Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
101
2021
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Schulschließung während der Covid-19-Pandemie
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2021
Birgit Lütje-Klose
Sabine Geist
Janka Goldan
Der Beitrag thematisiert die besondere Situation von Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) im Kontext der Covid-19-Pandemie. Hierbei wird auf die schwierigen Lernausgangslagen der Schüler*innengruppe und familiäre Risikofaktoren eingegangen, welche das Distanzlernen erschweren. Die Bedeutung des persönlichen Kontakts zur Lehrkraft für die Leistungsentwicklung besonders dieser Schüler*innen kann über Telefon und digitale Medien, sofern diese vorhanden und zugänglich sind, kaum kompensiert werden. Am Beispiel der inklusiv arbeitenden Laborschule Bielefeld wird illustriert, wie dort mit den Herausforderungen im Distanzunterricht umgegangen wird. Die Lehrkräfte gelangen dort trotz intensiver Bemühungen an Grenzen und erleben insbesondere den Wechsel zwischen Distanz- und Präsenzunterricht für die Schüler*innen mit SPF als hohe Belastung. Für das deutsche Bildungssystem muss perspektivisch befürchtet werden, dass eine ohnehin benachteiligte Gruppe von Schüler*innen, die seit Beginn der Covid-19-Pandemie zum Teil neun Monate nicht in der Schule war, in ihren Bildungschancen noch stärker benachteiligt wird. Die langfristigen gesellschaftlichen Auswirkungen der Schulschließungen sind heute noch kaum abzusehen. Diese aufzudecken wird Aufgabe der (Bildungs-)Forschung sein.
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Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2021, 68, 292 -296 DOI 10.2378/ peu2021.art25d © Ernst Reinhardt Verlag München Basel n Forum Schulschließung während der Covid-19-Pandemie Perspektiven auf Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf Birgit Lütje-Klose 1 , Sabine Geist 2 & Janka Goldan 1 1 Universität Bielefeld 2 Laborschule Bielefeld Zusammenfassung: Der Beitrag thematisiert die besondere Situation von Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) im Kontext der Covid-19-Pandemie. Hierbei wird auf die schwierigen Lernausgangslagen der Schüler*innengruppe und familiäre Risikofaktoren eingegangen, welche das Distanzlernen erschweren. Die Bedeutung des persönlichen Kontakts zur Lehrkraft für die Leistungsentwicklung besonders dieser Schüler*innen kann über Telefon und digitale Medien, sofern diese vorhanden und zugänglich sind, kaum kompensiert werden. Am Beispiel der inklusiv arbeitenden Laborschule Bielefeld wird illustriert, wie dort mit den Herausforderungen im Distanzunterricht umgegangen wird. Die Lehrkräfte gelangen dort trotz intensiver Bemühungen an Grenzen und erleben insbesondere den Wechsel zwischen Distanz- und Präsenzunterricht für die Schüler*innen mit SPF als hohe Belastung. Für das deutsche Bildungssystem muss perspektivisch befürchtet werden, dass eine ohnehin benachteiligte Gruppe von Schüler*innen, die seit Beginn der Covid-19-Pandemie zum Teil neun Monate nicht in der Schule war, in ihren Bildungschancen noch stärker benachteiligt wird. Die langfristigen gesellschaftlichen Auswirkungen der Schulschließungen sind heute noch kaum abzusehen. Diese aufzudecken wird Aufgabe der (Bildungs-)Forschung sein. Schlüsselbegriffe: Covid-19-Pandemie, Distanzunterricht, Inklusion, Sonderpädagogischer Förderbedarf School Closure during Covid-19-Pandemic - Perspectives on Students with Special Educational Needs Summary: The article addresses the situation of students with special educational needs (SEN) regarding the Covid-19-pandemic. In this context it is discussed how the difficult learning conditions of students with SEN and family risk factors make distance learning more challenging. The personal support by the (special education) teacher for the students’ academic development can hardly be compensated via telephone and/ or digital media, given that these are available and accessible for the students with SEN. Using the example of the Laborschule Bielefeld (LS), an inclusive laboratory school in North-Rhine Westphalia, we illustrate how the challenges of distance learning are dealt with there. Despite intensive efforts, the teachers at the LS experience certain barriers in supporting the students with SEN. Especially the alternation between distance and face-to-face teaching is seen as a particular strain for the students with SEN. For the German education system, it is to be expected that an already underprivileged group of students - some of whom have not been to school for nine months prior to the outbreak of Covid-19 - will be even more disadvantaged in their educational opportunities. The long-term effects of the school closures can hardly be anticipated. Elucidating these will be the task of (educational) research in the coming years. Keywords: Covid-19-Pandemic, Homeschooling, Inclusive Education, Special Educational Needs Sonderpädagogische Förderung auf Distanz 293 Ausgangslage - Wie ist es bisher gelaufen? Nach mehr als einem Jahr Pandemie in Deutschland mehren sich die Anzeichen, dass Schüler*innen mit benachteiligenden Entwicklungsbedingungen - zu denen überproportional häufig Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (SPF) gehören - von den Herausforderungen des Distanzunterrichts in besonderer Weise beeinträchtigt werden. Schon eine im April 2020 veröffentlichte Befragung in Deutschland, Österreich und der Schweiz (Huber et al., 2020) wies auf die schwierige Situation sozial benachteiligter Schüler*innen hin: „,(Bildungs-) Verliererinnen und -verlierer‘ in der aktuellen Situation sind wahrscheinlich Schülerinnen und Schüler aus sozio-ökonomisch (hoch) benachteiligten Elternhäusern“ (ebd., S. 108). Dass die sehr heterogene und besonders vulnerable Gruppe von Schüler*innen mit SPF in den kurzfristig verfügten, für alle Schüler*innen gleichermaßen geltenden Regelungen der Länder zunächst gar nicht berücksichtigt wurden, zeigte eine Studie von Casale, Börnert-Ringleb und Hillenbrand (2020): in einer Analyse der Erlasse und Verordnungen kamen selbst Kinder mit umfangreichen Behinderungen an Förderschulen oder an inklusiven Schulen trotz teilweise erheblichem Unterstützungsbedarf (z. B. in der Pflege und in der individuellen Lernbegleitung) zunächst nicht vor. Eltern, die plötzlich allein und ohne die sonst gewährte Hilfe nach SGB VIII, IX oder XII (z. B. Schulbegleitungen, ambulante Pflegedienste, soziale Gruppenangebote, spezifische Therapien) mit ihren teils schwer beeinträchtigten Kindern den Alltag und das schulische Lernen bestreiten mussten, berichteten in Blogs und Zeitungsberichten von ihrer verzweifelten Situation, erst seit Jahresbeginn 2021 werden sie stärker berücksichtigt. Aber auch Schüler*innen mitUnterstützungsbedarfen in den Bereichen Lernen, Sprache oder emotional-soziale Entwicklung, die keine Leistungen nach SGB bekommen, und ihre Familien stehen bis heute vor großen Herausforderungen, u. a. weil die Schüler*innengruppe nicht selten Konzentrations-, Motivations- und Selbstregulationsschwierigkeiten aufweist. Hinzu kommt das Fehlen einer gleichbleibenden Tagesstrukturierung und direkter Kontakte zu Lehrkräften und Mitschüler*innen, was im Zusammenspiel mit sprachlichen Verständnisschwierigkeiten, beeinträchtigten Lesefertigkeiten oder einem eingeschränkten Vorwissen in Bezug auf schulisch relevante Themen dazu führen kann, dass die von Lehrkräften digital und meist schriftlich übermittelten Aufgaben kaum verstanden oder selbstständig bearbeitet werden können. Zudem sind diese Schüler*innen weit überwiegend von sozio-ökonomischen Benachteiligungen und belasteten Lebenslagen betroffen. Die Eltern können oftmals kaum angemessene Hilfestellungen beim Lernen geben, und es mangelt nicht selten an einem Zugang zu digitalen Endgeräten oder einem eigenen Arbeitsplatz, der konzentriertes Arbeiten ermöglichen könnte. Da verschiedene Hilfesysteme während des Lockdowns für die Familien nicht mehr zugänglich waren, ist eine dadurch entstandene Mehrbelastung sowohl psycho-sozial als auch finanziell (z. B. aufgrund fehlender Mahlzeiten-Angebote in den Schulen) evident. Verschiedene Studien betonen vor allem die persönliche Beziehung zur Lehrkraft, welche für die Entwicklung der Schüler*innen mit SPF von großer Bedeutung ist (Ravens-Sieberer et al., 2021). In Zeiten der Schulschließung ist vor dem Hintergrund der skizzierten Risikolagen davon auszugehen, dass der fehlende persönliche Kontakt kaum angemessen kompensiert werden kann. Wie sieht die aktuelle Lage aus? Auch wenn die inzwischen erworbenen Kompetenzen und Erfahrungen sowohl der Lehrkräfte als auch der Schüler*innen mit dem digitalen Lernen deutlich besser sein dürften als zu Beginn der Pandemie, muss die Situation für Schüler*innen aus benachteiligten Familien mit Blick auf ihren Bildungserfolg und ihre psychische und gesundheitliche Belastung als äußerst prekär eingeschätzt werden (z. B. Ravens-Sieberer et al., 2021). 294 Birgit Lütje-Klose, Sabine Geist, Janka Goldan Seit Dezember 2020 befinden sich die Schulen in einem ständigen Wechsel aus Präsenz- und Distanzunterricht. In Abhängigkeit vom Bundesland und den Regelungen der regionalen Schulträger gibt es zahlreiche Jahrgänge, deren Schüler*innen in der ersten Jahreshälfte 2021 noch gar keinen Präsenzunterricht hatten. Das Bundesland Nordrhein-Westfalen hat bis zu den Osterferien 2021 versucht, weitgehend am Präsenzunterricht festzuhalten. Während die Förderschulen mit ihren kleineren Lerngruppen teilweise wieder zum vollständigen Präsenzunterricht zurückkehren konnten, wurde an den allgemeinen Schulen in der Regel wechselnd mit halben Gruppengrößen unterrichtet. Trotz Einführung der regelmäßigen Testpflicht für Schüler*innen, überwiegt seit April je nach Inzidenzwert der Kommunen allerdings das Distanzlernen. Zwar ist die Notbetreuung für die Schüler*innen mit SPF aller Jahrgangsstufen landesweit geöffnet, allerdings handelt es sich dabei ausschließlich um ein Betreuungs- und kein Unterrichtsangebot, d. h. die Schulen stellen entsprechend § 3 Absatz 7 der Zweiten Verordnung zur befristeten Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnungen lediglich die Räumlichkeiten zur Teilnahme am Distanzunterricht zur Verfügung. In Anbetracht der beschriebenen Risikolagen und Unterstützungsbedarfe der Schüler*innen ist dies jedoch als unzureichend zu betrachten. Vielmehr bedarf es ausgebildeten Personals und eines pädagogischen Konzepts, das darauf ausgerichtet ist, den ohnehin schon benachteiligten Schüler*innen nicht weiter in ihrer Entwicklung zu schaden. Wie kann man als Schule gegensteuern? Die Laborschule Bielefeld hat als inklusive Versuchsschule des Landes Nordrhein-Westfalen bereits März 2020 ein umfassendes Konzept entwickelt, das die Bedarfe aller Schüler*innen und insbesondere jener mit SPF im Distanzlernen in den Blick nimmt (vgl. Goldan, Geist & Lütje-Klose, 2020). Das Selbstverständnis des Kollegiums als „Verantwortungsgemeinschaft“, die die Herausforderungen (nicht nur) in der Pandemie gemeinsam trägt und dafür sorgt, dass „kein Kind verloren geht“, erfordert die multiprofessionelle Kooperation in den Gruppen- und Jahrgangsteams. Diese hat sich in der Laborschule als maßgebliche Bedingung und Ressource erwiesen: die noch regelmäßiger als sonst durchgeführten, digitalen Teamsitzungen wurden genutzt, um gemeinsam und arbeitsteilig zu planen, voneinander zu lernen und auch unter schwierigen Bedingungen in enger Kommunikation mit den Eltern zu bleiben. Für die Schüler*innen in der Notbetreuung wurden unterstützende Maßnahmen etabliert: Arbeitsplätze wurden eingerichtet und vor Ort wurden die Schüler*innen von Sonderpädagog*innen, Schulsozialarbeiter*innen, Ganztagskräften und teilweise von Studierenden oder Ehrenamtlichen beim individuellen Lernen unterstützt. Schon lange vor der Pandemie hat die Schule individualisierte Lernformate, die das eigenständige Arbeiten der Kinder an Projekten wie Jahresarbeiten und Portfolios fördern, konzeptionell verankert und zum Prinzip erhoben. Genau dies stellt sich auch für die Arbeit im Distanzunterricht während der Pandemie als Vorteil und Erleichterung heraus. Vielen Schüler*innen der Laborschule fällt das selbstständige, aber unter stetem Monitoring der Lehrkräfte stattfindende Zeitmanagement und eigenständige Erarbeiten von Themen möglicherweise weniger schwer, auch wenn sie teilweise die Einsamkeit des häuslichen Lernens oder einen hohen Leistungsdruck durch die Eltern beklagen. Der Kontakt mit den besonders vulnerablen Schüler*innen und ihren Eltern ist dennoch weiterhin schwierig geblieben: Die Lehrkräfte müssen viel Energie einsetzen, um diese unterstützen zu können. Insbesondere die lange Phase der 2. Schulschließung (Mitte Dezember 2020 bis März 2021) erschwerte regelmäßige Gespräche der Lehrkräfte mit Kindern und Eltern zunehmend. Gerade dies ist zurzeit aber besonders bedeutsam: Einige Eltern, die von der Pandemie selbst stark betroffen sind (finanziell und/ oder auch in ihrer psychischen Verfasst- Sonderpädagogische Förderung auf Distanz 295 heit), haben trotz des erheblichen Einsatzes der Lehrkräfte große Sorge um das Fortkommen ihrer Kinder. Als Versuchsschule des Landes NRW gehört eine systematische Erforschung schulinterner (Entwicklungs-)Projekte zum Auftrag der Laborschule. In diesen Lehrer-Forscher-Projekten arbeiten Wissenschaftler*innen und Lehrkräfte gemeinsam an Fragestellungen, die für andere Schulen ebenfalls von Relevanz sein können. Im Rahmen des WILS-Projekts (Wohlbefinden und Inklusion an der Laborschule, vgl. u. a. Geist, Kullmann, Lütje-Klose & Siepmann, 2019) wird seit 2015 regelmäßig untersucht, wie sich die Schüler*innen hinsichtlich verschiedener Dimensionen des schulischen Wohlbefindens entwickeln. Dieses Projekt wurde als WILS-Co Projekt im Verlauf der Covid-19-Pandemie fortgesetzt. Neben dem Wohlbefinden liegt der Fokus auf der subjektiven Wahrnehmung der Schüler*innen zur Situation während des Lockdowns und danach. Im Herbst 2020 wurden Daten in den Jahrgängen 6 bis 10 erhoben, ein zweiter Erhebungszeitpunkt ist für Mai 2021 geplant. Erste Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Schüler*innen mit den individualisierten digitalen Arbeitsformen und hoch frequenten Rückmeldeformaten durch die Lehrkräfte überwiegend zufrieden waren. Trotz des ausgewiesenen Konzeptes zur Lern- und Entwicklungsbegleitung und eines erheblichen Aufwandes der Lehrkräfte zeigt sich aber, dass sich Kinder mit SPF stärker in ihrem schulischen Selbstwert beeinträchtigt fühlen als Schüler*innen ohne SPF. Auch soziale Probleme werden von ihnen stärker wahrgenommen als von ihren Peers. Eine differenzierte Darstellung der Ergebnisse ist im Laufe des Jahres 2021 geplant. Folgen der Pandemie - konzeptionelle Erfordernisse und Forschungsbedarfe Die Corona-Phase und das Lernen auf Distanz haben gezeigt, wie wichtig es ist, dass Lehrkräfte über eine tragfähige und vertrauensvolle (Arbeits-)Beziehung mit ihren Schüler*innen verfügen. Insofern scheint es nun nach der langen Zeit der wechselnden, instabilen Lernsituationen geboten, der Stabilisierung der Beziehungen zwischen Lehrkräften, Schüler*innen und auch deren Eltern eine besondere Bedeutung zuzumessen. Miteinander im Gespräch bleiben, die Sorgen und Ängste ernst nehmen und psycho-soziale Unterstützungsnotwendigkeiten für Kinder und deren Familien bei Bedarf anzubahnen, sollte eine der vordringlichen Aufgaben der an Schulen multiprofessionell arbeitenden Teams sein. Fragt man Schüler*innen, was sie insbesondere vermisst haben in der langen Zeit der Pandemie, so sprechen sie vor allem von fehlenden sozialen Kontakten, von Freund*innen, der direkten Begegnung mit Menschen. Das Leben und Lernen in der sozialen Gemeinschaft ist gerade für viele Schüler*innen, die mit dem Lernen Probleme haben, von großer Bedeutung. Sie profitieren besonders von ihren leistungsstärkeren Mitschüler*innen und dem anregenden Lernmilieu in der Schule. Sie erfahren persönliche Wertschätzung in der Gruppe, erleben sich selbst als bedeutsam und selbstwirksam. Viele Kinder, insbesondere solche mit Schwierigkeiten beim Lernen, haben indes in dieser Zeit die Freude am Lernen verloren. Ihnen spannende Lernangebote zu machen, die an ihren Stärken ansetzen, ihr Selbstbewusstsein und ihre Leistungszuversicht wiederaufbauen, sollte zunächst im Fokus stehen. Erst dann kann es gelingen, entstandene Lücken „mit Bedacht“ zu schließen. Angebote in den Ferien, in denen Kindern und Jugendlichen ein „vielfältiger Lernrucksack“ geschnürt wird, tragen vermutlich langfristig mehr zur Lern- und Leistungsentwicklung bei als Angebote von Nachhilfeinstituten. Da die Folgen der Pandemie für die Bildungs- und Erwerbsbiografie der heutigen Schüler*innen kaum abzusehen sind, aber zu befürchten ist, dass sie sich insbesondere für sozial benachteiligte Schüler*innen bis ins Erwachsenenalter auswirken werden, scheint eine wissenschaftliche Aufarbeitung dringend geboten. Obgleich das geplante Zwei-Milliarden- Aktionsprogramm der Bundesregierung zur Un- 296 Birgit Lütje-Klose, Sabine Geist, Janka Goldan terstützung dieser Schüler*innen begrüßenswert ist, wird die Herausforderung darin bestehen, diese Mittel in einem dezentral organisierten Bildungssystem wie Deutschland so einzusetzen, dass sie nicht „mit der Gießkanne“ verteilt werden, sondern gerade die Schüler*innen und Schulen erreichen, denen aus dieser Pandemiesituation ein Nachteil erwachsen ist. Neben vielfältigen Forschungsfragen, die sich aus dem massiv erfolgten Digitalisierungsschub in den Schulen ergeben, wird eine, wenn nicht die zentrale Aufgabe der Forschung in den kommenden Jahren darin bestehen, die Entwicklung der Schüler*innen vor allem an kritischen Stellen in der Bildungsbiografie (z. B. Übergänge, Abschlussprüfungen) zu untersuchen, um eine datengestützte Bildungssteuerung zu ermöglichen. Hierfür sollte seitens der Bildungsadministration die Bereitschaft bestehen, vorhandene Daten (z. B. Schüler*innenindividualdaten, Leistungsdaten) auch für die Forschung zur Verfügung zu stellen. Literatur Casale, G., Börnert-Ringleb, M. & Hillenbrand, C. (2020). Fördern auf Distanz? Sonderpädagogische Unterstützung im Lernen und in der emotional-sozialen Entwicklung während der COVID-19 bedingten Schulschließungen in den Regelungen der Bundesländer. Zeitschrift für Heilpädagogik, 71, 254 - 267. Geist, S., Kullmann, H., Lütje-Klose, B. & Siepmann, C. (2019). Subjektive Wahrnehmung von Inklusion durch Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf an der Laborschule Bielefeld. In Biermann, C., Geist, S. & Kullmann, H. (Hrsg.), Inklusion im schulischen Alltag: Praxiskonzepte und Forschungsergebnisse aus der Laborschule Bielefeld (S. 235 - 259). Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Goldan, J., Geist, S. & Lütje-Klose, B. (2020). Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf während der Corona-Pandemie. Herausforderungen und Möglichkeiten der Förderung - Das Beispiel der Laborschule Bielefeld. Die Deutsche Schule, 16, 189 - 201. https: / / doi.org/ 10.31244/ 9783830992318.12 Huber, S.G., Günther, P. S., Schneider, N., Helm, C., Schwander, M., Schneider, J. A. & Pruitt, J. (2020). COVID- 19 - aktuelle Herausforderungen in Schule und Bildung. Erste Befunde des Schul-Barometers in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Münster: Waxmann. https: / / doi. org/ 10.31244/ 9783830942160 Ravens-Sieberer, U., Kaman, A., Otto, C., Adedeji, A., Napp, A.-K., Becker, … Hurrelmann, K. (2021). Seelische Gesundheit und psychische Belastungen von Kindern und Jugendlichen in der ersten Welle der COVID-19-Pandemie - Ergebnisse der COPSY-Studie. Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz. https: / / doi.org/ 10.1007/ s00103-021-03291-3 Prof. Dr. Birgit Lütje-Klose Professur für Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt schulische Inklusion und sonderpädagogische Professionalität Universität Bielefeld Fakultät für Erziehungswissenschaft Postfach 100131 33615 Bielefeld E-Mail: birgit.luetje@uni-bielefeld.de Dr. phil. Sabine Geist Didaktische Leiterin an der Laborschule Bielefeld Laborschule Bielefeld Universitätsstr. 21 33615 Bielefeld E-Mail: sabine.geist@uni-bielefeld.de Dr. phil. Janka Goldan Akademische Rätin auf Zeit Universität Bielefeld Fakultät für Erziehungswissenschaft Postfach 100131 33615 Bielefeld E-Mail: janka.goldan@uni-bielefeld.de
