eJournals Psychologie in Erziehung und Unterricht 69/1

Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
11
2022
691

Empirische Arbeit: Evaluation des KlasseKinderSpiels im Kontext einer tutoriellen Leseförderung

11
2022
Markus Spilles
Tobias Hagen
Thomas Hennemann
In der aktuellen Untersuchung wird mit einer Stichprobe von 69 Kindern mit externalisierenden Verhaltensproblemen (dritte und vierte Jahrgangsstufe) die Wirkung des KlasseKinderSpiels im Kontext einer tutoriellen Lesefördermethode (reziprokes Lehren) evaluiert. In einem Zwei-Gruppen-Design wird überprüft, ob der zusätzliche Einsatz des KlasseKinderSpiels während der tutoriellen Maßnahme zu einer verbesserten Regeleinhaltung, einer allgemeinen Verhaltensförderung, einer erfolgreicheren Leseförderung und einer gesteigerten sozialen Integration der Kinder führt. Die Studienergebnisse sprechen insgesamt eher für die Förderung ohne Klasse?Kinder?Spiel. Bei der Betrachtung der Subgruppen zeigt sich jedoch rein deskriptiv, dass Kinder mit starken Verhaltensproblemen während der Umsetzung des KlasseKinderSpiels eine bessere Regeleinhaltung zeigten. Die Befunde werden methodisch und pädagogisch diskutiert. Weiterhin werden Implikationen für den schulischen Einsatz und weitere Forschungsvorhaben abgeleitet.
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n Empirische Arbeit Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2022, 69, 54 -68 DOI 10.2378/ peu2020.art30d © Ernst Reinhardt Verlag Evaluation des KlasseKinderSpiels im Kontext einer tutoriellen Leseförderung Markus Spilles, Tobias Hagen, Thomas Hennemann Universität zu Köln Zusammenfassung: In der aktuellen Untersuchung wird mit einer Stichprobe von 69 Kindern mit externalisierenden Verhaltensproblemen (dritte und vierte Jahrgangsstufe) die Wirkung des KlasseKinderSpiels im Kontext einer tutoriellen Lesefördermethode (reziprokes Lehren) evaluiert. In einem Zwei-Gruppen-Design wird überprüft, ob der zusätzliche Einsatz des KlasseKinderSpiels während der tutoriellen Maßnahme zu einer verbesserten Regeleinhaltung, einer allgemeinen Verhaltensförderung, einer erfolgreicheren Leseförderung und einer gesteigerten sozialen Integration der Kinder führt. Die Studienergebnisse sprechen insgesamt eher für die Förderung ohne KlasseKinderSpiel. Bei der Betrachtung der Subgruppen zeigt sich jedoch rein deskriptiv, dass Kinder mit starken Verhaltensproblemen während der Umsetzung des KlasseKinderSpiels eine bessere Regeleinhaltung zeigten. Die Befunde werden methodisch und pädagogisch diskutiert. Weiterhin werden Implikationen für den schulischen Einsatz und weitere Forschungsvorhaben abgeleitet. Schlüsselbegriffe: KlasseKinderSpiel, tutorielles Lernen, reziprokes Lehren, externalisierende Verhaltensprobleme, soziale Integration Evaluation of the Good Behavior Game in the Context of a Peer-Tutored Reading Intervention Summary: The aim of the present study was to investigate the effects of the Good Behavior Game played during a peer-tutoring intervention (reciprocal teaching) with a sample of 69 children with externalized behavioral problems (third and fourth grades). Using a two-group-design the study examines, weather playing the Good Behavior Game in addition to peer tutoring could improve rule compliance, general behavior, reading skills and social inclusion of the children. The results reveal that the intervention without the Good Behavior Game was slightly more successful. A closer examination of the descriptive statistics leads to the hypothesis, that children with strong behavioral problems showed an improved rule compliance when the Good Behavior Game was played additionally. The discussion contains methodological and pedagogical issues as well as perspectives for the educational implementation and further research proposals. Keywords: Good Behavior Game, peer-tutoring, reciprocal teaching, externalized behavioral problems, social inclusion Schülerinnen und Schüler mit externalisierenden Verhaltensproblemen (VP) stellen für Lehrkräfte eine große Herausforderung dar. In der Schule konkretisieren sich diese bspw. in Regelverletzungen und negativen Interaktionen mit Mitschülerinnen und Mitschülern (Simpson, 2004). Aufgrund gemeinsamer Ursachen und Wechselwirkungen ergeben sich häufig auch weitere Beeinträchtigungen wie Lernschwierigkeiten (Visser, Büttner & Hasselhorn, 2019) oder eine verminderte soziale Integration in inklusiven Lerngruppen (Krull, Wilbert & Hennemann, 2018). In der Grundschule zeigen in Abhängigkeit von Alter und Geschlecht 4,5 % bis 15,6 % der Kinder klinisch bedeutsame Anzeichen für externalisierende Störungen (ADHS: 4,5 % bis 11,5 %, Störungen Author Note: Markus Spilles ist inzwischen am Institut für Bildungsforschung an der Bergischen Universität Wuppertal tätig. Evaluation des KlasseKinderSpiels 55 des Sozialverhaltens: 12,1 % bis 15,6 %; Klasen et al., 2016). Aus den multiplen Problembereichen und Prävalenzzahlen ergibt sich die Notwendigkeit, diese Zielgruppe bereits zu einem frühen Zeitpunkt umfassend zu unterstützen. Tutorielle Lernverfahren (TL) bieten hier einen Ansatzpunkt. TL bilden eine Klasse von Methoden, bei denen sich Schülerinnen und Schüler gegenseitig im Kompetenzerwerb unterstützen. Durch individualisierte Instruktionen, wiederholende Übungen und regelmäßiges Feedback unterrichtet dabei meist ein kompetentes Kind (Tutorin bzw. Tutor) ein anderes Kind mit Kompetenzdefiziten (Tutandin bzw. Tutand) (Utley, Mortweet & Greenwood, 1997). Gerade für die inklusive Unterrichtsgestaltung bieten TL eine vielversprechende Option, da hierbei individuelle Lernvoraussetzungen berücksichtigt und Potenziale in heterogenen Lerngruppen systematisch genutzt werden können (Spilles, Hagen & Hennemann, 2018). Internationale Metaanalysen weisen allgemeinhin mittlere bis stark positive Effekte im Hinblick auf die Aneignung von Kulturtechniken wie Lesen oder Rechnen nach, wobei auch Kinder mit VP deutlich profitieren (Bowman-Perrott et al., 2013; Grünke, 2006). Erklärt werden kann dies u. a. dadurch, dass zusätzliche Zeit für das Aufholen von Wissensrückständen investiert wird, der Lernstoff durch direkte Fragen und Korrekturen aktiver verarbeitet werden kann, konkrete Lerntechniken erworben werden und gegenseitige Ermutigungen bei Lernschwierigkeiten stattfinden (Haag, 2014). Weiterhin bestätigen Übersichtsarbeiten günstige Wirkungen tutorieller Methoden auf das Sozialverhalten (Ginsburg- Block, Rohrbeck & Fantuzzo, 2006) oder die soziale Integration (Spilles et al., 2018). Diesbezüglich erscheinen insbesondere die positive Abhängigkeit der Tandems sowie der regelmäßige Kontakt im Unterricht bedeutsam (ebd.). Gruppenkontingenzverfahren im Kontext tutorieller Lernverfahren Die oben genannten Effekte tutorieller (und kooperativer) Lernverfahren werden laut einigen Metastudien (bspw. Rohrbeck, Ginsburg- Block, Fantuzzo & Miller, 2003; Ginsburg- Block et al., 2006) durch den Einsatz interdependenter Gruppenkontingenzverfahren verstärkt. Hierbei handelt es sich um lerntheoretisch fundierte Methoden, bei denen der Erfolg eines Individuums vom Verhalten der zugehörigen Gruppe abhängig ist (Hillenbrand & Pütz, 2008). Bei populären Konzepten wie den Peer- Assisted Learning Strategies (Fuchs et al., 2001) werden Paare zur Förderung des Lern- und Sozialverhaltens in regelmäßig wechselnden Intervallen jeweils einem von zwei Klassenteams zugewiesen. Die Tandems erhalten z. B. für richtig gelöste Aufgaben Punkte, die am Ende der Woche auf Gruppenebene ausgewertet werden (Ernennung eines Gewinnerteams). Untersuchungsergebnisse bestätigen, dass Studien, bei denen solche Verfahren implementiert wurden, im Durchschnitt bessere Effekte im Hinblick auf den Lernzuwachs (Rohrbeck et al., 2003) und die Förderung sozialer Kompetenzen (Ginsburg-Block et al., 2006) erzielten. Entsprechend sollten Lehrkräfte dies ggf. bei der Durchführung berücksichtigen - insbesondere bei der Förderung von Kindern mit VP. Good Behavior Game Eine spezifische Variante der interdependenten Gruppenverstärkung stellt das Good Behavior Game (GBG) dar (Barrish, Saunders & Wolf, 1969). Der Ablauf des Spiels ist sehr simpel und weist deutliche Parallelen zu Gruppenkontingenzverfahren im Rahmen peer-gestützter Lernverfahren auf: Im Wesentlichen (mit einigen Variationen) werden 1) Kinder einem von mehreren Klassenteams zugeordnet, 2) Regelverstöße für unangemessene Verhaltensweisen auf Teamebene aufsummiert und 3) Kinder des Teams mit den wenigsten Regelverstößen belohnt (Bowman-Perrott, Burke, Zaini, Zhang & Vannest, 2016). Metaanalysen untermauern eine positive Wirkung auf lernbezogenes (TauU = .59) und störendes (TauU = .81) Verhalten, insbesondere bei Schülerinnen und Schülern mit VP (TauU = .98) (ebd.). Auch zur universellen Förderung bei klinischen Verhaltensstörungen wie 56 Markus Spilles, Tobias Hagen, Thomas Hennemann ADHS wird die Implementation empfohlen (Fabiano & Pyle, 2019). Es lässt sich somit annehmen, dass das GBG auch eine günstige Option darstellt, wünschenswerte Verhaltensweisen von Kindern während TL zu fördern. Zusätzlich handelt es sich um eine sehr ökonomisch einsetzbare Fördermethode, die in dieser Hinsicht einigen in der Forschungsliteratur beschriebenen Vorgehensweisen im Rahmen TL überlegen ist. Hier werden meist aufwendige Verfahren zur Leistungserfassung und -bewertung verwendet, die für Lehrkräfte nicht ohne Weiteres im Unterricht implementierbar sind. Die Ökonomie von Fördermethoden ist jedoch für Lehrkräfte und Schulkinder ein wesentliches Akzeptanzkriterium (Tingstrom, 1994). Forschungsdesiderat Der Einsatz des GBG im Kontext von TL erscheint vielversprechend, da über diese Methode vermutlich erwünschtes Verhalten in der Tandemarbeit (bspw. positive Interaktionen, hohes Lernengagement, Verhinderung von Unterrichtsstörungen) unterstützt und infolgedessen eine effektivere Lernförderung ermöglicht wird. Zum aktuellen Zeitpunkt liegen jedoch fast keine Untersuchungen hierzu vor. Die einzige Studie (Spilles, Hagen & Hennemann, 2019) evaluiert eine deutschsprachige Variante des GBG im Rahmen der tutoriellen Leseflüssigkeitsfördermethode Lautlesetandems (Rosebrock, Nix, Rieckmann & Gold, 2011). In der kontrollierten Einzelfallstudie (Multiple-Baseline Design) wurden die Entwicklungen der Leseflüssigkeit (curriculumbasierte Messung) sowie des respektvollen, lernbezogenen und störenden Verhaltens (direkte Verhaltensbeurteilung) von acht Kindern mit VP überprüft. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass tendenziell weniger störendes und mehr lernbezogenes Verhalten während des GBG gezeigt wurde. Bzgl. der Leseflüssigkeit ergab sich zudem eine signifikante Steigerung der Leseflüssigkeit bei den Tutandinnen und Tutanden. Die Effekte waren jedoch nur schwach bis mittelgroß, was u. a. durch die bereits in der Baseline eingesetzte Leseförderung (ohne GBG) zu erklären ist. Fragestellungen Aufgrund der schwachen Forschungslage sollen in der aktuellen Untersuchung die Wirkungen einer tutoriellen Förderung mit einer kombinierten Intervention aus tutorieller Förderung und GBG verglichen werden. Fokussiert werden dabei Effekte bei Kindern mit VP (operationalisiert über Probleme in den Bereichen oppositionelles/ störendes Verhalten und lernbezogenes Verhalten). Die Fragestellungen und Hypothesen lauten wie folgt: Fragestellung 1 (Regeleinhaltung) Führt der Einsatz des GBG im Kontext einer tutoriellen Förderung zu einer verbesserten Regeleinhaltung? Da es sich beim GBG um eine evidenzbasierte Verhaltensfördermethode handelt, die konkret auf eine verbesserte Regeleinhaltung fokussiert, werden vor dem Forschungshintergrund mindestens mittelstarke Effekte zugunsten der kombinierten Förderung erwartet. Fragestellung 2 (Verhalten global) Führt der Einsatz des GBG im Kontext einer tutoriellen Förderung zu einer allgemeinen Reduktion von Verhaltensproblemen? Es lässt sich vermuten, dass das GBG auch zu globaleren Verhaltensverbesserungen führt (Transfereffekt). Antizipiert werden schwach positive Effekte zugunsten der kombinierten Förderung, da TL an sich bereits positiv auf verhaltensbezogene Variablen wirken. Weiterhin werden Verhaltensweisen außerhalb des Fördersettings betrachtet. Fragestellung 3 (Lesekompetenz) Führt der Einsatz des GBG im Kontext einer tutoriellen Förderung zu einer verbesserten Lesekompetenzentwicklung? Aus den positiven Wirkweisen von Gruppenkontingenzverfahren im Rahmen peer-gestütz- Evaluation des KlasseKinderSpiels 57 ter Lernverfahren sowie aus ersten Forschungsbefunden zum Einsatz des GBG im Kontext TL lässt sich übergreifend ein schwach positiver Effekt zugunsten der kombinierten Förderung vermuten, da in beiden Gruppen Lesekompetenzen gefördert werden. Fragestellung 4 (soziale Integration) Führt der Einsatz des GBG im Kontext einer tutoriellen Förderung zu einer verbesserten sozialen Integration? Aktuelle Überlegungen zur Förderung sozialer Integration (Huber, 2019), bei denen mehrere Theorien (social-skills-deficit-model, social referencing theory, intergroup contact theory) berücksichtigt werden, postulieren möglicherweise günstige Einflüsse von peer-gestütztem Lernen, Classroom Management und Gruppenkontingenzverfahren. Weiterhin liegen international einige Studien vor, die den positiven Einfluss von TL auf die soziale Integration bestätigen. Aufgrund der antizipierten Reduzierung oppositioneller/ störender Verhaltensweisen (vgl. social-skills-deficit-model) und der expliziten Vermeidung negativer personenbezogener Rückmeldungen im Rahmen des GBG (vgl. social referencing theory) könnten leicht günstigere Effekte zugunsten der kombinierten Förderung vermutet werden. Allerdings könnte der kompetitive Charakter des GBG auch dazu führen, dass Kinder mit VP stärker negativ auffallen und sich somit potenziell positive Wirkungen von TL in diesem Bereich verringern (vgl. intergroup contact theory). Aus diesen Gründen wird bzgl. dieser Fragestellung keine Hypothese formuliert. Methode Stichprobe Zur Stichprobenakquise wurden Grundschulen im Umkreis einer nordrhein-westfälischen Großstadt angefragt. An der Untersuchung beteiligten sich sieben Schulen mit acht vierten und zwei jahrgangsgemischten Klassen (dritte und vierte Jahrgangsstufe). Daten wurden somit von 224 Kindern aus zehn Klassen erhoben. Im Rahmen der Publikation werden jedoch nur Kinder mit VP (31,3 %) in den Blick genommen. Die Identifizierung erfolgte anhand der Integrated Teacher Report Form (Volpe et al., 2018). Aufgrund fehlender Daten konnte ein Kind nicht mit in die Analysen einbezogen werden. Die verbleibenden 69 Kinder waren im Schnitt 10.17 Jahre alt (SD = 0.67, Min = 8.39, Max = 11.69). 30,4 % waren Mädchen. Bei 44,9 % der Kinder wurde zu Hause primär eine andere Sprache als Deutsch gesprochen. Die Verteilung auf die beiden Versuchsbedingungen ist nahezu identisch (vgl. Tabellen 1 - 4). Die Prävalenz in den einzelnen Klassen variiert zwischen zwei und zehn Kindern mit VP. Durchführung Studiendesign Die Untersuchung wurde zwischen Februar und Juni 2019 in Form eines quasiexperimentellen Zwei-Gruppen-Designs mit Prä-, Post- und Follow- Up-Erhebung und randomisierter Zuweisung auf Klassenebene durchgeführt (vgl. Abbildung 1). Fünf Klassen erhielten die kombinierte Förderung inklusive GBG, fünf Klassen die Förderung ohne GBG. In allen Klassen wurde die tutorielle Lernförderung in einer Einführungswoche zunächst grundlegend von jeweils zwei geschulten Trainerinnen bzw. Trainern in Kooperation mit den Klassenleitungen implementiert. Die erste Förderwoche verlief überall gleich. Ab der zweiten Förderwoche wurde in den Klassen der kombinierten Förderung zusätzlich das GBG gespielt. Nahezu alle abhängigen Variablen wurden bei den Prä-, Post- und Follow-Up-Erhebungen (T1, T3, T4) erfasst. Lediglich die Beurteilung der Regeleinhaltung während der tutoriellen Förderung erfolgte in einer Zwischenerhebung (T2) in Bezug zur ersten Förderwoche (hier wurde das GBG noch in keiner Klasse umgesetzt) und bei der Posterhebung (T3) in Bezug zu den letzten fünf Förderwochen (hier wurde das GBG in der Experimentalgruppe zusätzlich während der tutoriellen Förderung gespielt). 58 Markus Spilles, Tobias Hagen, Thomas Hennemann Tutorielle Leseförderung Als tutorielle Fördermethode wurde das reziproke Lehren (RL; Spörer, Demmrich & Brunstein, 2014) dreimal pro Woche à 30 Minuten implementiert. Das RL wurde ausgewählt, da es sich um eine evidenzbasierte Methode zur Leseverständnisförderung handelt, deren Effektivität bereits in verschiedenen Settings und für verschiedene Zielgruppen nachgewiesen wurde (Rosenshine & Meister, 1994; Spörer, Brunstein & Kieschke, 2009). In standardisierten Lesetests können in etwa schwache bis mittlere Effekte antizipiert werden (Rosenshine & Meister, 1994). In der aktuellen Studie wurden die Inhalte von Kurzgeschichten systematisch erschlossen, indem bzgl. jedes Textabschnitts die vier Strategien 1) unbekannte Wörter klären, 2) Abschnitt zusammenfassen, 3) mögliche Fragen stellen und 4) Textinhalte vorhersagen angewendet wurden. Ein Kind führte dabei durch die Schritte, das andere Kind wendete die Strategien an. Die Rollen wurden abschnittsweise gewechselt. Auf Basis der Lesekompetenzen und der soziometrischen Ergebnisse (s. u.) wurden leistungsheterogene Tandems aus Kindern gebildet, die vor der Förderung eher weniger sozialen Kontakt hatten, eine Zusammenarbeit jedoch nicht grundsätzlich ablehnten. Die Tandems wurden wöchentlich neu zusammengesetzt, sodass jedes Kind mit ca. sechs Kindern seiner Klasse das RL einmal umsetzen konnte und jedes Kind der Experimentalgruppe mit jedem Kind seiner Klasse mindestens einmal in einem GBG-Team war. Über diesen Weg wurde erhofft, eine Förderung der sozialen Integration zu unterstützen (vgl. intergroup contact theory). Die Einführung des RL entsprach den bei Spörer et al. (2014) beschriebenen Vorgehensweisen. Zusätzlich wurden gemeinsam mit den Kindern drei Verhaltensregeln erarbeitet: 1) Wir sprechen freundlich miteinander und hören einander gut zu. 2) Wir arbeiten selbstständig und konzentriert. 3) Wir arbeiten ruhig an unserem Platz. Die Regeleinhaltung wurde in allen Klassen regelmäßig reflektiert, eine systematische Verstärkung erfolgte jedoch nur in GBG-Klassen. Woche 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 -19 20 5 Klassen T1 Einf. RL RL / T2 RL RL RL RL RL T3 T4 5 Klassen T1 Einf. RL RL / T2 RL + KKS RL + KKS RL + KKS RL + KKS RL + KKS T3 T4 ¢ randomisierte Zuweisung å Messzeitpunkt Lehrkraftbefragung (*Trainerbefragung) Testung/ Befragung der Kinder T1 (Präerhebung) ITRF ELFE 1 -6, FEESS 3 -4, Soziometrie T2 (Zwischenerhebung) Regeleinhaltung der Kinder während der ersten Interventionswoche (Woche 3)* T3 (Posterhebung) ITRF, Regeleinhaltung der Kinder während der letzten fünf Interventionswochen (Woche 4 bis 8)* ELFE 1 -6, FEESS 3 -4, Soziometrie T4 (Follow-Up-Erhebung) ITRF ELFE 1 -6, FEESS 3 -4, Soziometrie Abb. 1: Untersuchungsaufbau Anmerkungen: RL: Reziprokes Lehren, KKS: KlasseKinderSpiel, ITRF: Integrated Teacher Report Form (Volpe et al., 2018), ELFE 1 - 6 (Lenhard & Schneider, 2006), FEESS 3 - 4: Fragebogen zur Erfassung emotional-sozialer Schulerfahrungen (Rauer & Schuck, 2003) Evaluation des KlasseKinderSpiels 59 KlasseKinderSpiel Zur Verstärkung der Regeleinhaltung während des RL wurde in fünf Klassen ab der zweiten Förderwoche eine deutschsprachige Adaption des GBG - das KlasseKinderSpiel (KKS; Hillenbrand & Pütz, 2008) - implementiert. Hierbei wurden die Tandems einem von zwei wöchentlich neu zusammengesetzten Teams zugewiesen. Bei der Durchführung übernahmen die Lehrerinnen die Rolle einer Schiedsrichterin und verteilten bei Verstößen gegen die drei Verhaltensregeln auf Gruppenebene Strafpunkte (Fouls). Die Kinder wurden explizit nicht persönlich ermahnt. Am Ende jeder Spielphase wurden alle Teams belohnt, die unter einer Grenze von fünf Fouls blieben. In einigen Klassen wurde die Foulgrenze nach oben angepasst, damit auch Teams mit stark verhaltensproblematischen Kindern die Chance auf einen Sieg erhielten. Belohnungen wurden bewusst nicht standardisiert und vor dem Hintergrund der Vorlieben der Schulkinder individuell festgelegt (bspw. konnten Gewinnerteams entscheiden, welches Spiel nach der Durchführung des RL gespielt werden sollte oder eine Belohnung aus einer Schatzkiste auswählen). Erhebungsinstrumente Fragestellung 1 (Regeleinhaltung) Zur Evaluation der Regeleinhaltung während der tutoriellen Förderung wurde von den Trainerinnen bzw. Trainern für jedes Kind ihrer Klasse eine Beurteilung der Regeleinhaltung hinsichtlich der ersten Interventionswoche (hier wurde in beiden Gruppen lediglich das RL umgesetzt) und der letzten fünf Interventionswochen (hier wurde in einer Gruppe zusätzlich das KKS gespielt) mithilfe einer sechsstufigen Ratingskala pro Regel vorgenommen. Berichtet werden die Summenwerte über alle drei Regeln hinweg. Die interne Konsistenz (Cronbach’s α ) der Gesamtskala weist zu beiden Messzeitpunkten gute Werte ( α = .83/ .82) auf. Fragestellung 2 (Verhalten global) Um Kinder mit VP zu identifizieren und deren Verhaltensverläufe abzubilden, wurde die Integrated Teacher Report Form (ITRF; Volpe et al., 2018) eingesetzt. Bei der ITRF beurteilen Lehrkräfte die Ausprägung problematischer Verhaltensweisen im Unterricht auf einer vierstufigen Skala. Die ITRF umfasst die Faktoren „Probleme im lernförderlichen Verhalten“ (LV) und „oppositionelles / störendes Verhalten“ (SV). Durch die Berechnung von Summenscores können im normorientierten Vergleich Schülerinnen und Schüler mit Problemen in beiden Verhaltensbereichen durch Cutoff-Werte identifiziert werden. Die ITRF weist eine hohe interne Konsistenz der Gesamtskala (Cronbach’s α = .92) sowie der beiden Subskalen ( α = .91/ .87) auf (ebd.) (bzgl. der aktuellen Stichprobe ergeben sich zu den drei Messzeitpunkten Werte zwischen α = .87 und α = .94). Die Klassifikationsgenauigkeit einschließlich der Cutoff-Scores zur Identifizierung von Kindern mit VP wurde durch einen Vergleich mit Werten aus der eher klinisch orientierten Teacher Report Form der Child Behavior Checklist (CBCL-TRF; Döpfner, Plück & Kinnen, 2015) ermittelt. Dementsprechend weisen Werte ab 13 (Gesamtskala), 10 (LV) und 5 (SV) auf ein relevantes Problemverhalten hin (Volpe et al., 2018). Fragestellung 3 (Lesekompetenz) Die Lesekompetenzentwicklung der Kinder wurde mit dem ELFE 1 - 6 Test (Lenhard & Schneider, 2006) überprüft, der das Leseverständnis auf Wort-, Satz-, und Textebene erfasst. Als Indikator für den Fördererfolg wird der Rohwert des Gesamttests betrachtet. Beide Parallelversionen wurden abwechselnd (Prä: A, Post: B, Follow-Up: A) eingesetzt. Die interne Konsistenz der einzelnen Untertests liegt für vierte Klassen im akzeptablen bis sehr guten Bereich. Die kriteriumsbezogene Validität des Gesamttests in Abgleich mit anderen Lesetestverfahren wird für vierte Klassen je nach Verfahren als mittel bis hoch und in Abgleich mit den Lehrkrafteinschätzungen zur Lesefertigkeit ihrer Kinder als hoch eingeschätzt. Die Retestreliabilität (14 Tage) liegt bei r = .95. Fragestellung 4 (soziale Integration) Die selbstwahrgenommene soziale Integration wurde über die Skala zur sozialen Integration des FEESS 3 - 4 (Rauer & Schuck, 2003) erfragt. Die interne Konsistenz für vierte Klassen ist gut (Cronbach’s α = .84) (bzgl. der aktuellen Stichprobe ergeben sich zu den drei Messzeitpunkten Werte zwischen α = .85 und α = .87). Die kriteriumsbezogene Validität wird durch schwache Korrelationen mit soziometrischen Indizes bestätigt. Die Retestreliabilität (vier Wochen) liegt bei r = .80. 60 Markus Spilles, Tobias Hagen, Thomas Hennemann Zur Bestimmung der sozialen Akzeptanz durch Mitschülerinnen und -schüler erfolgte eine soziometrische Befragung. Die Kinder sollten beurteilen, mit wem sie im Unterricht gerne zusammenarbeiten und mit wem nicht. Auf dieser Basis wurden klassenspezifische Wahlen und Ablehnungen bzgl. der Zusammenarbeit aufgedeckt. Reliabilitätswerte von soziometrischen Verfahren liegen zwischen r = .75 (Asher, Singleton, Tinsley & Hymel, 1979) und r = .80 (Bukowski & Newcomb, 1984) und sind als mittelmäßig bis gut zu beurteilen. Validitätskoeffizienten variieren nach Gottlieb, Gottlieb, Berkell und Levy (1986) im Bereich von r = .45 bis r = .80 (mittelmäßig bis hoch). Implementationsqualität Die Implementation der Fördermethoden wurde durch zwei geschulte Trainerinnen bzw. Trainer sichergestellt, die die Ein- und Durchführung gemeinsam mit den Klassenleitungen umsetzten. Die Implementationsqualität wurde zusätzlich von den Trainerinnen bzw. Trainern auf einem eigens entwickelten Implementationsbogen basierend auf den Ausführungen von Spörer et al. (2014) (RL) sowie Hillenbrand und Pütz (2008) (KKS) in Bezug zu jeder Förderwoche dokumentiert. Die Implementationsqualität betrug für die Einführung des RL 85 % (Min = 71,4 %, Max = 97,6 %), die Durchführung des RL 85,9 % (Min = 72,8 %, Max = 96,5 %) und die Durchführung des KKS 97 % (Min = 91,4 %, Max = 100 %). Die Werte beider Gruppen sind vergleichbar. Auswertungsverfahren Zur Analyse der Entwicklung beider Gruppen wurden Varianzanalysen mit dem zweifach gestuften Zwischensubjektfaktor Bedingung (RL, RL + KKS) sowie überwiegend mit dem dreifach gestuften Innersubjektfaktor Zeit (Prä, Post, Follow-Up) gerechnet. In Bezug zum Regelverhalten umfasst der Innersubjektfaktor nur zwei Stufen (Zwischen- und Posterhebung). Es werden jeweils die beiden Haupteffekte (Gruppe, Zeit) sowie der Interaktionseffekt (Zeit × Gruppe) berichtet. Die Entwicklungen der Gruppen werden zusätzlich deskriptiv dargestellt. Dabei werden auch Veränderungen der drei Subgruppen skizziert, die sich aus dem Verhaltensscreening ergeben (Kinder, die nur in jeweils einer der beiden ITRF-Skalen oder in beiden Skalen zugleich Problemwerte aufweisen). Aufgrund der geringen Stichprobengrößen werden keine varianzanalytischen Auswertungen der Subgruppen vorgenommen. Die Subgruppenergebnisse sind daher zurückhaltend zu interpretieren und lassen keine validen Schlussfolgerungen zu. Ergebnisse Voranalysen Um die Vergleichbarkeit der beiden Gruppen zu beurteilen, wurde zunächst auf Unterschiede getestet. Bzgl. des Geschlechts und der primär gesprochenen Sprache im Elternhaus konnten via Chi-Quadrat-Test keine signifikanten Differenzen festgestellt werden. Gleiches gilt für das Alter und alle abhängigen Variablen, die im Prätest erhoben wurden (via t-Test für unabhängige Stichproben). Fragestellung 1 (Regelverhalten) In den Analysen der Trainerinnen- und Trainerbeurteilungen ergeben sich keine signifikanten Ergebnisse im Haupteffekt der Gruppe (F (1, 67) = 0.05, p = .83, η ² = .001), im Haupteffet der Zeit (F (1, 67) = 0.73, p = .4, η ² = .011) sowie im Interaktionseffekt (F (1, 67) = 0.73, p = .4, η ² = .011). In der deskriptiven Darstellung deutet sich jedoch ein leicht negativer Trend für die Kinder der KKS-Gruppe an, während auch hier Kinder der Gruppe ohne KKS konstant bewertet werden. Bei Betrachtung der Subgruppen fallen einhergehend mit den Gesamtstichprobenergebnissen bei Kindern der KKS-Gruppe mit Problemwerten in lediglich einer ITRF-Skala (LV, SV) negative Trends auf. Kinder, die in beiden Skalen einen Risikowert aufweisen (LV/ SV) und entsprechend gravierendere VP haben, profitieren scheinbar vom Einsatz des KKS im Vergleich zur Gruppe ohne KKS (d korr = 0.58), was sich aufgrund der geringen Stichprobe (n = 25) jedoch statistisch nicht ausreichend prüfen lässt. Evaluation des KlasseKinderSpiels 61 Fragestellung 2 (Verhalten global) In Bezug zum oppositionellen/ störenden Verhalten (ITRF) zeigen sich insgesamt keine Unterschiede zwischen beiden Gruppen; F (1, 67) = 0.004, p = .95, η ² = .000. Eine leichte Veränderung über die Zeit wird bestätigt; F (2, 134) = 3.34, p < .05, η ² = .047. Die Post-Hoc-Analyse (Bonferroni) weist auf eine Abnahme des Störverhaltens zwischen Prä- und Posttest hin, ohne dass es jedoch zu einem signifikanten Ergebnis kommt (p = .052). Der Interaktionseffekt ist überzufällig und mittelstark; F (2, 134) = 4.35, p < .05, η ² = .061. Ein Blick in die deskriptive Darstellung (Tabelle 2) verdeutlicht, dass sich das störende Verhalten in der Gruppe ohne KKS reduziert, während sich in der KKS-Gruppe keine Veränderung ergibt. Auch bzgl. der Probleme im lernförderlichen Verhalten (ITRF) gibt es keine Gruppenunterschiede; F (1, 67) = 2.42, p = .13, η ² = .035. Übergreifend zeigt sich keine zeitliche Veränderung; F (1.77, 118.68) = 0.76, p = .46, η ² = .011 (Greenhouse-Geisser). Der Interaktionseffekt ist ebenso nicht signifikant; F (1.77, 118.68) = 0.33, p = .69, η ² = .005 (Greenhouse-Geisser). Bei der Subgruppenbetrachtung fällt auf, dass Kinder der Gruppe ohne KKS im Prä-Post- Vergleich tendenziell in den ITRF-Skalen profitieren, in denen sie Problemwerte aufweisen. Die deutlichsten positiven Veränderungen ergeben sich insgesamt für Kinder mit multiplen Problemen (LV/ SV) in der Gruppe ohne KKS. Fragestellung 3 (Lesekompetenz) Die Gruppen unterscheiden sich nicht hinsichtlich der Lesekompetenz; F (1, 67) = 0.38, p = .54, η ² = .006. Der Haupteffekt der Zeit verdeutlicht einen erwartungskonform starken Zuwachs; F (1.77, 118.5) = 119.46, p < .001, η ² = .641 (Greenhouse-Geisser). Die Post-Hoc-Analyse (Bonferroni) bestätigt signifikante Veränderungen (p < .001) zwischen allen drei Messzeitpunkten. Beide Gruppen entwickeln sich nicht unterschiedlich; F (1.77, 118.5) = 0.43, p = .63, η ² = .006 (Greenhouse-Geisser). Die deskriptiven Ergebnisse (Tabelle 3) zeigen, dass alle Subgruppen profitieren, besonders jedoch Kinder mit Problemen im lernförderlichen Verhalten (LV) der Gruppe ohne KKS. M ( SD) d [95 % CI] T2 T3 T2 / T3 Gesamtstichprobe RL (n = 34) RL + KKS (n = 35) RL RL + KKS 8.68 (3.17) 9.20 (3.68) 8.68 (2.60) 8.43 (3.20) 0.00 [-0.67, 0.67] -0.22 [-0.89, 0.44] LV RL (n = 7) RL + KKS (n = 6) RL RL + KKS 9.86 (2.48) 10.83 (2.04) 8.57 (3.31) 8.17 (2.14) -0.44 [-1.94, 1.06] -1.27 [-3.03, 0.48] SV RL (n = 13) RL + KKS (n = 18) RL RL + KKS 7.77 (3.27) 10.61 (3.55) 8.38 (2.50) 8.78 (3.87) 0.21 [-0.88, 1.30] -0.49 [-1.43, 0.45] LV/ SV RL (n = 14) RL + KKS (n = 11) RL RL + KKS 8.93 (3.34) 6.00 (2.49) 9.00 (2.48) 8.00 (2.57) 0.02 [-1.02, 1.07] 0.79 [-0.44, 2.02] Tab. 1: Fragestellung 1 (Regeleinhaltung) Anmerkungen: RL: Reziprokes Lehren, KKS: KlasseKinderSpiel, LV: Probleme im lernförderlichen Verhalten, SV: oppositionelles/ störendes Verhalten, T2: Zwischenerhebung (Regeleinhaltung der Kinder während der ersten Interventionswoche; hier wurde in beiden Gruppen lediglich das RL umgesetzt), T3: Posterhebung (Regeleinhaltung der Kinder während der letzten fünf Interventionswochen; hier wurde in einer Gruppe zusätzlich das KKS gespielt), p < .05 (t-Tests für verbundene Stichproben, Absicherung durch nicht-parametrische Tests) 62 Markus Spilles, Tobias Hagen, Thomas Hennemann M ( SD) d [95 % CI] T1 T3 T4 T1/ T3 T1/ T4 Gesamtstichprobe RL (n = 34) RL + KKS (n = 35) oppositionelles/ störendes Verhalten (ITRF) RL RL + KKS 9.06 (5.86) 7.49 (4.72) 6.24 (4.94) 7.71 (5.41) 7.15 (5.78) 7.46 (5.38) -0.52 [-1.20, 0.16] 0.04 [-0.62, 0.71] -0.33 [-1.01, 0.35] -0.01 [-0.67, 0.66] Probleme im lernförderlichen Verhalten (ITRF) RL RL + KKS 11.12 (5.89) 8.46 (6.13) 10.68 (5.59) 8.94 (7.47) 11.53 (6.30) 9.29 (7.42) -0.08 [-0.75, 0.60] 0.07 [-0.59, 0.73] 0.07 [-0.61, 0.74] 0.12 [-0.54, 0.79] LV RL (n = 7) RL + KKS (n = 6) oppositionelles/ störendes Verhalten (ITRF) RL RL + KKS 2.57 (1.51) 2.00 (1.67) 2.29 (2.06) 2.17 (2.64) 3.29 (2.36) 6.00 (5.06) -0.16 [-1.64, 1.33] 0.08 [-1.52, 1.68] 0.36 [-1.13, 1.86] 1.06 [-0.65, 2.77] Probleme im lernförderlichen Verhalten (ITRF) RL RL + KKS 11.71 (2.98) 13.17 (2.56) 9.71 (2.06) 12.17 (7.25) 14.29 (3.77) 13.33 (4.97) -0.78 [-2.32, 0.76] -0.18 [-1.79, 1.42] 0.76 [-0.78, 2.29] 0.04 [-1.56, 1.64] SV RL (n = 13) RL+KKS (n = 18) oppositionelles/ störendes Verhalten (ITRF) RL RL + KKS 8.69 (4.25) 7.44 (3.78) 6.77 (4.30) 7.22 (4.44) 5.15 (4.76) 6.50 (4.73) -0.45 [-1.55, 0.65] -0.05 [-0.98, 0.87] -0.79 [-1.91, 0.34] -0.22 [-1.15, 0.71] Probleme im lernförderlichen Verhalten (ITRF) RL RL + KKS 5.38 (2.79) 3.33 (2.74) 6.38 (2.50) 4.28 (4.69) 5.54 (4.20) 4.78 (5.14) 0.38 [-0.72, 1.47] 0.25 [-0.68, 1.18] 0.05 [-1.04, 1.13] 0.35 [-0.58, 1.28] LV/ SV RL (n = 14) RL + KKS (n = 11) oppositionelles/ störendes Verhalten (ITRF) RL RL + KKS 12.64 (5.72) 10.55 (4.66) 7.71 (5.64) 11.55 (5.24) 10.93 (5.82) 9.82 (6.21) -0.87 [-1.96, 0.23] 0.20 [-0.98, 1.39] -0.30 [-1.35, 0.76] -0.13 [-1.32, 1.05] Probleme im lernförderlichen Verhalten (ITRF) RL RL + KKS 16.14 (4.07) 14.27 (3.72) 15.14 (5.59) 14.82 (6.54) 15.71 (4.36) 14.45 (7.35) -0.21 [-1.26, 0.85] 0.10 [-1.08, 1.29] -0.10 [-1.15, 0.95] 0.03 [-1.15, 1.21] Tab. 2: Fragestellung 2 (Verhalten global) Anmerkungen: RL: Reziprokes Lehren, KKS: KlasseKinderSpiel, LV: Probleme im lernförderlichen Verhalten, SV: oppositionelles/ störendes Verhalten, ITRF: Integrated Teacher Report Form (Volpe et al., 2018), T1: Präerhebung, T3: Posterhebung, T4: Follow-Up-Erhebung, p < .05 (t-Tests für verbundene Stichproben, Absicherung durch nicht-parametrische Tests) Evaluation des KlasseKinderSpiels 63 M ( SD) d [95 % CI] T1 T3 T4 T1/ T3 T1/ T4 Gesamtstichprobe RL (n = 34) RL + KKS (n = 35) RL RL + KKS 52.00 (17.81) 53.89 (23.97) 63.03 (17.09) 67.20 (24.02) 70.29 (18.89) 73.51 (25.65) 0.63 [-0.06, 1.32] 0.56 [-0.12, 1.23] 1.00 [0.28, 1.71] 0.79 [0.10, 1.48] LV RL (n = 7) RL + KKS (n = 6) RL RL + KKS 44.43 (11.59) 41.50 (22.53) 63.00 (17.55) 56.33 (21.75) 70.57 (16.75) 61.83 (22.80) 1.25 [-0.37, 2.87] 0.67 [-0.98, 2.31] 1.82 [0.05, 3.58] 0.90 [-0.78, 2.58] SV RL (n = 13) RL + KKS (n = 18) RL RL + KKS 58.15 (22.37) 61.94 (24.41) 64.77 (20.75) 74.83 (24.10) 70.46 (23.66) 82.83 (25.55) 0.31 [-0.79, 1.40] 0.53 [-0.41, 1.47] 0.54 [-0.57, 1.64] 0.84 [-0.13, 1.80] LV/ SV RL (n = 14) RL + KKS (n = 11) RL RL + KKS 50.07 (14.44) 47.45 (20.81) 61.43 (13.99) 60.64 (22.69) 70.00 (16.12) 64.64 (23.28) 0.80 [-0.29, 1.89] 0.61 [-0.60, 1.82] 1.30 [0.15, 2.46] 0.78 [-0.45, 2.00] Tab. 3: Fragestellung 3 (Lesekompetenz) Anmerkungen: RL: Reziprokes Lehren, KKS: KlasseKinderSpiel, LV: Probleme im lernförderlichen Verhalten, SV: oppositionelles/ störendes Verhalten, ELFE 1 - 6 (Lenhard & Schneider, 2006): Betrachtet werden die Rohwerte des Gesamttests, T1: Präerhebung, T3: Posterhebung, T4: Follow-Up-Erhebung, p < .05 (t-Tests für verbundene Stichproben, Absicherung durch nicht-parametrische Tests) 64 Markus Spilles, Tobias Hagen, Thomas Hennemann M ( SD) d [95 % CI] T1 T3 T4 T1/ T3 T1/ T4 Gesamtstichprobe RL (n = 34) RL + KKS (n = 35) Soziale Integration (FEESS 3 -4) RL RL + KKS 22.59 (6.12) 22.89 (7.41) 23.85 (6.07) 23.57 (6.84) 23.97 (6.36) 24.00 (6.69) 0.21 [-0.47, 0.88] 0.10 [-0.57, 0.76] 0.22 [-0.45, 0.90] 0.16 [-0.51, 0.82] Wahl Zusammenarbeiten (Soziometrie) RL RL + KKS 5.82 (3.13) 6.69 (3.10) 7.15 (4.32) 6.91 (3.60) 7.12 (4.52) 7.03 (3.33) 0.35 [-0.33, 1.03] 0.07 [-0.60, 0.73] 0.33 [-0.34, 1.01] 0.11 [-0.56, 0.77] Ablehnung Zusammenarbeiten (Soziometrie) RL RL + KKS 13.88 (3.57) 13.51 (3.53) 12.68 (4.79) 13.14 (3.87) 12.62 (4.64) 12.80 (3.64) -0.28 [-0.96, 0.39] -0.10 [-0.76, 0.56] -0.30 [-0.98, 0.37] -0.20 [-0.86, 0.47] LV RL (n = 7) RL + KKS (n = 6) Soziale Integration (FEESS 3 -4) RL RL + KKS 26.29 (5.96) 25.00 (5.62) 26.57 (6.95) 24.00 (6.84) 24.00 (7.33) 23.50 (5.54) 0.04 [-1.44, 1.53] -0.16 [-1.76, 1.44] -0.34 [-1.84, 1.15] -0.27 [-1.88, 1.34] Wahl Zusammenarbeiten (Soziometrie) RL RL + KKS 8.71 (3.04) 6.00 (3.35) 12.29 (4.54) 6.17 (3.76) 12.43 (4.32) 6.50 (3.27) 0.93 [-0.63, 2.49] 0.05 [-1.55, 1.65] 1.00 [-0.58, 2.57] 0.15 [-1.45, 1.75] Ablehnung Zusammenarbeiten (Soziometrie) RL RL + KKS 14.29 (2.69) 14.17 (3.87) 11.00 (4.00) 14.17 (3.60) 10.57 (2.82) 13.67 (3.20) -0.97 [-2.53, 0.60] 0.00 [-1.60, 1.60] -1.35 [-2.99, 0.29] -0.14 [-1.74, 1.46] SV RL (n = 13) RL + KKS (n = 18) Soziale Integration (FEESS 3 -4) RL RL + KKS 22.23 (5.85) 22.33 (7.44) 24.15 (5.40) 22.89 (5.42) 25.38 (6.49) 23.11 (6.75) 0.34 [-0.75, 1.44] 0.09 [-0.84, 1.01] 0.51 [-0.60, 1.62] 0.11 [-0.82, 1.03] Wahl Zusammenarbeiten (Soziometrie) RL RL + KKS 5.85 (3.02) 7.22 (3.39) 6.31 (3.84) 7.33 (3.65) 6.46 (3.73) 7.78 (3.62) 0.13 [-0.96, 1.22] 0.03 [-0.89, 0.96] 0.18 [-0.91, 1.27] 0.16 [-0.77, 1.09] Ablehnung Zusammenarbeiten (Soziometrie) RL RL + KKS 13.23 (4.42) 13.06 (3.90) 12.85 (6.03) 12.94 (4.28) 12.62 (5.55) 12.17 (4.30) -0.07 [-1.16, 1.02] -0.03 [-0.95, 0.90] -0.12 [-1.21, 0.97] -0.22 [-1.14, 0.71] LV/ SV RL (n = 14) RL + KKS (n = 11) Soziale Integration (FEESS 3 -4) RL RL + KKS 21.07 (6.09) 22.64 (8.57) 22.21 (6.12) 24.45 (9.15) 22.64 (5.93) 25.73 (7.38) 0.19 [-0.86, 1.24] 0.20 [-0.98, 1.39] 0.26 [-0.79, 1.31] 0.39 [-0.81, 1.58] Wahl Zusammenarbeiten (Soziometrie) RL RL + KKS 4.36 (2.31) 6.18 (2.56) 5.36 (2.44) 6.64 (3.70) 5.07 (3.20) 6.09 (2.81) 0.42 [-0.64, 1.48] 0.15 [-1.04, 1.33] 0.25 [-0.80, 1.31] -0.03 [-1.22, 1.15] Ablehnung Zusammenarbeiten (Soziometrie) RL RL + KKS 14.29 (3.20) 13.91 (2.88) 13.36 (3.90) 12.91 (3.53) 13.64 (4.38) 13.36 (2.66) -0.26 [-1.31, 0.79] -0.31 [-1.50, 0.88] -0.17 [-1.22, 0.88] -0.20 [-1.38, 0.99] Tab. 4: Fragestellung 4 (soziale Integration) Anmerkungen: RL: Reziprokes Lehren, KKS: KlasseKinderSpiel, LV: Probleme im lernförderlichen Verhalten, SV: oppositionelles/ störendes Verhalten, FEESS 3 - 4: Fragebogen zur Erfassung emotional-sozialer Schulerfahrungen (Rauer & Schuck, 2003), T1: Präerhebung, T3: Posterhebung, T4: Follow-Up-Erhebung, p < .05 (t-Tests für verbundene Stichproben, Absicherung durch nicht-parametrische Tests) Evaluation des KlasseKinderSpiels 65 Fragestellung 4 (soziale Integration) Hinsichtlich der selbstwahrgenommenen sozialen Integration (FEESS 3 - 4) ergeben sich keine Haupteffekte der Gruppe (F (1, 67) = 0.00, p = .99, η ² = .000) und Zeit (F (2, 134) = 2.35, p = .10, η ² = .034) sowie kein Interaktionseffekt (F (2, 134) = 0.11, p = .89, η ² = .002). Es deuten sich jedoch positive Tendenzen an (Tabelle 4). In den soziometrischen Befragungen gibt es weder in den Wahlen (F (1, 67) = 0.05, p = .83, η ² = .001) noch in den Ablehnungen (F (1, 67) = 0.01, p = .92, η ² = .000) Gruppenunterschiede. Die Wahlen steigen mittelstark an (F (2, 134) = 7.3, p < .001, η ² = .098), die Ablehnungen verringern sich etwas deutlicher; F (1.83, 122.81) = 9.45, p<.001, η ² =.124 (Greenhouse-Geisser). Die Post- Hoc-Analyse (Bonferroni) bestätigt Veränderungen zwischen der Prä- und Post- (p < .05) sowie zwischen der Prä- und Follow-Up-Erhebung (p < .01) in den Wahlen und Veränderungen zwischen der Prä- und Post (p < .05) sowie zwischen der Prä- und Follow-Up-Erhebung (p < .001) in den Ablehnungen. Signifikante Interaktionseffekte gibt es weder für Wahlen (F (2, 134) = 3.04, p = .051, η ² = .043) noch für Ablehnungen; F (1.83, 122.81) = 1.55, p = .22, η ² = .023 (Greenhouse-Geisser). Die Mittelwertentwicklungen sprechen jedoch für eine günstigere Entwicklung in der Gruppe ohne KKS (Gesamtstichprobe). Die Betrachtung der Subgruppen offenbart insbesondere für Kinder mit Problemen im lernförderlichen Verhalten (LV) in der Gruppe ohne KKS eine deutlich positive Veränderung bzgl. der soziometrischen Ergebnisse. Weiterhin fällt auf, dass sich lediglich für Kinder mit multiplen Problemen (LV/ SV) in der KKS-Gruppe eine signifikante Verbesserung in der selbstwahrgenommenen sozialen Integration (FEESS 3 - 4) im Prä-Follow-Up-Vergleich zeigt. Diskussion Beantwortung der Fragestellungen und Diskussion der Ergebnisse Fragestellung 1 (Regelverhalten) Die Hypothese, dass der Einsatz des KKS im Kontext des RL zu einer verbesserten Regeleinhaltung von Kindern mit VP führt, wird nicht bestätigt. In den Einschätzungen der Trainerinnen bzw. Trainer zeigen sich keine unterschiedlichen Verläufe beider Gruppen. Das Resultat erscheint angesichts der günstigen Wirkungen des GBG auf lernbezogene und störende Verhaltensweisen (Bowman-Perrott et al., 2016) überraschend. Eine mögliche inhaltliche Erklärung ist, dass TL an sich bereits einen hohen Aufforderungscharakter bzgl. der anvisierten Verhaltensweisen haben (Ginsburg-Block et al., 2006; Spilles et al., 2018). Ggf. konnte das KKS hier keine zusätzliche Unterstützung bieten und stellte sogar eine Überforderung im Rahmen der kognitiv anspruchsvollen tutoriellen Förderung dar. Eine methodische Erklärung leitet sich evtl. aus der Erhebungsform ab. Die Regeleinhaltung wurde lediglich eingeschätzt. Es besteht die Gefahr, dass Personen der KKS-Gruppe zunehmend stärker auf Regelverstöße achteten und deren Einhaltung somit in der Post-Befragung auch kritischer beurteilten (Priming), was auch die negativen Trends erklären könnte. Neben den Hauptbefunden bleibt zu erwähnen, dass die Subgruppe der Kinder mit starken VP scheinbar vom Einsatz des KKS profitierte. Aufgrund der kleinen Stichprobe lässt sich dieser Befund leider nicht validieren, geht allerdings einher mit den Einzelfallstudienergebnissen von Spilles et al. (2019), die einen tendenziell positiven Effekt des KKS auf das Verhalten von Kindern mit stärkeren VP während der tutoriellen Methode Lautlesetandems (Rosebrock et al., 2011) feststellen. Fragestellung 2 (Verhalten global) Auch die Hypothese, dass der Einsatz des KKS im Kontext des RL zu einer Reduktion von allgemeinen Verhaltensproblemen führt, wird abgelehnt. Bzgl. des oppositionellen/ störenden Verhaltens ergeben sich sogar günstigere Effekte für die Gruppe ohne KKS. Die inhaltliche und methodische Erklärung ist weitestgehend äquivalent zur ersten Fragestellung. Konträr finden sich jedoch für die Subgruppe der Kinder mit starken VP keine positiven Tendenzen, die in Verbindung mit dem KKS gebracht werden können. 66 Markus Spilles, Tobias Hagen, Thomas Hennemann Fragestellung 3 (Lesekompetenz) Die Annahme, dass der Einsatz des KKS im Kontext des RL zu einer verbesserten Lesekompetenzentwicklung von Kindern mit VP führt, muss ebenfalls verneint werden. In den Ergebnissen spiegelt sich eine fast identische Entwicklung beider Gruppen wider. Dieses Resultat ist nicht ganz überraschend, da in beiden Gruppen eine Leseförderung stattfand. Der Nachweis von Interventionseffekten ist im Grundschulalter zudem sehr schwierig, da sich ohnehin große entwicklungsbedingte Kompetenzzuwächse ergeben (Lauer-Schmaltz, Rosebrock & Gold, 2014). Auch bei Spilles et al. (2019) wird lediglich ein schwacher bis mittlerer Effekt des KKS auf die Unterstützung der Leseflüssigkeitsentwicklung der Tutandinnen und Tutanden berichtet. Hier wurde via curriculumbasierter Messung erhoben, was eine sensiblere Abbildung der Verläufe ermöglicht. In der aktuellen Studie konnte dies aufgrund der Stichprobengröße nicht realisiert werden. Fragestellung 4 (soziale Integration) Bzgl. der Frage, ob der Einsatz des KKS im Kontext des RL zu einer verbesserten sozialen Integration von Kindern mit VP führt, wurde keine Hypothese aufgestellt. Durch die varianzanalytischen Befunde lassen sich sowohl für die selbstwahrgenommene soziale Integration als auch für die fremdbeurteilte soziale Integration keine unterschiedlichen Entwicklungen bestätigen. Dennoch profitieren deskriptiv betrachtet Kinder der Gruppe ohne KKS in den soziometrischen Befragungen etwas stärker. Erfreulich ist, dass sich in allen Bereichen und zwar für beide Gruppen wünschenswerte Trends ergeben. Bzgl. der Soziometrieergebnisse wird dies sogar von einem signifikanten Zeiteffekt bestätigt. Die positiven Befunde decken sich mit bislang gefundenen Effekten TL auf die soziale Integration von Schülerinnen und Schülern, obgleich die Forschungslage zur Förderung von Kindern mit VP bislang noch sehr schwach ist (Spilles et al., 2018). Die aktuelle Studie ist insofern eine Ergänzung, auch wenn aufgrund einer fehlenden unbehandelten Kontrollgruppe ein Rückschluss auf die tutorielle Förderung nicht zulässig ist. Dass sich in den soziometrischen Daten ein leicht günstigerer Trend für die Gruppe ohne KKS ergibt, könnte durch den kompetitiven Charakter des Spiels erklärt werden. So könnten wahrgenommene Regelverstöße von Kindern mit VP für die Förderung deren sozialer Akzeptanz möglichweise hinderlich sein. Ein Erfolgsprädikator des KKS ist zwar, dass Lehrkräfte negative personenbezogene Rückmeldungen vermeiden. Es ist jedoch zu vermuten, dass Mitschülerinnen und -schüler trotz einer korrekten Durchführung das Fehlverhalten Einzelner registrieren, wodurch sich der Wunsch ergibt, nicht neben diesem Kind zu sitzen oder mit ihm zusammenzuarbeiten. Bemerkenswert bei Betrachtung der Subgruppen ist, dass sich für Kinder, die ausschließlich Probleme im lernförderlichen Verhalten aufweisen und in der Gruppe ohne KKS gefördert wurden, besonders positive Entwicklungen in der Soziometrie (sowie im Bereich der Lesekompetenzentwicklung) ergeben. Interessanterweise stammen vier dieser sieben Kinder aus einer Schulklasse. Es ist neben individuellen Persönlichkeitseigenschaften zu vermuten, dass ebenso klassenspezifische Unterschiede wie Lehrkraftverhalten oder Klassenkomposition, die nicht kontrolliert wurden, hier einen entscheidenden Einfluss nehmen. Forschungsperspektiven Methodische Einschränkungen der Untersuchung wurden bereits anteilig angesprochen. Zukünftig sollte mit größeren Stichproben gearbeitet werden, um einerseits den Einbezug einer unbehandelten Kontrollgruppe zu ermöglichen und andererseits genestete Datenstrukturen angemessen berücksichtigen zu können. Weiterhin können differenzielle Wirkungen für Schülerinnen und Schüler mit verschiedenen Persönlichkeitseigenschaften (bspw. Ausprägung von VP) valider überprüft werden. Bzgl. der Verhaltenserfassung sollten neben Beurteilungsverfahren systematische Verhaltensbeobachtungen zum Evaluation des KlasseKinderSpiels 67 Einsatz kommen, um verhaltensbezogene Variablen objektiver zu erheben. Außerdem müsste bspw. das Feedbackverhalten von Lehrkräften kontrolliert werden. Für eine sensiblere Lesekompetenzerfassung bieten sich außerdem verlaufsdiagnostische Verfahren an, die etwaige Wirkungen des KKS sensibler nachzeichnen. Dass sich TL auch für andere Zielgruppen wie Kinder mit Autismus eignen, deuten aktuelle Reviews (bspw. Spilles et al., 2018) an. Einzelne Studien berichten neben der Lernförderung Ergebnisse wie Anstiege der sozialen Interaktionen dieser Klientel. Replikationsstudien im deutschen Sprachraum mit verschiedenen Zielgruppen erscheinen vor diesem Hintergrund gewinnbringend. Fazit Auch wenn die Ergebnisse der Studie tendenziell eher gegen den Einsatz des KKS im Kontext TL sprechen, lässt sich dennoch vermuten, dass die Umsetzung bei Kindern mit starken VP durchaus durch das KKS unterstützt werden kann. Dies deuten die aktuellen deskriptiven Ergebnisse zur Regeleinhaltung an, sowie die Ergebnisse von Spilles et al. (2019). Im Rahmen der vergangenen Studie (ebd.), in der die Lautlesetandems durch das KKS ergänzt wurden, erlebten Lehrkräfte sowie Trainerinnen bzw. Trainer das Verhalten der Kinder während der KKS-Spielzeit deutlich positiver, auch wenn sich dies nicht ganz in den Ergebnissen widerspiegelt. Evtl. ist die Methode Lautlesetandems im Gegensatz zum RL in Kombination mit dem KKS kognitiv etwas weniger überfordernd. Damit ein zusätzlicher Einsatz des KKS sinnvoll erscheint, sollte die tutorielle Methode daher eher simpel oder den Kindern mindestens gut bekannt sein. Literatur Asher, S. R., Singleton, L. C., Tinsley, B. R. & Hymel, S. (1979). A reliable sociometric measure for preschool children. Developmental Psycholog y, 15, 443 - 444. https: / / doi.org/ 10.1037/ 0012-1649.15.4.443 Barrish, H. H., Saunders, M. & Wolf, M. M. (1969). Good behavior game: Effects of individual contingencies for group consequences on disruptive behavior in a classroom. Journal of Applied Behavior Analysis, 2, 119 - 124. https: / / doi.org/ 10.1901/ jaba.1969.2-119 Bowman-Perrott, L., Burke, M. D., Zaini, S., Zhang, N. & Vannest, K. (2016). Promoting positive behavior using the Good Behavior Game. A meta-analysis of singlecase research. 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