Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2019
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Empirische Arbeit: Dem Burnout davonlaufen? Zusammenhänge zwischen beruflicher Bedürfnisbefriedigung, körperlicher Freizeitaktivität und Burnout bei Lehrkräften
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2019
Hanna Raven
Jens Kleinert
Burnout kommt als Folge von beruflichen Belastungen im Lehrerberuf häufig vor. In der Stress- und Burnout-Forschung wird körperliche Aktivität häufig als ressourcenstärkender und stressmindernder Faktor beschrieben. Zudem gilt der Zusammenhang zwischen Burnout-Symptomen und mangelnder Bedürfnisbefriedigung im Sinne der Selbstbestimmungstheorie als hinreichend belegt. In der vorliegenden Studie werden daher Zusammenhänge zwischen beruflicher psychologischer Bedürfnisbefriedigung, körperlicher Aktivität in der Freizeit und Burnout untersucht. Die Befragung von 80 Lehrkräften ergab, dass körperliche Aktivität negativ mit beruflicher emotionaler Erschöpfung zusammenhängt. Darüber hinaus erwies sich die Interaktion zwischen Befriedigung des Beziehungsbedürfnisses und wahrgenommener körperlicher Aktivität regressionsanalytisch als Prädiktor für Burnout. Möglicherweise kann ein positives Selbstbild der eigenen körperlichen Aktivität von stressauslösenden Ereignissen ablenken, beziehungsweise diese durch positive Emotionen kompensieren.
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n Empirische Arbeit Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2019, 66, 101 -117 DOI 10.2378/ peu2019.art10d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Dem Burnout davonlaufen? Zusammenhänge zwischen beruflicher Bedürfnisbefriedigung, körperlicher Freizeitaktivität und Burnout bei Lehrkräften Hanna Raven, Jens Kleinert Deutsche Sporthochschule Köln Zusammenfassung: Burnout kommt als Folge von beruflichen Belastungen im Lehrerberuf häufig vor. In der Stress- und Burnout-Forschung wird körperliche Aktivität häufig als ressourcenstärkender und stressmindernder Faktor beschrieben. Zudem gilt der Zusammenhang zwischen Burnout- Symptomen und mangelnder Bedürfnisbefriedigung im Sinne der Selbstbestimmungstheorie als hinreichend belegt. In der vorliegenden Studie werden daher Zusammenhänge zwischen beruflicher psychologischer Bedürfnisbefriedigung, körperlicher Aktivität in der Freizeit und Burnout untersucht. Die Befragung von 80 Lehrkräften ergab, dass körperliche Aktivität negativ mit beruflicher emotionaler Erschöpfung zusammenhängt. Darüber hinaus erwies sich die Interaktion zwischen Befriedigung des Beziehungsbedürfnisses und wahrgenommener körperlicher Aktivität regressionsanalytisch als Prädiktor für Burnout. Möglicherweise kann ein positives Selbstbild der eigenen körperlichen Aktivität von stressauslösenden Ereignissen ablenken, beziehungsweise diese durch positive Emotionen kompensieren. Schlüsselbegriffe: Burnout, Lehrkräfte, psychologische Grundbedürfnisse, psychologische Bedürfnisbefriedigung, körperliche Aktivität Run Away From Burnout? Relations Between job Related Need Satisfaction, Physical Activity and Burnout in Teachers Summary: Burnout often occurs as a result of work stress in teachers. In stress and burnout research, physical activity is often described as a resource strengthening and stress reducing factor. In addition the association between burnout symptoms and a lack of need satisfaction as described in self determination theory, is well documented. In the current study, relationships between professional psychological need satisfaction, leisure time physical activity and burnout were investigated. The survey of 80 teachers shows negative correlations between physical activity and emotional exhaustion. In addition the interaction between the satisfaction of relatedness and the perceived physical activity proved to be a significant predictor in a regression analysis for burnout. A positive physical activitiy self may distract from stress inducing events or may compensate them by positive emotions. Keywords: Burnout, teachers, psychological basic needs, psychological need satisfaction, physical activity Das Phänomen Burnout, das Ausgebranntsein durch vielfältige Belastungen am Arbeitsplatz, wurde zunächst in helfenden und sozialen Berufen untersucht (Maslach, Schaufeli & Leiter, 2001). Aufgrund ihrer vielfältigen beruflichen Belastungen scheinen Lehrkräfte besonders für Burnout gefährdet (Rose, 2005; Schmitz & Leidl, 1999). Die Prävalenzraten für Burnout liegen im Lehrerberuf je nach Schulform, befragter Stichprobe und Erhebungsverfahren zwischen 16 und 57 % (vbw - Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V., 2014). Bei diesen alarmierend hohen Zahlen stellt sich neben adäquaten Behandlungsmöglichkeiten insbeson- 102 Hanna Raven, Jens Kleinert dere auch die Frage nach Möglichkeiten zur Burnout-Prävention. Eine besondere Rolle kommt hierbei dem freizeitlichen Ausgleich zu. Freizeit bietet sowohl Erholungspotenzial als auch einen Raum für Bedürfnisbefriedigung und Wohlbefinden. Als eine spezifische Form des Freizeitverhaltens betrachtet die vorliegende Untersuchung die körperliche Aktivität. Sport- und Bewegungsaktivität scheint besonders geeignet zu sein, der sowohl psychischen (z. B. fehlender Befriedigung psychologischer Grundbedürfnisse) als auch körperlichen (z. B. fehlender körperlicher Ausgleich und Erholung) Entwicklungslinie des Burnout entgegenzuwirken. Vor diesem Hintergrund soll die vorliegende Untersuchung Zusammenhänge zwischen Sport und körperlicher Aktivität einerseits sowie Burnout-Symptomen andererseits aufzeigen, die bei der Planung von Interventionen oder der Vorbereitung kausal angelegter Studien helfen können. Gründe für Burnout bei Lehrkräften Burnout stellt sich in der Literatur weniger als eigenständiges, von anderen psychischen Störungen klar unterscheidbares Krankheitsgeschehen, sondern mehr als Symptomkomplex dar. Nach Maslach et al. (2001) manifestiert sich Burnout in den drei Symptomdimensionen emotionale Erschöpfung (z. B. Freudlosigkeit), Leistungsminderung (z. B. verstärktes Misserfolgserleben) und Depersonalisierung (z. B. Abwertung sozialer Aufgaben). Auch wenn Burnout gemäß DSM-5 nicht als eigenständige psychische Störung gewertet wird (American Psychiatric Association, 2015), wird diese Diagnose dennoch in der Praxis vergeben (Korczak, Kister & Huber, 2010). Burnout wird am ehesten als belastungsabhängige, meist berufsbezogene Manifestation chronischer Stressprozesse gekennzeichnet (Maslach et al., 2001). Die Gründe für Burnout bei Lehrkräften werden in der Literatur vielfältig beschrieben und liegen in der Anforderungssituation sowie der körperlichen Belastung (Abele & Candova, 2007; Ksienzyk & Schaarschmidt, 2005; Paulus, 2002). Aufseiten der psychischen Anforderungen werden insbesondere eine hohe Arbeitsbelastung, geringe Flexibilität und wenig Entscheidungsfreiheit sowie fehlende Kooperation mit Kolleginnen und Kollegen zur Erklärung herangezogen (Paulus, 2002). Sich hieraus ergebende Frustrationen und Enttäuschungen spielen bei der Entstehung von Burnout bei Lehrkräften eine bedeutsame Rolle (Schmitz & Leidl, 1999). Auf der körperlichen Seite stehen Belastungen wie Lärm, häufiges Stehen, hohe Infektionsgefährdung und eingeschränkte Erholung (Paulus, 2002). Ein zentraler Aspekt im Rahmen der Burnout-Genese im Lehrerberuf sind häufige Misserfolgserlebnisse, Frustrationen und Enttäuschungen (Schmitz & Leidl, 1999). Hiermit liegt im Rahmen von Burnout-Prozessen eine bedeutsame Störung der Befriedigung psychologischer Grundbedürfnisse vor. In der Basic- Needs-Theory (Deci & Ryan, 2000) werden drei angeborene psychologische Grundbedürfnissen unterschieden: die Bedürfnisse nach Autonomie, nach Kompetenz und nach Beziehung. Menschen streben danach, in ihrem Handeln autonom, das heißt selbstbestimmt zu sein, sich kompetent zu fühlen und sich mit anderen Menschen verbunden zu fühlen. Die Befriedigung dieser Bedürfnisse sichert das psychische und physische Wohlbefinden und ermöglicht die positive Entwicklung der Persönlichkeit (Deci & Ryan, 2000), während Bedürfnisfrustration Unwohlsein und Krankheit bedingen kann (Vansteenkiste & Ryan, 2013). Diese Prozesse beziehen sich sowohl auf das Leben insgesamt als auch auf einzelne Lebenskontexte wie den Beruf (Vallerand, 1997). Mangelnde Bedürfnisbefriedigung und Burnout Der Zusammenhang zwischen mangelnder Befriedigung der drei psychologischen Grundbedürfnisse und Burnout konnte bereits in mehreren Untersuchungen nachgewiesen wer- Dem Burnout davonlaufen? 103 den (Li, Wang, Pyun & Kee, 2013; Van den Berghe et al., 2014; Van den Broeck, Vansteenkiste, Witte & Lens, 2008). Das Job- Demand-Resources-Model nach Bakker und Demerouti (2007) beschreibt den Zusammenhang zwischen beruflichen Anforderungen und Ressourcen und deren Einflüsse auf Motivation und Belastungserleben sowie schließlich auf beruflichen Erfolg. Zentrale Ressourcen sind hierbei angelehnt an die Theorie der drei psychologischen Grundbedürfnisse nach Deci und Ryan (2000) Autonomie, Feedback und Unterstützung durch andere. Diesen Ressourcen wird eine puffernde Funktion im Hinblick auf Belastungserleben und beruflichen Erfolg trotz beruflicher Anforderungen zugeschrieben. Van den Broeck et al. (2008) gehen, angelehnt an dieses Modell, davon aus, dass die Frustration der drei psychologischen Grundbedürfnisse sich negativ auf Vitalität und positiv auf emotionale Erschöpfung auswirkt, wobei Letzteres eine Komponente von Burnout ist. Eine Untersuchung mit 745 Menschen aus unterschiedlichen Berufen konnte diesen Zusammenhang belegen (Van den Broeck et al., 2008). Die Befriedigung der psychologischen Grundbedürfnisse konnte die Beziehung zwischen beruflichen Anforderungen und emotionaler Erschöpfung als Burnout-Komponente sowie zwischen berufsbezogenen Ressourcen und Vitalität in einem Strukturgleichungsmodell teilweise erklären, wobei sie zwischen beruflichen Anforderungen und Ressourcen auf der einen sowie emotionaler Erschöpfung und Vitalität auf der anderen Seite vermittelt. Mitarbeiter mit stark ausgeprägten beruflichen Ressourcen erleben eine höhere berufsbezogene Bedürfnisbefriedigung, was wiederum positiv mit Vitalität und negativ mit emotionaler Erschöpfung einhergeht. Allerdings verbleibt im empirischen Modell der Autoren ein mittelstarker direkter Zusammenhang zwischen beruflichen Anforderungen und emotionaler Erschöpfung, was darauf hinweist, dass noch weitere, parallel ablaufende Prozesse eine Rolle spielen könnten. Auch aus Studien mit der Zielgruppe Lehrkräfte lassen sich die positiven Auswirkungen von Bedürfnisbefriedigung oder die negativen Aspekte von Bedürfnisfrustration herleiten. Bartholomew, Ntoumanis, Cuevas und Lonsdale (2014) zeigten an einer Studie mit 364 Sportlehrkräften einen deutlichen Zusammenhang zwischen wahrgenommenem Druck im Beruf, Mangel an Bedürfnisbefriedigung und Burnout. Ein Mangel an Autonomie-, Kompetenz- und Beziehungsbefriedigung konnte im Regressionsmodell als Prädiktor Burnout sowie körperliche Erkrankungen signifikant vorhersagen, wobei sich Autonomiefrustration als stärkster Prädiktor herausstellte (Bartholomew et al., 2014). Ähnlich wie in der Untersuchung von Van den Broeck et al. (2008) zeigt sich, dass ein Teil der Zusammenhänge zwischen beruflichem Druck und Burnout durch Bedürfnisbefriedigung bzw. Bedürfnisfrustration vermittelt wird. Beruflicher Burnout und körperliche Aktivität In den genannten Untersuchungen zum Zusammenhang von Bedürfnisbefriedigung und Burnout spielten freizeitliche Aktivitäten und insbesondere Sport oder körperliche Aktivität keine Rolle. Sport und körperliche Aktivität scheinen allerdings in Hinsicht auf beruflichen Burnout positive Wirkungen zu entfalten, worauf einzelne Studien hinweisen. Toker und Biron (2012) konnten an einer Längsschnittstudie an 1632 israelischen Berufstätigen den mildernden Effekt von körperlicher Aktivität auf depressive Symptome und Burnout belegen. Personen, die neben ihrer Arbeit wenig körperlich aktiv waren, zeigten einen höheren Anstieg von depressiven Symptomen und Burnout als körperlich Aktive. Lindwall, Gerber, Jonsdottir, Börjesson & Ahlborg (2013) zeigen in einer internationalen Längsschnittuntersuchung an 3717 im Gesundheitswesen arbeitenden Personen über einen Zeitraum von sechs Jahren, dass eine Zunahme an körperlicher Aktivität mit einer Abnahme an Burnout, Depression 104 Hanna Raven, Jens Kleinert und Ängstlichkeit einhergeht. Eine Interventionsstudie derselben Arbeitsgruppe (Gerber, 2013) mit 12 männlichen Arbeitnehmern mit Burnout-Symptomatik belegt ebenfalls den positiven Einfluss körperlicher Aktivität auf Burnout: Die zweibis dreimal wöchentliche Teilnahme an einem standardisierten Aerobic-Programm führte zur Verringerung von Burnout-Symptomen, Stress und Depressivität. Diese Wirkungen werden zumeist in Übereinstimmung mit der Stresspuffer-Funktion von regelmäßiger körperlichen Aktivität diskutiert, die durch eine Vielzahl von Studien als belegt gilt (Bengel, Strittmatter & Willmann, 2006; Klaperski, Seelig & Fuchs, 2012; Landmann, Kloock, König & Berg, 2007; Schwarzer, 2004). Körperliche Aktivität besitzt demnach eine erholsame und stressausgleichende Wirkung, was bei Burnout-Prozessen insbesondere für Verhinderung emotionaler Erschöpfung bedeutsam scheint. Körperliche Aktivität und Bedürfnisbefriedigung Während entsprechend der Stresspuffer-Hypothese körperliche Aktivität bei Burnout-Prozessen negative Prozesse abfedert (und hiermit psychophysische Erholung fördert), ist ein Effekt von körperlicher Aktivität auch in Hinsicht auf die zuvor beschriebene, bei Burnout vorhandene Bedürfnisfrustration denkbar. Das heißt, Sport und körperliche Aktivität kompensieren über Bedürfnisbefriedigung eine Burnout relevante berufliche Bedürfnisfrustration. Den positiven Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und der Befriedigung der Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und Beziehung zeigt die Überblicksarbeit von Teixeira, Carraça, Markland, Silva und Ryan (2012), wobei der Zusammenhang zwischen Kompetenzbefriedigung und körperlicher Aktivität besonders hervorsticht (Teixeira et al., 2012). Allerdings sind bisher keine Untersuchungen bekannt, die speziell den Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Bedürfnisbefriedigung im Lehrerberuf betrachten. Im Sinne eines Puffereffekts des Sports (Bengel et al., 2006; Klaperski et al., 2012; Landmann et al., 2007; Schwarzer, 2004) ist denkbar, dass Lehrkräfte mit hoher körperlicher Aktivität in der Freizeit trotz geringer beruflicher Bedürfnisbefriedigung seltener Burnout erleben als Lehrkräfte mit geringer körperlicher Aktivität. Körperliche Aktivität würde in diesem Fall als Moderator auf den Zusammenhang zwischen Bedürfnisbefriedigung und Burnout wirken und diesen im Sinne einer Kompensation abschwächen. Herleitung der Annahmen Bisher ist zum einen der Zusammenhang zwischen einem Mangel an beruflicher Bedürfnisbefriedigung und Burnout gut belegt (Li et al., 2013; Van den Berghe et al., 2014; Van den Broeck et al., 2008). Zum anderen sind auch negative Zusammenhänge zwischen körperlicher Aktivität und Burnout in mehreren Studien nachweisbar (z. B. Gerber, 2013; Lindwall, 2013). Ob sich diese negativen Zusammenhänge dadurch erklären lassen, dass durch körperliche Aktivität in der Freizeit Bedürfnisbefriedigung im Beruf erhöht wird, ist jedoch bislang unklar. Grundsätzlich ist der positive Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und Bedürfnisbefriedigung bekannt (Sylvester, Mack, Busseri, Wilson & Beauchamp, 2012; Teixeira et al., 2012), allerdings fehlen Untersuchungen, die alle drei Faktoren, das heißt berufliche Bedürfnisbefriedigung, körperliche Aktivität und Burnout im Zusammenhang betrachten. Denkbar ist im Sinne des Job-Demands- Resources Modells (Bakker & Demerouti, 2007), dass sich körperliche Aktivität in der Freizeit als Ressource positiv auf motivationale Komponenten im Beruf wie Arbeitsengagement und Leistung auswirkt. Dies würde der Entwicklung von Burnout-Symptomen entgegenstehen. Mit der vorliegenden Studie sollen daher die komplexen Zusammenhänge zwischen berufsbezogener Bedürfnisbefriedigung und körperlicher Freizeitaktivität untersucht werden. Dem Burnout davonlaufen? 105 Bisherige Studien lassen unterschiedliche Mechanismen vermuten: Zunächst sind direkte Zusammenhänge zwischen berufsbezogener Bedürfnisbefriedigung und Burnout sowie zwischen körperlicher Freizeitaktivität und Burnout denkbar. Zusammenhänge zwischen körperlicher Freizeitaktivität und Burnout werden hierbei insbesondere aus stresstheoretischer Sicht interpretiert (z. B. Gerber, 2013), das heißt es werden Erholungsprozesse angenommen, die durch körperliche Aktivität ausgelöst werden und Burnout-Symptome lindern. In der vorliegenden Studie gehen wir jedoch von einem zusätzlichen Mechanismus aus: Es wird angenommen, dass im Rahmen von körperlicher Aktivität psychologische Grundbedürfnisse befriedigt werden, was den Mangel an beruflicher Bedürfnisbefriedigung teilweise kompensiert. Durch körperliche Aktivität könnte die Befriedigung der Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und Beziehung kontextübergreifend im Sinne von Schlicht (1995) erhöht werden. Positive Erfahrungen im Freizeitsport wie hohe Selbstbestimmung, erlebte Erfolge oder Freundschaften könnten den Selbstwert erhöhen und für ein hohes Wohlbefinden sorgen, was sich auch auf die Arbeit als Lehrkraft übertragen könnte. Der erwartete negative Zusammenhang von berufsbezogener Bedürfnisbefriedigung und Burnout könnte im Sinne einer Kompensation durch hohe körperliche Aktivität in der Freizeit verringert werden. Die Annahme ist daher, dass Lehrkräfte mit hoher körperlicher Aktivität trotz geringer beruflicher Bedürfnisbefriedigung weniger Burnout erleben als Lehrkräfte mit geringer körperlicher Aktivität. In der vorliegenden Untersuchung wird eine Interaktion von körperlicher Freizeitaktivität und beruflicher Bedürfnisbefriedigung in Richtung auf Burnout angenommen (vgl. Abb. 1). Im Rahmen von Regressionsanalysen sollen daher folgende gerichtete Annahmen überprüft werden. 1. Es wird ein negativer Zusammenhang zwischen Bedürfnisbefriedigung und Burnout erwartet. 2. Es wird ein negativer Zusammenhang zwischen körperlicher Freizeitaktivität und Burnout erwartet. 3. Zudem wird ein Interaktionseffekt von Bedürfnisbefriedigung und körperlicher Aktivität in Hinsicht auf Burnout erwartet. Bedürfnisbefriedigung, Autonomie, Kompetenz, Beziehung Körperliche Aktivität Interaktion, Bedürfnisbefriedigung und körperliche Aktivität Burnout, Emotionale Erschöpfung, Leistungsminderung, Depersonalisierung 1 2 3 Abb. 1: Theoretische Annahmen über den Zusammenhang von beruflicher Bedürfnisbefriedigung, körperlicher Aktivität und Burnout. 106 Hanna Raven, Jens Kleinert Methode Untersuchungsteilnehmerinnen und -teilnehmer Es wurden 187 Lehrkräfte aus einer Gesamt- und zwei Primarschulen mit unterschiedlichen Fächerkombinationen aus dem Raum Hannover angefragt, an der Studie teilzunehmen. Hierzu erklärten sich 80 Lehrkräfte bereit (64 Gesamtschullehrkräfte, 16 Primarschullehrkräfte), was einer Rücklaufquote von ca. 43 % entspricht. Die Teilnahme erfolgte anonymisiert und freiwillig. Es handelte sich um 61 % Frauen, die Teilnehmenden waren im Alter zwischen 25 und 63 Jahren (M = 44.46, SD = 11.66). Hinsichtlich der Berufserfahrung setzt sich die Gruppe der Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgendermaßen zusammen: 25 % der befragten Lehrkräfte weisen eine Berufserfahrung von bis zu fünf Jahren auf, 21 % zwischen 6 und 10 Jahren, 19 % zwischen 10 und 15 Jahren, 9 % zwischen 15 und 20 und 21 % über 20 Jahren. Messinstrumente Burnout wurde durch eine an Lehrkräfte angepasste Version des Maslach-Burnout-Inventars (MBI) operationalisiert (Schwarzer & Jerusalem, 1999). Diese Version besteht aus 22 Items, mit denen die drei Subskalen emotionale Erschöpfung (Beispielitem „Durch meine Arbeit fühle ich mich ausgelaugt“), Depersonalisation (Beispielitem „Ich glaube ich behandle Schüler zum Teil ziemlich unpersönlich“) und Leistungsminderung (Beispielitem „Ich habe mit meiner derzeitigen Arbeit viele wertvolle Dinge erreicht“ [negativ codiertes Item]) erhoben werden. Die Fragen werden auf einer vierstufigen Antwortskala von stimmt nicht (1) bis stimmt genau (4) beantwortet. Tabelle 1 zeigt die Reliabilitäten aller verwendeten Subskalen, ermittelt durch Cronbachs Alpha. Sie betragen .84 (Emotionale Erschöpfung), .74 (Leistungsminderung) und .72 (Depersonalisierung) und liegen damit durchgehend in einem akzeptablen bis guten Bereich (Bortz & Döring, 2006). Die berufliche Bedürfnisbefriedigung im Sinne des Basic Needs Theory als Teil der Selbstbestimmungstheorie (Deci & Ryan, 2000) wurde anhand der Contextual Basic Need Scale (CBANS) operationalisiert (Kleinert, 2012). Es handelt sich um einen aus elf Items bestehenden Fragebogen, der auf einer vierstufigen Skala von gar nicht (0) bis sehr stark (3) zu beantworten ist. Der schulische Kontext wurde durch den allen Items gemeinsamen Satzanfang „Meine Schule …“ hergestellt. Der CBANS setzt sich aus den drei Subskalen Bedürfnisbefriedigung nach Autonomie (Beispielitem „… gibt mir Gelegenheit frei zu entscheiden“), nach Kompetenz (Beispielitem „…lässt mich meine Fähigkeiten erleben“) und nach Beziehung (Beispielitem „… gibt mir Gelegenheiten, zu etwas oder jemandem dazu zu gehören“) zusammen. Die Cronbachs Alpha-Werte für die drei Subskalen sprechen mit .86 (Autonomie), .83 (Kompetenz) und .89 (Beziehung) für gute Reliabilitäten. Die Einschätzung der körperlichen Aktivität wurde subjektiv mittels der Skala für das sensomotorische Selbstbild (SMS-Skala; Kleinert, 2000) gemessen. Mittels vier Items werden auf einer vierstufigen Antwortskala von trifft nicht zu (0) bis trifft völlig zu (3) zwei Dimensionen erfasst, nämlich das körperliche Aktivitätsselbst über die beiden Items „Ich bewege mich ausreichend“ und „Ich treibe genug Sport“ sowie das körperliche Eigenschaftsselbst über die Items „Ich bin sportlich“ und „Ich habe ein gutes Körperbewusstsein“ (Kleinert, 2000). Die Reliabilitäten, ermittelt durch Cronbachs Alpha, betragen .92 für das körperliche Aktivitätsselbst und .80 für das körperliche Eigenschaftsselbst. Datenanalyse Die Datenanalyse wird mittels IBM SPSS 25 durchgeführt. Neben Produkt-Moment-Korrelationen zwischen den verwendeten Variablen werden vier linearere Regressionsanalysen nach dem Einschluss- Verfahren in drei Blöcken berechnet. Ergebnisse Deskriptive Ergebnisse Tabelle 1 zeigt die deskriptiven Ergebnisse, sowie die Interkorrelationen und die Reliabilitäten zu den verwendeten Variablen. Insgesamt lag die Befriedigung der drei psychologischen Grundbedürfnisse (Antwortskala 0 - 3) bei den befragten Lehrkräften mit den Mittelwerten M = 1.73 (SD = 0.61) bei Autonomie, M = 1.94 (SD = 0.57) bei Kompetenz und M = 2.0 (SD = 0.72) bei Beziehung in einem mittleren bis mittelhohen Bereich. Von den befragten Lehrkräften zeigten 95% eine positive (M > 1.5) schulische Autonomie- und Kompetenzbefriedigung und 89 % eine hohe Beziehungsbefriedigung. Das Selbstbild der körperlichen Aktivität sowie das körperliche Eigenschaftsselbst wurden im Durchschnitt mittel bis hoch beurteilt. Die Mittelwerte der drei Dem Burnout davonlaufen? 107 Subskalen des Burnout-Inventars (Antwortskala 1 - 4) lagen im mittleren, eher niedrigen Bereich (emotionale Erschöpfung M = 1.81, SD = 0.49; Leistungsminderung M = 1.87, SD = 0.34; Depersonalisierung M = 1.49, SD = 0.47). Auffällig war hier die relativ hohe Konsistenz der Stichprobe (d. h. die recht geringen Standardabweichungen). Bei den Korrelationen zwischen den verwendeten Skalen fallen im Hinblick auf die Fragestellung der Untersuchung vor allem die negativen Zusammenhänge zwischen Bedürfnisbefriedigung und den drei Komponenten von Burnout auf (Werte zwischen r = -.31 und r = -.54). Regressionsanalysen Die vier linearen Regressionsanalysen nach dem Einschluss-Verfahren wurden in drei Blöcken durchgeführt. Im ersten Block gingen nach z-Transformation aller Variablen jeweils die psychologischen Grundbedürfnisse als Prädiktoren ein, im zweiten zusätzlich das sensomotorische Selbstbild und im dritten die Interaktionstherme zwischen Bedürfnisbefriedigung und sensomotorischem Selbstbild. Die Kriterien für die vier Regressionsanalysen bilden der Burnout-Gesamtscore (Tab. 2) sowie die drei Subskalen emotionale Erschöpfung (Tab. 3), Leistungsminderung (Tab. 4) und Depersonalisierung (Tab. 5). Alter und Geschlecht wurden als Kontrollvariablen mit eingeschlossen, es zeigten sich jedoch keine signifikanten Effekte. Kriterium Burnout-Gesamtscore Hier zeigt sich, dass Autonomiebefriedigung Burnout signifikant vorhersagen kann (F = 9.39; R ² korr = .303; p < .001; Prädiktor Autonomiebefriedigung: β = -0.31, t = -2.19; p = .033), unter Hinzunahme des sensomotorischen Selbstbildes ändert sich die Vorhersage nicht signifikant (F = 6.85; R ² korr = .335; p < .001; Prädiktor Autonomiebefriedigung: β = -0.30, t = -2.20; p = .033; Tab. 2). Die Hinzunahme der Interaktion von Beziehungsbefriedigung und körperlichem Eigenschaftsselbst („Ich bin sportlich“; „Ich habe ein gutes Körperbewusstsein“) bringt eine zusätzliche Varianzaufklärung (F = 5.311; R ² korr = .44; p < .001; Interaktion Beziehungsbe- N M SD Min Max (1) (2) (3) (4) (5) (6) (7) (8) (9) (1) Burnout-Gesamtscore (2) Autonomie (3) Kompetenz (4) Beziehung (5) körperl. Aktivitätsselbst (6) körperl. Eigenschaftsselbst (7) emotionale Erschöpfung (8) Leistungsminderung (9) Depersonalisierung 64 75 76 74 79 79 72 70 79 1.71 1.73 1.94 2.00 1.70 2.00 1.81 1.87 1.49 0.36 0.61 0.57 0.72 0.95 0.80 0.49 0.34 0.47 1 0 1 0 0 0 1 1 1 3 3 3 3 3 3 4 3 3 .89 .49** .58** .42** -.32* -.27* .86** .83** .87** .86 .56** .58** .21 .15 -.54** -.34** -.37** .83 .51** .14 .14 -.37** -.50** -.42** .89 .32** .34** -.34** -.35** -.31** .92 .76** -.31** -.23 -.19 .80 -.17 -.33** -.17 .84 .59** .63** .74 .54** .72 Tab. 1: Deskriptive Kennwerte, Reliabilitäten und Interkorrelationen der verwendeten Variablen Anmerkungen: Auf der diagonalen Mittellinie sind die Reliabilitäten der verwendeten Skalen mittels Cronbachs Alpha dargestellt. 108 Hanna Raven, Jens Kleinert friedigung und körperliches Eigenschaftsselbst: β = 0.51, t = -2.05; p = .046), der Einfluss der Autonomie verschwindet dagegen im dritten Modell. Abbildung 2 zeigt, dass Lehrkräfte mit einem hohen körperlichen Eigenschaftsselbst auch bei niedriger Beziehungsbefriedigung seltener Burnout entwickeln als Lehrkräfte mit einem niedrigen körperlichen Eigenschaftsselbst. Bei hoher Beziehungsbefriedigung zeigt sich ein gegenläufiger Effekt, sodass von einem 2 1,5 1 0,5 0 -0,5 -1 -1,5 -2 Burnout Low High Berufliche Beziehungsbefriedigung Berufliche Beziehungsbefriedigung Low Körperliches Eigenschaftsselbst High Körperliches Eigenschaftsselbst Abb. 2: Interaktionseffekt zwischen beruflicher Beziehungsbefriedigung und dem körperlichen Eigenschaftsselbst in Bezug auf Burnout. Prädiktor β t p R ² R ² korr F(Änd.) p(Änd.) Modell 1 Autonomie Modell 2 Autonomie Modell 3 Beziehung x Eigenschaftsselbst -0.31 -0.30 0.51 -2.19 -2.20 2.05 .033* .033* .046* .339 .392 .545 .303 .335 .438 9.39 6.85 5.11 < .001 < .001 < .001 Tab. 2: Lineare Regressionsanalyse (Kriterium Burnout Gesamtscore) Anmerkungen: Prädiktoren der drei Modelle: Modell 1: Prädiktoren: psychologische Grundbedürfnisse (Bedürfnis nach Autonomie, Kompetenz, Beziehung); Modell 2: zusätzlicher Prädiktor: Sensomotorisches Selbstbild (körperliches Aktivitätsselbstbild und körperliches Eigenschaftsselbstbild); Modell 3: zusätzlicher Prädiktor: Interaktionen zwischen den drei psychologischen Grundbedürfnissen (nach Autonomie, Kompetenz, Beziehung) und dem Sensomotorischen Selbstbild (körperliches Aktivitätsselbstbild und körperliches Eigenschaftsselbstbild). * = signifikanter Effekt. Dem Burnout davonlaufen? 109 Interaktionseffekt ausgegangen werden kann: Lehrkräfte mit einem eher niedrigen körperlichen Eigenschaftsselbst haben deutlich geringere Burnout-Werte als Lehrkräfte mit einem hohen körperlichen Eigenschaftsselbst. Kriterium Emotionale Erschöpfung Unter Berücksichtigung der beruflichen Bedürfnisbefriedigung (vgl. Tab. 3, Modell 1) konnte Autonomiebefriedigung emotionale Erschöpfung signifikant vorhersagen (Modell 1: F = 10.23; R ² korr = .305; p < .001; Prädiktor Autonomiebefriedigung: β = -0.47, t = -3.46; p = .001). Bei Hinzunahme der beiden Variablen des sensomotorischen Selbstbildes ergab sich eine signifikante Zunahme der Varianzaufklärung (Modell 2: F = 8.08; R² korr = .360; p < .000). Neben Autonomiebefriedigung ( β = -0.46; t = -3.55; p = .001) trug das körperliche Aktivitätsselbstbild zusätzlich zur Varianzaufklärung der emotionalen Erschöpfung bei ( β = -.34; t = -2.19; p = .033). Die Interaktionstherme brachten keine zusätzlichen signifikanten Vorhersagen. Kriterium Leistungsminderung Von den Prädiktoren der beruflichen Bedürfnisbefriedigung (Modell 1, Tab. 4) konnte die Kompetenzbefriedigung das Burnout-Symptom Leistungsminderung vorhersagen (F = 7.49; R ² korr = .236; p < .001; Prädiktor Kompetenzbefriedigung: β = -0.42, t = -3.09; p = .003). Die Hinzunahme des sensomotorischen Selbstbildes leistete keinen zusätzlichen Beitrag zur Varianzaufklärung, ebenso wenig wie die Interaktionstherme zwischen Bedürfnisbefriedigung und sensomotorischem Selbstbild. Prädiktor β t p R ² R ² korr F(Änd.) p(Änd.) Modell 1 Autonomie Modell 2 Autonomie Aktivitätsselbst Modell 3 Autonomie Aktivitätsselbst -0.47 -0.46 -0.34 -0.46 -0.40 -3.46 -3.55 -2.19 -3.20 -2.67 .001* .001* .033* .002* .010* .338 .411 .526 .305 .360 .425 10.227 8.083 5.240 < .001 < .001 < .001 Tab. 3: Lineare Regressionsanalyse (Kriterium Emotionale Erschöpfung) Anmerkungen: Prädiktoren der drei Modelle: Modell 1: Prädiktoren: psychologische Grundbedürfnisse (Bedürfnis nach Autonomie, Kompetenz, Beziehung); Modell 2: zusätzlicher Prädiktor: Sensomotorisches Selbstbild (körperliches Aktivitätsselbstbild und körperliches Eigenschaftsselbstbild); Modell 3: zusätzlicher Prädiktor: Interaktionen zwischen den drei psychologischen Grundbedürfnissen (nach Autonomie, Kompetenz, Beziehung) und dem Sensomotorischen Selbstbild (körperliches Aktivitätsselbstbild und körperliches Eigenschaftsselbstbild). * = signifikanter Effekt. Prädiktor β t p R ² R ² korr F(Änd.) p(Änd.) Modell 1 Kompetenz Modell 2 Kompetenz Modell 3 Kompetenz -0.42 -0.41 -0.35 -3.09 -3.06 -2.54 .003* .003* .014* .272 .317 .423 .236 .258 .301 7.487 5.392 3.468 < .001 < .001 < .001 Tab. 4: Lineare Regressionsanalyse (Kriterium: Leistungsminderung) Anmerkungen: Prädiktoren der drei Modelle: Modell 1: Prädiktoren: psychologische Grundbedürfnisse (Bedürfnis nach Autonomie, Kompetenz, Beziehung); Modell 2: zusätzlicher Prädiktor: Sensomotorisches Selbstbild (körperliches Aktivitätsselbstbild und körperliches Eigenschaftsselbstbild); Modell 3: zusätzlicher Prädiktor: Interaktionen zwischen den drei psychologischen Grundbedürfnissen (nach Autonomie, Kompetenz, Beziehung) und dem Sensomotorischen Selbstbild (körperliches Aktivitätsselbstbild und körperliches Eigenschaftsselbstbild). * = signifikanter Effekt. 110 Hanna Raven, Jens Kleinert Kriterium Depersonalisation Betrachtet man das Kriterium Depersonalisierung, zeigen sich keine signifikanten Vorhersagen durch die psychologischen Grundbedürfnisse (Tab. 5, Modell 1), auch nicht unter Hinzunahme des sensomotorischen Selbstbildes. Unter Hinzunahme der Interaktionstherme zeigen sich sowohl das Kompetenzbedürfnis als auch die In- 2 1,5 1 0,5 0 -0,5 -1 -1,5 -2 Depersonalisierung Low High Berufliche Autonomiebefriedigung Berufliche Autonomiebefriedigung Low Körperliches Aktivitätsselbst High Körperliches Aktivitätsselbst Abb. 3: Interaktionseffekt zwischen beruflicher Autonomiebefriedigung und dem körperlichen Aktivitätsselbst in Bezug auf Depersonalisierung. Prädiktor β t p R ² R ² korr F(Änd.) p(Änd.) Modell 1 Modell 2 Modell 3 Kompetenz Autonomie x Aktivitätsselbst Beziehung x Eigenschaftsselbst -0.32 0.62 0.74 -2.25 1.20 2.71 .028* .050* .009* .203 .211 .371 .168 .150 .254 5.695 3.472 3.167 .002 .008 .002 Tab. 5: Lineare Regressionsanalyse (Kriterium: Depersonalisierung) Anmerkungen: Prädiktoren der drei Modelle: Modell 1: Prädiktoren: psychologische Grundbedürfnisse (Bedürfnis nach Autonomie, Kompetenz, Beziehung); Modell 2: zusätzlicher Prädiktor: Sensomotorisches Selbstbild (körperliches Aktivitätsselbstbild und körperliches Eigenschaftsselbstbild); Modell 3: zusätzlicher Prädiktor: Interaktionen zwischen den drei psychologischen Grundbedürfnissen (nach Autonomie, Kompetenz, Beziehung) und dem Sensomotorischen Selbstbild (körperliches Aktivitätsselbstbild und körperliches Eigenschaftsselbstbild). * = signifikanter Effekt. Dem Burnout davonlaufen? 111 teraktion von Autonomie und dem körperlichen Aktivitätsselbst und die Interaktion von Beziehungsbefriedigung und dem körperlichen Eigenschaftsselbst als signifikante Prädiktoren für Depersonalisierung (Modell 3: F = 3.17; R² korr = .254; p = .002; Kompetenz: β = -0.32, t = -2.25; p = .028; Interaktion zwischen Autonomiebefriedigung und körperlichem Aktivitätsselbst: β = -0.62, t = 1.20; p = .050; Interaktion von Beziehungsbefriedigung und dem körperlichen Eigenschaftsselbst: β = -0.74, t = 2.71; p = .009). Abbildung 3 zeigt, dass Lehrkräfte mit einem hohen körperlichen Aktivitätsselbst auch bei niedriger Autonomiebefriedigung geringere Werte auf der Burnout-Dimension Depersonalisierung haben als Lehrkräfte mit einem niedrigen körperlichen Aktivitätsselbst. Ebenso wie beim in Abbildung 2 gezeigten Interaktionseffekt kehrt sich dieser Zusammenhang bei hoher Autonomiebefriedigung um: Lehrkräfte mit einem eher niedrigen körperlichen Aktivitätsselbst haben geringere Burnout-Werte (Depersonalisierung) als Lehrkräfte mit einem hohen körperlichen Aktivitätsselbst. Ein ähnlicher Effekt wie in den Abbildungen 2 und 3 dargestellt, zeigt sich auch für den Zusammenhang zwischen beruflicher Beziehungsbefriedung und körperlichem Eigenschaftsselbst in Bezug auf die Burnout-Dimension Depersonalisierung (Abb. 4). Diskussion Diese Untersuchung ging der Frage nach Zusammenhängen zwischen Bedürfnisbefriedigung, körperlicher Aktivität und Burnout bei Lehrkräften nach. Es wurde angenommen, dass sowohl 2 1,5 1 0,5 0 -0,5 -1 -1,5 -2 Depersonalisierung Low High Berufliche Beziehungsbefriedigung Berufliche Beziehungsbefriedigung Low Körperliches Eigenschaftsselbst High Körperliches Eigenschaftsselbst Abb. 4: Interaktionseffekt zwischen beruflicher Beziehungsbefriedigung und dem körperlichen Eigenschaftsselbst in Bezug auf Depersonalisierung. 112 Hanna Raven, Jens Kleinert berufliche Bedürfnisbefriedigung und Burnout als auch körperliche Aktivität in der Freizeit und Burnout in einem (umgekehrt proportionalen) Zusammenhang stehen. Weiterhin wurde davon ausgegangen, dass berufliche Bedürfnisbefriedigung und körperliche Freizeitaktivität miteinander interagieren und hierdurch einen weiteren Anteil zur Aufklärung von Burnout leisten. Im Wesentlichen zeigten sich drei zentrale Befunde. Erstens konnte gezeigt werden, dass Bedürfnisbefriedigung im beruflichen Kontext und Burnout bzw. einzelne Burnout-Dimensionen zusammenhängen. Zweitens konnte in Hinsicht auf körperliche Aktivität nur für die Burnout-Dimension Emotionale Erschöpfung ein direkter Zusammenhang mit körperlicher Aktivität nachgewiesen werden. Drittens konnte die Interaktion zwischen Bedürfnisbefriedigung und körperlicher Aktivität zur Erklärung der zuvor genannten Zusammenhänge beitragen. Autonomiebefriedigung und Lehrer-Burnout Für die Bedürfnisse nach Autonomie und Kompetenz ließen sich in Hinsicht auf den Burnout- Gesamtwert sowie auf einzelne Burnout-Dimensionen im Regressionsmodell Zusammenhänge nachweisen, was auch vorangegangene Untersuchungen bestätigen (Li et al., 2013; Van den Berghe et al., 2014; Van den Broeck et al., 2008). Hierbei zeigten sich die stärksten Zusammenhänge für die Bedürfnisbefriedigung von Autonomie in Hinsicht auf den Burnout-Gesamtwert und die Dimension Emotionale Erschöpfung. Dieser Zusammenhang zwischen emotionaler Erschöpfung und Autonomiebefriedigung könnte auf besondere Mechanismen fehlender Autonomiebefriedigung hinweisen. Geringe Autonomie, das heißt fehlende Handlungs- und Entscheidungsfreiheit, könnten mit besonderem beruflichem Druck im Lehramt verbunden sein (z. B. Wahrnehmung äußerer gesellschaftlicher Zwänge, Eingrenzung von Arbeits- und Zeitspielräumen, eingegrenzter Unterrichtsstoff; Martinek, 2012); das Standhalten gegen diesen beruflichen Druck (bzw. die Bewältigung der hohen Anforderungen) wäre körperlich und emotional aufwendig, was zu entsprechenden Erschöpfungssymptomen führen würde (Kokkinos, 2007). Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Studien über die Belastung von Lehrkräften: So zeigt beispielsweise Paulus (2002), dass die Zunahme an Aufgaben (d. h. beruflicher Druck) mit einer geringen Flexibilität und Entscheidungsfreiheit (d. h. Autonomieverlust) einhergeht. Diese hohe Bedeutung der Autonomie als Ressource im Rahmen des Burnout-Geschehens wird auch im Job-Demands-Resources-Modell deutlich (Bakker & Demerouti, 2007). Kompetenzbefriedigung und Lehrer-Burnout Der Zusammenhang zwischen beruflicher Kompetenzbefriedigung und Leistungsminderung lässt sich damit erklären, dass das Gefühl, im Beruf nicht kompetent zu sein beziehungsweise seine Fähigkeiten nicht zeigen zu können, längerfristig mit vermindertem Engagement und daher mit einer wahrgenommenen Leistungsminderung einhergehen kann. Wenn die Schule es also ermöglicht, „das eigene Können zu zeigen“, „die eigenen Fähigkeiten zu erleben“ und „Fortschritte und Erfolge zu erfahren“ (Items des eingesetzten Instruments), geht dies beispielsweise mit dem Gefühl einher, „voller Tatkraft“ zu sein oder „mit der derzeitigen Arbeit wertvolle Dinge erreicht zu haben“ (Items aus dem eingesetzten Burnoutinventar). Kompetenzfrustration kann umgekehrt mit geringer Tatkraft oder dem Gefühl, kein sinnvolles Arbeitsergebnis zu erreichen, zusammenhängen. Diese Zusammenhänge lassen sich jedoch unter Umständen auch über die eingesetzten Skalen erklären: Sowohl die Items der Subskala Kompetenzbefriedigung als auch die der Subskala Leistungsminderung des für den Lehrerberuf adaptierten MBI (Schwarzer & Jerusalem, 1999) sind positiv formuliert, was Korrelationen begünstigt; demgegenüber sind die anderen beiden Subskalen negativ ausgerichtet, was eine Korrelation mit den positiv formulierten Skalen der Bedürfnisbefriedigung erschwert. Dem Burnout davonlaufen? 113 Körperliche Aktivität und Lehrer-Burnout Der zweite zentrale Befund dieser Untersuchung ist, dass nur für die Burnout-Dimension Emotionale Erschöpfung ein direkter Zusammenhang mit körperlicher Aktivität nachgewiesen werden konnte. Dieser Befund könnte durch die gut belegte Stresspuffer-Hypothese (Bengel et al., 2006; Klaperski et al., 2012; Landmann et al., 2007; Schwarzer, 2004) erklärt werden. Regelmäßiger körperlicher Aktivität wird demnach eine erholsame und stressausgleichende Wirkung zugeschrieben. Betrachtet man Stresssymptome als Vorstufe von Burnout (Maslach et al., 2001), ist der hier gezeigte negative Zusammenhang zwischen körperlicher Aktivität und emotionaler Erschöpfung vor dem Hintergrund der Stresspuffer-Hypothese plausibel. Weitere Wirkmechanismen über den Einfluss von sportlicher Aktivität auf die psychische Gesundheit (z. B. Stress, Depression) betrachtet Schlicht (1995) ausführlich. Sein Erklärungsansatz der generalisierten Kontrollüberzeugung postuliert, „dass Ausdauersport die Stressvulnerabilität längerfristig mindert“ (Schlicht, 1995, S. 79), also präventiv wirkt. Konkret wird hier angenommen, dass durch die als anstrengend und schwierig erlebten Handlungen im Sport generalisierte Überzeugungen darüber entstehen, dass Schwierigkeiten bewältigt werden können, was die Vulnerabilität für Stress im Allgemeinen reduzieren kann. Dieses Erklärungsmodell scheint nachvollziehbar und würde auch im vorliegenden Fall einen negativen Zusammenhang von körperlicher Aktivität in der Freizeit und emotionaler Erschöpfung im Beruf erklären; letztendlich fehlen jedoch nach Schlicht (1995) für die Generalisierung von Kontrollüberzeugungen von einem Lebensbereich (Sport) in einen anderen (beispielsweise Beruf ) noch empirische Belege; allerdings sind derartige transkontextuellen Effekte aus anderen Bereichen bekannt (Hagger & Chatzisarantis, 2012). In Richtung eines transkontextuellen Effekts könnte das von uns gefundene Ergebnis auch in die Richtung eines Wirkmechanismus interpretiert werden, dass sich die selbstberichtete körperliche Aktivität als Bestandteil des Selbstkonzeptes (entsprechend einer Generalisierung) kontextübergreifend positiv als Ressource auch im beruflichen Kontext auswirkt und damit die Wahrscheinlichkeit, Burnout zu entwickeln, senkt. So konnten Carraro, Scarpa und Gobbi (2010) an 219 italienischen Sportlehrkräften einen negativen korrelativen Zusammenhang zwischen dem Burnout-Symptom Leistungsminderung, der körperlichen Fitness im Selbsturteil und der Wahrnehmung der eigenen Fitness (d. h. des körperlichen Selbstwerts) beim Unterrichten nachweisen. Ein positiver Fitnesszustand geht hier mit niedrigeren Burnout-Symptomen einher. Dieses Ergebnis gibt Hinweis auf einen möglichen Generalisierungseffekt des eigenen Fitnesszustandes vom Freizeitkontext in den schulischen Kontext, was wiederum den Zusammenhang mit geringeren Burnout-Symptomen erklären würde. Aufgrund des Querschnittansatzes unserer Studie ist jedoch auch umgekehrt denkbar, dass geringe emotionale Erschöpfung zu verstärkter Sportaktivität führt. Das heißt, Personen, die unter Burnout-Symptomen (insbesondere Erschöpfung) leiden, wären demnach weniger körperlich aktiv. Ihnen fehlen Ressourcen, um in der Freizeit als anstrengend erlebten Tätigkeiten wie Sport nachzugehen. Diese Denkweise ist durchaus konform mit Motivationsmodellen zur Erklärung von Sportaktivität (für eine Übersicht: Wasserkampf & Kleinert, 2017), nach denen eine psycho-physische Basisaktivierung die Grundlage für Sportmotivation darstellte. Künftige Längsschnitt- und Interventionsstudien sollten hier zur Erklärung der verschiedenen kausalen Zusammenhänge beitragen. Hinweise auf Wirkmechanismen für die Zusammenhänge zwischen Bedürfnisbefriedigung, körperlicher Aktivität und Burnout bei Lehrkräften Drittens zeigt sich, dass in drei Fällen Interaktionen zwischen Bedürfnisbefriedigung und körperlicher Aktivität Teile der Varianz von Burnout erklären. Dies betrifft (a) die Interaktion von Beziehungsbefriedigung und körper- 114 Hanna Raven, Jens Kleinert lichem Eigenschaftsselbst, die mit dem Gesamtscore von Burnout zusammenhängt, (b) die Interaktionen zwischen Autonomiebefriedigung und dem körperlichen Aktivitätsselbst sowie (c) zwischen Beziehungsbefriedigung und dem körperlichen Eigenschaftsselbst, die beide mit dem Burnout-Kriterium Depersonalisierung zusammenhängen. Bedürfnisbefriedigung und körperliche Aktivität (oder ein körperliches Selbstbild) scheinen sich in ihrem Einfluss auf Burnout gegenseitig zu ergänzen, was bedeuten könnte, dass körperliche Aktivität bei geringerer berufsbedingter Bedürfnisbefriedigung einen umso größeren Einfluss auf Burnout hat. Es kann vermutet werden, dass vor allem bei Lehrkräften mit geringer beruflicher Bedürfnisbefriedigung körperliche Aktivität ein wichtiger präventiver Faktor für die Vermeidung von Burnout ist. Körperliche Freizeitaktivität und der hiermit einhergehende positive körperliche Selbstwert könnte sich dabei kontextübergreifend (Schlicht, 1995) auf die Bedürfnisbefriedigung im Beruf auswirken: Wer sich im Sport selbstbestimmt verhalten kann und sich mit anderen in positiver Beziehung erlebt, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ein positives körperliches Selbstbild entwickeln. Diese Ressourcen können auch im Lehrer- oder Klassenzimmer eingesetzt werden, um Bedürfnisse zu befriedigen und Burnout zu verhindern. Lehrkräfte, die regelmäßig Sport treiben und ein positives körperliches Selbstbild haben, wären demnach weniger vulnerabel für eine niedrige Bedürfnisbefriedigung im Beruf und damit einhergehend weniger Burnout gefährdet. Allerdings könnte es - im Sinne des zweiten Mechanismus - auch sein, dass berufliche Bedürfnisbefriedigung einen aktiven Lebensstil unterstützt und hierdurch verstärkte Erholung und letztlich Burnout-Prophylaxe, im Sinne einer Burnout-Puffer-Wirkung, entsteht. Wie die grafischen Darstellungen der Interaktionseffekte in den Abbildungen 2 bis 4 zeigen, haben Lehrkräfte mit einem hohen körperlichen Eigenschaftsbzw. Aktivitätsselbst auch bei niedriger Bedürfnisbefriedigung seltener Burnout als Lehrkräfte mit einem niedrigen körperlichen Eigenschaftsbzw. Aktivitätsselbst. Dies zeigt den oben beschriebenen Kompensationseffekt von körperlicher Aktivität. Bei hoher Bedürfnisbefriedigung ändert sich dieser Effekt jedoch in die entgegengesetzte Richtung: Lehrkräfte mit einem eher niedrigen körperlichen Selbstbild haben geringere Burnout- Werte als Lehrkräfte mit einem hohen körperlichen Selbstbild. Dieser Interaktionseffekt könnte dadurch erklärt werden, dass der Puffereffekt durch körperliche Aktivität bzw. ein positives körperliches Selbstbild bei hoher Bedürfnisbefriedigung insgesamt weniger relevant ist. Fühlen Lehrkräfte sich im Beruf wohl, was als Folge von hoher beruflicher Bedürfnisbefriedigung angenommen werden kann, spielen die durch körperliche Aktivität hervorgerufenen positiven Effekte keine große Rolle mehr. Warum allerdings Lehrkräfte mit einem hohen körperlichen Selbstbild und zugleich hoher Bedürfnisbefriedigung relativ hohe Burnout-Werte zeigen, ist schwer erklärbar (Abb. 2). Hohe Burnout-Werte würden dem Job-Demands- Resources-Modell (Bakker, 2007) entsprechend eher bei niedriger beruflicher Bedürfnisbefriedigung entstehen. Möglicherweise hängt dieses schwer erklärbare Ergebnis damit zusammen, dass Burnout und Burnouterzeugende Prozesse nicht zeitsynchron verlaufen. So könnte es sein, dass Burnout zwar noch hoch oder erhöht ist, dass jedoch zugleich Kompensationsmechanismen (z. B. verstärkte Suche nach Befriedigung oder körperliche Aktivität in der Freizeit) bereits aktiv sind. Längsschnittanalysen könnten derartige Überlegungen näher hinterfragen. Im ersten Regressionsmodell zeigte sich zudem, dass der Einfluss der Autonomiebefriedigung auf den Burnout-Gesamtscore bei Hinzunahme der Interaktion zwischen Beziehungsbefriedigung und körperlichem Eigenschaftsselbst verschwindet (Tab. 2). Dieser Interaktionseffekt bedeutet möglicherweise, dass Lehrkräfte mit einer niedrigen Befriedigung des Bedürfnisses nach Beziehung im Beruf bei einem hohen körperlichen Selbstbild seltener Burnout entwickeln als Lehrkräfte mit einem niedrigen körperlichen Selbstbild. Berufliche Autonomiebefriedigung Dem Burnout davonlaufen? 115 ist bei Betrachtung dieses Zusammenhangs für die Ausprägung von Burnout nicht mehr bedeutsam. Wie das komplexe Zusammenspiel zwischen beruflicher Bedürfnisbefriedigung und Sportaktivität in Hinsicht auf Burnout beziehungsweise auf die einzelnen Burnout-Dimensionen genau beschaffen ist, kann aufgrund des querschnittlichen Designs der vorliegenden Untersuchung nicht festgestellt werden. Limitationen Die vorliegende Untersuchung weist einige Limitationen auf. So handelt es sich um eine explorative Studie, deren Ergebnisse sich aufgrund der eher geringen Stichprobengröße nicht generalisieren lassen. Außerdem stammen die befragten Lehrer aus drei geografisch nah verorteten Schulen. Daher sollten die gefundenen Zusammenhänge in Folgestudien mit größerem Stichprobenumfang mehrebenenanalytisch auf Schulsowie Klassenebene ausgewertet werden. Eine weitere Limitation liegt in der relativ geringen Rücklaufquote von 43 %, die möglicherweise mit beruflichen Belastungen begründet werden kann. Es ist daher nicht auszuschließen, dass hoch belastete Lehrkräfte eher nicht an der Befragung teilnahmen und daher Selektionseffekte vorliegen. Eine weitere Limitation liegt im Querschnittdesign der Studie. Die gefundenen Interaktionseffekte zwischen Bedürfnisbefriedigung, körperlicher Aktivität und Burnout sind auf Basis der vorliegenden Daten aufgrund des querschnittlichen Designs letztendlich nur schwer und keinesfalls kausal zu interpretieren. So bleibt mit den vorliegenden Analysen zunächst unklar, in welcher Weise die einzelnen Faktoren zusammenwirken, einander bedingen und miteinander interagieren. Künftige Längsschnittstudien müssten die diskutierten Wirkmechanismen daher näher untersuchen. Näher hinterfragt werden sollten zukünftig auch berufliche Bedingungen, die mit Burnout von Lehrkräften in Verbindung stehen, wie die Kombinationen der unterrichteten Schulfächer oder Arbeitsstunden pro Woche. Auch wurde in der vorliegenden Untersuchung nicht zwischen den Schulformen Primar- und Gesamtschule unterschieden, was zukünftig von Interesse wäre, obwohl Burnout ein alle Schulformen betreffendes Phänomen ist (vbw - Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e.V., 2014). Eine weitere Limitation ergibt sich daraus, dass die freizeitliche Sport- und Bewegungsaktivität als Maß der subjektiven Wahrnehmung erfasst wurde; die Berücksichtigung objektiver Maße zur Erhebung der körperlichen Aktivität (z. B. Akzelerometer) könnte zu anderen Ergebnissen führen. Künftige Untersuchungen sollten daher neben den subjektiven Maßen auch objektive Maße der körperlichen Aktivität mit einbeziehen, um die gefundenen Effekte weiter zu differenzieren. Implikationen für die schulische Praxis Aus den Ergebnissen der vorliegenden Untersuchungen lassen sich Implikationen für die schulische Praxis ableiten, die jedoch aufgrund des Pilotcharakters der Studie als erste, empirisch noch weiter abzusichernde Überlegungen behandelt werden sollten. Künftig sollten gesundheitssportlich orientierte Programme für Lehrkräfte zur Burnout-Prävention in Erwägung gezogen werden. Hierfür bietet sich an, vorhandene räumliche Strukturen wie Sporthallen und -plätze sowie Kompetenzen der Sportlehrkräfte gezielt zu nutzen. Zur Prävention von Burnout bei Lehrkräften und zur Steigerung der berufsbezogenen Bedürfnisbefriedigung könnte die Theorie der psychologischen Grundbedürfnisse (und ihre praktischen Konsequenzen) künftig auch im Rahmen von Schulleitungs-Fortbildungen behandelt werden. Als Schlüsselpersonen für Strukturen und Rahmenbedingungen in der Institution Schule stellt die Schulleitung hier mit Sicherheit eine zentrale Schnittstelle dar. Beispielsweise könnte Autonomieförderung in der Curriculums-Arbeit der Fachschaften oder in Lehrerkonferenzen thematisiert werden. Schulleitungen könnten in ihrer Verantwortlichkeit geeignete Möglichkeiten und Rahmenbedingungen schaffen, die Kompetenz- und Autonomiebefriedigung ihrer Lehrkräfte 116 Hanna Raven, Jens Kleinert zu fördern und damit in Sinne des Job-Demands-Ressources-Modells (Bakker, 2007) zu einer höheren Motivation ihres Kollegiums beizutragen. Des Weiteren ist naheliegend, die Theorie der psychologischen Grundbedürfnisse (Deci & Ryan, 2000) bereits in der Lehramtsausbildung zu thematisieren. Angehende Lehrkräfte könnten dafür sensibilisiert werden, achtsam mit ihren Bedürfnissen umzugehen, diese in unterschiedlichen Lebensbereichen aktiv zu stärken und sie als Ressource gegen berufliche Belastungen einzusetzen. Literatur Abele, A. & Candova, A. (2007). Prädiktoren des Belastungserlebens im Lehrerberuf: Befunde einer 4-jährigen Längsschnittstudie. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 21, 107 - 118. https: / / dx.doi.org/ 10.1024/ 1010-0652.21.2.107 American Psychiatric Association. (2015). Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen: DSM-5. Göttingen: Hogrefe. Bakker, A. B. & Demerouti, E. (2007). The job demandsresources model: State of the art. Journal of Managerial Psychology, 22, 309 - 328. https: / / dx.doi.org/ 10.1108/ 02683940710733115 Bartholomew, K. 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