Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
101
2020
674
Editorial
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2020
Karin Guill
Das Anfertigen von Hausaufgaben ist bis heute ein selbstverständlicher Teil des schulischen Lernens und hat im Zuge der Aussetzung des Präsenzunterrichts in der Corona-Pandemie sogar noch einmal an Bedeutung gewonnen. Unter anderem sollen Schülerinnen und Schüler dabei lernen, Verantwortung für den eigenen Lernprozess zu übernehmen (Ramdass & Zimmerman, 2011). Faktisch sind die wenigsten Schülerinnen und Schüler bei den Hausaufgaben völlig auf sich alleine gestellt. Die meisten können auf die Unterstützung ihrer Eltern zurückgreifen (Wild & Gerber, 2007), aber nicht jede Form der elterlichen Unterstützung erweist sich als günstig für das Hausaufgabenverhalten der Schülerinnen und Schüler. Neben dem Elternhaus findet schon lange auch im außerschulischen Nachhilfeunterricht Unterstützung bei den Hausaufgaben statt (Rudolph, 2002). Zudem stehen infolge des Ausbaus von Ganztagsschulen immer mehr Schülerinnen und Schülern Angebote schulischer Hausaufgabenbetreuung zur Verfügung oder die Hausaufgabenvergabe wird sogar durch die Integration begleiteter Lernzeiten in den Regelunterricht ersetzt (StEG-Konsortium, 2016). [...]
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Das Anfertigen von Hausaufgaben ist bis heute ein selbstverständlicher Teil des schulischen Lernens und hat im Zuge der Aussetzung des Präsenzunterrichts in der Corona-Pandemie sogar noch einmal an Bedeutung gewonnen. Unter anderem sollen Schülerinnen und Schüler dabei lernen, Verantwortung für den eigenen Lernprozess zu übernehmen (Ramdass & Zimmerman, 2011). Faktisch sind die wenigsten Schülerinnen und Schüler bei den Hausaufgaben völlig auf sich alleine gestellt. Die meisten können auf die Unterstützung ihrer Eltern zurückgreifen (Wild & Gerber, 2007), aber nicht jede Form der elterlichen Unterstützung erweist sich als günstig für das Hausaufgabenverhalten der Schülerinnen und Schüler. Neben dem Elternhaus findet schon lange auch im außerschulischen Nachhilfeunterricht Unterstützung bei den Hausaufgaben statt (Rudolph, 2002). Zudem stehen infolge des Ausbaus von Ganztagsschulen immer mehr Schülerinnen und Schülern Angebote schulischer Hausaufgabenbetreuung zur Verfügung oder die Hausaufgabenvergabe wird sogar durch die Integration begleiteter Lernzeiten in den Regelunterricht ersetzt (StEG-Konsortium, 2016). Dieses Themenheft schließt an eine Reihe von Forschungsarbeiten zur Qualität und zu den Effekten elterlicher Hausaufgabenhilfe an (Dumont, Trautwein, Nagy & Nagengast, 2014; Silinskas & Kikas, 2017; Wild & Remy, 2002), erweitert sie jedoch um den Blick auf die Qualität der Hausaufgabenhilfe in anderen Settings, namentlich Nachhilfeunterricht, schulische Hausaufgabenhilfe und Lernzeiten. Eltern können einen günstigen Rahmen für die selbstständige Hausaufgabenbearbeitung der Kinder schaffen. Im ungünstigsten Fall endet die elterliche Hausaufgabenhilfe im Streit. Damit beschäftigt sich der Beitrag von Sandra Moroni und Hanna Dumont. Er beleuchtet die Perspektiven von Eltern und Kindern hinsichtlich möglicher Auslöser für Hausaufgaben-bezogene Streitereien auf Basis quantitativer und qualitativer Analysen und stellt diese einander gegenüber. Während Streitereien sich unmittelbar aus der Hausaufgabensituation ergeben, fokussiert der Beitrag von Swantje Dettmers, Sittipan Yotyodying und Kathrin Jonkmann die langfristigen Folgen der erinnerten elterlichen Hausaufgabenunterstützung in der Sekundarstufe II auf das Studieninteresse, die Studienpersistenz und das akademische Wohlbefinden von Studierenden. Familiäre Streitigkeiten um Hausaufgaben sind ein Grund, diese in den privaten Nachhilfeunterricht zu verlagern. Der Beitrag von Karin Guill, Isabell A. Bahr und Melike Ömerog ˘ulları zeigt, dass sich die Qualität der Hausaufgabenhilfe im Nachhilfeunterricht wie die im Elternhaus anhand der Dimensionen Ansprechbarkeit, Struktur und Kontrolle beschreiben lässt und dass sich vergleichbare Effekte der Hausaufgabenhilfe in Elternhaus und Nachhilfe auf das Hausaufgabenverhalten der Schülerinnen und Schüler nachweisen lassen. Qualität der Hausaufgabenhilfe in Elternhaus, Schule und Nachhilfeunterricht Quality of homework support in the parental home, school and private tutoring Karin Guill IPN - Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik Editorial Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2020, 67, 241 -242 DOI 10.2378/ peu2020.art20d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel 242 Editorial Während privater Nachhilfeunterricht nur von einer Minderheit genutzt wird, geht mit dem Ausbau von Ganztagsschulen eine immer stärkere Verlagerung der Hausaufgaben in den schulischen Kontext einher. Der Beitrag von Johanna M. Gaiser, Markus N. Sauerwein und Stephan Kielblock identifiziert auf Basis mehrerer Wellen einer Schulleitungsbefragung verschiedene Formen des Umgangs mit Hausaufgaben an Ganztagsschulen und vertieft diese Darstellung anhand von Fallstudien zu den verschiedenen Arrangements. Dazu gehört auch die Auflösung der klassischen Hausaufgabenvergabe zugunsten von Lernzeiten, die in den regulären Schulunterricht integriert sind. Diese Lernzeiten stehen im Fokus des Beitrags von Brigitte M. Brisson und Désirée Theis. Die Autorinnen analysieren auf Basis von situationsbezogenen Erhebungen, inwieweit sich die Aufgaben- und Unterstützungsqualität sowie motivational-emotionale Merkmale, Verhalten und Leistungsentwicklung der Schülerinnen und Schüler zwischen einem klassischen Hausaufgabensetting und den unterrichtsintegrierten Lernzeiten an Ganztagsschulen unterscheiden. Das Themenheft wird durch eine fundierte und differenzierte Diskussion von Elke Wild abgerundet. Sie unternimmt nicht nur eine kritische Würdigung der einzelnen Beiträge, auch mit Blick auf ihre Relevanz zur Bewältigung der schulischen Herausforderungen infolge der Corona- Pandemie, sondern identifiziert auch Desiderata für die weitere Forschung zur Hausaufgabenhilfe und sich daraus entwickelnder Lehr-Lern- Arrangements. Entgegen der hier aufgezeigten Dynamik einer zunehmenden Verlagerung von Hausaufgaben in den schulischen Kontext unterstreicht Elke Wild die bleibende Bedeutung des Elternhauses und plädiert für eine Weiterentwicklung von Erziehungs- und Bildungspartnerschaften von Elternhaus und Schule. Literatur Dumont, H., Trautwein, U., Nagy, G. & Nagengast, B. (2014). Quality of parental homework involvement: Predictors and reciprocal relations with academic functioning in the reading domain. Journal of Educational Psychology, 106, 144 - 161. https: / / doi.org/ 10.1037/ a0034100 Ramdass, D. & Zimmerman, B. J. (2011). Self-regulation skills: The important role of homework. Journal of Advanced Academics, 22, 194 - 218. https: / / doi.org/ 10.11 77/ 1932202X1102200202 Rudolph, M. (2002). Nachhilfe - gekaufte Bildung? Empirische Untersuchung zur Kritik der außerschulischen Lernbegleitung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Silinskas, G. & Kikas, E. (2017). Parental involvement in math homework: Links to children’s performance and motivation. Scandinavian Journal of Educational Research, 61, 17 - 37. https: / / doi.org/ 10.1080/ 0031383 1.2017.1324901 StEG-Konsortium (2016). Ganztagsschule: Bildungsqualität und Wirkungen außerunterrichtlicher Angebote. Ergebnisse der Studie zur Entwicklung von Ganztagsschulen 2012 - 2015. DIPF: Frankfurt am Main. Wild, E. & Gerber, J. (2007). Charakteristika und Determinanten der Hausaufgabenpraxis in Deutschland von der vierten zur siebten Klassenstufe. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 10, 356 - 380. https: / / doi.org/ 10. 1007/ s11618-007-0041-8 Wild, E. & Remy, K. (2002) Affektive und motivationale Folgen der Lernhilfen und lernbezogenen Einstellungen von Eltern. Unterrichtswissenschaft, 30, 27 - 51. Dr. Karin Guill IPN - Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik Olshausenstr. 62 D-24118 Kiel E-Mail: guill@leibniz-ipn.de
