Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2022
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Empirische Arbeit: Prompts im Lerntagebuch fördern die Reflexion von Lehramtsstudierenden im Praxissemester
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2022
Martin Pieper
Julian Roelle
Rudolf vom Hofe
Alexander Salle
Kirsten Berthold
Praxisphasen in der Lehramtsausbildung, wie z.B. das Praxissemester, bieten die Möglichkeit zur Reflexion eigener Unterrichtspraxis. Reflexion ist der Schlüssel zu Verbesserungen im eigenen unterrichtlichen Handeln, indem eigene Fehler erkannt und verbesserte Handlungspläne für zukünftigen Unterricht entwickelt werden. Ziel dieser Studie ist zu untersuchen, ob die Gabe von Prompts in einem Lerntagebuch förderliche Effekte auf die Reflexion im Sinne des Reflexionszyklus nach Gibbs (1988) hat. Wir testeten die Effekte der Prompts in einem Feldexperiment während des Praxissemesters. Lehramtsstudierende (N=50, 43 weiblich) schrieben zwei Lerntagebücher über ihren Unterricht auf einer Online-Plattform und wurden zufällig einer von zwei Bedingungen zugewiesen: (a) Lerntagebuch mit Prompts (experimentelle Bedingung, n=27) und (b) Lerntagebuch ohne Prompts (Kontrollbedingung, n=23). Prompts führten im Lerntagebuch zu mehr Reflexionen über Gefühle und Handlungspläne sowie zu qualitativ besseren Reflexionen über Gefühle und Analysen. Darüber hinaus förderten Prompts das konzeptuelle Reflexionswissen sowie die Anwendung von Reflexionswissen.
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n Empirische Arbeit Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2022, 69, 262 -277 DOI 10.2378/ peu2022.art21d © Ernst Reinhardt Verlag Prompts im Lerntagebuch fördern die Reflexion von Lehramtsstudierenden im Praxissemester Martin Pieper 1 , Julian Roelle 2 , Rudolf vom Hofe 1 , Alexander Salle 3 , Kirsten Berthold 1 1 Universität Bielefeld 2 Ruhr-Universität Bochum 3 Universität Osnabrück Zusammenfassung: Praxisphasen in der Lehramtsausbildung, wie z. B. das Praxissemester, bieten die Möglichkeit zur Reflexion eigener Unterrichtspraxis. Reflexion ist der Schlüssel zu Verbesserungen im eigenen unterrichtlichen Handeln, indem eigene Fehler erkannt und verbesserte Handlungspläne für zukünftigen Unterricht entwickelt werden. Ziel dieser Studie ist zu untersuchen, ob die Gabe von Prompts in einem Lerntagebuch förderliche Effekte auf die Reflexion im Sinne des Reflexionszyklus nach Gibbs (1988) hat. Wir testeten die Effekte der Prompts in einem Feldexperiment während des Praxissemesters. Lehramtsstudierende (N = 50; 43 weiblich) schrieben zwei Lerntagebücher über ihren Unterricht auf einer Online-Plattform und wurden zufällig einer von zwei Bedingungen zugewiesen: (a) Lerntagebuch mit Prompts (experimentelle Bedingung, n = 27) und (b) Lerntagebuch ohne Prompts (Kontrollbedingung, n = 23). Prompts führten im Lerntagebuch zu mehr Reflexionen über Gefühle und Handlungspläne sowie zu qualitativ besseren Reflexionen über Gefühle und Analysen. Darüber hinaus förderten Prompts das konzeptuelle Reflexionswissen sowie die Anwendung von Reflexionswissen. Schlüsselbegriffe: Reflexion, Lerntagebuch, Prompts, Praxissemester, Lehramtsstudierende Prompts in Learning Journals Foster Reflection of Student Teachers in the Practical Semester Summary: Practical phases in teacher training like the practical semester enable student teachers to reflect on their own teaching practice. Reflection is key to improving our teaching, as we notice our mistakes and can develop better ways of planning classroom activities for future teaching. This study’s aim is to investigate whether prompts in a learning journal exert beneficial effects on reflection in terms of Gibbs’ reflective cycle (1988). We tested the effects of prompts in a field experiment during the practical semester. Student teachers (N = 50; 43 female) wrote two learning journal entries about their own teaching on an online-platform and were randomly assigned to one of two conditions: (a) a learning journal with prompts (experimental condition, n = 27) and (b) a learning journal without prompts (control condition, n = 23). Prompts led to more reflections on feelings and activity planning in the learning journal, and better reflections on feelings and analyses. Prompts also promoted conceptual knowledge about reflection and application of reflective knowledge. Keywords: Reflection, learning journal, prompts, practical semester, student teachers Anmerkung: Das diesem Artikel zugrunde liegende Vorhaben BiProfessional wird im Rahmen der gemeinsamen Qualitätsoffensive Lehrerbildung von Bund und Ländern aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert (Förderkennzeichen 01JA1908). Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei der Autorin und den Autoren. Wir danken den studentischen Hilfskräften Christin Altrock, Paul Baal, Leonie Heidermann, Jannis Rabeneck, Paula Scheibe und John Senior für ihre Unterstützung des Experiments. Ein besonderer Dank geht an Albina Lobell (Bezirksregierung Münster), die unser Vorhaben unterstützt hat. Abschließend möchten wir allen Studierenden und allen Dozent*innen und Fachleiter*innen, die unser Feldexperiment unterstützt haben, danken. Prompts zur Förderung von Reflexion 263 Professionalisierung durch Reflexion im Praxissemester Ein Ziel der Reformen der Lehrkräfteausbildung, wie z. B. im nordrhein-westfälischen Lehrerausbildungsgesetz festgelegt, ist es, über längere Praxisphasen - u. a. durch ein ca. fünfmonatiges Praxissemester - eine verbesserte Fähigkeit zur kritischen Reflexion der eigenen Handlungspraxis und damit eine stärkere Professionalisierung der Lehramtsstudierenden zu erreichen (Freimuth & Sommer, 2010; vgl. auch Hartung- Beck & Schlag, 2020; Schellenbach-Zell, Wittwer & Nückles, 2019). Professionalisierung ist als ein kontextgebundener Entwicklungsprozess zu betrachten, in dem Studierende lernen zu reflektieren, um Praxiserfahrungen zu verstehen, theoriegeleitet zu analysieren, zu bewerten und gewonnene Erkenntnisse für zukünftige Handlungen nutzbar zu machen (Schlag & Hartung-Beck, 2016). Leonhard und Kollegen definieren Reflexion als „Fähigkeit, in der Vergegenwärtigung typischer Situationen des schulischen Alltags durch aktive Distanzierung eine eigene Bewertung und Haltung sowie Handlungsperspektiven auf der Basis eigener Erfahrungen in Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Wissensbeständen argumentativ zu entwickeln und zu artikulieren“ (Leonhard, Nagel, Rihm, Strittmatter Haubold & Wengert- Richter, 2010, S. 114). Es gilt also nicht einfach viel Praxis hilft viel, sondern nur die Reflexion über die Praxis kann zu einer Professionalisierung beitragen (Hartung-Beck & Schlag, 2020). Diese Annahmen finden sich auch in der Expertiseforschung und speziell im deliberatepractice-Ansatz von Ericsson, Krampe und Tesch- Römer (1993) wieder. Deliberate practice beschreibt nicht einfach das wiederholte Üben (hier: zu unterrichten). Vielmehr bedeutet es reflektiertes Üben, was entsprechend einer Meta-Analyse von Macnamara, Hambrick und Oswald (2014) in einem positiven Zusammenhang zur Leistung steht. In Bezug auf das Unterrichten würde dies bedeuten, dass Reflexion, bei der eigene Fehler und Defizite im Unterricht erkannt und neue, verbesserte Handlungspläne für zukünftige Unterrichtssituationen entwickelt werden, einer der Schlüssel zu Verbesserungen des eigenen unterrichtlichen Handelns ist. Im Praxissemester können Studierende sich nicht nur mit beobachtetem, sondern auch mit dem eigenen Unterricht, in dem sie mit komplexen, konkreten Handlungssituationen konfrontiert werden, auseinandersetzen (Schellenbach- Zell, 2020; Schellenbach-Zell et al., 2019), wodurch die Reflexion nicht im inhaltsleeren Raum stattfindet, sondern mit authentischen Handlungssituationen aus dem Unterricht auf das Engste verknüpft wird. Auf diese Weise ist das Praxissemester ein optimaler Raum für das Erlernen und Üben von Reflexion. Diese Reflexion findet zum einen in klassischen Reflexionsgesprächen mit Mentor*innen statt. Ein anderes vielversprechendes Medium, das in der vorliegenden Studie im Fokus steht, stellen Lerntagebücher dar, in denen Studierende ihren Unterricht schriftlich, eigenständig und selbstreguliert reflektieren können (Hartung-Beck & Schlag, 2020). Förderung von Reflexion im Lerntagebuch Im Bereich der Förderung selbstregulierten Lernens besteht ein etabliertes Lerntagebuchformat darin, dass Lernende, im Anschluss an eine Vorlesung oder eine oder mehrere Unterrichtsstunden, eine schriftliche Reflexion der Inhalte vornehmen, bei der sie kognitive und metakognitive Lernstrategien anwenden (z. B. Berthold, Nückles & Renkl, 2007; Moning & Roelle, 2021). Die Forschung zu diesem Lerntagebuchformat zeigt deutlich, dass das Lerntagebuch ein lernförderliches Format der Reflexion behandelter Lerninhalte sein kann (für eine Übersicht, siehe Nückles et al., 2020). Allerdings zeigt diese Forschung auch, dass Lernende die entscheidenden Reflexionsaktivitäten (hier: kognitive und metakognitive Lernstrategien) von sich aus oftmals nur unzureichend umsetzen. Ein probates Mittel zur Behebung dieses Defizits in Quantität und Qualität besteht in der Gabe von 264 Martin Pieper, Julian Roelle, Rudolf vom Hofe, Alexander Salle, Kirsten Berthold Prompts. So ergab eine Mini-Meta-Analyse von Nückles et al. (2020) mittlere bis große Effekte zugunsten von Prompts hinsichtlich des Lernerfolgs; hinsichtlich der Anregung der anvisierten Lernprozesse sind diese Effekte oftmals sogar noch größer (z. B. Berthold et al., 2007; Nückles, Hübner & Renkl, 2009). Ähnlich wie beim Lerntagebuchschreiben zur Nachbereitung von Lernepisoden sind Reflexionen, die Studierende während ihres Praxissemesters verfassen, ebenfalls oftmals suboptimal hinsichtlich der Quantität und Qualität der ausgeführten Reflexionsprozesse (z. B. Hartung-Beck & Schlag, 2020; Hatton & Smith, 1995; Leonhard et al., 2010; Schlag & Hartung-Beck, 2016). Entsprechend könnte auch in diesem Anwendungsfeld des Lerntagebuchschreibens instruktionale Unterstützung durch Prompts hilfreich sein. In jüngster Zeit wurden Prompts bereits eingesetzt, um die Reflexion im Praxissemester zu unterstützen (Hartung-Beck & Schlag, 2020), beispielsweise auch um die Studierenden im Hinblick auf selbst gehaltene Unterrichtssequenzen anzuregen, darüber nachzudenken, wie sie geplante Handlungen umsetzen konnten und welche Folgen für den Unterrichtsverlauf und die Zielerreichung daraus resultierten (Schellenbach-Zell et al., 2019). Trotz einiger Ansätze zur Förderung von Reflexion im Praxissemester mithilfe von Prompts im Lerntagebuch (z. B. Nückles et al., 2019; Pieper et al., 2021; Schellenbach-Zell et al., 2019) finden sich jedoch bisher kaum empirische Studien, welche die Effekte der Prompts systematisch analysieren. Ausnahmen bilden eine Evaluationsstudie von Hartung-Beck und Schlag (2020) sowie eine Studie mit einem Prä-Post- Design mit Vergleichsgruppe von Schellenbach- Zell (2020). Hartung-Beck und Schlag (2020) setzten in zwei Kohorten Prompts ein und zeigten mit einer vergleichenden qualitativen Inhaltsanalyse, dass klarere Instruktionen zielführendere Reflexionen im Praxissemester förderten. Schellenbach-Zell (2020) fand heraus, dass der Einsatz von Prompts zu einer stärkeren Verknüpfung der von den Studierenden ausgewählten Unterrichtssituation mit Theorien führte. Die vorliegende Studie Angesichts der sich andeutenden, aber bisher nicht hinreichend untersuchten Potenziale der Effekte von Prompts zur Förderung der Quantität und Qualität von Reflexionsprozessen im Praxissemester, die im Rahmen des Schreibens eines Lerntagebuchs stattfinden, besteht das zentrale Ziel der vorliegenden Studie darin, die Effekte von Prompts in einem Feldexperiment zu evaluieren und entsprechend die Befundlage in einem intern und extern validen Setting zu stärken. Als Ausgangspunkt für die Entwicklung von Prompts zur Förderung von Reflexion im Praxissemester diente Gibbs’ Reflexionszyklus, der aus sechs Schritten besteht (Gibbs, 1988): (1) Beschreibung: Die Lernenden beschreiben die Situation, (2) Gefühle: Die Lernenden reflektieren über ihre Gefühle, (3) Evaluation: Es wird bewertet, was gelungen und weniger gelungen ist, (4) Analyse: Die Lernenden analysieren, was genau in der Situation passiert ist, (5) Schlussfolgerung: Die Lernenden überlegen im Detail, was aus dieser Erfahrung für sie selbst mitgenommen werden kann, (6) Handlungsplan: Im letzten Schritt entwickeln die Lernenden eine Art „Lernvertrag“ mit sich selbst, in dem sie Entschlüsse formulieren, um Handlungspläne in zukünftigen Situationen anzuwenden. Der Reflexionszyklus von Gibbs fokussiert nicht speziell die Reflexionstiefe nach dem Modell von Hatton und Smith (1995) oder eine Theorie-Praxis- Verknüpfung (Hartung-Beck & Schlag, 2020), sondern stärker das Ziel, über die Reflexion aus Erfahrungen zu lernen (Gibbs, 1988) und darüber das eigene Handeln zu professionalisieren. Der in der Lehramtsausbildung erprobte Zyklus (z. B. Pieper et al., 2021; Rosendahl, Hemmer & Schrüfer, 2020) berücksichtigt nicht explizit die Verknüpfung von Praxiserfahrungen und universitärer Theorie, wie beispielsweise Professionswissen, das nach Baumert und Kunter (2006) unter anderem in drei Dimensionen aufgeteilt ist: (1) Fachwissen, (2) fachdidaktisches Wissen und (3) pädagogisches Wissen. Aspekte des Professionswissens können Prompts zur Förderung von Reflexion 265 aber spontan bei den einzelnen Schritten des Zyklus aufgegriffen werden (z. B. zu (1) Kombinatorik; (2) Schülerkognition; (3) Klassenführung). Hinsichtlich der Effekte von Prompts beim schriftlichen Reflektieren entsprechend dieses Reflexionszyklus waren wir daran interessiert, ob Prompts das Ausmaß, in dem alle sechs Reflexionsschritte nach Gibbs ausgeführt werden, sowie die Qualität der Durchführung der sechs Reflexionsschritte förderlich beeinflussen würden. Zudem stellten wir die Frage, ob sich das durch Prompts angeleitete Schreiben eines Lerntagebuchs auch förderlich auf das konzeptuelle Reflexionswissen sowie die Anwendung von Reflexionswissen auswirken würde. Für die Bestimmung des Ausmaßes, in dem alle sechs Schritte ausgeführt werden, analysierten wir für jedes Lerntagebuch, ob jeder der sechs Schritte nach Gibbs bearbeitet wurde. Für die Qualität der Durchführung der sechs Schritte wurde ein Qualitätsscore vergeben, der berücksichtigt, inwieweit ein differenziertes und elaboriertes Abarbeiten der sechs Schritte erfolgte. Konzeptuelles Reflexionswissen beinhaltete Wissen über Konzepte (z. B. Handlungsplan) und Funktionen (z. B. Ziel eines Handlungsplans) von Reflexion. Die Anwendung von Reflexionswissen umfasste die Analyse von Reflexionen anderer Studierender. Wir testeten die folgenden Hypothesen: Hypothese 1 Prompts erhöhen das Ausmaß, in dem alle sechs Reflexionsschritte nach Gibbs ausgeführt werden. Hypothese 2 Prompts fördern die Qualität der Durchführung der sechs Reflexionsschritte. Hypothese 3 Prompts fördern das konzeptuelle Reflexionswissen und die Anwendung von Reflexionswissen. Methode Stichprobe und Design An dem Feldexperiment nahmen 50 Mathematiklehramtsstudierende der Universitäten Bielefeld und Münster teil (43 w). Von den 50 Lehramtsstudierenden waren 31 aus der Schulform Grundschule, sechs aus der Sekundarstufe I und 13 aus der Sekundarstufe II. Die Rekrutierung und Erhebung wurden während des Praxissemesters in NRW durchgeführt und erfolgten über Begleitveranstaltungen an der Universität Bielefeld sowie in den Zentren für schulische Lehrerausbildung (ZfsL) Bocholt, Gelsenkirchen, Münster, Recklinghausen und Rheine. Die Versuchspersonen waren zwischen 21 und 29 Jahre alt (M = 23.60, SD = 1.53) und befanden sich im zweiten oder dritten Mastersemester (M = 2.36, SD = 0.49). Für die Teilnahme an der Studie erhielten sie 40 € . Die Studie folgte einem experimentellen Prä- Post-FollowUp-Design. Es wurde variiert, ob die Versuchspersonen beim Schreiben des Tagebuchs in einer Online-Lernplattform durch die Gabe von Prompts, die sich auf zentrale Prozesse des Reflektierens nach Gibbs (1988) bezogen, unterstützt wurden. Die Zuweisung zu den Bedingungen (Experimentalbedingung mit Prompts: n = 27, Kontrollbedingung ohne Prompts: n = 23) erfolgte randomisiert. Vier Versuchspersonen aus der Kontrollgruppe nahmen nicht am zweiten Nachtest (FollowUp) teil. Instruktionale Anweisungen im Lerntagebuch Alle Versuchspersonen erhielten nach dem Ausfüllen der demografischen Daten auf der Online-Lernplattform die Aufgabe, über zwei selbst gehaltene Unterrichtsstunden im Fach Mathematik in Tagebucheinträgen schriftlich zu reflektieren. Die experimentelle Manipulation fand jeweils während des Schreibens der Einträge statt. Die Experimentalgruppe erhielt während des Schreibens sechs Prompts, die auf dem Reflexionszyklus von Gibbs (1988) basierten (siehe Tabelle 1). In den Prompts wurden die Versuchspersonen beispielsweise aufgefordert, gelungene und weniger gelungene Aspekte ihres Unterrichts zu identifizieren (Evaluation) und hinsichtlich möglicher Ursachen zu analysieren (Analyse). Die sechs Prompts wurden jeweils über den Texteingabefeldern angezeigt (siehe Abbildung 1). Die Instruktion der Kontrollgruppe enthielt keine Prompts. Ihre Tagebucheinträge trugen die Studierenden in ein Texteingabefeld ein. Die Instruktionen waren in beiden Bedingungen während des gesamten Schreibprozesses sichtbar und bei beiden Tagebucheinträgen identisch. 266 Martin Pieper, Julian Roelle, Rudolf vom Hofe, Alexander Salle, Kirsten Berthold Beschreibung Beschreiben Sie kurz (a) die Lerngruppe, (b) den Lerngegenstand, (c) die Lernumgebung, (d) Methode und (e) warum Sie das Thema gewählt haben. Gefühle Wie haben Sie sich im Verlauf der Stunde gefühlt? Evaluation Was ist aus Ihrer Sicht in der Stunde gut gelungen und was ist aus Ihrer Sicht weniger gut gelungen? Analyse Überlegen Sie sowohl für die gelungenen als auch für die nicht gelungenen Aspekte: Woran könnte es aus Ihrer Sicht gelegen haben, dass sie gelungen/ nicht gelungen sind? Schlussfolgerung Überlegen Sie für die nicht gelungenen Aspekte: Was hätten Sie bei der Planung oder der Durchführung der Stunde ändern können, um diese Aspekte zu verbessern? Handlungsplan Wie werden Sie konkret vorgehen, um die in dieser Stunde nicht gelungenen Aspekte zukünftig zu verbessern? Tab. 1: Alle eingesetzten Prompts für die Experimentalgruppe Abb. 1: Ausschnitte der Ansichten der Prompts-Gruppe und der Gruppe ohne Prompts auf der Lernplattform für die Tagebucheinträge Prompts-Gruppe 3. Evaluation Was ist aus Ihrer Sicht in der Stunde gut gelungen und was ist aus Ihrer Sicht weniger gut gelungen? 4. Analyse Überlegen Sie sowohl für die gelungenen als auch für die nicht gelungenen Aspekte. Woran könnte es aus Ihrer Sicht gelegen haben, dass sie gelungen/ nicht gelungen sind? Gruppe ohne Prompts Reflexion Reflektieren Sie Ihre gehaltene Unterrichtsstunde. 5. Schlussfolgerung 6. Handlungsplan 1. Beschreibung 2. Gefühle 3. Evaluation 4. Analyse Learning Reflection Learning Reflection Prompts zur Förderung von Reflexion 267 Abb. 2: Darstellung des Auswertungsschemas der Qualität der Durchführung der sechs Reflexionsschritte Durchführung (z. B. Schlussfolgerung von mindestens einem Evaluationselement [z. B. Einstiegsphase] und Bezugsaufbau zur ausgewählten Situation) Elaborationsgrad der Schlussfolgerungsanalyse (z. B. Begründung der notwendigen Änderung sowie möglichen theoretischen Änderungsansatzes der Einstiegsphase) Elaborationsgrad der Handlungsalternativen (z. B. Darstellung einer Handlungsalternative) Elaborationsgrad der Folgenanalyse (z. B. Darstellung der erhofften Folgen der Handlungsalternative) Perspektivenwechsel Berücksichtigung mehrerer Perspektiven (z. B. Auswirkung der erhofften Fragen auf die Schüler*innen, Lernerfolge und Auswirkung auf die Lehrkraft) der negativ bewerteten Einstiegsphase Durchführung (z. B. Analyse von mindestens einem Evaluationselement [z. B. Einstiegsphase] und Bezugsaufbau zur ausgewählten Situation) Elaborationsgrad der Ursachenanalyse (z. B. Ursachendarstellung der negativ bewerteten Einstiegsphase sowie argumentative Begründung anhand eines Beobachtungsbeispiels) Elaborationsgrad der Folgenanalyse (z. B. Folgendarstellung der negativ bewerteten Einstiegsphase sowie argumentative Begründung anhand eines Beobachtungsbeispiels) Perspektivenwechsel Berücksichtigung mehrerer Perspektiven (z. B. Auswirkung auf die Schüler*innen, Lernerfolge und Auswirkung auf die Lehrkraft) der negativ bewerteten Einstiegsphase Durchführung (z. B. Formulierung Handlungsplan von mindestens einem Evaluationselement [z. B. Einstiegsphase] und Bezugsaufbau zur ausgewählten Situation) Elaborationsgrad des Handlungsplans (z. B. Formulierung des vorgenommenen Entschlusses des Änderungsvorhabens der gewählten Handlungsalternative für zukünftige [ähnliche] Situationen) Durchführung (z. B. Auswahl von mindestens einem Evaluationselement [z. B. Einstiegsphase] und Bezugsaufbau zur ausgewählten Situation) Evaluation (z. B. Die Einstiegsphase der Unterrichtsstunde wurde negativ bewertet) Durchführung (z. B. Auswahl von mindestens einem Gefühlselement [z. B. Einstiegsphase] der Unterrichtsstunde beschrieben) Elaborationsgrad der Evaluation (z. B. Die Gefühlslage in der Einstiegsphase wurde beschrieben und negativ bewertet) Elaborationsgrad der Analyse (z. B. Der Auslöser der negativen Gefühlslage in der Einstiegsphase wurde dargestellt) Durchführung (z. B. Es wurde mindestens ein Beschreibungselement [z. B. Methode] der Unterrichtsstunde ausgewählt und beschrieben) Elaborationsgrad der Beschreibung (z. B. Wie ausführlich wurde die Methode beschrieben? ) Beschreibungselement 1 (z. B. Lerngegenstand) Beschreibungselement 2 (z. B. Methode) Beschreibungselement κ 1 (z. B. Sicherungsphase) Gefühlselement 1 (z. B. Einstiegsphase) Gefühlselement 2 (z. B. Arbeitsphase) Gefühlselement κ 2 (z. B. Sicherungsphase) Evaluationselement 1 (z. B. Einstiegsphase) Evaluationselement 2 (z. B. Arbeitsphase) Evaluationselement κ 3 (z. B. Sicherungsphase) Evaluationselement 1 (z. B. Einstiegsphase) Evaluationselement 2 (z. B. Arbeitsphase) Evaluationselement κ 3 (z. B. Sicherungsphase) Evaluationselement 1 (z. B. Einstiegsphase) Evaluationselement 2 (z. B. Arbeitsphase) Evaluationselement κ 3 (z. B. Sicherungsphase) Evaluationselement 1 (z. B. Einstiegsphase) Evaluationselement 2 (z. B. Arbeitsphase) Evaluationselement κ 3 (z. B. Sicherungsphase) Beschreibung Gefühle Evaluation Analyse Schlussfolgerung Handlungsplan Reflexionsschritte Qualitätskriterien der einzelnen Teilpunkte einzelner Reflexionsschritte 268 Martin Pieper, Julian Roelle, Rudolf vom Hofe, Alexander Salle, Kirsten Berthold Instrumente Vortest Der Vortest erfasste anhand von vier offenen Aufgaben das konzeptuelle Reflexionswissen (z. B. „Erklären Sie, in welchen Schritten das Reflektieren von Unterricht ablaufen sollte“ oder „Erklären Sie, welche Funktion das Reflektieren von Unterricht hat“). Die Antwortqualität wurde mittels eines Kategoriensystems bewertet, das für jede der vier Aufgaben zentrale zu nennende Aspekte beinhaltete. Für jeden elaboriert dargestellten Aspekt wurde ein Punkt vergeben. Zwei Beurteilende bewerteten unabhängig voneinander ca. 20 % der Antworten. Der Intraklassenkorrelationskoeffizient (ICC) betrug .97, was eine sehr gute Übereinstimmung zeigt. Für die späteren Analysen wurden die erreichten Punkte aller vier Aufgaben aufsummiert und durch die Anzahl der Aufgaben dividiert. Tagebucheinträge Die zwei Tagebucheinträge wurden hinsichtlich der Ausführung der sechs Reflexionsschritte nach Gibbs (1988) und der Qualität der Ausführung der Schritte analysiert. Zuerst wurde jeder Tagebucheintrag entsprechend der sechs Schritte segmentiert und es wurde für jeden Eintrag bestimmt, ob die sechs Schritte ausgeführt wurden (hierfür genügte ein Segment, das sich auf den jeweiligen Reflexionsschritt bezog) oder nicht. Anschließend erfolgte die Bewertung der Qualität der ausgeführten Schritte. Bei der Qualität des Schrittes „Evaluation“ wurde unter anderem berücksichtigt, ob die Versuchspersonen einen konkreten Bezug zu etwas Gelungenem oder weniger Gelungenem aus ihrem gehaltenen Unterricht hergestellt haben (z. B. „Der Unterrichtseinstieg ist mir nicht gelungen.“) und für den Schritt „Analyse“ war beispielsweise zentral, ob ein Bezug zu jedem genannten Evaluationsaspekt (z. B. „Unterrichtseinstieg“) aufgebaut und die Auswirkung auf den Unterrichtsverlauf und auf die Schüler*innen mit Unterrichtsbeispielen dargestellt wurde (für eine Übersicht der Kriterien für alle sechs Schritte siehe Abbildung 2). Zwei Beurteilende bewerteten unabhängig voneinander die Qualität von ca. 20 % der Einträge. Für jedes erfüllte Kriterium wurde ein Punkt vergeben. Anschließend wurden für jeden Schritt die erreichten Punkte addiert und durch die maximale Anzahl der zu erreichenden Punkte dividiert. Entsprechend konnte für jeden Reflexionsschritt ein maximaler Qualitätsscore von 1 erreicht werden. Wenn ein Eintrag einen bestimmten Reflexionsschritt nicht beinhaltete, wurde für diesen Schritt kein Qualitätsscore vergeben. Der Intra-Klassen-Koeffizient (ICC) betrug .87, was eine sehr gute Beurteilerübereinstimmung anzeigt. Nachtest Der erste und zweite Nachtest (FollowUp) waren in Bezug auf die Erfassung des konzeptuellen Reflexionswissens im Vergleich zum Vortest identisch. Beide Nachtests enthielten zudem jeweils ein weiteres offenes Item zur Erfassung der Anwendung des Reflexionswissens (siehe Abbildung 3). In diesen offenen Items erhielten die Versuchspersonen einen fiktiven Tagebucheintrag von anderen Studierenden und sollten analysieren, welche Reflexionsschritte gelungen und weniger gelungen sind. Für jeden erkannten oder fehlenden Qualitätsaspekt der Durchführung der Schritte (z. B. wenn erkannt wurde, dass die Analyse zum Zeitmanagement fehlt) wurde ein Punkt vergeben. Zwei Beurteilende bewerteten unabhängig voneinander ca. 20 % der Nachtestantworten. Die Übereinstimmung war sowohl für den ersten (ICC = .90) als auch für den zweiten Nachtest (ICC = .90) sehr gut. Versuchsablauf Das Feldexperiment wurde während des Praxissemesters durchgeführt. Der Vortest wurde in den ersten beiden Monaten des Praxissemesters im Paper-Pencil- Format in den Begleitveranstaltungen durchgeführt. Anschließend verlief die Studie unabhängig von Begleitveranstaltungen. Die Versuchspersonen erhielten die Zugangsdaten zur Lernplattform und hatten 17 Tage Zeit, sich dort anzumelden. Bei der Anmeldung erhielten sie Informationen über den Ablauf der Studie. Anschließend wurden die Versuchspersonen aufgefordert, innerhalb von 19 Tagen individuell eine schriftliche Unterrichtsreflexion (1. Tagebucheintrag) über eine selbst gehaltene Unterrichtsstunde auf der Lernplattform zu verfassen. Frühestens drei Tage und spätestens 17 Tage nach ihrem ersten Tagebucheintrag konnten sie den zweiten Tagebucheintrag schreiben. Die Bearbeitung des ersten Nachtests war frühestens einen Tag und spätestens vier Tage nach dem zweiten Tagebucheintrag möglich. Die zwei Tagebucheinträge und der erste Nachtest Prompts zur Förderung von Reflexion 269 konnten ortsunabhängig auf der Lernplattform bearbeitet werden, der zweite Nachtest wurde vor Ort an den Universitäten im Paper-Pencil-Format durchgeführt. Der zweite Nachtest sowie der Vortest wurden aus pragmatischen Gründen als Paper-Pencil- Format bzw. in Präsenz durchgeführt. Beim zweiten Nachtest erfolgte in diesem Rahmen auch die Auszahlung der Vergütung. Der Vortest fand in Teilen zum gleichen Termin wie die Vorstellung der Studie und Rekrutierung der Teilnehmenden statt, die ebenfalls in Präsenz vorgenommen wurde. In der Diskussion befassen wir uns mit potenziellen Limitationen dieses Vorgehens. Der Termin wurde individuell mit den Versuchspersonen nach Abschluss des ersten Nachtests vereinbart und fand frühestens drei und spätestens 60 Tage nach dem ersten Nachtest statt (siehe Abbildung 4). Auswertungsplan Die Überprüfung der drei Hypothesen erfolgte in Form von Kontrastanalysen. Das Verfahren der Kontrastanalyse wird von der American Psychological Association empfohlen (Wilkinson et al., 1999) und gilt als effizienteste Form, um spezifische Hypothesen zu testen (vgl. Furr & Rosenthal, 2003). Da die Hypothesen allesamt gerichtet waren (jeweils: höhere Werte bzw. Zuwächse seitens der Prompts-Gruppe), wurden die Kontraste einseitig getestet. Für alle Analysen wurde ein α -Niveau von .05 angelegt. Aufgabenstellung Bitte lesen Sie sich die folgende Unterrichtsreflexion (erstellt von einer Lehramtsstudentin, Unterrichtsfach: Mathematik) durch. Ihre Aufgabe ist es nun, der Studentin Feedback zu geben. Gehen Sie in Ihrem Feedback auf gelungene und weniger gelungene Aspekte der Reflexion ein und geben Sie der Studentin Hinweise, wie sie ihre Reflexionen in Zukunft verbessern könnte. Erster Nachtest Das Thema meiner Stunde war „Wir entdecken: Rechtecke mit gleichem Flächeninhalt haben unterschiedliche Umfänge“. Es ist dem Inhalt „Berechnung von Umfang und Flächeninhalt eines Rechtecks“ zugeordnet. Ziel dieser Stunde war es, dass die Schülerinnen und Schüler entdecken, dass Rechtecke mit dem gleichen Flächeninhalt unterschiedliche Umfänge haben, indem sie die Umfänge der Rechtecke bestimmen und miteinander vergleichen sollten. Ich fühlte mich nach dieser Stunde etwas unsicher, ob die von mir getroffenen Entscheidungen alle richtig waren. In dieser Unterrichtsstunde sind mir die Erarbeitungsphase und die Sicherungsphase nicht so gut gelungen. Außerdem ist das Ziel, dass die Schülerinnen und Schüler in Gruppen eigenständig entdecken, dass der Umfang von den verschiedenen gleich großen Rechteckflächen unabhängig ist, nur teilweise erreicht worden. Die Gruppeneinteilung könnte das Problem in der Einarbeitungsphase gewesen sein. Die fehlgeschlagene Sicherungsphase kann vielleicht auf die knapp bemessene Zeit und die fehlende Abstimmung zwischen den Gruppen zurückgeführt werden. Das Ziel der Stunde wäre erreicht worden, wenn die Erarbeitungsphase und die Sicherungsphase besser gelaufen wären. Zweiter Nachtest Die Lerngruppe „Anonym“ einer Gesamtschule unterrichte ich nun zum dritten Mal eigenständig (unter der Aufsicht der regulären Lehrkraft). Die Klasse besteht aus 14 Schülerinnen und 12 Schülern. Generell handelt es sich um eine recht leistungsstarke Klasse. Die Stunde war eine reguläre 45-Minuten-Stunde vor der zweiten Pause. Der Einstieg ist mir gut gelungen, die Schülerinnen und Schüler waren interessiert, haben gut mitgearbeitet, und es wurden die meisten Aufgaben bearbeitet. Auch die sonst etwas unmotivierten Schülerinnen und Schüler haben gut mitgearbeitet. Ich werde mir für die Zukunft vornehmen, die Sicherungsphase anders zu gestalten, um mehr Raum für eigene Schülerbeiträge einzuräumen. Abb. 3: Items zur Erfassung der Anwendung des Reflexionswissens 270 Martin Pieper, Julian Roelle, Rudolf vom Hofe, Alexander Salle, Kirsten Berthold Abb. 4: Ablauf des Feldexperiments Alle Versuchspersonen N = 50 Vortest - 1. / 2. Monat im Praxissemester - Online-Registration (Lernplattform) Die Versuchspersonen werden zufällig der Experimentalgruppe und der Kontrollgruppe zugewiesen - ab dem 1. / 2. Monat im Praxissemester - - spätestens 17 Tage nach dem Vortest - Einführungstext Demografische Daten Versuchspersonen schreiben den ersten Tagebucheintrag - ab dem 2. Monat im Praxissemester - - spätestens 19 Tage nach der Registrierung - Prompts-Gruppe (n = 27) Gruppe ohne Prompts (n = 23) Die Prompts-Gruppe erhält während des Schreibens sechs Reflexionsprompts Die Gruppe ohne Prompts erhält während des Schreibens keine Reflexionsprompts Versuchspersonen schreiben den zweiten Tagebucheintrag - ab dem 2. / 3. Monat im Praxissemester - - frühestens 3 Tage und spätestens 17 Tage nach dem ersten Tagebucheintrag - Erster Nachtest - ab dem 2. / 3. Monat im Praxissemester - - frühestens 1 Tag und spätestens 4 Tage nach dem zweiten Tagebucheintrag - Zweiter Nachtest - ab dem 2. / 3. / 4. / 5. Monat im Praxissemester - - frühestens 3 Tage und spätestens 60 Tage nach dem ersten Nachtest - Prompts zur Förderung von Reflexion 271 Ergebnisse In Tabelle 2 und Tabelle 3 sind die Mittelwerte und Standardabweichungen der Kontrollvariablen und abhängigen Variablen dargestellt. Vorabanalysen Um zu überprüfen, ob sich die Gruppen bereits vor der experimentellen Manipulation unterschieden haben, wurden t-Tests durchgeführt. Es fanden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Gruppen bezüglich des konzeptuellen Reflexionsvorwissens, t (48) = 0.08, p = .941, des Alters, t (48) = 0.15, p = .883 und des Mastersemesters, t (48) = 0.16, p = .872. Es zeigten sich auch keine signifikanten Gruppenunterschiede (alle p > .456) für die Teilstichprobe (n = 46) im zweiten Nachtest. Hinsichtlich der Schulform waren die Gruppen zu beiden Nachtestzeitpunkten vergleichbar, χ ²(1) = 0.48, p = .977 und χ ²(1) = 0.30, p = .862. Bei der Verteilung des Geschlechts zeigte sich jedoch ein signifikanter Un- Gruppe mit Prompts ohne Prompts M SD M SD Alter 23.63 1.50 23.57 1.59 Mastersemester 2.37 0.49 2.35 0.49 Anzahl der Tage Unterrichtsstunde bis Tagebucheintrag Mittelwert (1./ 2. Eintrag) 9.37 8.69 6.78 7.84 1. bis 2. Tagebucheintrag 10.85 4.53 10.74 5.34 1. Tagebucheintrag bis 1. Nachtest 12.11 5.34 12.00 5.27 1. Nachtest bis 2. Nachtest 31.33 15.58 32.58 10.77 Konzeptuelles Reflexionswissen Vortest 4.04 1.18 4.01 1.30 1. Nachtest 6.60 2.10 6.17 1.47 2. Nachtest 6.06 1.44 5.13 1.03 Anwendung von Reflexionswissen 1. Nachtest 9.07 3.44 9.35 2.74 2. Nachtest 10.96 3.09 8.90 3.23 Tab. 2: Mittelwerte und Standardabweichungen Qualität der Durchführung Relative Häufigkeit Gruppe mit Prompts ohne Prompts mit Prompts ohne Prompts M SD M SD % % Beschreibung 1. Eintrag 2. Eintrag 0.83 0.83 0.08 0.09 0.82 0.82 0.09 0.10 100 % 100 % 100 % 100 % Gefühle 1. Eintrag 2. Eintrag 0.94 0.96 0.13 0.11 0.88 0.83 0.14 0.12 100 % 100 % 22 % 30 % Evaluation 1. Eintrag 2. Eintrag 0.95 0.97 0.07 0.04 0.98 0.95 0.05 0.09 100 % 100 % 100 % 100 % Analyse 1. Eintrag 2. Eintrag 0.67 0.57 0.14 0.18 0.45 0.49 0.19 0.14 100 % 100 % 100 % 96 % Schlussfolgerung 1. Eintrag 2. Eintrag 0.33 0.28 0.15 0.09 0.32 0.31 0.12 0.15 100 % 93 % 91 % 78 % Handlungsplan 1. Eintrag 2. Eintrag 0.38 0.30 0.19 0.09 0.16 0.35 0.01 0.22 89 % 96 % 17 % 17 % Tab. 3: Mittelwerte und Standardabweichungen der Qualität der Durchführung der sechs Reflexionsschritte und relative Häufigkeit der Durchführung der einzelnen Schritte 272 Martin Pieper, Julian Roelle, Rudolf vom Hofe, Alexander Salle, Kirsten Berthold terschied, χ ²(1) = 5.16, p = .023. Während in der Gruppe mit Prompts nur eine männliche Versuchsperson war, hatte die Gruppe ohne Prompts sechs männliche Mitglieder. Angesichts dieses Unterschieds, und weil das Geschlecht bei Schreibaufgaben deutlichen Einfluss auf die Leistung haben kann (z. B. Reilly, Neumann & Andrews, 2018), wurde das Geschlecht in allen späteren Analysen als Kovariate berücksichtigt. Zudem untersuchten wir, ob bei den Zeiten und Abständen im Rahmen des Versuchsablaufs Unterschiede zwischen den Gruppen vorlagen. Bei der mittleren Anzahl an Tagen, die zwischen der gehaltenen Unterrichtsstunde und dem Beginn der Anfertigung eines Tagebucheintrags lagen, zeigte sich kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen, t (48) = 1.10, p = .278. Auch zeigten sich keine signifikanten Unterschiede in der Anzahl der Tage, die zwischen dem ersten und zweiten Tagebucheintrag lagen, t (48) = 0.08, p = .936, in der Anzahl an Tagen, die zwischen dem Beginn der experimentellen Manipulation (1. Tagebucheintrag) und dem ersten Nachtest lagen, t (48) = 0.07, p = .941 und der Anzahl an Tagen, die zwischen dem ersten und dem zweiten Nachtest lagen, t (44) = 0.30, p = .765. Tagebucheinträge In Hypothese 1 nahmen wir an, dass die Gabe von Prompts das Ausmaß erhöht, indem alle sechs Reflexionsschritte des Reflexionszyklus nach Gibbs (1988) ausgeführt werden. Kontrastanalysen mit Messwiederholung über beide Tagebucheinträge (Gruppe ohne Prompts: -1, Gruppe mit Prompts: 1; Innersubjektfaktor: erster Eintrag: 1, zweiter Eintrag: 1) für jeden der sechs Schritte ergaben nur für die Schritte Gefühle und Handlungsplan eine statistisch signifikante Überlegenheit der Prompts-Gruppe, t (47) = 10.46, p < .001, d = 3.05 und t (47) = 9.70, p < .001, d = 2.83. In Bezug auf die Schritte Beschreibung, Evaluation, Analyse und Schlussfolgerung ergab sich entsprechend nicht, dass die Prompts das Ausmaß der Durchführung dieser Schritte gefördert haben (alle p > .08, siehe Tabelle 4). Qualität der Durchführung Relative Häufigkeit Gruppe Geschlecht Gruppe Geschlecht Reflexionsschritt df t p d df t p d df t p d df t p d Beschreibung 1,47 0.60 .274 0.18 1,47 0.08 .937 < 0.01 1,47 0.00 1.00 0.00 1,47 0.00 1.00 0.00 Gefühle 1,28 2.34 .014 0.88 1,28 1.67 .107 0.63 1,47 10.46 < .001 3.05 1,47 2.42 .019 0.71 Evaluation 1,47 1.12 .135 0.33 1,47 1.73 .090 0.51 1,47 0.00 1.00 0.00 1,47 0.00 1.00 0.00 Analyse 1,46 4.03 < .001 1.19 1,46 1.10 .279 0.32 1,47 0.00 1.00 0.00 1,47 0.00 1.00 0.00 Schlussfolgerung 1,39 0.67 .252 0.22 1,39 1.25 .217 0.40 1,47 1.45 0.08 0.42 1,47 1.11 .271 0.33 Handlungsplan 1,22 0.19 .424 0.09 1,22 1.13 .271 0.48 1,47 9.70 < .001 2.83 1,47 0.05 .960 < 0.01 Tab. 4: Kennwerte der Analysen zur Quantität und Qualität der Durchführung der sechs Reflexionsschritte (mit Prompts vs. ohne Prompts) Prompts zur Förderung von Reflexion 273 In Hypothese 2 nahmen wir an, dass die Gabe von Prompts die Qualität der Durchführung der sechs Reflexionsschritte fördert. Kontrastanalysen mit Messwiederholung über beide Tagebucheinträge für jeden der sechs Schritte (Gruppe ohne Prompts: -1, Gruppe mit Prompts: 1; Innersubjektfaktor: erster Eintrag: 1, zweiter Eintrag: 1) zeigten sich nur für die Schritte Gefühle und Analyse statistisch signifikante Vorteile der Prompts-Gruppe bezüglich der Qualität der Durchführung, t (28) = 2.34, p = .014, d = 0.88 und t (46) = 4.03, p < .001, d = 1.19 (alle anderen p > .135, siehe Tabelle 4). Reflexionswissen In Hypothese 3 nahmen wir an, dass die Gabe von Prompts das Reflexionswissen fördert. Um diese Hypothese für das konzeptuelle Reflexionswissen zu testen, führten wir zunächst eine Kontrastanalyse mit Messwiederholung durch, um zu testen, ob die Prompts-Gruppe stärkere Zuwächse vom Vortest zu den beiden Nachtests verzeichnen würde als die Gruppe ohne Prompts (Zwischensubjektfaktor: Gruppe ohne Prompts: -1, Gruppe mit Prompts: 1; Innersubjektfaktor: Vortest -2, erster Nachtest: 1, zweiter Nachtest: 1). Der Kontrast war statistisch signifikant, t (43) = 1.76, p = .043, d = 0.54. Die Prompts-Gruppe zeigte stärkere Zuwächse vom Vortest zu den Nachtests als die Gruppe ohne Prompts. Aus explorativen Gründen führten wir zusätzlich zwei separate ANCOVAs durch, um zu prüfen, ob die Prompts-Gruppe sowohl im ersten als auch im zweiten Nachtest einen höheren Lernerfolg zeigte. Es zeigte sich kein signifikanter Gruppenunterschied für den ersten Nachtest, F (1, 47) = 0.49, p = .486, η p 2 = .01. Erst im zweiten Nachtest erzielte die Prompts-Gruppe höhere Werte, F (1, 43) = 4.74, p = .035, η p 2 = .09. Hinsichtlich der Anwendung von Reflexionswissen zeigte sich ein anderes Befundmuster. Eine Kontrastanalyse über beide Messzeitpunkte hinweg zeigte keine signifikante Überlegenheit der Prompts-Gruppe, t (43) = 0.99, p = .164. Allerdings veränderte sich der Effekt zwischen den beiden Gruppen über die Messzeitpunkte, F (1, 43) = 6.68, p = .013, η p 2 = .13. Separate ANCOVAs zu beiden Nachtestzeitpunkten zeigten, dass die Prompts-Gruppe im zweiten, aber nicht im ersten Nachtest der Gruppe ohne Prompts signifikant überlegen war, F (1, 43) = 5.18, p = .028, η p 2 = .11 und F (1, 47) = 0.03, p = .870, η p 2 < .01. Diskussion Zusammengefasst zeigen die Befunde, dass Prompts ein probates Mittel sind, um Reflexionsprozesse (vor allem in Bezug auf Gefühle, die Entwicklung von Handlungsplänen und elaborierten Analysen) in einem Lerntagebuch im Praxissemester sowie die Entwicklung von Reflexionswissen zu fördern. Aufgrund des feldexperimentellen Charakters der vorliegenden Studie, wodurch gleichzeitig eine hohe interne Validität und eine hohe ökologische Validität erreicht werden konnte, stärkt die Studie die Befundlage zur Nützlichkeit von Prompts im Rahmen der Anleitung von Reflexionsprozessen in Lerntagebüchern bedeutend (vgl. Hartung- Beck & Schlag, 2020; Schellenbach-Zell, 2020). Gemeinsam mit weiteren instruktionalen Unterstützungsmaßnahmen wie beispielweise Feedback, was ebenfalls schon in feldexperimentellen Settings im Praxissemester positiv evaluiert worden ist (Pieper et al., 2021; siehe auch Schellenbach-Zell, 2020), können Prompts also als vielversprechendes und leicht zu implementierendes Mittel zur Förderung effektiver Reflexionsprozesse im Praxissemester angesehen werden. Prompts führen zu mehr Reflexionen über Gefühle und Handlungspläne Offenbar führen Prompts dazu, dass Studierende häufiger die Schritte „Gefühle“ und „Handlungsplan“ des Reflexionszyklus nach Gibbs durchführen. Die anderen Schritte (Beschreibung; Evaluation; Analyse; Schlussfolgerung) wurden unabhängig von der Gabe von Prompts 274 Martin Pieper, Julian Roelle, Rudolf vom Hofe, Alexander Salle, Kirsten Berthold in beiden Gruppen ähnlich häufig durchgeführt. Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass Studierende zum Zeitpunkt des Praxissemesters die anderen, ggf. intuitiveren, Schritte schon verinnerlicht haben, da sie diese Schritte möglicherweise auch bei anderen Reflexionsaufgaben (z. B. nach einem Referat) bereits umgesetzt haben, während sie die Schritte Gefühle und Handlungsplan kaum kennen. Eine andere mögliche Erklärung ist, dass diese Schritte bekannt sind, jedoch Studierende ohne Prompts keinen Mehrwert darin sehen, die Schritte durchzuführen, da ihnen beispielsweise die Funktion der Reflexion von Gefühlen intuitiv nicht unmittelbar einleuchtet. Sowohl nach Gibbs (1988) als auch in anderen Reflexionsmodellen (z. B. ALACT-Modell nach Korthagen & Wubbels, 2002) wird Gefühlen allerdings eine wichtige Bedeutung zugeschrieben. So werden Gefühle bzw. die Reflexion von Gefühlen als integraler Bestandteil professioneller Entwicklung (z. B. Zembylas, 2014) und als bedeutender Einflussfaktor auf die Art, wie erlebte Situationen begriffen werden, gesehen (z. B. Zembylas, Charalambous & Charalambous, 2014). Dies unterstreicht die Bedeutung des Einsatzes des Gefühle-Prompts, um diesen essenziellen Aspekt für die Wahrnehmung, Interpretation und Motivation in einer Reflexion zu aktivieren. Beim Schritt Handlungsplan zeigte sich, dass die Gruppe ohne Prompts Schlussfolgerungen zieht, jedoch oft keinen Handlungsplan formuliert, obwohl dieser eine hohe Relevanz für den weiteren Entwicklungsprozess hat (Larrivee, 2000). Der Befund stützt den Einsatz des Prompts „Handlungsplan“, um eine Art „Lernvertrag“ mit Lernenden abzuschließen (Gibbs, 1988), wodurch sie reflektiertes Wissen erlangen und in zukünftigen Handlungen anwenden können. Prompts führen zu qualitativ besseren Reflexionen über Gefühle und Analysen Hinsichtlich der Qualität der Durchführung der sechs Reflexionsschritte zeigten sich positive Effekte der Prompts in den Schritten Gefühle und Analyse. Eine mögliche Erklärung ist, dass Studierende spontan nur ungern über eigene Gefühle schriftlich reflektieren und die Elaboration in diesem Schritt entsprechend gering ist. Für den Schritt Analyse ist anzunehmen, dass analog zum Schritt Gefühle die aktivierende Funktion des Prompts „Analyse“ die Studierenden anregt, sich auf wesentliche Analyseaspekte zu fokussieren und folglich qualitativ hochwertiger zu analysieren. Hingegen zeigte die Qualität der Durchführung der übrigen Schritte, dass beide Gruppen in der Lage sind, in ähnlicher Qualität zu beschreiben, zu evaluieren, zu schlussfolgern und Handlungspläne zu entwickeln. Im Speziellen zeigt das Befundmuster, dass beide Gruppen einen recht hohen Qualitätsscore für die Schritte Beschreibung, Gefühle und Evaluation erzielten (siehe Tabelle 3) und weitere Fördermaßnahmen wie beispielsweise Feedback nicht zwingend nötig sind, wenn diese Reflexionsschritte durchgeführt werden. Analog zu den Befunden hinsichtlich der Quantität der Reflexionsprozesse könnte eine mögliche Erklärung hierfür sein, dass die Schritte durch bisherige Reflexionserfahrungen oder durch Akteure der Lehramtsausbildung im Praxissemester ausreichend gefördert wurden. Dies spricht für eine zeitnahe Reduktion der Prompts (Beschreibung, Gefühle, Evaluation) für zukünftige Reflexionen, um dem Expertise-Umkehreffekt entgegenzuwirken, dass Studierende nur anfänglich von instruktionaler Unterstützung profitieren (Nückles et al., 2020). Jedoch benötigen Studierende für die Schritte Analyse, Schlussfolgerung und Handlungsplan, in denen ein mäßiger Qualitätsscore erzielt wurde, zusätzliche Fördermaßnahmen (z. B. Feedback; siehe Pieper et al., 2021). Prompts fördern das Reflexionswissen der Studierenden Die Prompts zeigten einen verzögerten Effekt auf das konzeptuelle Reflexionswissen und die Anwendung von Reflexionswissen im Kontext zur Analyse von Reflexionen von anderen Stu- Prompts zur Förderung von Reflexion 275 dierenden. Im ersten Nachtest zeigten sich allerdings keine statistisch bedeutsamen Gruppenunterschiede. Eine Erklärung für dieses Befundmuster könnte sein, dass die Lernenden neben ihren Lerntagebucheinträgen auch die Prompts als „Cues“ zum Abruf des jeweiligen Wissens zu den Reflexionsschritten genutzt haben, was sich analog zum Aufbau von zusätzlichen Abrufreizen durch Abrufübung (vgl. Rowland, 2014) vor allem in zeitlich (stark) verzögerten Tests als förderlich herausgestellt hat. Eine weitere bzw. ergänzende Erklärung ist, dass im Gegensatz zum ersten Nachtest die vorgegebene fiktive Reflexion im zweiten Nachtest weniger elaboriert war. Die Studierenden mussten somit im zweiten Nachtest deutlich mehr Reflexionswissen abrufen und anwenden (z. B. erkennen, welche Reflexionsschritte fehlten oder weniger gut gelungen waren), was die Schwierigkeit der Aufgabe erhöht haben könnte und was den Nutzen der Prompts als zusätzliche Abrufreize verstärkt haben mag. Auch das Paper-Pencil-Format des zweiten Nachtests könnte zu dem Befundmuster beigetragen haben. So könnte das Paper-Pencil-Format potenziell stärker den Präferenzen der Studierenden der Prompts-Gruppe entsprochen haben, wodurch ihre Antworten elaborierter ausgefallen sein könnten. Auch ist es denkbar, dass aufgrund des geänderten Testformats die Prompts als potenziell zusätzliche Abrufreize einen größeren Mehrwert hatten, da der Wechsel des Testformats das Erinnern der Inhalte insgesamt erschwert haben könnte. Limitierungen der Studie Die Reflexionen der Lehramtsstudierenden fanden in dieser Studie nicht im inhaltsleeren Raum statt, sondern wurden mit authentischen Handlungssituationen aus dem Unterricht verknüpft (Berthold, 2006). Eine Limitierung ergibt sich jedoch aus der fehlenden Berücksichtigung des Professionswissens (Baumert & Kunter, 2006) von Studierenden, das an Universitäten, in Begleitveranstaltungen der einzelnen ZfsL und durch Mentor*innen der Schulen vermittelt wird. Insbesondere wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Studierenden auch zum Einbeziehen ihres Wissens über lernwirksame Unterrichtsgestaltung angeregt worden wären und wenn die Reflexionen auch vor dem Hintergrund des Wissensstands der Studierenden hinsichtlich lernwirksamer Unterrichtsgestaltung hätten analysiert werden können. Ein zentrales Qualitätsmerkmal von Reflexionen Studierender im Praxissemester ist zweifelsohne, inwiefern dieses Wissen (fachlich korrekt) eingebracht wird und somit eine erfolgreiche Theorie-Praxis-Verzahnung erreicht wird. Der Fokus der vorliegenden Studie auf die Durchführung der „Reflexionsfigur“ sollte entsprechend in zukünftigen Studien um einen Fokus auf den Einbezug fachlichen, allgemein-pädagogischen, fachdidaktischen und curricularen Wissens erweitert werden. Eine weitere zentrale Limitierung liegt im verwendeten Studiendesign. Das Studiendesign erfasst nicht die Auswirkung der zwei verfassten Tagebucheinträge auf die zukünftige Reflexions- und Lehrperformanz der Studierenden. Die Befunde zeigen nur für die Studiendauer, dass Prompts in einem Tagebuch das Ausmaß der Reflexionsschritte Gefühle und Handlungsplan erhöhen sowie die Qualität der Durchführung der zwei Reflexionsschritte Gefühle und Analyse fördern. Das eingesetzte Studiendesign zeigt nicht, ob die sechs Schritte sowie die Qualität der Durchführung der Schritte auch in weiteren (schriftlichen oder mündlichen) Reflexionen erhöht waren. Um diese potenziellen langfristigen Effekte zu untersuchen, könnten in zukünftigen Studien nach der Interventionsphase (Prompts: mit vs. ohne) weitere Lerntagebucheinträge verfasst werden und es könnte zudem auch die Lehrperformanz der Studierenden in folgenden Unterrichtsstunden - z. B. mit Videoanalysen - erfasst werden. Praktische Verwertbarkeit Durch die Gabe von Prompts werden Reflexionsprozesse von Studierenden aktiviert. Mit geringem Aufwand können bedeutsame psycho- 276 Martin Pieper, Julian Roelle, Rudolf vom Hofe, Alexander Salle, Kirsten Berthold logische Kompetenzen, wie Reflexion, in der Lehrkräftebildung gefördert (Larrivee, 2000; Leonhard et al., 2010) und als Lerngelegenheit für die Entwicklung der Fähigkeit zur Selbstreflexion im Praxissemester genutzt werden (Freimuth & Sommer, 2010; MSW NRW, 2012). Wir streben an, den Akteur*innen der Lehrkräftebildung ein „Tagebuch-Paket“ mit praxisnahen Materialien und effektiven Prompts auf der Online-Plattform „PortaBLe“ zur Verfügung zu stellen. Das Tagebuch-Paket wird zusätzlich konzipierte, positiv evaluierte Feedback-Textbausteine mit Beispielen für positive Rückmeldungen und Verbesserungsvorschlägen zu allen sechs Schritten von Gibbs’ Reflexionszyklus beinhalten (vgl. Pieper et al., 2021). Hierdurch soll universitätsübergreifend ein breiter Transfer dieser evidenzbasierten didaktischen Maßnahme zur Förderung von Reflexionsprozessen im Praxissemester ermöglicht werden. Literatur Baumert, J. & Kunter, M. (2006). Stichwort: Professionelle Kompetenz von Lehrkräften. Zeitschrift für Erziehungswissenschaften, 9 (4), 469 - 520. https: / / doi.org/ 10.10 07/ s11618-006-0165-2 Berthold, K. (2006). Handlungskompetent durch Reflexion im Lerntagebuch: Fünf Thesen. Bildung und Erziehung, 59 (2), 205 - 214. https: / / doi.org/ 10.7788/ bue. 2006.59.2.205 Berthold, K., Nückles, M. & Renkl, A. (2007). Do learning protocols support learning strategies and outcomes? The role of cognitive and metacognitive prompts. Learning and Instruction, 17 (5), 564 - 577. https: / / doi. org/ 10.1016/ j.learninstruc.2007.09.007 Ericsson, K. A., Krampe, R.T. & Tesch-Römer, C. (1993). The role of deliberate practice in the acquisition of expert performance. 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