Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2019
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Empirische Arbeit: Schule unterm Regenbogen?
41
2019
Ulrich Klocke
Sabina Latz
Julian Scharmacher
Homophobie und Transphobie sind an Schulen weit verbreitet. Doch was bewegt Lehrkräfte dazu, bei Diskriminierung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans*1 oder intergeschlechtlichen2 Personen (LSBTI) einzugreifen sowie sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Schule zu thematisieren? Antworten gibt eine Onlinebefragung von 1162 Lehrkräften in Deutschland, die an die Theorie geplanten Verhaltens angelehnt war. Sowohl die Thematisierung von Vielfalt als auch die Intervention gegen Diskriminierung wurden vor allem von spezifischen Kontrollüberzeugungen, insbesondere konkretem Interventionswissen vorhergesagt. Ebenfalls verhaltenswirksam waren Richtlinien, passende Lehrmaterialien, persönlicher Kontakt zu LSBTI, das Wissen um LSBTI unter den eigenen Schüler*innen und die Überzeugung, dass sich durch das eigene Verhalten die Akzeptanz für Vielfalt steigern lässt.
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n Empirische Arbeit Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2019, 66, 131 -156 DOI 10.2378/ peu2019.art12d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Schule unterm Regenbogen? Einflüsse auf die Berücksichtigung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt durch Lehrkräfte Ulrich Klocke 1 , Sabrina Latz 2 , Julian Scharmacher 3 1 Humboldt-Universität zu Berlin 2 Rosalinde Leipzig e.V. 3 Psychologische Hochschule Berlin Zusammenfassung: Homophobie und Transphobie sind an Schulen weit verbreitet. Doch was bewegt Lehrkräfte dazu, bei Diskriminierung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, trans* 1 oder intergeschlechtlichen 2 Personen (LSBTI) einzugreifen sowie sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Schule zu thematisieren? Antworten gibt eine Onlinebefragung von 1162 Lehrkräften in Deutschland, die an die Theorie geplanten Verhaltens angelehnt war. Sowohl die Thematisierung von Vielfalt als auch die Intervention gegen Diskriminierung wurden vor allem von spezifischen Kontrollüberzeugungen, insbesondere konkretem Interventionswissen vorhergesagt. Ebenfalls verhaltenswirksam waren Richtlinien, passende Lehrmaterialien, persönlicher Kontakt zu LSBTI, das Wissen um LSBTI unter den eigenen Schüler*innen und die Überzeugung, dass sich durch das eigene Verhalten die Akzeptanz für Vielfalt steigern lässt. Schlüsselbegriffe: Lehrer-Schüler-Interaktion, soziale Diskriminierung, Homosexualität (Einstellungen zu), Mobbing, schulische Intervention, geplantes Verhalten School Under the Rainbow? Predictors of Teachers’ Consideration of Sexual and Gender Diversity Summary: Homophobia and transphobia at schools are still at a high level. However, what prompts teachers to intervene against discrimination of lesbian, gay, bisexual, transgender or intersexual people (LGBTI) and to make sexual and gender diversity an issue at school? An online survey of 1162 teachers in Germany based on the theory of planned behavior responds to this question. Both behavioral variables were predominantly predicted by specific control beliefs, particularly teachers’ belief that they know how to intervene against discrimination. Additional predictors of behavior were guidelines (e. g. their curriculum), appropriate educational material, personal contact to LGBTI, assuming that some of their own students are LGBTI, and the belief that their behavior is able to enhance their student’s acceptance of diversity. Keywords: Teacher student interaction, social discrimination, homosexuality (attitudes toward), bullying, school based interventions, reasoned action Homo- und Transphobie sind an Schulen weit verbreitet. Das zeigt unter anderem eine Befragung von über 700 Schüler*innen aus 20 Berliner Schulen, die repräsentativ nach Schulart ausgewählt wurden (Klocke, 2012). Demnach wurde „Lesbe“ in den vergangenen 12 Monaten von zwei von fünf Sechstklässler*innen als Schimpfwort verwendet, „Schwuchtel“ sogar von drei von fünf. Etwa die Hälfte machte sich über Mitschüler*innen lustig, wenn diese sich nicht geschlechtskonform verhielten, und lästerte über Personen, weil diese für lesbisch oder 1 Trans* Personen sind Personen, die sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde, also transsexuelle, transidente und transgender Personen. 2 Intergeschlechtliche Personen sind Personen, die aufgrund ihrer körperlichen (d. h. anatomischen, chromosomalen oder hormonellen) Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig dem weiblichen oder männlichen Geschlecht zugeordnet werden können. 132 Ulrich Klocke, Sabrina Latz, Julian Scharmacher schwul gehalten wurden. Egal wie diese Verhaltensweisen gemeint sind, allein die Wahrnehmung von schwul oder lesbisch als Schimpfwort führt zu homophoberen Einstellungen (Nicolas & Skinner, 2012) und kann dadurch die Akzeptanz für Vielfalt und Anderssein beeinträchtigen. Nicht-heterosexuelle Schüler*innen trauen sich daher meist nicht, zu ihrer sexuellen Orientierung zu stehen (FRA - Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, 2014; Krell & Oldemeier, 2017). Sie werden häufiger Opfer von Mobbing (Berlan, Corliss, Field, Goodman & Austin, 2010), was sowohl das psychische als auch das physische Wohlbefinden beeinträchtigt (Hartwig, Schwabe, Gebauer & McElvany, 2017). Ihre Suizidalität liegt zwei bis vier Mal über der ihrer heterosexuellen Mitschüler*innen (Marshal et al., 2011). Trans* Jugendliche versuchen sogar etwa fünf Mal häufiger, ihrem Leben ein Ende zu setzen als nicht-trans* Jugendliche (Clark et al., 2014). Noch stärker als nicht-heterosexuelle Jugendliche sind sie Diskriminierung ausgesetzt und verheimlichen ihre Identität in der Schule (FRA - European Union Agency for Fundamental Rights, 2014). An intergeschlechtlichen Personen werden irreversible genitale Operationen mit erheblichen Risiken vorgenommen (z. B. Entfernung der Hoden, Klitoris-Reduktionen), und das meist im Säuglings- oder Kindesalter, sodass noch keine Einwilligungsfähigkeit vorliegt (Woweries, 2014). Diese Operationen sind überwiegend medizinisch nicht indiziert, sondern werden mit der Angst vor Stigmatisierung z. B. in Kindergarten und Schule, begründet. Lesbische, schwule, bisexuelle, trans* und intergeschlechtliche (LSBTI) Kinder und Jugendliche sind also eine vulnerable Gruppe, für die gerade Schulen mehr Verantwortung übernehmen sollten. Der Europarat (eine Organisation aus 47 europäischen Staaten incl. Russland und der Türkei) hat daher alle Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, eine unterstützende und diskriminierungsfreie Schulatmosphäre für LSBTI-Jugendliche zu schaffen sowie objektive Informationen über sexuelle Orientierung 3 und Geschlechtsidentität 4 in Lehrpläne und Unterrichtsmaterialien einzuschließen (Ministerkomitee des Europarates, 2010). Um diese Ziele zu erreichen, wurden die Richtlinien in vielen Bundesländern in den vergangenen Jahren überarbeitet. Die Überarbeitung wurde durch den Widerstand „besorgter Eltern“ und christlich-fundamentalistischer Gruppen begleitet (Kramer, 2015), die eine „Ideologie des Regenbogens“ befürchten (Stängle, 2013). Doch wie berücksichtigen die Schulen, insbesondere die Lehrkräfte, derzeit sexuelle und geschlechtliche Vielfalt, also die Vielfalt sexueller Orientierungen und Geschlechtsidentitäten? Thematisieren sie diese Vielfalt in ihrem Unterricht? Intervenieren sie bei Diskriminierung von LSBTI- Jugendlichen? Wenn Lehrkräfte sexuelle Vielfalt thematisieren, dann vor allem in ihrer Negation als „nichts Schlimmes“ (Klocke, 2012). Nur selten wird sie ausführlicher oder aber als etwas Selbstverständliches thematisiert, z. B. mithilfe von Unterrichtsmaterialien, in denen auch Lesben und Schwule vorkommen (Küpper, Klocke & Hoffmann, 2017). Zudem intervenieren nur wenige Lehrkräfte konsequent bei Diskriminierung von Lesben, Schwulen oder sich nicht geschlechtskonform verhaltenden Schüler*innen. Dabei hängt die Akzeptanz sexueller und geschlechtlicher Vielfalt bei den Schüler*innen auch vom Verhalten ihrer Lehrkräfte ab (Klocke, 2012). Je häufiger diese sexuelle Vielfalt thematisieren, desto positiver sind ihre 3 Unsere sexuelle Orientierung wird bestimmt durch das Geschlecht oder die Geschlechter, von denen wir uns sexuell angezogen fühlen, z. B. heterosexuell (zum anderen Geschlecht), bisexuell (zu Männern und Frauen) und homosexuell bzw. lesbisch oder schwul (zum gleichen Geschlecht). Umfassendere Definitionen berücksichtigen neben der Anziehung auch das Verhalten, die Identität und die physiologisch messbare Erregung. Welche sexuellen Praktiken wir präferieren, gehört nicht zu unserer sexuellen Orientierung. 4 Unsere Geschlechtsidentität wird bestimmt durch das Geschlecht, dem wir uns zugehörig fühlen, z. B. cisgeschlechtlich (übereinstimmend mit dem körperlichen bzw. bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht) und trans* (nicht übereinstimmend mit dem körperlichen bzw. bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht). Schule unterm Regenbogen? 133 Schüler*innen zu LSBT 5 eingestellt und desto mehr Wissen haben sie über diese Gruppen. Auch eine konsequente Intervention gegen Diskriminierung geht mit positiveren Einstellungen einher, wohingegen diskriminierendes Verhalten durch die Lehrkräfte auch die Diskriminierung durch die Schüler*innen verstärkt. Was aber bewegt Lehrkräfte dazu, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Schule zu thematisieren und bei Diskriminierung von LSBTI einzuschreiten? Um diese Frage zu beantworten, haben wir Lehrkräfte sowohl zu möglichen Einflussvariablen als auch zu ihren Absichten und ihrem Verhalten befragt. Als Rahmenmodell möglicher Einflussvariablen haben wir die Theorie geplanten Verhaltens (Ajzen, 1991; Fishbein & Ajzen, 2010) zugrunde gelegt. Angereichert wurde diese durch zusätzliche Überzeugungen sowie situative Variablen, bei denen ein Einfluss auf Absicht und Verhalten erwartet werden konnte. Die Theorie des geplanten Verhaltens Nach der Theorie geplanten Verhaltens (Ajzen, 1991; Fishbein & Ajzen, 2010) kann individuelles Verhalten vor allem aus vier Hauptkonzepten vorhergesagt werden: der Einstellung zum Verhalten, der subjektiven Norm und der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle als Prädiktorvariablen und der Intention als Mediatorvariable (siehe Abb. 1). Der erste über die Intention vermittelte Prädiktor von Verhalten ist die Einstellung zum Verhalten, also die Bewertung des Verhaltens als positiv oder negativ. Die Theorie postuliert, dass diese Einstellung durch die erwarteten Konsequenzen bzw. Ergebnisse des Verhaltens vorhergesagt wird, die sogenannten Verhaltensüberzeugungen. Die Stärke der Erwartung jedes mög- Intention Verhalten Personenvariablen: Geschlecht, Alter, sexuelle Orientierung, Religiosität, Religion, politische Orientierung Situative Variablen: Weiterbildung, Anti- Mobbing-Schulleitbild, unterrichtete Fächer, unterrichtete Jahrgänge, Kontakt zu LSBTI Weitere Überzeugungen und Wissen Verhaltensüberzeugungen × Ergebnisbewertungen Normative Überzeugungen × Übereinstimmungsmotivationen a Kontrollüberzeugungen × wahrgen. Verhaltenserleichterungen a Einstellung zum Verhalten Subjektive Norm Wahrgenommene Verhaltenskontrolle Abb. 1: Die Theorie geplanten Verhaltens (Ajzen, 1991; Fishbein & Ajzen, 2010) und ihre Ergänzungen für diese Untersuchung. Anmerkungen: a Die Übereinstimmungsmotivationen und wahrgenommenen Verhaltenserleichterungen wurden in dieser Untersuchung nicht mit erfasst. 5 Wenn nicht die komplette Abkürzung LSBTI, sondern nur ein Teil daraus, z. B. LSBT verwendet wird, sind auch nur die entsprechenden Gruppen gemeint, beispielsweise weil in der Studie Einstellungen und Wissen zu intergeschlechtlichen Personen nicht erfasst wurden. 134 Ulrich Klocke, Sabrina Latz, Julian Scharmacher lichen Ergebnisses wird dabei gewichtet durch die Ergebnisbewertung, entscheidend ist also die Interaktion beider Variablen. Beispielsweise könnte eine Lehrkraft der Überzeugung sein, dass ihre Schüler*innen LSBTI weniger schikanieren oder ausgrenzen, wenn sie dagegen interveniert. Wenn die Lehrkraft die Verringerung dieses Mobbingverhaltens gleichzeitig als wünschenswert bewertet, sollte sie nach der Theorie geplanten Verhaltens eine positivere Einstellung zur Intervention gegen Diskriminierung entwickeln. Einige Lehrkräfte halten Interventionen jedoch für unnötig (d. h. entwickeln keine positive Einstellung), da sie keine Gefahr für die Akzeptanz von LSBTI sehen, solange sich das Mobbing auf verbales Verhalten beschränkt (Preston, 2016). Nach der Theorie führt eine positive Einstellung, vermittelt über eine bewusste Absicht (Intention), zu mehr tatsächlichem Verhalten. Dementsprechend zeigte die Berliner Schulbefragung einen positiven Zusammenhang zwischen der Einstellung der Lehrkräfte zu einer Thematisierung sexueller Vielfalt und der durch die Schüler*innen berichteten Thematisierung (Klocke, 2012). Der zweite Prädiktor ist die subjektive Norm, also der Einfluss wichtiger Bezugspersonen oder -gruppen. Auch die subjektive Norm wird nach der Theorie durch Überzeugungen vorhergesagt, die durch Bewertungen gewichtet werden. In diesem Fall sind es normative Überzeugungen, die sich auf jeweils eine relevante Bezugsperson oder -gruppe beziehen, und die Motivation, mit dieser Person oder Gruppe übereinzustimmen. Beispielsweise sind viele Lehrkräfte der Überzeugung, dass die Eltern ihrer Schüler*innen es ablehnen, wenn sie sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Unterricht berücksichtigen (DePalma & Atkinson, 2010). Wiederum vermittelt über eine Reduzierung ihrer Absicht, sollte eine negative subjektive Norm dazu führen, dass Lehrkräfte die Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt gegenüber ihren Schüler*innen vermeiden. Und in der Tat begründeten Lehrkräfte ihre Zurückhaltung in Interviews mit der Ablehnung dieses Themas durch Eltern oder die Schulleitung (Dessel, 2010). Der dritte Prädiktor, der nach der Theorie geplanten Verhaltens sowohl direkt als auch vermittelt über die Intention auf das Verhalten wirkt, ist die wahrgenommene Verhaltenskontrolle, also die Wahrnehmung, wie sehr man in der Lage ist bzw. die Kontrolle darüber hat, das Verhalten auszuführen. Lehrkräfte, die ihre Kompetenz, gegen Mobbing zu intervenieren, als hoch wahrnehmen, intervenieren auch tatsächlich häufiger (Duong & Bradshaw, 2013). In einer Untersuchung zur Intervention gegen Diskriminierung von LSBT, die ebenfalls die Theorie geplanten Verhaltens zugrunde legte, war die wahrgenommene Verhaltenskontrolle sogar der einzige Einflussfaktor auf das Verhalten (McCabe, Rubinson, Dragowski & Elizalde-Utnick, 2013). Wie die beiden anderen Variablen ergibt sich auch die wahrgenommene Verhaltenskontrolle aus Überzeugungen, in dem Fall Kontrollüberzeugungen, gewichtet mit Bewertungen, in diesem Fall wahrgenommenen Verhaltenserleichterungen. Passend zur Theorie thematisierten Lehrkräfte der Berliner Schulbefragung, die der Überzeugung waren, sich mit sexueller Vielfalt auszukennen, diese eher gegenüber ihren Schüler*innen als Lehrkräfte, die an ihrem Wissen zweifelten (Klocke, 2012). Es gibt also Studien, die vorhersagen, wann Lehrkräfte gegen Mobbing intervenieren (Duong & Bradshaw, 2013) und Studien, die vorhersagen, wann sie spezifisch gegen Diskriminierung von LSBT intervenieren (McCabe et al., 2013). Bisher hat jedoch keine uns bekannte Studie auch die spezifischen Überzeugungen analysiert, die der Einstellung, Norm und Verhaltenskontrolle zugrunde liegen. Interventionen zur Verhaltensänderung beeinflussen allerdings nicht direkt die drei Hauptkonzepte, sondern zunächst die Überzeugungen und Bewertungen, die dann wiederum vermittelt über die Hauptkonzepte das Verhalten beeinflussen. Angewandte Forschung sollte vor allem diese distalen Verhaltensprädiktoren untersuchen und dadurch Hinweise generieren, wie Aufklärungsmaßnahmen und strukturelle Änderungen gestaltet sein sollten. In unserer Untersuchung Schule unterm Regenbogen? 135 haben wir daher die Überzeugungen und Bewertungen einzeln erfasst und ihre Wichtigkeit für die Erklärung von Intention und Verhalten analysiert. Zudem haben wir nicht nur den Umgang mit Diskriminierung als abhängige Variable betrachtet, sondern auch die (anlasslose) Thematisierung von sexueller und geschlechtlicher Vielfalt durch die Lehrkräfte, beispielsweise indem in Unterrichtsbeispielen neben heterosexuellen Personen auch LSBTI-Personen erwähnt werden. Weitere Einflüsse auf das Verhalten der Lehrkräfte Neben den Einflüssen der Theorie geplanten Verhaltens kann es weitere Variablen geben, die entweder vermittelt über die Theorievariablen oder zusätzlich das Verhalten beeinflussen. In dieser Studie haben wir uns auf Überzeugungen und Wissen der Lehrkräfte sowie situative Variablen konzentriert. Diese sind leichter beeinflussbar und daher praxisrelevanter als Persönlichkeitsvariablen oder Wertorientierungen. Überzeugungen und Wissen Ob Lehrkräfte auf Mobbing reagieren, hängt im Wesentlichen davon ab, ob sie dieses als ein Problem wahrnehmen (Duong & Bradshaw, 2013). Dieses Problembewusstsein gegenüber Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. So wissen viele Lehrkräfte nicht, dass LSBTI ein deutlich erhöhtes Suizidrisiko haben (Klocke, 2012). Einige Lehrkräfte glauben, dass sie sich ihre sexuelle Orientierung bzw. Geschlechtsidentität selbst ausgesucht haben (Mostert, Gordon & Kriegler, 2015) und ihre Diskriminierung durch ihr nonkonformes oder zu wenig selbstbewusstes Auftreten provozieren (Anagnostopoulos, Buchanan, Pereira & Lichty, 2009; Formby, 2013; Preston, 2016). Viele wissen nicht, dass es sehr wahrscheinlich auch unter ihren Schüler*innen LSBTI gibt (Formby, 2013). Situative Variablen Die gerade genannten Überzeugungen, aber auch die Kompetenz zu handeln, können in spezifischen Fortbildungsmaßnahmen vermittelt werden, sodass eine Teilnahme daran die Wahrscheinlichkeit erhöhen sollte, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt im Unterricht zu berücksichtigen und bei Diskriminierung zu intervenieren (Sairanen & Pfeffer, 2011). Eine Intervention gegen Diskriminierung könnte zudem dadurch gefördert werden, dass Mobbing im Leitbild oder der Ordnung der Schule geächtet wird (Bauman, Rigby & Hoppa, 2008). Die Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt hängt vermutlich von den Fächern und Jahrgängen ab, die die Lehrkräfte unterrichten. In vielen Bundesländern soll sexuelle Orientierung im Biologieunterricht thematisiert werden. Darüber hinaus bieten sich Fächer an, in denen Menschen und ihr Zusammenleben thematisiert und präsentiert werden, also Deutsch und Fremdsprachen, aber auch Ethik oder Sozialkunde. Zudem ist denkbar, dass die Lehrkräfte sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität mit Sexualität im engeren Sinne assoziieren und daher eher in den höheren Jahrgängen berücksichtigen. Umfangreiche Forschung zu den positiven Effekten von Kontakt mit Mitgliedern einer Fremdgruppe auf die Einstellungen zur gesamten Fremdgruppe (Lemmer & Wagner, 2015; Pettigrew & Tropp, 2006; Smith, Axelton & Saucier, 2009) legt zudem nahe, dass sich Lehrkräfte umso mehr engagieren, je mehr Personen sie in ihrem Bekanntenkreis haben, von denen sie wissen, dass diese LSBTI sind. Personenvariablen Im Einklang mit bisheriger Forschung zu den Einflüssen auf Einstellungen (und Verhalten) gegenüber sexuellen Minderheiten erwarten wir, dass Lehrerinnen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt häufiger thematisieren und konsequenter bei Diskriminierung von LSBTI einschreiten als Lehrer (Fingerhut, 2011; Kite & Whitley, 1996). Für nicht-heterosexuelle Lehrkräfte könnte vermutet werden, dass diese se- 136 Ulrich Klocke, Sabrina Latz, Julian Scharmacher xuelle und geschlechtliche Vielfalt häufiger thematisieren und konsequenter gegen Diskriminierung intervenieren, da sie sich der Vulnerabilität von LSBTI-Schüler*innen bewusster sein sollten. Andererseits wäre auch denkbar, dass sie sich mehr zurückhalten, damit ihre eigene sexuelle Orientierung nicht zum Thema wird. Existierende Forschung legt zudem nahe, dass Religiosität (Whitley, 2009) und eine konservativere bzw. rechtere politische Orientierung (Pearte, Renk & Negy, 2013) zu weniger Engagement für LSBTI führen könnte. Zusammenfassung der Hypothesen Wir erwarten, dass Lehrkräfte sexuelle und geschlechtliche Vielfalt eher thematisieren und gegen Diskriminierung von LSBTI eher intervenieren, wenn sie davon überzeugt sind, dass dieses Verhalten Konsequenzen hat, die sie positiv bewerten (z. B. die Akzeptanz von LSBTI fördert), wichtige Bezugspersonen (z. B. die Schulleitung) von ihnen erwarten, dass sie dieses Verhalten zeigen, und die Voraussetzungen (z. B. ihr Wissen) es ihnen erlauben, sich entsprechend zu verhalten. Darüber hinaus sollten sie Vielfalt eher thematisieren und gegen Diskriminierung eher intervenieren, wenn sie wissen, dass LSBTI-Jugendliche ein erhöhtes Suizidrisiko aufweisen und sich ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität nicht ausgesucht haben sowie wenn sie davon überzeugt sind, dass sich auch unter ihren Schüler*innen LSBTI befinden und diese die Diskriminierung nicht selbst provoziert haben. Hinsichtlich situativer Variablen sollte der Besuch einer Fortbildung zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt, die Ächtung von Mobbing im Schulleitbild, das Unterrichten von höheren Jahrgängen sowie der Fächer Biologie, Sprachen oder gesellschaftswissenschaftlichen Fächern und der persönliche Kontakt zu LSBTI einen positiven Einfluss auf das Verhalten haben. Bei den Personenvariablen erwarten wir, dass weibliches Geschlecht, geringere Religiosität und eine linke politische Orientierung zu mehr Thematisierung und Intervention führen. Methode Pilotstudien Zur Entwicklung der Messinstrumente führten wir, wie von Ajzen (2002) vorgeschlagen, zwei Pilotstudien durch. In der ersten wurden durch offene Fragen die Verhaltensüberzeugungen, normativen Überzeugungen und Kontrollüberzeugungen ermittelt. Dazu wurden in einer Onlinebefragung 36 Personen mit Lehrerfahrung befragt (Lehrkräfte und Lehramtsstudierende, 22 weiblich, 10 männlich, 4 ohne Geschlechtsangabe; Alter: M = 32.9 Jahre, SD = 12.5), 19 zur Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt und 17 zur Intervention gegen Diskriminierung. Zu Überzeugungen, die von mindestens drei Befragten genannt wurden, entwickelten wir Items für den späteren Fragebogen. Ergänzt wurden Items auf der Basis einer Befragung von 27 Lehrkräften (Klocke, 2012), der Petition gegen den Bildungsplan 2015 der grün-roten Landesregierung in Baden- Württemberg (Stängle, 2013) unter Einbezug der Kommentare der Unterzeichnenden sowie existierender Forschung zu Bezugsgruppen, die Einfluss auf Lehrkräfte ausüben (Dessel, 2010; McCabe & Rubinson, 2008). In der zweiten Pilotstudie wurden die Skalen zur Erfassung der Verhaltensintentionen vorgetestet, indem 48 Personen mit Lehrerfahrung (30 weiblich, 9 männlich, 1 trans*, 1 „Questioning“ [wörtliche Angabe der befragten Person], 7 ohne Geschlechtsangabe; Alter: M = 39.4 Jahre, SD = 13.7) gebeten wurden, sie online auszufüllen. Die Eindimensionalität und die Eignung der Items wurde in Hauptkomponentenanalysen geprüft. Nach Ausschluss von zwei Items mit Faktorladungen unter .26, zeigte der Screeplot sowohl für die Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (sechs Items) als auch für die Intervention gegen Diskriminierung (vier Items) eindeutig die Einfaktorenstruktur. Alle Faktorladungen betrugen mindestens .72. Stichprobenakquise Die Erhebung wurde per Onlinefragebogen vom 1. September bis 9. Dezember 2014 durchgeführt. Im Anschreiben an die Lehrkräfte stellten wir die Frage, ob „sexuelle und geschlechtliche Vielfalt Themen für die Schule“ sind, verwiesen darauf, dass „diese Frage polarisiert“ und wir an den Einstellungen und Erfahrungen der Lehrkräfte interessiert sind. Schule unterm Regenbogen? 137 Um deutschlandweit eine möglichst heterogene Stichprobe von Lehrkräften zu akquirieren, verbreiteten wir den Fragebogen zum einen über folgende Lehrerverbände: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Bayrischer Lehrer- und Lehrerinnenverband, Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an beruflichen Schulen, Bundesverband der Lehrerinnen und Lehrer an Wirtschaftsschulen und Verband deutscher Realschullehrer. Zum anderen baten wir Schulleitungen um Weiterverbreitung unter ihren Lehrkräften. Für diese Art der Verbreitung sind in jedem Bundesland unterschiedliche, teilweise aufwendige Genehmigungsprozeduren erforderlich. Wir beschränkten uns daher auf Anträge bei den bevölkerungsreichen Bundesländern Baden-Württemberg, Niedersachsen und Sachsen (jeweils genehmigt) sowie Bayern (vorliegende Form nicht genehmigt) und Hessen (keine Antwort). Versuchsablauf Jede Lehrkraft erhielt zufällig eine von zwei Fragebogenversionen, in der entweder die Fragen zur Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt oder die Fragen zur Intervention bei Diskriminierung zuerst präsentiert wurden. Nachdem die Lehrkraft die Fragen zu einem der beiden Verhaltensbereiche ausgefüllt hatte, wurde sie gefragt, ob sie auch zur Beantwortung des zweiten Fragebogenteils bereit war. Zu Beginn wurde auf die Freiwilligkeit, Abbruchmöglichkeit, Anonymität und Dauer („ca. 20 Minuten“) der Befragung hingewiesen. Anschließend wurde das jeweils im Zentrum stehende Verhalten beschrieben. Im Fragebogenteil zur Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt wurde erläutert, dass es „um wertneutrale oder wertschätzende Thematisierung“ geht, und wurden fünf Beispiele präsentiert. In jedem Fragebogenteil bezogen sich die ersten Fragen auf die Verhaltensüberzeugungen, gefolgt von den normativen Überzeugungen und den Kontrollüberzeugungen. Daraufhin folgten Items zur subjektiven Norm, wahrgenommenen Verhaltenskontrolle, Intention sowie zu weiteren Überzeugungen. Anschließend bewerteten die Lehrkräfte die möglichen Konsequenzen des Verhaltens (Ergebnisbewertungen). Danach wurde die Einstellung zum Verhalten und schließlich das Verhalten selbst erfasst. Abschließend folgten Fragen zu situativen Variablen, Personenvariablen, der Bereitschaft einer Nachbefragung und ein Feld für offene Anmerkungen. Stichprobenbeschreibung Es füllten 1162 Lehrkräfte mindestens einen der beiden Fragebogenteile aus, davon 775 den zur Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt und 818 den zur Intervention gegen Diskriminierung. Nach Ausschluss von Lehrkräften mit mehr als 10 % fehlenden Werten blieben 1102 Lehrkräfte zur Analyse übrig, für den Thematisierungsteil (im Folgenden mit T abgekürzt) 707 Lehrkräfte und für den Interventionsteil (im Folgenden mit I abgekürzt) 776 Lehrkräfte. Auf eine offene Frage nach ihrem Geschlecht bezeichneten sich 67,2 % von diesen als weiblich (T: 66,8 %, I: 67,4 %), 32,2 % als männlich (T: 32,8 %, I: 32,0 %) und 0,5 % gaben ein anderes Geschlecht an (T: 0,6 %, I: 0,5 %). Das entspricht etwa der Verteilung in Deutschland im Schuljahr 2015/ 2016 mit 68,8 % weiblichen und 31,2 % männlichen Lehrkräften (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2017 a, 2017 b). Ihr Alter reichte von 24 bis 68 Jahren, M = 43.4 (T: 43.4, I: 44.0), SD = 10.8 (T: 10.8, I: 10.6) und war damit geringfügig unter dem Durchschnittsalter von Lehrkräften in Deutschland, das 2016/ 2017 bei 46.5 Jahren lag (Statistisches Bundesamt, 2018 a). Ihre sexuelle Orientierung bezeichneten 84,2 % der analysierten Lehrkräfte als heterosexuell oder „normal“ (T: 83,2 %, I: 82,1 %) 6 , 11,1 % als lesbisch, schwul oder homosexuell (T: 11,8 %, I: 12,2 %), 3,8 % als bisexuell (T: 4,0 %, I: 4,6 %) und 0,9 % machten andere Angaben (T: 1,1 %, I: 1,0 %). Ihre Religiosität betrug auf einem Schieberegler von gar nicht religiös (kodiert mit 0) bis sehr religiös (kodiert mit 100) im Durchschnitt 34.8 (T: 34.3, I: 35.0; SD = 34.0, T: 34.1, I: 33.9). Keiner Religion gehörten 40,9 % an (T: 41,8 %, I: 40,1 %), 33,0 % der evangelischen (T: 33,7 %, I: 33,1 %), 20,6 % der katholischen (T: 19,5 %, I: 21,4 %) und 3,1 % einer freien christlichen Kirche (T: 3,5 %, I: 2,5 %). In ihrer politischen Einstellung bezeichneten sich die Befragten auf einem Schieberegler von extrem links (kodiert mit 0) bis extrem rechts (kodiert mit 100) im Durchschnitt als gemäßigt links (M = 34.7, T: 35.0, I: 34.2; 6 Die Werte für die Gesamtstichprobe liegen nicht immer zwischen den Werten der beiden Teilstichproben, weil Personen, die beide Fragebogenteile ausgefüllt haben, nur einmal in den Gesamtwert eingehen, aber zweimal in die Teilstichproben und dadurch den Gesamtwert weniger beeinflussen als den Wert der beiden Teilstichproben. Beispielsweise füllten lesbische und schwule Lehrkräfte häufiger beide Fragebogenteile aus als heterosexuelle Lehrkräfte, sodass ihr Anteil in den beiden Teilstichproben über denen in der Gesamtstichprobe liegt. 138 Ulrich Klocke, Sabrina Latz, Julian Scharmacher SD = 15.3, T: 15.4, I: 15.4). Für die Regressionsanalysen wurde die Variable daher umgepolt in „politische Linksorientierung“. In den letzten 12 Monaten unterrichteten 36,8 % der Lehrkräfte in Baden-Württemberg (T: 39,1 %, I: 34,3 %; bundesweit: 14,3 %, Statistisches Bundesamt, 2018 a), 24,4 % in Niedersachsen (T: 24,9 %, I: 25,8 %; bundesweit: 10,0 %), 22,5 % in Sachsen (T: 21,2 %, I: 22,9 %; bundesweit: 4,4 %), 11,2 % in Berlin (T: 10,9 %, I: 11,7 %; bundesweit: 4,4 %) und 3,9 % in Hessen (T: 3,0 %, I: 4,0 %; bundesweit: 7,6 %). An einem Gymnasium unterrichteten 39,0 % (T: 39,7 %, I: 37,8 %; bundesweit: 22,0 %, Statistisches Bundesamt, 2018 b), 25,3 % in einer Haupt- oder Realschule oder einer Kombination daraus (T: 25,2 %, I: 24,6 %; bundesweit: 16,4 %), 15,7 % in einer Berufsschule (T: 15,2 %, I: 16,9 %; bundesweit: 16,9 %), 11,5 % in einer Schule mit sonderpädagogischem Schwerpunkt (T: 12,6 %, I: 11,7 %; bundesweit: 8,2 %), 11,3 % in einer Grundschule (T: 10,9 %, I: 11,9 %; bundesweit: 24,6 %) und 9,1 % in einer Gesamtschule (T: 9,3 %, I: 10,1 %; bundesweit: 9,3 %; Mehrfachnennungen möglich). Lehrkräfte weiterführender Schulen waren damit gegenüber Lehrkräften von Grundschulen in der Stichprobe überrepräsentiert. Die häufigsten unterrichteten Fächer waren Deutsch (40,6 %, T: 41,9 %, I: 40,9 %), Fremdsprachen (27,8 %, T: 27,2 %, I: 28,5 %), Mathematik (27,3 %, T: 26,3 %, I: 26,2 %), Geschichte (19,3 %, T: 21,7 %, I: 17,4 %) und Biologie (15,5 %, T: 16,0 %, I: 16,2 %). In der ersten oder zweiten Klasse unterrichteten 8,9 % (T: 8,9 %, I: 9,0 %), 10,1 % in der dritten oder vierten (T: 10,2 %, I: 10,6 %), 43,1 % in der fünten oder sechsten (T: 42,6 %, I: 42,5 %), 54,4 % in der siebten oder achten (T: 54,1 %, I: 55,2 %), 59,4 % in der neuten oder zehnten (T: 58,8 %, I: 59,1 %) und 47,5 % in der 11., 12. oder 13. Klasse (T: 45,8 %, I: 47,9 %). Messungen Von den 55 in die Analysen einbezogenen stetigen Variablen war der Betrag der Schiefe bei 14 Variablen größer als 1 (maximal bei 4.5). Diese 18 Variablen wurden daraufhin den von Tabachnik und Fidell (2007) empfohlenen Transformationen unterzogen, um für die Regressionsanalysen jeweils die transformierte Variable mit der geringsten Schiefe zu verwenden. Bei 9 der 14 Variablen konnte der Betrag der Schiefe dadurch auf unter 1 reduziert werden (Maximum: 2.3). Die Variablen der Theorie geplanten Verhaltens Sämtliche Hauptkonzepte und Überzeugungen der Theorie geplanten Verhaltens sowie die Ergebnisbewertungen wurden erfasst. Da der Fokus dieses Artikels auf der Anwendung in der Praxis liegt, werden nur Ergebnisse zur Vorhersage von Verhalten und Intention durch die Überzeugungen und Ergebnisbewertungen dargestellt. Um die Rücklaufquote in der zeitlich belasteten Population der Lehrkräfte zu maximieren, haben wir auf die Erhebung von Übereinstimmungsmotivationen und wahrgenommenen Verhaltenserleichterungen verzichtet. Bei der Abwägung zwischen einerseits Überzeugungen und andererseits Übereinstimmungsmotivationen und wahrgenommenen Verhaltenserleichterungen entschieden wir uns wie andere Wissenschaftler*innen (z. B. Mann & Abraham, 2012) für die Überzeugungen. Es erscheint einfacher, in praktischen Interventionen (z. B. Fortbildungen) Überzeugungen von Lehrkräften zu beeinflussen, z. B. dass LSBTI-Schüler*innen von ihnen erwarten, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu thematisieren, als Motivationen, z. B. den Erwartungen von LSBTI-Schüler*innen zu entsprechen. Darüber hinaus erwarteten wir bei den Überzeugungen mehr Streuung als bei den Motivationen und wahrgenommenen Verhaltenserleichterungen, und hinreichend Streuung ist eine Bedingung für eine Korrelation. Die erfassten Items wurden auf der Basis von Hauptkomponentenanalysen mit Obliminrotation und Reliabilitätsanalysen durch Mittelwertsbildung zu Skalen zusammengefasst, wenn dies möglich war (|Faktorladungen| > .59, Cronbachs α > .60; siehe Tab. 1 bis Tab. 4). Bei den Überzeugungen und Bewertungen war eine Zusammenfassung nur bedingt möglich, da die Theorie geplanten Verhaltens bei der Entwicklung der entsprechenden Items (wie oben beschrieben) kein deduktives, sondern ein induktives Vorgehen vorsieht (Ajzen, 2002). Da für praktische Interventionen gerade der Effekt spezifischer Überzeugungen und Bewertungen interessant ist, wurden diese ggf. als Einzelitems weiter analysiert. Aufgrund der großen Stichprobe war das Verhältnis von Fällen zu Prädiktoren jedoch bei allen Regressionsanalysen ausreichend (Green, 1991). Fehlende Werte auf einzelnen Items einer Skala wurden mithilfe einer Two-Way-Imputation imputiert (Sijtsma & van der Ark, 2003), die sowohl den Mittelwert der befragten Lehrkraft auf den verbliebenen Items der Skala als auch den Mittelwert aller anderen Lehrkräfte auf dem Item mit dem fehlenden Wert (d. h. die Item-Schwierigkeit) einbezieht. Schule unterm Regenbogen? 139 Tab. 1: Erhebung von Verhalten und Intention Skala Einführungen und Items Antwortskala Cronbachs α M SD Thematisierung: Verhalten Einführung: „Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten …“ Items: - „… Unterrichtsbeispiele -oder materialien verwendet, in denen auch LSBTI vorkommen? “ - „… sexuelle und geschlechtliche Vielfalt explizit im Unterricht behandelt, z. B. im Zusammenhang der Themen Umgang mit sozialer Vielfalt, Vorurteile und Ausgrenzung oder Liebe und Partnerschaft? “ - „… ganz selbstverständlich von LSBTI-Personen gesprochen, so dass deren sexuelle Identität offensichtlich wurde (z. B. indem Sie deren gleichgeschlechtliche Partnerschaft erwähnt haben)? “ - „… bei Ihren Äußerungen darauf geachtet, dass Menschen nicht zwangsläufig heterosexuell leben (z. B. indem Sie eine Person danach fragen, ob sie einen Freund/ Partner ODER eine Freundin/ Partnerin hat)? “ - „Allgemein betrachtet: Wie oft haben Sie in den letzten zwölf Monaten sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Ihrer Schule thematisiert? “ Fünf Stufen (1 -5): „Nie“, „1 mal“, „2 bis 5 mal“, „6 bis 10 mal“ und „Häufiger als 10 mal“ .81 2.51 0.93 Thematisierung: Intention Items: - „Ich erwarte, dass ich sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in meiner Schule thematisieren werde.“ - „Ich habe vor, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in meiner Schule zu thematisieren.“ - „Ich strebe an, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in meiner Schule zu thematisieren.“ - „Ich werde es vermeiden, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in meiner Schule zu thematisieren.“ (umgepolt) Sieben Stufen von Stimmt gar nicht (1) bis Stimmt voll und ganz (7) .92 5.11 1.71 Intervention: Verhalten Einführung: „In wie vielen Fällen haben Sie deutlich gemacht, dass Sie es nicht akzeptieren,…“ Items: - „… wenn Sie in den letzten zwölf Monaten bemerkt haben, dass ,Schwuchtel‘, ,Lesbe‘ oder vergleichbare Begriffe als Schimpfwörter benutzt wurden.“ - „… wenn Sie in den letzten zwölf Monaten mitbekommen haben, dass Schüler/ innen geärgert oder ausgeschlossen wurden, weil sie sich geschlechtsuntypisch verhalten haben? “ - „… wenn ein/ e Schüler/ in in den letzten zwölf Monaten von der Klasse geärgert oder ausgeschlossen wurde, weil er/ sie für schwul/ lesbisch/ bisexuell gehalten wurde.“ - „Allgemein betrachtet: Wenn Sie in den letzten zwölf Monaten Diskriminierung von LSBTI in Ihrer Schule beobachtet oder davon erfahren haben: In wie vielen dieser Fälle haben Sie interveniert? “ Fünf Stufen (1 -5): „In keinem der Fälle“, „In einigen Fällen“, „In etwa der Hälfte der Fälle“, „In den meisten der Fälle“ und „In jedem der Fälle“. Als Missing gewertet: „Die Situation kam nicht vor“ .92 4.20 0.98 t 140 Ulrich Klocke, Sabrina Latz, Julian Scharmacher Skala Einführungen und Items Antwortskala Cronbachs α M SD Intervention: Intention Items: - „Ich erwarte, dass ich bei Diskriminierung von LSBTI in meiner Schule intervenieren werde.“ - „Ich habe vor, bei Diskriminierung von LSBTI in meiner Schule zu intervenieren.“ - „Ich strebe an, bei Diskriminierung von LSBTI in meiner Schule zu intervenieren.“ - „Ich werde bei Diskriminierung von LSBTI in meiner Schule intervenieren.“ Sieben Stufen von Stimmt gar nicht (1) bis Stimmt voll und ganz (7) .93 6.35 1.01 t Tab. 2: Erhebung der Verhaltensüberzeugungen und Ergebnisbewertungen: Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt Skala Items Cronbachs α M SD Verhaltensüberzeugungen (VÜ): Einführung: „Wenn ich in den nächsten zwölf Monaten sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in meiner Schule thematisiere,…“ Antwortskala: Sieben Stufen von Sehr unwahrscheinlich (1) bis Sehr wahrscheinlich (7) Akzeptanzförderung - „… wird das die Akzeptanz von LSBTI durch meine Schüler/ innen verbessern.“ - „… werde ich damit Schüler/ innen aus Regenbogenfamilien unterstützen (Kinder, die bei gleichgeschlechtlichen Partner/ inne/ n leben).“ - „… wird dies das Risiko für psychische Störungen und Suizid unter LSBTI-Schüler/ inne/ n reduzieren.“ - „… wird dies zu einem positiveren, wertschätzenderen Schulklima führen.“ - „… wird das die Diskriminierung von LSBTI in meiner Schule reduzieren.“ - „… werde ich damit LSBTI-Schüler/ innen in ihrer Selbstakzeptanz unterstützen.“ .91 4.86 1.40 Beeinträchtigung traditioneller Werte - „… werden dadurch mehr Schüler/ innen LSBT.“ - „… wird dadurch das traditionelle Familienbild abgewertet.“ - „… werden LSBTI auf Kosten anderer Minderheiten überbetont.“ - „… wird dies zu einer Übersexualisierung meiner Schüler/ innen führen.“ .84 2.06 1.32 Konflikte mit Eltern a - „… werde ich in Konflikt mit Eltern meiner Schüler/ innen geraten.“ 3.58 1.69 Ansehensverlust - „… wird mein Ansehen sinken, da ich selbst für LSBTI gehalten werde.“ 1.87 1.39 neg. Gefühle bei LSBTI - „… werde ich damit negative Gefühle bei LSBTI-Schüler/ inne/ n auslösen.“ 2.54 1.38 Verstärkung Diskr./ Vorurt. - „… werden sich Diskriminierung und Vorurteile gegenüber LSBTI verstärken.“ 2.06 1.13 t Schule unterm Regenbogen? 141 Anmerkungen: a In der Pilotstudie haben die Befragten auf die offene Frage nach den Nachteilen einer Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt (zur Identifikation der Verhaltensüberzeugungen) auch Antworten zu Reaktionen anderer Personen gegeben (z. B. Konflikte mit Eltern der Schüler*innen). Da diese Reaktionen von den Befragten als ein Verhaltensnachteil wahrgenommen wurden, wurden sie von uns nicht unter den normativen Überzeugungen, sondern unter den Verhaltensüberzeugungen eingeordnet. Skala Items Cronbachs α M SD Ergebnisbewertungen (EB): Einführung: „Nun haben wir einige Fragen zu Ihrer Einstellung“ Antwortskala: Sieben Stufen von Extrem schlecht (1) bis Extrem gut (7) Akzeptanzförderung - „Eine verbesserte Akzeptanz von LSBTI durch meine Schüler/ innen finde ich …“ - „Die Unterstützung von Schüler/ inne/ n aus Regenbogenfamilien …“ - „Das Risiko für psychische Störungen und Suizid unter LSBTI-Jugendlichen zu senken, …“ - „Ein positiveres, wertschätzenderes Schulklima …“ - „Eine Reduktion der Diskriminierung von LSBTI in meiner Schule …“ - „Die Unterstützung von LSBTI-Schüler/ inne/ n in ihrer Selbstakzeptanz …“ .81 6.40 0.80 Beeinträchtigung traditioneller Werte - „Wenn mehr Schüler/ innen LSBT werden, finde ich das …“ - „Eine Abwertung des traditionellen Familienbilds …“ - „Eine Überbetonung von LSBTI auf Kosten anderer Minderheiten …“ - „Eine Übersexualisierung meiner Schüler/ innen …“ .67 2.89 0.92 Konflikte mit Eltern - „Konflikte mit Eltern meiner Schüler/ innen, finde ich …“ 3.02 1.27 Ansehensverlust - „An Ansehen in meiner Schule zu verlieren, weil ich für LSBTI gehalten werde, finde ich …“ 2.96 1.37 neg. Gefühle bei LSBTI - „Negative Gefühle bei LSBTI-Schüler/ inne/ n auszulösen, finde ich …“ 1.48 0.88 Verstärkung Diskr./ Vorurt. - „Eine Verstärkung von Diskriminierung und Vorurteilen gegenüber LSBTI …“ 1.25 0.78 t 142 Ulrich Klocke, Sabrina Latz, Julian Scharmacher Skala Items Cronbachs α M SD Normative Überzeugungen: Einführung: „Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass die folgenden Personen oder Personengruppen denken, Sie sollten sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Ihrer Schule thematisieren? “ Antwortskala: Sieben Stufen von Sehr unwahrscheinlich (1) bis Sehr wahrscheinlich (7) LSBTI - „LSBTI-Schüler/ innen“ - „LSBTI-Kolleg/ inn/ en“ .88 (.88) a 5.03 1.63 Schulleitung und Kollegium - „Die Leitung an Ihrer Schule“ - „Ihre Kolleg/ inn/ en“ .84 (.85) a 4.22 1.77 Schüler*innen und Eltern - „Ihre Schüler/ innen“ - „Die Eltern Ihrer Schüler/ innen“ .80 (.81) a 3.62 1.49 Kontrollüberzeugungen: Antwortskala: Sieben Stufen von Stimmt gar nicht (1) bis Stimmt voll und ganz (7) Themat. von Fächern abh. - „Ob man sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Schule thematisieren kann, hängt von den unterrichteten Fächern ab.“ 3.51 2.08 Passende Lehrmaterialien - „Mir stehen Lehrmaterialien zur Verfügung, die sexuelle und geschlechtliche Vielfalt thematisieren.“ 3.13 2.09 Zu wenig Zeit - „Für die Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt steht mir wenig Zeit zur Verfügung.“ 4.12 1.98 Weiß gut Bescheid - „Ich weiß gut über das Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt Bescheid.“ 5.25 1.48 Richtlinien schreiben vor - „Die derzeitig gültigen Richtlinien für meinen Unterricht schreiben die Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt vor.“ 3.25 2.00 Tab. 3: Erhebung der normativen Überzeugungen und Kontrollüberzeugungen: Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt Anmerkungen: a Bei Skalen, die aus zwei Items bestehen, empfehlen Eisinga, Grotenhuis und Pelzer (2013) den Spearman-Brown-Koeffizienten statt Cronbachs α zu verwenden. Bei Zwei Item-Skalen ist daher der Spearman-Brown-Koeffizient in Klammern mit angegeben. Schule unterm Regenbogen? 143 Skala Items Cronbachs α M SD Verhaltensüberzeugungen (VÜ): Einführung: „Wenn ich in den nächsten zwölf Monaten bei Diskriminierung von LSBTI in meiner Schule interveniere, …“ Antwortskala: Sieben Stufen von Sehr unwahrscheinlich (1) bis Sehr wahrscheinlich (7) Akzeptanzförderung - „… wird das die Akzeptanz von LSBTI durch meine Schüler/ innen verbessern.“ - „… wird dies zu einem positiveren, wertschätzenderen Schulklima führen.“ - „… wird das die Diskriminierung von LSBTI in meiner Schule reduzieren.“ - „… wird mir dies einen Anlass bieten, meine Schüler/ innen über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt aufzuklären.“ - „… werden sich LSBTI-Schüler/ innen durch mich unterstützt fühlen.“ .84 5.03 1.23 Konflikte mit Schüler*innen - „… werde ich in Konflikt mit meinen Schüler/ inne/ n geraten“ 2.41 1.54 Ansehensverlust - „… wird mein Ansehen sinken, da ich selbst für LSBTI gehalten werde.“ 1.86 1.41 Betroffene Schüler*innen negativ hervorheben - „… werde ich die betroffenen Schüler/ innen negativ hervorheben“ 2.18 1.43 Verstärkung Diskr./ Vorurt. - „… werden sich Diskriminierung und Vorurteile gegenüber LSBTI verstärken.“ 2.16 1.30 Ergebnisbewertungen (EB): Einführung: „Nun haben wir einige Fragen zu Ihrer Einstellung“ Antwortskala: Sieben Stufen (1 -7) von Extrem schlecht (1) bis Extrem gut (7) Akzeptanzförderung - „Eine verbesserte Akzeptanz von LSBTI durch meine Schüler/ innen finde ich …“ - „Ein positiveres, wertschätzenderes Schulklima finde ich …“ - „Eine Reduktion der Diskriminierung von LSBTI in meiner Schule finde ich …“ - „Über sexuelle und geschlechtliche Vielfalt aufzuklären, finde ich …“ - „LSBTI-Schüler/ inne/ n ein Gefühl von Unterstützung zu geben, finde ich …“ .81 6.43 0.84 Konflikte mit Schüler*innen - „Konflikte mit meinen Schüler/ innen, finde ich …“ 3.14 1.29 Ansehensverlust - „An Ansehen in meiner Schule zu verlieren, weil ich für LSBTI gehalten werde, finde ich …“ 2.75 1.41 Tab. 4: Erhebung der Verhaltensüberzeugungen und Ergebnisbewertungen: Intervention gegen Diskriminierung von LSBTI t 144 Ulrich Klocke, Sabrina Latz, Julian Scharmacher Skala Items Cronbachs α M SD Normative Überzeugungen: Einführung: „Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass die folgenden Personen oder Personengruppen denken, Sie sollten bei Diskriminierung von LSBTI in Ihrer Schule intervenieren? “ Antwortskala: Sieben Stufen von Sehr unwahrscheinlich (1) bis Sehr wahrscheinlich (7) LSBTI - „LSBTI-Schüler/ innen“ - „LSBTI-Kolleg/ inn/ en“ .84 (.83) a 5.83 1.39 Schulleitung und Kollegium - „Die Leitung an Ihrer Schule“ - „Ihre Kolleg/ inn/ en“ .83 (.83) a 5.56 1.50 Schüler*innen und Eltern - „Ihre Schüler/ innen“ - „Die Eltern Ihrer Schüler/ innen“ .80 (.80) a 4.54 1.50 Kontrollüberzeugungen: Antwortskala: Sieben Stufen von Stimmt gar nicht (1) bis Stimmt voll und ganz (7) Zu wenig Zeit - „Um bei Diskriminierung von LSBTI in meiner Schule zu intervenieren, steht mir wenig Zeit zur Verfügung.“ 3.94 2.08 Kolleg*innen selbst diskriminierend - „Einige meiner Kolleg/ inn/ en verhalten sich selbst diskriminierend gegenüber LSBTI in meiner Schule.“ 2.96 1.84 Schule meidet das Thema - „An meiner Schule wird das Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt gemieden.“ 3.38 1.73 Weiß Bescheid, wie man interveniert - „Ich weiß Bescheid, wie man bei Diskriminierung von LSBTI in der Schule interveniert.“ 4.73 1.66 Tab. 5: Erhebung der normativen Überzeugungen und Kontrollüberzeugungen: Intervention gegen Diskriminierung von LSBTI Anmerkungen: a Bei Skalen, die aus zwei Items bestehen, empfehlen Eisinga et al. (2013) den Spearman-Brown-Koeffizienten statt Cronbachs α zu verwenden. Bei Zwei Item-Skalen ist daher der Spearman-Brown-Koeffizient in Klammern mit angegeben. Skala Items Cronbachs α M SD Betroffene Schüler*innen negativ hervorheben - „Von Diskriminierung betroffene Schüler / innen negativ hervorzuheben, finde ich …“ 1.43 1.06 Verstärkung Diskr./ Vorurt. - „Eine Verstärkung von Diskriminierung und Vorurteilen gegenüber LSBTI, …“ 1.26 0.79 t Schule unterm Regenbogen? 145 Da zukünftiges Verhalten in einer Querschnittsbefragung nicht erfasst werden kann, wurde stattdessen vergangenes Verhalten (der letzten 12 Monate) erfragt. Bei der Intervention gegen Diskriminierung von LSBTI gab es für Lehrkräfte, die eine bestimmte Art von Diskriminierung nicht wahrgenommen hatten, als zusätzliche Antwortmöglichkeit „die Situation kam nicht vor“, die als Missing gewertet wurde. Weitere Überzeugungen Neben den Überzeugungen im Rahmen der Theorie geplanten Verhaltens wurden weitere Überzeugungen (mit siebenstufigen Zustimmungsskalen) erfasst, bei denen ein Einfluss auf Intention und Verhalten angenommen wurde. In beiden Fragebogenteilen wurde die Überzeugung „LSBTI versuchen häufiger als andere, sich das Leben zu nehmen“ erfasst (M = 4.1, SD = 1.7); im Interventionsteil darüber hinaus „LSBTI-Schüler/ innen provozieren durch ihr Auftreten Diskriminierung“ (M = 2.0, SD = 1.4) und „LSBT haben es sich selbst ausgesucht, LSBT zu sein“ (M = 1.8, SD = 1.4) und im Thematisierungsteil „In meinen Klassen gibt es LSBTI-Schüler/ innen“ (M = 4.3, SD = 2.1). Die Frage zur Suizidalität und die Frage zum Vorkommen von LSBTI- Schüler*innen wurden von jeweils 8 % nicht beantwortet. Da anzunehmen ist, dass Befragte aus Unwissen nicht geantwortet haben und die Zahl fehlender Werte gering gehalten werden sollte, haben wir für fehlende Werte das Skalenmittel 4 imputiert, welches als weder noch bzw. weiß nicht interpretiert werden kann. Situative Variablen Um die Teilnahme an einer Fortbildung zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt zu erfassen, wurden die Lehrkräfte gefragt „Haben Sie bereits eine Weiterbildung besucht, in der das Thema sexuelle und geschlechtliche Vielfalt mindestens 60 Minuten lang behandelt wurde? “ (18 % ja, 82 % nein). Um die Ächtung von Mobbing im Schulleitbild zu erfassen, wurde gefragt „Wird Mobbing im Leitbild oder in der Schulordnung Ihrer Schule geächtet? “ (82 % ja, 8 % nein, 11 % weiß nicht). Kontakt zu LSBTI (M = 3.0, SD = 1.3) wurde mit der Frage „Zu wie vielen Personen hatten oder haben Sie persönlichen Kontakt und wissen, dass sie LSBTI sind? “ erhoben, mit den Antwortkategorien „0“ (kodiert mit 0), „1“ (1), „2 - 3“ (2), „4 - 7“ (3), „8 - 15“ (4) und „mehr als 15“ (5). Ergebnisse Unsere Befragung sollte klären, unter welchen Bedingungen Lehrkräfte in der Schule sexuelle und geschlechtliche Vielfalt thematisieren und bei Diskriminierung von Schüler*innen, die für LSBTI gehalten werden oder Geschlechternormen nicht entsprechen, intervenieren. Als Rahmen haben wir die Theorie geplanten Verhaltens zugrunde gelegt. Da diese Theorie mit ihren Hauptkonzepten inzwischen gut geprüft ist (z. B. Albarracín, Johnson, Fishbein & Muellerleile, 2001; Cooke & French, 2008; McDermott et al., 2015), verzichteten wir auf eine weitere Modellprüfung. Stattdessen konzentrierten wir uns auf die Vorhersage des Verhaltens und der Intention und beschränkten uns bei den Prädiktoren auf die spezifischen Überzeugungen und Bewertungen, da diese in praktischen Interventionen direkter beeinflusst werden können als Einstellungen, subjektive Norm und wahrgenommene Verhaltenskontrolle. Wir berechneten daher für die Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt und für die Intervention gegen Diskriminierung von LSBTI je zwei hierarchische Regressionsanalysen, eine mit dem Verhalten und eine mit der Intention als Kriteriumsvariable. In der ersten Stufe wurden alle Prädiktoren aufgenommen, deren Effekte vermittelt über die Variablen der Theorie geplanten Verhaltens wirken sollten, also die Personenvariablen, die situativen Variablen sowie Überzeugungen und Wissen, die nicht im Rahmen der Theorie geplanten Verhaltens erfasst wurden (siehe Tab. 5). In der zweiten Stufe wurden die Überzeugungen und Ergebnisbewertungen der Theorie geplanten Verhaltens sowie die Produkte von Verhaltensüberzeugungen und Ergebnisbewertungen einbezogen (siehe Tab. 6 und Tab. 7). Es gab keine Hinweise auf Multikollinearität (Konditionsindex > 30 und Varianzanteile > .50 bei mindestens zwei Prädiktoren; Tabachnik & Fidell, 2007). Die Korrelationen zwischen sämtlichen Variablen können auf Anfrage per E-Mail vom Erstautor zugesandt werden. 146 Ulrich Klocke, Sabrina Latz, Julian Scharmacher Stufe 1: Personenvariablen, situative Variablen, Überzeugungen und Wissen Welche der erfassten Personenvariablen konnten vorhersagen, wie oft eine Lehrkraft sexuelle und geschlechtliche Vielfalt vor ihren Schüler*innen thematisierte, wie konsequent sie gegen Diskriminierung von LSBTI intervenierte und wie ausgeprägt ihre Intention war, dies in Zukunft zu tun? Den stärksten Erklärungswert hatte die politische Einstellung (siehe Tab. 6). Wie erwartet, beabsichtigten Lehrkräfte umso eher, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu thematisieren ( β = 0.22) und thematisierten sie auch tatsächlich ( β = 0.10), je stärker sie sich als links (statt rechts) verorteten. Zudem beabsichtigten sie eher, bei Diskriminierung von LSBTI zu intervenieren ( β = 0.14). Ältere Lehrkräfte thematisierten nach eigenen Angaben Vielfalt häufiger als jüngere Lehrkräfte ( β = 0.08) und intervenierten zudem konsequenter bei Diskriminierung ( β = 0.10). Zudem intervenierten erwartungsgemäß Frauen konsequenter gegen Diskriminierung als Männer ( β = -0.14) und beabsichtigten eher, Vielfalt in Zukunft zu thematisieren ( β = -0.07). Interessanterweise gab es keinen eigenständigen Erklärungswert von sexueller Orientierung und Religiosität. Einzig die Zugehörigkeit zu einer Freikirche ging mit einer geringeren Absicht zur Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt einher ( β = -0.11). Hinsichtlich der Situation wurden alle vier abhängigen Variablen deutlich durch persönlichen Kontakt zu LSBTI vorhergesagt. Je mehr LSBTI eine Lehrkraft persönlich kannte, desto eher berichtete sie, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Schule thematisiert zu haben ( β = 0.28), das auch in Zukunft weiter tun zu wollen ( β = 0.20), bei Diskriminierung von LSBTI interveniert zu haben ( β = 0.14) und das auch in Zukunft weiter tun zu wollen ( β = 0.21). Auch die schulische Situation hatte einen Einfluss, insbesondere die unterrichteten Fächer. Lehrkräfte, die gesellschaftswissenschaftliche Fächer (z. B. Sozialkunde oder Ethik, β = 0.20), Sprachen ( β = 0.13) oder Biologie ( β = 0.08) unterrichteten, thematisierten sexuelle und geschlechtliche Vielfalt häufiger und beabsichtigten das weiterhin zu tun. Zudem ging die Teilnahme an einer Fortbildung zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt mit einer häufigeren Thematisierung einher ( β = 0.12). Darüber hinaus war die Absicht, gegen Diskriminierung zu intervenieren, bei den 82 % Lehrkräften höher, die berichteten, dass Mobbing im Leitbild oder in der Schulordnung ihrer Schule geächtet wird. Welche Überzeugungen gingen mit einer häufigeren Thematisierung und konsequenteren Intervention einher? Vor allem die Annahme, dass LSBTI-Schüler*innen durch ihr Auftreten Diskriminierung provozieren, hatte erwartungsgemäß einen deutlich negativen Effekt auf die Absicht, gegen Diskriminierung von LSBTI zu intervenieren ( β = -0.26) und ebenfalls einen negativen Effekt auf die tatsächliche Intervention ( β = -0.14). Auch die Annahme, LSBT hätten sich ihre sexuelle Orientierung bzw. Geschlechtsidentität selbst ausgesucht, ging mit einer geringeren Absicht einher, gegen Diskriminierung vorzugehen ( β = -0.13). Gingen die Lehrkräfte hingegen davon aus, dass sich auch unter ihren Schüler*innen LSBTI befinden, dann berichteten sie eher davon, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Schule zu thematisieren ( β = 0.16) und beabsichtigten, das in Zukunft weiter zu tun ( β = 0.17). Das Wissen um das deutlich höhere Suizidrisiko von LSBTI hatte hingegen nur einen Effekt auf die Absicht, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Zukunft zu thematisieren. Stufe 2: Überzeugungen und Bewertungen aus der Theorie geplanten Verhaltens Um den Einfluss der Überzeugungen und Bewertungen sowie ihrer Interaktionen aus der Theorie geplanten Verhaltens zu prüfen, wurden diese in Stufe 2 in die hierarchische Regression aufgenommen. Die Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt wurde vor allem durch die Kontrollüberzeugungen vorhergesagt (siehe Tab. 7 unteres Drittel). Wenn eine Lehr- Schule unterm Regenbogen? 147 Prädiktor Thematisierung Intervention Verhalten Intention Verhalten Intention Stufe 1 2 1 2 1 2 1 2 Personenvariablen Männliches Geschlecht (vs. weiblich und andere) Alter Heterosexuell oder keine Angabe (vs. homo/ bi/ andere) Religiosität Religion: Freikirchlich Politische Linksorientierung 0.00 0.08* -0.02 -0.01 -0.05 0.10** 0.04 0.09* -0.01 -0.01 -0.01 0.03 -0.07* -0.06 -0.02 -0.02 -0.11** 0.22*** 0.04 -0.02 0.03 0.02 -0.02 0.05 -0.14*** 0.10* 0.07 0.00 -0.60 -0.01 -0.12** 0.04 0.07 -0.03 -0.03 -0.07 -0.04 0.01 0.05 -0.02 -0.04 0.14*** 0.03 -0.01 0.06 -0.05 0.00 0.03 Situative Variablen Fortbildung zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt Schulleitbild: Ächtung Mobbing (vs. nein/ weiß nicht) Unterricht Biologie Unterricht Gesellschaftswissenschaften (z. B. Sozialkunde, Ethik) Unterricht Sprachen Unterricht 7. -10. Klasse Unterricht 11. -13. Klasse Kontakt zu LSBTI (Anzahl Personen) 0.12*** 0.00 0.08* 0.20*** 0.13*** 0.00 0.04 0.28*** 0.05 0.00 0.01 0.12*** 0.11*** 0.02 0.06 0.19*** 0.06 -0.05 0.18*** 0.13*** 0.09** -0.01 -0.05 0.20*** 0.00 -0.03 0.10*** 0.05 0.05** 0.00 -0.02 0.05** -0.02 0.02 0.06 0.04 0.02 0.05 -0.02 0.14** -0.07 -0.05 0.02 0.04 0.00 0.05 -0.02 0.07 0.03 0.09* 0.08* 0.02 0.05 0.05 0.01 0.21*** -0.03 0.03 0.02 -0.01 0.01 0.02 0.00 0.08* Überzeugungen und Wissen LSBTI höheres Suizidrisiko LSBT haben es sich selbst ausgesucht, LSBT zu sein. LSBTI Schüler*innen provozieren Diskriminierung LSBTI unter eigenen Schüler*innen 0.05 0.16*** 0.00 0.09** 0.10** 0.17*** 0.02 0.04 -0.02 -0.04 -0.14*** -0.01 -0.01 -0.06 0.00 -0.13** -0.26*** -0.05 -0.02 -0.11** R² F .33 19.02*** siehe folgende Tabelle .33 18.98*** siehe folgende Tabelle .10 3.87*** siehe folgende Tabelle .25 12.99*** siehe folgende Tabelle Tab. 6: Stufe 1 der hierarchischen Regression zur Vorhersage von Thematisierung und Intervention Anmerkungen: Dargestellt sind standardisierte Beta-Koeffizienten. Leere Felder bedeuten, dass die Frage im jeweiligen Fragebogenteil nicht gestellt wurde. In der Befragung wurden einige Variablen mit einer Vielzahl von Kategorien erhoben (16 Bundesländer, 9 Schultypen, 22 Schulfächer, 6 Klassenstufen, 13 Konfessionen/ Glaubensrichtungen). Geschlecht und sexuelle Orientierung wurden offen erfasst und anschließend kategorisiert. Der Einbezug sämtlicher dummy-kodierter Kategorien hätte zu multiplen Regressionen mit weit über 100 Prädiktoren geführt. In den Regressionsanalysen beschränkten wir uns daher auf Kategorien, die in der bivariaten Analyse signifikante Zusammenhänge mit Intention und Verhalten aufwiesen. * p < .05, ** p < .01, *** p < .001. 148 Ulrich Klocke, Sabrina Latz, Julian Scharmacher kraft davon ausging, dass Richtlinien ihr die Thematisierung vorschreiben ( β = 0.15), passende Lehrmaterialien zur Verfügung stehen ( β = 0.13) und sie gut über das Thema Bescheid weiß ( β = 0.10), thematisierte sie Vielfalt nach eigenen Angaben häufiger und beabsichtigte, das auch in Zukunft weiterhin zu tun. War sie hingegen der Überzeugung, zu wenig Zeit für die Thematisierung zu haben, war ihre Absicht, Vielfalt zu thematisieren, geringer ausgeprägt ( β = -0.05). Verhalten ( β = 0.13) und Intention ( β = 0.22) waren ebenfalls stärker ausgeprägt, wenn eine Lehrkraft überzeugt war, dass eine Thematisierung die Akzeptanz von Vielfalt bei ihren Schüler*innen verbessert und die Diskriminierung reduziert (Akzeptanzförderung) und sie dieses Ergebnis für besonders wünschenswert erachtete ( β von Intention = 0.17). Der negative Interaktionseffekt der Verhaltensüberzeugung und Ergebnisbewertung auf die Inten- Prädiktor Verhalten Intention Stufe 2 2 Verhaltensüberzeugungen (VÜ) und Ergebnisbewertungen (EB) VÜ: Akzeptanzförderung EB: Akzeptanzförderung VÜ x EB: Akzeptanzförderung VÜ: Beeinträchtigung traditioneller Werte EB: Beeinträchtigung traditioneller Werte VÜ x EB: Beeinträchtigung traditioneller Werte VÜ: Konflikte mit Eltern EB: Konflikte mit Eltern VÜ x EB: Konflikte mit Eltern VÜ: Ansehensverlust a VÜ: negative Gefühle bei LSBTI EB: negative Gefühle bei LSBTI VÜ x EB: negative Gefühle bei LSBTI VÜ: Verstärkung Diskr./ Vorurteile EB: Verstärkung Diskr./ Vorurteile VÜ x EB: Verstärkung Diskr./ Vorurteile 0.13** 0.06 0.01 0.03 0.03 0.03 -0.02 0.06* 0.03 -0.01 -0.02 -0.04 -0.09* -0.01 -0.06 0.01 0.22*** 0.17*** -0.08** -0.04 0.11*** 0.11*** -0.01 0.01 0.02 0.02 0.02 -0.01 -0.06* -0.01 -0.03 -0.02 Normative Überzeugungen LSBTI Schulleitung und Kollegium Schüler*innen und Eltern -0.02 -0.02 0.01 0.09** 0.03 0.09** Kontrollüberzeugungen Thematisierungsmöglichkeiten von Fächern abhängig Passende Lehrmaterialien Zu wenig Zeit Weiß gut Bescheid Richtlinien schreiben vor -0.03 0.13*** -0.06 0.10** 0.15*** -0.05 0.10** -0.05 0.11*** 0.14*** ∆R² ∆F .14 6.62*** .38 32.49*** Gesamt-R² Gesamt-F N .47 13.25*** 631 .71 36.40*** 633 Tab. 7: Stufe 2 der hierarchischen Regression zur Vorhersage von Thematisierung Anmerkungen: Dargestellt sind standardisierte Beta-Koeffizienten. a Um die Zahl fehlender Werte zu reduzieren, haben wir bei den multiplen Regressionen die Ergebnisbewertung von Ansehensverlust ausgeschlossen, weil diese von 7 % der Befragten nicht beantwortet wurde und zudem keine signifikanten Effekte hatte. * p < .05, ** p < .01, *** p < .001. Schule unterm Regenbogen? 149 tion ( β = -0.08) zeigt, dass sich beide Variablen zu einem gewissen Grad gegenseitig ersetzen können, also beispielsweise eine sehr starke Überzeugung eine nicht ganz so positive Bewertung kompensieren konnte und umgekehrt. Darüber hinaus hatte die Bewertung von Konflikten mit den Eltern einen positiven Effekt auf das Verhalten ( β = 0.06), d. h. je weniger negativ es Lehrkräfte bewerteten, Konflikte mit den Eltern ihrer Schüler*innen zu bekommen, desto eher thematisierten sie sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in der Schule. Überraschend ergab sich eine negative Interaktion der Überzeugung, eine Thematisierung könne bei LSBTI Schüler*innen negative Gefühle auslösen und der Bewertung solcher negativen Gefühle auf Verhalten ( β = -0.09) und Intention ( β = -0.06): Lehrkräfte, die negative Gefühle bei LSBTI besonders schlecht bewerteten, thematisierten Vielfalt häufiger, wenn sie solche Gefühle für wahrscheinlicher hielten. Weitere Prädiktoren hatten nur einen Effekt auf die Intention, nicht aber das Verhalten. Lehrkräfte, die eine Beeinträchtigung traditioneller Werte (z. B. eine Abwertung des traditionellen Familienbildes oder eine Zunahme von LSBT-Schüler*innen) we- Prädiktor Verhalten Intention Stufe 2 2 Verhaltensüberzeugungen (VÜ) und Ergebnisbewertungen (EB) VÜ: Akzeptanzförderung EB: Akzeptanzförderung VÜ x EB: Akzeptanzförderung VÜ: Konflikt mit Schüler*innen EB: Konflikte mit Schüler*innen VÜ x EB: Konflikte mit Schüler*innen VÜ: Ansehensverlust a VÜ: betroffene Schüler/ innen negativ hervorheben EB: betroffene Schüler/ innen negativ hervorheben VÜ x EB: betroffene Schüler/ innen negativ hervorheben VÜ: Verstärkung Diskr./ Vorurteile EB: Verstärkung Diskr./ Vorurteile VÜ x EB: Verstärkung Diskr./ Vorurteile 0.06 0.06 0.04 -0.04 -0.04 0.00 0.05 -0.06 -0.03 -0.02 -0.05 -0.07 0.05 0.08* 0.31*** -0.06 0.02 0.05 0.02 -0.07* -0.01 -0.04 0.02 -0.07 -0.06 0.02 Normative Überzeugungen LSBTI Schulleitung und Kollegium Schüler*innen und Eltern -0.01 0.05 0.13* 0.13*** 0.06 0.02 Kontrollüberzeugungen Zu wenig Zeit Kolleg*innen selbst diskriminierend Schule meidet das Thema Weiß Bescheid, wie man interveniert -0.05 -0.02 -0.08 0.21*** 0.01 -0.01 -0.01 0.27*** ∆R² ∆F .15 5.64*** .29 19.92*** Gesamt-R² Gesamt-F N .25 5.11*** 604 .54 20.19*** 672 Tab. 8: Stufe 2 der hierarchischen Regression zur Vorhersage von Intervention Anmerkungen: Dargestellt sind standardisierte Beta-Koeffizienten. a Um die Zahl fehlender Werte zu reduzieren, haben wir bei den multiplen Regressionen die Ergebnisbewertung von Ansehensverlust ausgeschlossen, weil diese von 7 % der Befragten nicht beantwortet wurde und zudem keine signifikanten Effekte hatte. * p < .05, ** p < .01, *** p < .001. 150 Ulrich Klocke, Sabrina Latz, Julian Scharmacher niger negativ bewerteten, beabsichtigten eher, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu thematisieren ( β = 0.11), und das vor allem dann, wenn sie diese Beeinträchtigung für nicht völlig unwahrscheinlich hielten ( β = 0.11). Auch die normative Überzeugung, dass die eigenen Schüler*innen und ihre Eltern ( β = 0.09) sowie LSBTI* Schüler*innen und Kolleg*innen ( β = 0.09) eine Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt befürworten, ging mit einer stärkeren Thematisierungsabsicht einher. Vergleichbar zur Thematisierung von Vielfalt wurde auch die Intervention gegen Diskriminierung vor allem durch eine Kontrollüberzeugung vorhergesagt, nämlich darüber Bescheid zu wissen, wie man bei Diskriminierung von LSBTI interveniert (Verhalten: β = 0.21, Intention: β = 0.27; siehe Tab. 8). Auch Lehrkräfte, die der Überzeugung waren, dass ihre Schüler*innen und deren Eltern von ihnen eine Intervention erwarten, intervenierten nach eigenen Angaben konsequenter gegen Diskriminierung ( β = 0.13). Die Absicht, in Zukunft zu intervenieren, war bei Lehrkräften deutlich höher, wenn sie die Erhöhung der Akzeptanz von LSBTI und den Abbau von Diskriminierung besonders positiv bewerteten ( β = 0.31) und zudem der Überzeugung waren, eine solche Akzeptanzförderung durch ihre Intervention erreichen zu können ( β = 0.08). Lehrkräfte, die der Überzeugung waren, dass LSBTI Schüler*innen und Kolleg*innen von ihnen eine Intervention erwarten ( β = 0.13), und die nicht erwarteten, dass eine Intervention zu einem Ansehensverlust führt, weil man selbst für LSBTI gehalten wird ( β = -0.07), beabsichtigten ebenfalls stärker als andere, bei Diskriminierung zu intervenieren. Konform zur Theorie geplanten Verhaltens waren 16 Effekte theorieexterner Variablen, die noch in Stufe 1 signifikant waren, nach Einbezug der theorieinternen Überzeugungen und Bewertungen in Stufe 2 nicht mehr signifikant. Weitere 11 Effekte blieben jedoch auf Stufe 2 signifikant (siehe Tab. 5), wurden also nicht (vollständig) durch die erfassten theorieinternen Variablen vermittelt. Persönlicher Kontakt zu LSBTI hatte weiterhin Effekte auf drei der vier Kriteriumsvariablen, insbesondere auf die Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt ( β = 0.19). Und auch die untersuchten Unterrichtsfächer, das Alter und die Annahme, LSBTI unter den eigenen Schüler*innen zu haben, hatten weiterhin Effekte auf die Thematisierung. Ebenfalls nach Einbezug der Theorievariablen weiter signifikant war der Effekt von Geschlecht auf die Intervention gegen Diskriminierung und der Effekt der Annahme, dass LSBTI Schüler*innen ihre Diskriminierung selbst provozierten, auf die Intention zur Intervention. Diskussion Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse Was bewegt Lehrkräfte dazu, in der Schule sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu thematisieren? Wann greifen sie bei Diskriminierung von Schüler*innen ein, die LSBTI sind, für LSBTI gehalten werden oder sich nicht geschlechtskonform verhalten? Diesen Fragen sind wir, angelehnt an die Theorie geplanten Verhaltens (Ajzen, 1991; Fishbein & Ajzen, 2010), durch eine Befragung von über 1000 Lehrkräften in Deutschland nachgegangen. Theorie geplanten Verhaltens Eine bereits existierende Studie aus den USA (McCabe et al., 2013) zeigt einen deutlichen Effekt der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle auf die Intervention gegen Diskriminierung von LSBTI. Die vorliegende Studie zeigt, welche spezifische Kontrollüberzeugung für diesen Effekt verantwortlich ist und dass Kontrollüberzeugungen auch zentrale Prädiktoren der Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt sind. Die Intervention gegen Diskriminierung wurde am stärksten durch das Wissen um konkrete Interventionsstrategien erklärt. Wenn eine Lehrkraft beispielsweise durch die Teilnahme an einer Fortbildung der Schule unterm Regenbogen? 151 Überzeugung war zu wissen, wie sie schlagfertig reagieren kann, wenn Schüler*innen Lesbe oder Schwuchtel als Schimpfwort verwenden, dann intervenierte sie im Schulalltag auch tatsächlich häufiger. Die Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt wurde am stärksten durch das Bewusstsein um Richtlinien erklärt, die die Thematisierung für den eigenen Unterricht vorschreiben. Auch in der Berliner Schulbefragung thematisierten Lehrkräfte Homosexualität eher dann, wenn sie die fächerübergreifenden sexualpädagogischen Richtlinien kannten, die den Respekt vor Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung als Ziel benennen (Klocke, 2012). Möglicherweise nehmen Richtlinien Lehrkräften die Angst vor Auseinandersetzungen mit Eltern oder der Schulleitung, da sich durch einen Verweis darauf der eigene Unterricht legitimieren lässt. Naheliegend ist daher, dass die kürzlich in unterschiedlichen Bundesländern geänderten Bildungs- und Lehrpläne die Berücksichtigung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt steigern können, sofern sie den Lehrkräften bekannt sind. Darüber hinaus zeigt die Studie, dass eine Thematisierung erleichtert wird, indem Lehrkräften ein einfacher Zugriff auf passende Lehrmaterialien für möglichst viele Fächer und Jahrgänge verschafft wird. Die Ergebnisse zeigen zudem, dass Fortbildungen zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt Lehrkräfte zu einer Berücksichtigung im Unterricht bringen können, vermutlich da sie deren Überzeugung steigern, sich gut mit dem Thema auszukennen. Bei bisherigen Anwendungen der Theorie geplanten Verhaltens auf andere Verhaltensbereiche erwies sich meist die Einstellung zum Verhalten als stärkster Prädiktor (z. B. zur Kondombenutzung; Albarracín et al., 2001; zur Teilnahme an Screeningprogrammen; Cooke & French, 2008; oder bei der Lebensmittelauswahl; McDermott et al., 2015). In der vorliegenden Untersuchung wurden die den Einstellungen zugrunde liegenden Überzeugungen und Bewertungen analysiert. Vor allem die Erwartung, dass durch das eigene Engagement die Akzeptanz gegenüber LSBTI gefördert und Diskriminierung abgebaut werden kann, ging mit einer häufigeren Thematisierung und einer stärkeren Absicht, Vielfalt auch in Zukunft zu thematisieren und gegen Diskriminierung zu intervenieren, einher. Sexuelle und geschlechtliche Vielfalt würde von Lehrkräften also stärker im Unterricht berücksichtigt werden, wenn diesen (z. B. belegt durch die Studienergebnisse von Klocke, 2012) verdeutlicht würde, dass sie mit ihrem Verhalten tatsächlich einen Einfluss auf ihre Schüler*innen haben. Dass die Mittelwerte dieser Überzeugungen nur wenig über dem Skalenmittel liegen, zeigt, dass hier durchaus Spielraum nach oben ist, möglicherweise weil Lehrkräfte ihre Modellwirkung als Mitglied einer anderen Generation unterschätzen. Weniger Spielraum besteht hingegen bei der Bewertung dieser Akzeptanzförderung. Diese wurde von den Lehrkräften übereinstimmend sehr positiv bewertet, was zu einer Einschränkung der Streuung führte. Möglicherweise hatte die Bewertung daher keinen Effekt auf das Verhalten, sondern nur auf die Absichten, Vielfalt in Zukunft zu thematisieren und gegen Diskriminierung zu intervenieren. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse, dass Lehrkräfte mit einer gewissen Konfliktbereitschaft eher aktiv werden: Je weniger negativ sie Konflikte mit Eltern bewerteten, desto eher thematisierten sie sexuelle und geschlechtliche Vielfalt. Schulbehörden und Schulleitungen können Lehrkräfte also bei der Berücksichtigung von Vielfalt unterstützen, indem sie ihnen signalisieren, dass sie im Konfliktfall auf Unterstützung hoffen können. Betrachtet man die normativen Überzeugungen, so zeigen sich Effekte der wahrgenommenen Erwartungen durch Schüler*innen und Eltern: Je mehr eine Lehrkraft davon ausgeht, dass diese von ihnen ein entsprechendes Engagement erwarten, desto konsequenter greift sie ein, wenn LSBTI diskriminiert werden, und desto eher beabsichtigt sie, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt in Zukunft zu thematisieren. Lehrkräfte können also dazu bewegt werden, sich gegen Diskriminierung zu engagieren, wenn man 152 Ulrich Klocke, Sabrina Latz, Julian Scharmacher ihnen verdeutlicht, dass Eltern und Schüler*innen dies von ihnen erwarten, z. B. durch die Präsentation entsprechender Befragungen (Klocke, 2012). Dass Eltern den Schutz ihrer Kinder vor Mobbing und Diskriminierung erwarten, könnte auch deutlich werden, wenn eine Behandlung dieser Themen auf Elternabenden vorgeschrieben wird. Die Absichten, Vielfalt zu thematisieren und gegen Diskriminierung zu intervenieren, sind zudem bei solchen Lehrkräften höher ausgeprägt, die der Überzeugung sind, dass LSBTI Schüler*innen und Lehrkräfte ein entsprechendes Verhalten von ihnen erwarten. Wenn Lehrkräften also Studienergebnisse aus der Coming-out-Studie des Deutschen Jugendinstituts (Krell & Oldemeier, 2015, 2017) präsentiert werden, die entsprechende Überzeugungen stützen, könnte sie dies zu stärkerem Engagement bewegen. Situative Einflüsse Zusätzlich zur Theorie geplanten Verhaltens wurden in dieser Untersuchung weitere Variablen erfasst, die ebenfalls zeigen, wie Lehrkräfte in ihrem Handeln beeinflusst werden können. Besonders auffällig sind die deutlichen Effekte persönlichen Kontakts zu LSBTI auf beide Verhaltensweisen und beide Intentionen. Diese passen zu existierender Forschung, wonach Heterosexuelle, die sich für die Rechte von LSBT einsetzen, häufiger mit LSBT befreundet sind (Fingerhut, 2011) und als Motiv für ihr Engagement angeben, dass ein Familienmitglied (z. B. das eigene Kind) LSBT ist (Russell, 2011). Interessant in unserer Studie ist jedoch, dass der Effekt von Kontakt auf die Thematisierung sexueller und geschlechtlicher Vielfalt sogar bestehen blieb, wenn die Einflussvariablen aus der Theorie geplanten Verhaltens in die Analyse einbezogen wurden (Stufe 2). Mediatoren, wie beispielsweise mehr Wissen zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt oder die Kenntnis passender Lehrmaterialien, konnten also nur einen Teil des Effekts erklären. Darüber hinaus könnten LSBTI im Bekanntenkreis die Thematisierung erleichtern, weil den Lehrkräften schneller konkrete Beispiele einfallen und sie diese selbstverständlicher berücksichtigen können. Die deutlichen Effekte von Kontakt lassen sich praktisch nutzen, beispielsweise indem LSBTI insbesondere gegenüber Personen, die beruflich mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben, möglichst offen zu ihrer Identität stehen, oder indem Schulleitungen LSBTI-Lehrkräften ihre Unterstützung zusichern, wenn diese offen damit umgehen. Selbst nicht heterosexuell zu sein, führte hingegen nur dann zu mehr Engagement für LSBTI in der Schule, wenn es mit Kontakt zu anderen LSBTI einherging. Die zweitstärksten situativen Einflüsse auf die Thematisierung gehen von den unterrichteten Fächern aus. Insbesondere Lehrkräfte gesellschaftswissenschaftlicher Fächer wie Sozialkunde und Ethik (aber auch von Sprachen und Biologie) thematisierten sexuelle und geschlechtliche Vielfalt deutlich häufiger, ein Effekt der auch in Stufe 2 nach Einbezug der anderen Prädiktoren bestehen blieb. Wahrscheinlich stehen in diesen Fächern mehr Themen und Materialien zur Verfügung, die eine Berücksichtigung von LSBTI ermöglichen. Möglicherweise könnten Lehrkräfte anderer Fächer zur Thematisierung bewegt werden, wenn passende Materialien und Lehrinhalte bereitgestellt werden, beispielsweise im Geschichtsunterricht zur Kriminalisierung und Pathologisierung von Homo-, Trans- und Intersexualität und den Kämpfen dagegen. Unerwartet hatte die Ächtung von Mobbing in der Ordnung oder im Leitbild der Schule nur einen Effekt auf die Absicht, nicht jedoch auf die tatsächliche Intervention gegen Diskriminierung. Das mag einerseits an einem Deckeneffekt liegen (82 % berichteten von dieser Ächtung). Andererseits könnte es darauf zurückzuführen sein, dass eine allgemeine Ächtung von Mobbing für die Intervention gegen spezifische Formen von Diskriminierung nicht ausreichend ist. Dementsprechend reduzierten in einer US-amerikanischen Studie Antimobbing- Leitlinien nur dann das Suizidrisiko lesbischer und schwuler Jugendlicher, wenn darin sexuelle Orientierung als Mobbinggrund explizit mit Schule unterm Regenbogen? 153 benannt wurde (Hatzenbuehler & Keyes, 2013). Eine solche inklusive Antimobbing-Leitlinie könnte auch verhindern, dass LSBTI-Schüler*innen selbst für ihre Diskriminierung verantwortlich gemacht werden, eine Sichtweise, die in der vorliegenden Untersuchung die Neigung zu intervenieren bei einigen Lehrkräften reduzierte. Wissen und andere personenbezogene Einflüsse Lehrkräfte wissen nur selten, dass sich auch einige ihrer Schüler*innen vom gleichen Geschlecht angezogen fühlen (Klocke, 2012). Die meisten LSBT werden sich ihrer Identität zwar bereits als Kinder oder Jugendliche gewahr (Krell & Oldemeier, 2015), viele verstecken diese aber in der Schule (FRA - Agentur der Europäischen Union für Grundrechte, 2014; Küpper et al., 2017). Die Lehrkräfte aus der vorliegenden Befragung thematisierten sexuelle und geschlechtliche Vielfalt eher dann, wenn sie davon ausgingen, dass sich auch unter ihren Schüler*innen LSBTI befinden. Dass in den meisten Schulklassen auch LSBTI sind, kann den Lehrkräften bereits in der Ausbildung, durch Fortbildungen oder Informationsmaterialien bewusst gemacht werden, z. B. indem Studienergebnisse präsentiert werden. Hinsichtlich der Personenvariablen zeigte sich hypothesenkonform, dass weibliches Geschlecht und eine politische Linksorientierung mit mehr Engagement für LSBTI einhergingen. Zudem intervenierten ältere Lehrkräfte konsequenter gegen Diskriminierung und thematisierten Vielfalt häufiger als jüngere Lehrkräfte. Womöglich erleichtert mehr Erfahrung im Lehrerberuf das Engagement für benachteiligte Gruppen wie LSBTI. Religiosität hatte hingegen keine Effekte und auch die Mitgliedschaft in einer Freikirche reduzierte lediglich die Absicht, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu thematisieren. Das deckt sich mit existierender Forschung, wonach Religiosität vor allem mit einer stärkeren Ablehnung gleicher Rechte einhergeht, die Effekte auf die affektiven Einstellungen aber geringer sind (Bosetti, Voci & Pagotto, 2011) und vereinzelt sogar positive Effekte auf unterstützendes Verhalten gegenüber Lesben und Schwulen gefunden wurden (Klocke, 2012). Einschränkungen der Untersuchung und Schlussfolgerungen für zukünftige Forschung Die zwei Haupteinschränkungen der Untersuchung waren das korrelative Querschnittsdesign und die Beschränkung auf Selbstberichte, beispielsweise die rückwirkende Erfassung des eigenen Verhaltens. Dadurch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Effekte überschätzt werden. Für die Zukunft wären aufwendigere Studien wünschenswert, die die Kausalrichtung durch längsschnittliche oder experimentelle Designs klären und das Verhalten der Lehrkräfte über Schülerberichte erheben. Um die Stichprobe nicht durch einen zu langen Fragebogen zu verkleinern, haben wir uns gegen die Erfassung zweier Variablenbereiche der Theorie geplanten Verhaltens entschieden: der Übereinstimmungsmotivationen als Ursache der subjektiven Norm und der Verhaltenserleichterungen als Ursache der wahrgenommenen Verhaltenskontrolle. Die erfassten Kontrollüberzeugungen erklärten auch ohne Multiplikation mit den Verhaltenserleichterungen sowohl Intention als auch Verhalten. Möglich wäre, dass sich bei Berücksichtigung der Verhaltenserleichterungen noch deutlichere Effekte gezeigt hätten. Aufgrund des induktiven Vorgehens bei der Identifikation der Überzeugungen wurden die meisten Überzeugungen und Bewertungen nur durch Einzelitems gemessen (siehe auch die Erklärungen im Methodenteil). Die Regressionskoeffizienten dieser Überzeugungen und Bewertungen sind also konservativ geschätzt und wären bei reliablerer Erfassung durch mehrere Items möglicherweise höher. 154 Ulrich Klocke, Sabrina Latz, Julian Scharmacher Fazit Lehrkräfte haben einen entscheidenden Einfluss darauf, Schulen zu einem Ort zu machen, an dem sich alle Schüler*innen unabhängig von Merkmalen wie sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität sicher und angenommen fühlen (Guasp, 2012; Klocke, 2012). In unserer Studie haben wir die Theorie geplanten Verhaltens (Ajzen, 1991; Fishbein & Ajzen, 2010) zugrunde gelegt, um herauszufinden, was Lehrkräfte dazu bewegt, ihre Einflussmöglichkeiten zu nutzen. Unser Vorgehen, die zugrunde liegenden Überzeugungen und Bewertungen differenziert zu analysieren, hat sich ausgezahlt, da wir dadurch konkrete Handlungsempfehlungen ableiten konnten. Wenn Ministerien, Verwaltungen, Schulleitungen oder Bildungsinitiativen Lehrkräfte dazu bewegen wollen, sexuelle und geschlechtliche Vielfalt zu thematisieren und gegen Diskriminierung von LSBTI vorzugehen, dann empfiehlt sich eher eine Förderung ihrer Verhaltenskontrolle (durch Vermittlung von Kompetenzen, Bereitstellung von Materialien und Absicherung durch Richtlinien) als eine Beeinflussung von Einstellungen oder Normen. Darüber hinaus ist persönlicher Kontakt der Lehrkräfte zu LSBTI wichtiger als die eigene sexuelle Orientierung. Literatur Ajzen, I. (1991). The theory of planned behavior. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 50, 179 - 211. https: / / dx.doi.org/ 10.1016/ 0749-5978(91) 90020-t Ajzen, I. (2002). TPB questionnaire construction: Constructing a theory of planned behavior questionnaire. Zugriff am 29. 9. 2017 unter www-unix.oit.umass.edu/ ~aizen/ pdf/ tpb.measurement.pdf Albarracín, D., Johnson, B.T., Fishbein, M. & Muellerleile, P. A. (2001). 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