eJournals Psychologie in Erziehung und Unterricht 67/3

Psychologie in Erziehung und Unterricht
3
0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
71
2020
673

Textbesprechung

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2020
Katrin Gottlebe
Sandra Dietrich
Brigitte Latzko
Lenhard, W., Lenhard, A. & Schneider, W. (2020). ELFE II. Ein Leseverständnistest für Erst- bis Siebtklässler – Version II. (4. unv. Aufl.; Erstaufl. 2017). Göttingen: Hogrefe. (Best.-Nr. 0421001, PP € 145,-; PC € 200,-)
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234 Lenhard, W., Lenhard, A. & Schneider, W. (2020). ELFE II. Ein Leseverständnistest für Erstbis Siebtklässler - Version II. (4. unv. Aufl.; Erstaufl. 2017). Göttingen: Hogrefe. (Best.-Nr. 0421001, PP € 145,-; PC € 200,-) Zielsetzung und Aufbau ELFE II ist ein Schulleistungstest zur Erfassung des Leseverständnisses und der Leseflüssigkeit von Schulkindern der Primarstufe. Das Verfahren kann für schulpsychologische Fragestellungen und als ökonomisches Instrument in der pädagogischen Praxis und Forschung eingesetzt werden. Leseverstehen wird als eindimensionales Konstrukt konzeptualisiert, bei welchem unterschiedliche Teilkompetenzen auf Wort-, Satz- und Textebene ineinandergreifen. Entsprechend erfasst das Verfahren in drei Untertests die Leseleistung und -geschwindigkeit (Wortverständnis: 75 Items, Satzverständnis: 36 Items, Textverständnis: 26 Items); die Computerform enthält zudem einen Test zur Schwellenmessung bei der Worterkennung (36 Items). Durchführung ELFE II ist ab dem ersten Schuljahr (9. Schulmonat) bis zu Beginn des siebten Schuljahres (3. Schulmonat) in allen Schulformen durchführbar. Der Test liegt zur Einzel- und Gruppentestung sowohl als Paper-Pencil-Version als auch als Computerversion vor. Die Durchführung ist mit max. 30 Minuten innerhalb einer Schulstunde sehr gut realisierbar. ELFE II bietet neben der Standardzwei Kurzversionen: für die Jahrgangsstufen 1 - 3 werden nur Wort- und Satzverständnistests durchgeführt; für die Jahrgangsstufen 4 - 6 wird die Bearbeitungszeit verkürzt, um im oberen Leistungsbereich differenzieren zu können. Das Testmaterial ist übersichtlich gestaltet. Im Testheft sind die Untertests klar voneinander getrennt und werden durch eine ausführliche Instruktion mit Beispielitems eingeleitet. Für die Testleitung steht eine handliche Karte zur Verfügung, die präzise, wertschätzend formulierte Verhaltens- und Testanweisungen enthält. Die Auswertung kann manuell oder computergestützt erfolgen. Für die manuelle Auswertung liegen klare Kriterien zur Vergabe von Rohwertpunkten vor. Die Aufgabenlösungen sind im Anhang des Manuals angegeben; Lösungsschablonen werden nicht angeboten. Zur Auswertung der Leseleistung wird für jede richtig gelöste Aufgabe ein Rohwertpunkt vergeben. Optional steht auch die Auswertung der Lesegeschwindigkeit zur Verfügung, bei der für jede bearbeitete Aufgabe ein Rohwertpunkt vergeben wird. Normwerte liegen für die Rohwertsummen der Untertests vor und geben Auskunft über die Ausprägung der Leseleistung bzw. Lesegeschwindigkeit auf Wort-, Satz- und Textebene. Zusätzlich kann für alle Durchführungsvarianten über die Akkumulation der T-Werte der Untertests ein Normwert für die Gesamtleseleistung ermittelt werden. Optional besteht die Möglichkeit der Auswertung des Geschwindigkeit-Genauigkeit- Austauschs zur Analyse auffälliger Arbeitsstile sowie statistisch abgesicherter Diskrepanzvergleiche zwischen den Untertests, um Hinweise auf Durchführungsfehler oder Kompetenzschwerpunkte zu erlangen. Gütekriterien ELFE II wurde 2015 in 9 Bundesländern der BRD an insgesamt 2.807 Schulkindern (Papier 1.520, Computer 1.287) normiert. Die Normstichprobe ist nach Schulart, Geschlecht und Migrationshintergrund repräsentativ. Als Normwerte liegen T-Werte, Prozentränge sowie Konfidenzintervalle (90 und 95 %) vor - separat für Papierform (Zweimonatsintervalle) und Computerform (auf Testtag genau) sowie für Kinder mit Migrationshintergrund bei Lenhard und Lenhard (2017). Die Durchführungs- und Auswertungsobjektivität sind aufgrund der exakten Testanweisungen und standardisierten Auswertung sichergestellt. Das Verfahren weist sehr gute bis exzellente Konsistenzschätzungen auf. Die Split-Half-Reliabilitäten unterscheiden sich für Papier- und Computerform nicht (PP: .89 ≤ r tt ≤ .98; PC: .87 ≤ r tt ≤ .94). Die Paralleltestreliabilität zwischen Papier- und Computerform ist ebenso sehr hoch. Auch die Retest-Reliabilität ist sehr gut (.81 ≤ r tt ≤ .93). Testbesprechung Testbesprechung 235 Die Konstruktvalidität wurde anhand konfirmatorischer Faktorenanalysen bestätigt. Als Beleg für die konvergente Validität wird im Manual die hohe Korrelation von r ct = .77 (N = 143) mit einem Verfahren zur Messung basaler Lesefertigkeiten (Lesegeschwindigkeit) sowie von r ct = .70 (N = 154) mit dem Lehrerurteil zur Lesekompetenz angeführt. Die Korrelation der Rohwerte des Lesegeschwindigkeitstests mit dem Satzverständnistest fällt signifikant höher aus als mit dem Wortbzw. Textverständnistest des ELFE II. Hinsichtlich der diskriminanten Validität fallen die Korrelationen der Testergebnisse von ELFE II mit dem Lehrerurteil Schreiben (r ct = .53) und Rechnen (r ct = .50) zwar signifikant niedriger aus als die mit dem Lehrerurteil Lesen; sie sind dennoch erwartungswidrig hoch. Die Zusammenhänge mit kognitiven Fähigkeiten liegen über die Jahrgangsstufen 1 bis 4 hinweg im moderaten Bereich (.32 ≤ r ≤ .41), was ein für vergleichbare Tests üblicher Befund ist. Fazit Mit ELFE II liegt ein Verfahren vor, das die beiden Komponenten von Lesekompetenz - Leseverständnis und Leseflüssigkeit - abbilden kann, aber weniger geeignet ist, grundlegende Aspekte wie Dekodier- und Rekodierfähigkeit abzubilden. Die Abgrenzung der beiden Komponenten ist auf konzeptioneller Ebene gelungen, lässt sich aber in Untersuchungen zur Validität aufgrund hoher Interkorrelationen noch nicht eindeutig abbilden. Der breite Altersbereich sowie die fortlaufenden Normwerte erlauben es, ELFE II zu jedem Zeitpunkt im Schuljahr einzusetzen und darauf aufbauend passgenaue Fördermaßnahmen einzuleiten. Zur Überprüfung des förderbedingten Lernfortschritts ist das Verfahren durch die fehlende Parallelversion nur eingeschränkt geeignet. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass ELFE II ein umfassend theoretisch begründetes, ökonomisch einsetzbares, gruppentaugliches Verfahren zur individuellen Einschätzung der Lesekompetenz im Primarbereich ist. Literatur Lenhard, A. & Lenhard, W. (2017). Diagnostik von Lesestörungen mit ELFE II bei Kindern mit Migrationshintergrund (inklusive adaptierter Normen). Dettelsbach: psychometrica. Katrin Gottlebe, Sandra Dietrich, Brigitte Latzko Universität Leipzig DOI 10.2378/ peu2020.art19d