Psychologie in Erziehung und Unterricht
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/peu2024.art06d
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Buchbesprechung: Zemp, M. & Hesse, F. (2023): Mika und Asa gehen in die Kita - Wie Eltern die Bindung zu ihrem Kind stärken und den Kita-Eintritt erleichtern können
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Anna-Lena Zietlow
Die Eltern-Kind-Bindung zählt zu den frühesten und wichtigsten sozialen Beziehungen im Leben eines Menschen. Sie hat großen Einfluss auf die weitere kindliche Entwicklung und darüber hinaus auf die Gestaltung enger sozialer Bindungen über die gesamte Lebensspanne hinweg. In der frühen Interaktion mit den Eltern bildet sich, falls die Eltern auf die Bedürfnisse des Kindes adäquat und feinfühlig eingehen, auf kindlicher Seite eine sichere Bindung heraus, in der ein Gleichgewicht zwischen Nähe suchendem und die Umwelt explorierendem Verhalten besteht. Ein einschneidendes Erlebnis sowohl für Kinder als auch für Eltern stellt der Übergang in die Kita dar, in dessen Verlauf sich einerseits die Kinder an ein neues Lebensumfeld anpassen und andererseits die Eltern den mitunter schwierigen Spagat meistern müssen, ihren Kindern Sicherheit zu vermitteln und dabei gleichzeitig loszulassen.
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52 Buchbesprechung Zemp, M. & Hesse, F. (2023) Mika und Asa gehen in die Kita - Wie Eltern die Bindung zu ihrem Kind stärken und den Kita-Eintritt erleichtern können Bern: Hogrefe. 71 Seiten. ISBN: 978-3-456-86236-1 (€ 19,95) Die Eltern-Kind-Bindung zählt zu den frühesten und wichtigsten sozialen Beziehungen im Leben eines Menschen. Sie hat großen Einfluss auf die weitere kindliche Entwicklung und darüber hinaus auf die Gestaltung enger sozialer Bindungen über die gesamte Lebensspanne hinweg. In der frühen Interaktion mit den Eltern bildet sich, falls die Eltern auf die Bedürfnisse des Kindes adäquat und feinfühlig eingehen, auf kindlicher Seite eine sichere Bindung heraus, in der ein Gleichgewicht zwischen Nähe suchendem und die Umwelt explorierendem Verhalten besteht. Ein einschneidendes Erlebnis sowohl für Kinder als auch für Eltern stellt der Übergang in die Kita dar, in dessen Verlauf sich einerseits die Kinder an ein neues Lebensumfeld anpassen und andererseits die Eltern den mitunter schwierigen Spagat meistern müssen, ihren Kindern Sicherheit zu vermitteln und dabei gleichzeitig loszulassen. Hier setzt das von Fabienne Hesse verfasste sowie illustrierte und von Martina Zemp fachlich begleitete Buch an. Es richtet sich mit zweierlei Anliegen an Eltern und Bezugspersonen von Kleinkindern, die unmittelbar vor dem Eintritt in die Kita stehen bzw. bereits eine Betreuungseinrichtung besuchen: Zum einen möchten sie Eltern die Grundlagen der Bindungstheorie vermitteln und auf diese Weise für die große Bedeutung der Eltern-Kind-Bindung für die kindliche Entwicklung sensibilisieren, zum anderen Eltern und Kindern ein Hilfsmittel an die Hand geben, um den Übergang in die Kita erfolgreich zu meistern. Das Buch gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil („Bindung“) gibt in gebotener Kürze eine anschauliche Einführung in die Grundlagen der Bindungstheorie. Hesse und Zemp gelingt es, diese Grundlagen für ein nicht fachliches Publikum leicht verständlich aufzubereiten. Dabei werden die Voraussetzungen und die Bedeutung einer sicheren Bindung für die kindliche Entwicklung ebenso erklärt wie das Konzept elterlicher Sensitivität, verknüpft zum einen mit praktischen Übungen für die elterliche psychische Hygiene, die für das Aufrechterhalten des Fürsorgeverhaltens der Eltern unerlässlich ist, zum anderen mit wichtigen Anregungen für die Selbstbeobachtung des elterlichen Verhaltens in der Interaktion mit dem eigenen Kind. Im darauf aufbauenden zweiten Teil („Kita“) rückt der Eintritt in die Kita als kritisches Lebensereignis in den Mittelpunkt der Betrachtungen Hesses und Zemps, das von den Kindern eine nicht zu unterschätzende Anpassungsleistung fordert, jedoch bei einer qualitativ hochwertigen Betreuung auch große Chancen für die weitere kindliche Entwicklung eröffnet, wie anhand empirischer Studien aufgezeigt wird. Hesse und Zemp bieten für einen erfolgreichen Übergang in die Kita weiterführende Informationen, unter anderem zu den Themen Fremdbetreuung und Eingewöhnung, und benennen Qualitätskriterien (Sensitivität der Erzieher*innen, Betreuungsschlüssel, pädagogisches Konzept etc.), die bei der Auswahl der Betreuungseinrichtung durch die Eltern Berücksichtigung finden sollten. Diese wichtigen Hinweise gehen jedoch angesichts der unzureichenden Zahl an Betreuungsplätzen und der mitunter mangelnden Qualität der Kinderbetreuung infolge fehlender Fachkräfte - zumindest was Deutschland betrifft - leider an der Lebensrealität vieler Familien vorbei, die auf die genannten Auswahlkriterien nur bedingt Einfluss haben. Als sehr hilfreich wiederum können die Anregungen zur Vorbereitung des Kindes auf den Kita-Eintritt gelten, die Eltern konkrete Anleitungen an die Hand geben, um angemessen auf die kindlichen Bedürfnisse während des Übergangs in die Kita einzugehen. Zusatzmaterialien - eine sehr ansprechend illustrierte Kindergeschichte, den Eltern und Kindern zur gemeinsamen Lektüre empfohlen, sowie hilfreiche Informationsseiten zum Thema im Internet - runden das Buch ab. In der Kindergeschichte werden die Themen Bindung und Kitaeintritt anhand der beiden von Fabienne Hesse kreierten Figuren „Mika“ und „Asa“, die bereits an anderer Stelle („Asa und Mucks - Freundschaft mit der Angst“) ihren Auftritt hatten, anschaulich und kindgerecht aufbereitet. Die Buchbesprechung · Dank an die Fachgutachterinnen und Fachgutachter 53 in die Geschichte eingewobenen Übungen und die Idee des „Bindungstierchens“, einer Form des Übergangsobjektes, erleichtern den Start in die Kita auf spielerische Art und Weise, indem sie dabei helfen, Sorgen und Ängste der Kinder abzubauen. Die Arbeitsmaterialien für einige im Buch beschriebene Übungen lassen sich nach erfolgter Registrierung auf der Homepage des Verlages herunterladen, um die Übungen daheim gemeinsam mit den Kindern zu erproben. Einige der praktischen Übungen, wie das „Beobachtungsprotokoll zu elterlicher Sensitivität“, könnten allerdings ohne weitere fachliche Anleitung manche Eltern überfordern. Die Übung „Familienaufstellung“, mittels derer die Rolle der Kita im familiären Beziehungsgefüge gemeinsam mit den Kindern visualisiert werden kann, ist eher für ältere Kinder ab ca. 4 Jahren geeignet. In seiner grundlegenden Ausrichtung - aber nicht zuletzt auch sprachlich - wendet sich das Buch vor allem an eine bildungsbürgerliche Zielgruppe. Es bleibt festzuhalten, dass unter einem diversitätssensiblen Aspekt die Lebensrealitäten von Eltern aus weniger privilegierten Familien mitunter aus dem Blick geraten, die Unterstützung im Aufbau und in der Stärkung der Eltern-Kind-Bindung, im Fürsorgeverhalten und in der elterlichen psychischen Hygiene benötigen. Trotz dieser kleineren Einschränkungen bietet dieses empfehlenswerte Buch nicht nur für Eltern, deren Kinder vor dem Eintritt in die Kita stehen oder bereits eine Betreuungseinrichtung besuchen, fachlich fundierte, anschauliche und somit wertvolle Hilfestellungen, um diesen Übergang erfolgreich zu meistern, sondern stellt darüber hinaus auch für Erzieher*innen sowohl in der Eingewöhnung von Kleinkindern als auch in der Arbeit mit Eltern und für Therapeut*innen in der psychotherapeutischen Praxis und Beratung eine bereichernde Unterstützung dar. Prof. Dr. Anna-Lena Zietlow Professur für Klinische Kinder- und Jugendpsychologie Technische Universität Dresden Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie E-Mail: anna-lena.zietlow@tu-dresden.de DOI 10.2378/ peu2024.art06d Neben den Mitherausgeberinnen und Mitherausgebern und den Mitgliedern des Wissenschaftlichen Beirats der PEU haben im Jahr 2023 folgende Kolleginnen und Kollegen als „Peer-Reviewer“ an Psychologie in Erziehung und Unterricht mitgewirkt und zu ihrer Qualität beigetragen. Ihnen allen sei hiermit seitens der Herausgeberschaft ganz besonders gedankt: Julia Asbrand Tijs Bolz Sandra Dietrich Franziska Greiner-Döchert Gerda Hagenauer Timo Hennig Markus Hess Udo Käser Tabea Kauper Susi Klaß Simone Lehrl Hendrik Lohse-Bossenz Daniela Martinek Cora Parrisius-Steinke Julia Reichenberger Katharina Scheiter Frieder Schillinger Kristina Stockinger Alexander Tillmann Agnes Turner Elke Wild Martina Zemp Dank an die Fachgutachterinnen und Fachgutachter
