fiske und Neuberg (1990) weisen explizit auf den Primat der kategoriebasierten Beurteilung bei der sozialen Urteilsbildung hin, über die nicht hinausgegangen wird, wenn sich die mit der initialen Kategorisierung gewonnenen Informationen als funktional erweisen. Das Ausbleiben der erwarteten ANOVA-Interaktion zwischen den Faktoren Lehrkraft und Ähnlichkeitsmaß könnte deshalb auf einem Stichprobeneffekt beruhen. Wenn sich beispielsweise eine Schülerin bzw. ein Schüler selbst in einer Weise beschreibt, die dem Stereotyp ihrer Lehrkräfte ähnelt, würde sich ein initiales stereotyporientiertes Urteil aufseiten der Lehrkraft ja als funktional erweisen. In diesem Falle würde das Kontinuummodell auch kein Fortschreiten zu einer merkmalsorientierten Analyse vorhersagen. Auf Stichprobenebene könnte eine solche Situation dazu führen, dass keine antiproportionale Beziehung zwischen stereotyp- und merkmalsorientierten Urteilen erkennbar würde. Zusammenfassende Diskussion Ergebniszusammenfassung Ausgangspunkte für die beiden dargestellten Studien waren zum einen Befunde zu motivationsdiagnostischen Kompetenzen von Lehrkräften, die eine eher geringe Urteilsgenauigkeit zeigten, und zum anderen die Hypothese, dass dies auf die Tendenz von Lehrkräften zurückgeführt werden könnte, ihre Schülerinnen und Schüler auch auf Basis von stereotypen Vorstellungen von Lernmotivation von Schülerinnen und Schülern einzuschätzen. Die Ergebnisse beider Studien sind konsistent mit der Hypothese, dass sich die Lehrkräfte bei der motivationsdiagnostischen Urteilsbildung eher an allgemeinen, von der individuellen Schülerin bzw. vom individuellen Schüler losgelösten Vorstellungen von Lernbeweggründen orientierten als an den individuellen Merkmalen ihrer Schülerinnen und Schüler (Hypothese 1). Die Erwartung, dass die Stereotyporientierung umso geringer ausfällt, je stärker sich die Lehrkräfte an den individuellen motivationalen Merkmalen der Schülerinnen und Schüler orientierten (Hypothese 2), bestätigte sich nur in Studie 1, nicht jedoch in Studie 2. Diskussion Beide Studien zeigen, dass die Übereinstimmung zwischen den von Schülerinnen und Schülern genannten Beweggründen für schulisches Lernhandeln und den von ihren Lehrkräften zugeschriebenen Beweggründen gering ist. Dies konvergiert mit früheren Befunden (Dutke & Hinnersmann, 2015; Gagné & St Père, 2001; Givvin et al., 2001; Karing, 2009; Lee & Reeve, 2012; Spinath, 2005; Urhahne et al., 2011). Die vorzugsweise Orientierung der Lehrkräfte an einem Stereotyp von Schülermotivation ist kompatibel mit dem Kontinuummodell von Fiske und Neuberg (1990). Hier wird der automatisierten, stereotypbzw. kategoriebasierten Urteilsbildung bei der Einschätzung von Personen eine vorgeordnete Rolle gegenüber der stärker ressourcenfordernden, merkmals- Kennen Lehrkräfte die Beweggründe ihrer Schülerinnen und Schüler für schulisches Engagement? 31 basierten Urteilsbildung eingeräumt. Einschätzungen werden demnach zunächst durch eine Kategorisierung der Person aufgrund salienter Merkmale gebildet. Solange keine dem aktivierten Stereotyp widersprechenden Informationen wahrgenommen werden, wird der Beurteiler bei der vorgenommenen Kategorisierung und damit bei den aktivierten stereotypen Informationen verbleiben. Das Verharren auf der Ebene der ressourcenschonenden Kategorisierung könnte dadurch bedingt sein, dass (a) Schülerinnen und Schüler ihre Beweggründe im Unterricht selten explizit thematisieren, (b) diese Beweggründe je nach Unterrichtsgestaltung für die Lehrkräfte wenig relevant erscheinen und (c) Lehrkräfte während des Unterrichts nur eingeschränkt über kognitive Ressourcen für die motivationsbezogene Urteilsbildung verfügen. Da individuelle Unterschiede zwischen Schülerinnen und Schülern von den Lehrkräften bei stark stereotyporientiertem Urteilen nicht oder nur in geringem Maße berücksichtigt werden, resultiert eine geringe Übereinstimmung zwischen Lehrkraft und Schülerin bzw. Schüler - sofern die Beweggründe der Schülerin bzw. des Schülers dem Stereotyp nicht oder nur in geringem Maße entsprechen. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Korrelationen zwischen Fremd- und Stereotypprofil in Studie 1 und 2 nur im mittleren Bereich lagen. Die Orientierung der Lehrkräfte an einem Stereotyp von Schülermotivation kann also die Einschätzungen der Lehrkräfte und damit die geringe Übereinstimmung zwischen Lehrer- und Schülereinschätzung nicht erschöpfend erklären. Die bisher diskutierten Befunde beziehen sich auf die geringe mittlere Übereinstimmung zwischen Lehrkräften und ihren Schülerinnen bzw. Schülern. Im Folgenden sollen die Unterschiede zwischen den Lehrkräften hinsichtlich ihrer motivationsbezogenen Urteilsgüte betrachtet werden. Interindividuelle Unterschiede in der Beurteilungsgüte lassen sich vor dem Hintergrund des Kontinuummodells der sozialen Urteilsbildung (Fiske & Neuberg, 1990) damit erklären, dass in unterschiedlichem Maße auf stereotype Vorstellungen zurückgegriffen wird, statt sich auch von individuellen Merkmalen ihrer Schülerinnen und Schüler leiten zu lassen. Dieser Logik nach müsste eine gegenläufige Beziehung zwischen stereotyporientierter und merkmalsbasierter Urteilsbildung bestehen. Während in Studie 1 das erwartete Ergebnismuster gefunden wurde, erwiesen sich in Studie 2 die Fremd-Eigenprofilkorrelation und die Fremd-Stereotypprofilkorrelation als unabhängig. Dieses Ergebnis weist darauf hin, dass eine fortbestehende Orientierung am Stereotyp von Lernmotivation von Schülerinnen und Schülern nicht zwangsläufig mit einer geringeren Übereinstimmung der Lehrkräfte mit den Einschätzungen ihrer Schülerinnen und Schüler einhergehen muss. Liegt eine ausreichend gute Passung zwischen dem Lehrerstereotyp von Schülermotivation und den Schülerselbsteinschätzungen vor, besteht nach dem Kontinuummodell von Fiske und Neuberg (1990) kein Anlass, merkmalsbasierte Information zu verarbeiten. Eine Erklärung für das Ausbleiben des erwarteten Interaktionseffektes könnte also darin liegen, dass die Selbsteinschätzungen der Schülerinnen und Schüler aus Studie 2 eine größere Ähnlichkeit mit dem Stereotyp der Lehrkräfte aufwiesen als die Selbsteinschätzungen der Schülerinnen und Schüler aus Studie 1 mit den dort zum Vergleich herangezogenen stereotypen Vorstellungen von Lernmotivation von Schülerinnen und Schülern. Grenzen und weitere Forschungsperspektiven Die Unterschiede in der Urteilsgenauigkeit zwischen den Lehrkräften, die sich in beiden Studien zeigten, werfen die Frage auf, worauf diese Unterschiede zurückzuführen sind. Der hier verfolgte Ansatz, diese Unterschiede auf das unterschiedliche Ausmaß an Stereotyporientierung zurückzuführen, hat sich als informativ erwiesen. Dennoch erscheint es für zukünftige Arbeiten lohnenswert, weitere Merkmale von Lehrkräften systematisch zu erfassen, die Einfluss auf die Urteilsgüte der Lehrkräfte haben könnten. Da in der vorliegenden Arbeit mit n = 16 (Studie 1) 32 Paul Hinnersmann, Katja Görich, Stephan Dutke und n = 21 Lehrkräften (Studie 2) jeweils relativ kleine Stichproben von Lehrkräften vorlagen, war die Überprüfung des Einflusses von weiteren Merkmalen der Lehrkräfte nicht möglich. Eine Vergrößerung der Stichprobe auf Lehrerseite wäre in zukünftigen Arbeiten wünschenswert - sie wäre auch wichtig, um die Varianz in der Urteilsgüte zwischen den Lehrkräften zuverlässiger zu erfassen. Die Ergebnisse liefern keine Hinweise darauf, woran die Lehrkräfte ihr Urteil fest gemacht haben, also auf welches Merkmal bzw. auf welche Merkmale der Schülerin bzw. des Schülers sie sich bezogen haben. Im Sinne des Linsenmodells (Brunswik, 1956) oder des Realistic Accuracy Model (Funder, 1995) wäre eine Exploration der proximalen Hinweisreize theoretisch wie praktisch geboten. Sie könnte Ansatzpunkte für Interventionen im Rahmen von Lehrkräftefortbildungen bieten. Allerdings würde dies ein Untersuchungsdesign erfordern, in dem das mögliche Schülerverhalten, innerhalb dessen proximale Hinweisreize identifiziert werden können, wesentlich präziser bestimmt wird, als es in den vorliegenden Studien der Fall war. Außerdem ist zu hinterfragen, wie die Schülerangaben zu ihren Lernbeweggründen zustande kommen und welchen möglicherweise verzerrenden Größen sie unterliegen. Hier ist an selbstwertdienliche Urteilsverzerrungen zu denken (Malle, 2006; Mezulis, Abramson, Hyde & Hankin, 2004), aber auch an eine selektive Berücksichtigung von Beweggründen. Möglicherweise berücksichtigen Schülerinnen und Schüler bei der Angabe ihrer Beweggründe eher solche Beweggründe, die sie während und/ oder nach der Handlungsausführung als ausschlaggebend für die Ausführung der Lernaktivität erachteten, während Lehrkräfte möglicherweise eher Beweggründe fokussieren, die den initialen Anlass für die Lernhandlung darstellten. Ist der initiale Anlass eher fremdbestimmt, beispielsweise die Aufforderung der Lehrkraft, sich mit einem bestimmten Problem zu befassen, könnten während oder nach der Handlungsausführung weitere, eher selbstbestimmte Beweggründe zugeschrieben werden - beispielsweise wenn Schülerinnen und Schüler die Erfahrung machen, dass die Tätigkeit Freude bereitet, einen Kompetenzgewinn bewirkt oder sich als nützlich erweist. Auch der investierte Aufwand für die Tätigkeitsausführung könnte nach dissonanztheoretischen Überlegungen (Harmon- Jones & Harmon-Jones, 2008; Harmon-Jones, Harmon-Jones & Levy, 2015) dazu führen, dass im Laufe einer Lernhandlung die Zuschreibung selbstbestimmter Gründe zunimmt. Fokussieren Schülerinnen und Schüler sowie Lehrerinnen und Lehrer bei der Angabe von Beweggründen unterschiedliche Phasen einer Lernhandlung, kann auch dies zu einer geringen Übereinstimmung von Schüler- und Lehrkrafteinschätzung führen. Diese Erklärung für die geringe Lehrer- Schüler-Übereinstimmung konnte in den vorliegenden Studien nicht exploriert werden, da ihr querschnittliches Design keine Gelegenheit zu einer entsprechenden zeitlichen Auflösung bot. Schulbezogene Implikationen Die Ergebnisse legen nahe, Lehrkräfte dazu anzuregen, über ihre eigenen Urteilsprozesse zu reflektieren und sich zu verdeutlichen, dass Personenwahrnehmung - und damit auch die Einschätzung der eigenen Schülerinnen und Schüler - häufig durch Kategorisierung erfolgt. Eine solche kritische Reflexion ist besonders dann erstrebenswert, wenn Hinweise darauf vorliegen, dass ein Stereotyp zu bestimmten Inhaltsbereichen nicht zutreffend ist oder deutliche Unterschiede zwischen Fremd- und Selbsteinschätzungen bestehen. Dies trifft beispielsweise auf den hier replizierten Befund von Dutke und Hinnersmann (2015) zu, demzufolge Schülerinnen und Schüler häufiger selbstbestimmtextrinsische Lernbeweggründe nennen, während ihre Lehrkräfte ihnen stärker fremdbestimmtextrinsische Beweggründe zuschreiben. Eine solche Diskrepanz kann negative Folgen für das Kommunikations- und Interaktionsgeschehen zwischen Lehrkraft und Schülerin bzw. Schüler haben und damit auch die Wirksamkeit unterrichtlicher Interventionen beeinträchtigen. Des- Kennen Lehrkräfte die Beweggründe ihrer Schülerinnen und Schüler für schulisches Engagement? 33 halb sollte eine differenzierte Urteilsbildung bei Lehrkräften gefördert werden, indem (a) Merkmale, die Rückschlüsse auf die Qualität der Motivation (oder andere motivationale Aspekte) von Schülerinnen und Schülern zulassen, identifiziert werden, (b) Unterrichtsformen identifiziert werden, die solche Merkmale sichtbar hervortreten lassen, und (c) Lehrkräfte darin geschult werden, diese Merkmale zur Urteilsbildung zu nutzen. Gleichzeitig muss betont werden, dass die Einschätzung von Personen immer zu einem gewissen Teil auf kategoriebasierten Urteilen beruht und dies zumeist durchaus funktional ist, da Stereotype Informationen bereitstellen, die über die situativ gegebenen Informationen hinausgehen, was in vielen Fällen eine effiziente Verhaltensausrichtung erlaubt (Bodenhausen, Macrae & Sherman, 1999). Auch die während des Unterrichtsgeschehens nur begrenzt zur Verfügung stehenden Ressourcen von Lehrkräften sprechen dafür, dass Rückgriffe auf allgemeine, nicht-individualisierte Vorstellungen von Motivation von Schülerinnen und Schülern unumgänglich bleiben. Wenn dies allerdings unumgänglich bleibt, wäre es wünschenswert, wenn sich die Vorstellungen an empirisch geprüften motivationspsychologischen Theorien und Befunden orientierten, was eine intensivere Behandlung von Themen der Motivation in der Aus- und Fortbildung von Lehrkräften erfordert. Dies erscheint auch deshalb geboten, weil nicht-individualisierte Vorstellungen von Motivation von Schülerinnen und Schülern auch die Annahmen einer Lehrkraft darüber beeinflussen, was einen auf die Schülerinnen und Schüler gut abgestimmten und damit motivational günstigen Unterricht ausmacht. Literatur Artelt, C. & Gräsel, C. (2009). Diagnostische Kompetenz von Lehrkräften. 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