eJournals Psychologie in Erziehung und Unterricht 71/3

Psychologie in Erziehung und Unterricht
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0342-183X
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
10.2378/peu2024.art16d
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2024
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Empirische Arbeit: Ausgewählte Persönlichkeitsmerkmale von Teilnehmenden an Online- und Präsenzvorlesung

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Tobias Böttger
Michael Poschik
Klaus Zierer
Im Wintersemester 2021/22 wurde an der Universität Augsburg im Schulpädagogik-Basismodul die Vorlesung, zusätzlich zur Präsenz, auch digital angeboten. Die Studierenden konnten zu Beginn des Semesters wählen, welche der beiden Veranstaltungsformen sie besuchen möchten. Um den geringen Forschungsstand zur Wahl unterschiedlicher Unterrichtsmodi zu erweitern, wurden im Rahmen dieser Studie die Merkmale Selbstkonzept Begabung, Prokrastination und die Faktoren des BIG-5-Fragebogens, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit und Neurotizismus, erhoben. Die Faktoren Prokrastination, Selbstkonzept Begabung und ausgewählte Persönlichkeitsmerkmale, wie Gewissenhaftigkeit, sind für erfolgreiches Studieren wichtig (Staller et al., 2021, Keller & Karau, 2013, Zhan & Mei, 2013). Ebenso wichtig ist zu wissen, ob ein Faktor einen Vorlesungsmodus vorhersagen kann, um Studierende bestmöglich zu fördern und ihnen das bestmögliche Lehrangebot machen zu können. Gerade zu diesem Aspekt gibt es im deutschsprachigen Raum nur eine geringe Anzahl von Studien. Aufgrund empirischer Befunde wird vermutet, dass Studierende, die ein höheres Selbstkonzept aufweisen, gewissenhafter und extravertierter sind, die Online-Vorlesung bevorzugen. In Bezug auf die übrigen Skalen des BIG-5- Fragebogens wurden keine Hypothesen formuliert, da die Befundlage diesbezüglich zu uneinheitlich ist. In Bezug auf Prokrastination wurden keine Unterschiede vermutet. Alle Hypothesen, mit Ausnahme der Annahme bezüglich der Extraversion, konnten anhand von Mittelwertvergleichen bestätigt werden.
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n Empirische Arbeit Psychologie in Erziehung und Unterricht, 2024, 71, 133 -143 DOI 10.2378/ peu2024.art16d © Ernst Reinhardt Verlag Ausgewählte Persönlichkeitsmerkmale von Teilnehmenden an Online- und Präsenzvorlesung Tobias Böttger, Michael Poschik, Klaus Zierer Universität Augsburg Zusammenfassung: Im Wintersemester 2021/ 22 wurde an der Universität Augsburg im Schulpädagogik-Basismodul die Vorlesung, zusätzlich zur Präsenz, auch digital angeboten. Die Studierenden konnten zu Beginn des Semesters wählen, welche der beiden Veranstaltungsformen sie besuchen möchten. Um den geringen Forschungsstand zur Wahl unterschiedlicher Unterrichtsmodi zu erweitern, wurden im Rahmen dieser Studie die Merkmale Selbstkonzept Begabung, Prokrastination und die Faktoren des BIG-5-Fragebogens, Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit und Neurotizismus, erhoben. Die Faktoren Prokrastination, Selbstkonzept Begabung und ausgewählte Persönlichkeitsmerkmale, wie Gewissenhaftigkeit, sind für erfolgreiches Studieren wichtig (Staller et al., 2021; Keller & Karau, 2013; Zhan & Mei, 2013). Ebenso wichtig ist zu wissen, ob ein Faktor einen Vorlesungsmodus vorhersagen kann, um Studierende bestmöglich zu fördern und ihnen das bestmögliche Lehrangebot machen zu können. Gerade zu diesem Aspekt gibt es im deutschsprachigen Raum nur eine geringe Anzahl von Studien. Aufgrund empirischer Befunde wird vermutet, dass Studierende, die ein höheres Selbstkonzept aufweisen, gewissenhafter und extravertierter sind, die Online-Vorlesung bevorzugen. In Bezug auf die übrigen Skalen des BIG-5- Fragebogens wurden keine Hypothesen formuliert, da die Befundlage diesbezüglich zu uneinheitlich ist. In Bezug auf Prokrastination wurden keine Unterschiede vermutet. Alle Hypothesen, mit Ausnahme der Annahme bezüglich der Extraversion, konnten anhand von Mittelwertvergleichen bestätigt werden. Schlüsselbegriffe: Pandemie, Big Five, Selbstkonzept Begabung, Prokrastination Selected Personality Traits of Participants in an Online and Face-to-Face Lecture Summary: In the winter semester of 2021/ 22, the lecture in the basic school pedagogy module at the University of Augsburg was also offered digitally in addition to attendance. At the beginning of the semester, students could choose which of the two event modes they would like to attend. In order to extend the small amount of research on the choice of different teaching modes, the characteristics of academic self-concept, procrastination and the factors of the BIG-5 questionnaire, conscientiousness, extraversion, openness, agreeableness, and neuroticism, were collected in this study. The factors procrastination, self-concept aptitude and selected personality traits, such as conscientiousness, are important for successful studying (Staller et al., 2021; Keller & Karau, 2013; Zhan & Mei, 2013). It is equally important to know whether a factor can predict a lecture mode in order to best support students and provide them with the best possible teaching offer. Especially on this aspect, there are only a vanishingly small number of studies in the German-speaking world. Based on empirical findings, it is assumed that students who exhibit a higher self-concept, are more conscientious and extraverted, prefer the online lecture. With regard to the other scales of the BIG-5 questionnaire, no hypotheses were formulated because the findings are too inconsistent in this regard. No differences were hypothesized with respect to procrastination. All hypotheses, with the exception of the assumption regarding extraversion, could be confirmed on the basis of mean comparisons. Keywords: Pandemic, Big Five, academic self-concept, procrastination 134 Tobias Böttger, Michael Poschik, Klaus Zierer Theoretischer Hintergrund Pandemiebedingt wurden an der Universität Augsburg ab dem Sommersemester 2020 fast alle Lehrveranstaltungen durch digitale Formate ersetzt. Im Wintersemester 2021/ 22 stand es Lehramtsstudierenden im Basismodul der Schulpädagogik frei, eine Vorlesung entweder in Präsenz oder als digitale Veranstaltung zu besuchen. Die Vorlesung in Präsenz bestand aus einem Vortragsteil und einer anschließenden Diskussion. Analog dazu wurde im Rahmen der digitalen Veranstaltung zunächst ein Vortrag in Form eines Videos präsentiert. Anschließend fand ein Austausch der Teilnehmenden in einem Chat statt. Anhand einiger Studien kann gezeigt werden, dass sich Studierende aufgrund bestimmter Persönlichkeitsmerkmale entweder für digitale oder Präsenzveranstaltungen entscheiden (z. B. Keller & Karau, 2013). Die Kenntnis dieser Merkmale und das Wissen um deren Ausprägung bei den Studierenden im jeweiligen Kurs-Setting kann dabei helfen, die Lehrqualität zu verbessern (Bhagat & Chang, 2019; Komarraju & Karau, 2005; Dikaya, Avanesian, Dikiy, Kirik & Egorova, 2021). Die Zahl der Arbeiten zu diesem Thema ist derzeit noch sehr klein (Dikaya et al., 2021), teilweise widersprüchlich und stammt meist nicht aus dem deutschsprachigen Raum. Von den relevanten Persönlichkeitsmerkmalen wurden für die vorliegende Studie einige ausgewählt, die in Bezug auf die Forschungsfrage besonders relevant erscheinen. „Die BIG Five [gelten] unter den Persönlichkeitsforschern hinsichtlich der qualitativen Kriterien weltweit als State of the Art“ (Fehr, 2006, S. 115). Unter Berücksichtigung zahlreicher Studien, die Vorteile kurzer Fragebögen hinsichtlich effektiver Antwortquoten aufzeigen (Bhagat & Chang, 2019), wurde für die vorliegende Studie das BFI-10 zur Erfassung zentraler Persönlichkeitsmerkmale ausgewählt. Der Big- Five-Fragebogen schien für das vorliegende Forschungsvorhaben besonders geeignet, da bezüglich der enthaltenen Dimensionen Extraversion, Gewissenhaftigkeit, Offenheit, Verträglichkeit und Neurotizismus zum Teil bereits Unterschiede in Bezug auf die Präferenz digitalerbzw. Präsenzangebote wissenschaftlich belegt sind. Die Studienlage zum Merkmal Extraversion ist nicht eindeutig bis widersprüchlich. Nach Daughenbaugh, Daughenbaugh, Surry und Islam (2002) präferieren extrovertierte Studierende digitale Angebote aufgrund erweiterter Austauschmöglichkeiten (Chaträume, Diskussionsforen etc.), während Introvertierte dieses Format aufgrund höherer Anonymität präferieren. Anderen Untersuchungen zufolge bevorzugen Personen mit Neigung zur Extraversion Face-to-Face Settings, während Introvertierte Online-Kurse bevorzugen (Anitsal, Anitsal, Barger, Fidan & Allen, 2010; Russel, 2002; Mattes, Nanney & Mary, 2003; Dikaya et al., 2021 1 ). Extravierte sind unzufriedener mit Online-Vorlesungen (Sohaib et al., 2022) und profitieren nach Lin und Overbaugh (2007) eher von Präsenzunterricht, da sie besonders effektiv denken können, wenn sie mit anderen interagieren und ihre Gedanken verbalisieren (siehe dazu auch Biner, Bink, Huffman & Dean, 1995). Trotz der heterogenen Befundlage zur Extraversion wird aufgrund der erkennbaren Tendenz im Rahmen der Hypothesenformulierung (H1) davon ausgegangen, dass Studierende, die das Präsenzangebot wählen, in höherem Maße extrovertiert sind als Studierende, die sich für das Online-Angebot entscheiden. Gewissenhafte Personen sind zuverlässig und haben den Wunsch, erfolgreich zu sein, was mit Verantwortung für das eigene Lernen einhergeht (Keller & Karau, 2013). Sie ziehen Online- Kurse traditionellen Kursen vor, erachten diese als wertvoll für ihre Karriere, sind engagierter und motivierter und weniger ängstlich in Online-Settings. Sie sind allgemein zufrieden mit Online-Lehre, wünschen aber keinen dauerhaften Online-Unterricht, wie es zu Pandemiezeiten der Fall war (Sohaib et al., 2022). Für gewissenhafte Studierende sind Online-Kurse auch daher eher geeignet, da Gewissenhaftigkeit positiv mit der Fähigkeit, selbstgesteuert zu lernen, korreliert (Leitsch & Van Hove, 2000). Selbstgesteuertes Lernen wird gerade in Online- 1 In Dikayas Untersuchung wurde Schüchternheit untersucht, die jedoch mit Introversion korreliert (Sprenger, 2014). Einfluss Persönlichkeitsmerkmale auf Vorlesungssetting 135 Settings benötigt, da eine höhere zeitliche und örtliche Flexibilität besteht (Leeb, 2018). Untersuchungen von Staller et al. (2021) zufolge scheinen gewissenhafte und offene Studierende mit geringem Neurotizismus aufgrund ihrer Vitalität, Selbstwirksamkeit und höherer intrinsischer Motivation (Horzum et al., 2014) besser mit Online-Sitzungen zurechtzukommen. Dies könnte erklären, warum sie trotz der Covid-19- Pandemie gute Ergebnisse in ihrem Studium erzielten (Corazzini, D’Arrigo, Millemaci, Navarra, 2020). Online-Vorlesungen erfordern ein hohes Maß an Strukturierung (Mattes et al. 2003), Selbstdisziplin (Schrum & Hong, 2002), Selbstorganisation, Selbstmotivierung (Dikaya et al. 2021; Hsu & Shiue, 2005) und Selbstregulierung (Leeb, 2018) aufseiten der Rezipient*innen. Daher liegt es nahe, dass sie von Studierenden mit ausgeprägter Gewissenhaftigkeit bevorzugt werden (Hsu & Shiue 2005). Dies wird bei der Formulierung der entsprechenden Hypothese (H2) berücksichtigt. Hinsichtlich der Faktoren Offenheit, Verträglichkeit und Neurotizismus existieren nur wenige, teils uneinheitliche Befunde. Nach Keller und Karau (2013) sind offene Studierende engagiert in Online-Kursen und betrachten diese als wertvoll für ihre Karriere. Sie zeigen sich in Online- Settings zufrieden, präferieren aber Face-to-Face Lernen (Sohaib et al., 2022). Studierende mit einem Hang zur Offenheit könnten nach Staller et al. (2021) von neuen Lernmethoden, wie sie beispielsweise in Online-Settings verwendet werden, profitieren. Ein hohes Maß an Offenheit für neue Erfahrungen korrelierte mit besseren universitären Prüfungsergebnissen während der COVID-19-Pandemie (Corazzini et al., 2020). Studierende, die Online-Kurse wählten, waren weniger verträglich als Studierende in Präsenz- Kursen (Anitsal et al., 2010). Nach Keller und Karau (2013) sind verträgliche Studierende engagiert in Online-Kursen und betrachten diese als wertvoll für ihre Karriere. Trotzdem konnte keine signifikante Affinität der Studierenden zu Online-Settings ausgemacht werden. Studierende, die Präsenzunterricht statt des Online-Angebots wählten, sind nach Anitsal et al. (2010) und Sohaib et al. (2022) neurotischer als Online-Studierende. Nach Mattes et al. (2003) hingegen sind Student*innen, die eher zu Sorgen und Befürchtungen neigen, mehr in Online-Kursen anzutreffen. Bezüglich der Merkmale Offenheit, Verträglichkeit und Neurotizismus wurden, den dargestellten Studienbefunden entsprechend, im Rahmen der vorliegenden Untersuchung Hypothesen formuliert. Da sich im Zuge der Auswertung der Fragebogenergebnisse allerdings zeigte, dass die Skalen zur Messung dieser Merkmale nicht der erforderlichen Qualität entsprachen, wurden diese Hypothesen aus Platzgründen wieder entfernt und nicht überprüft. Ein weiteres für diese Studie relevantes Persönlichkeitsmerkmal ist die sogenannte Prokrastination. Unter Prokrastination wird der Mangel an Bereitschaft und Absicht verstanden, eine Tätigkeit auszuführen. Außerdem bezeichnet der Begriff die Tendenz, eine Tätigkeit aufzuschieben und stellt somit so etwas wie das Gegenteil von Motivation dar (Hooshyar, Pedaste & Yang, 2020). Nach Chu und Choi (2005) ist nicht jede Form von Prokrastination schädlich. Wer es vorzieht, unter Druck zu arbeiten und sich deshalb bewusst dafür entscheidet, die Arbeit aufzuschieben, kann trotz Prokrastination erfolgreich sein. Diese Unterscheidung in aktive und passive Prokrastination wird jedoch auch von einigen Autoren kritisch betrachtet (Steel, 2007; Pychyl, 2009). Nach Höcker, Engberding & Rist (2013) korrelieren aktive und passive Prokrastination miteinander. Sie plädieren dafür, Prokrastination eher in unterschiedlich starke Ausprägungen einzuteilen. Die Autoren der vorliegenden Studie haben sich dahingehend gegen eine Unterscheidung von aktiver und passiver Prokrastination entschieden. Hinsichtlich des Prokrastinationsverhaltens und der Bevorzugung von digitalen oder Präsenzveranstaltungen gibt es kaum empirische Studien. Johnson und Palmer (2025) betrachten „procrastination as an intrinsic ,trait-based‘ factor that might influence one’s selection of an online or F2F course“ (S. 12). Die Studie von Johnson und Palmer zeigte, dass Studierende in Präsenzveranstaltungen eher der Ansicht sind, dass die Teilnahme 136 Tobias Böttger, Michael Poschik, Klaus Zierer an einem Online-Kurs ihre Tendenz zum Prokrastinieren erhöhen würde. Sie folgerten daraus, dass die Angst vor extrinsischen Ursachen der Prokrastination die Kurswahl einiger Studierender beeinflussen kann. Ähnliches berichten auch Platt, Raile und Yu (2014). Wie bereits angesprochen, sind ein hohes Maß an Selbstdisziplin, Selbstorganisation und Selbstmotivierung essenzielle Elemente des Distanzunterrichts (Dikaya et al., 2021), weshalb Studierende, die das Lernen aufschieben, für Online-Unterricht weniger geeignet erscheinen (Kim & Schniederjans, 2004; Richardson, Abraham & Bond, 2012; Michinov, Brunot, Le Bohec, Juhel & Delaval, 2011). Nach Cerezo, Esteban, Sánchez- Santillán und Núñez (2017) ist Prokrastination das am häufigsten beobachtete erfolgsgefährdende Verhalten von Studierenden beim Online- Lernen. Aufgrund der dargestellten, wenn auch nicht eindeutigen Befundlage wird im Rahmen der Hypothesenformulierung (H3) davon ausgegangen, dass Teilnehmende am Online-Angebot in höherem Maße prokrastinieren als Studierende in der Präsenzveranstaltung. „Das Selbstkonzept wird als die kognitivdeskriptive Komponente des Selbst verstanden und besteht aus einer Vielzahl an Selbstbeschreibungen, die das Gesamtwissen über die eigene Person ausmachen“ (Thomsen, Lessing, Greve & Dresbach, 2018, S. 93). Selbstbeschreibungen lassen sich auf einzelne Aspekte der Person beziehen oder auf die ganze Person (Möller & Trautwein 2020, S. 188). Das globale Selbstkonzept lässt sich in ein akademisches und nichtakademisches Selbstkonzept unterteilen, welches wiederum in Unterkategorien untergliedert werden kann (Shavelson, Hubner & Stanton, 1976, S. 413). Das akademische Selbstkonzept - oder auch Selbstkonzept der Begabung - beschränkt sich nicht nur auf die spezifischen Bereiche, wie bei Shavelson et al. (1976) angegeben, sondern konnte auch bereichsübergreifend nachgewiesen werden (Möller & Trautwein, 2020, S. 189). Personen, die eine hohe subjektive Begabung aufwiesen, schrieben beispielsweise ihre Erfolge eher den eigenen Fähigkeiten zu. Dies bedeutet, dass die angenommene Begabung oder Leistungsfähigkeit einen eigenen, empirisch nachweisbaren Bereich des akademischen Selbstkonzepts darstellt (Rheinberg, Vollmeyer & Lehnik, 2000, S. 79). Studierende mit einem höheren akademischen Selbstkonzept wählen erwartungsgemäß anspruchsvollere Bildungsumgebungen und zeigen größere Ausdauer und Anstrengungen bei akademischen Aufgaben. Online-Kurse erscheinen anspruchsvoller, da sie beispielsweise eine größere Ausdauer bei der Bearbeitung von Aufgaben erfordern durch beispielsweise verminderte Möglichkeiten, mit Dozent*innen und Mitstudierenden zu kommunizieren und von ihnen ermutigt zu werden (Zhan & Mei, 2013, S. 132). Zhan und Mei (2013) vermuten auch, dass der Einfluss des akademischen Selbstkonzepts auf das Lernen und die Einstellung der Studierenden in Online-Kursen größer ist als in Face-to-Face Kursen und dass „learners with low academic self-concept might not be able to perform well and might be less satisfied with the online course compared to the FTF course“ (ebd. 132). Dabbagh macht als einen Erfolgsfaktor des Online-Lernens ebenfalls ein starkes akademisches Selbstkonzept aus (Dabbagh, 2007, S. 220). Es ist folglich davon auszugehen, dass Studierende, die das Online-Angebot wählen, über ein stärker ausgeprägtes Selbstkonzept verfügen. Ein weiterer ausschlaggebender Aspekt in Bezug auf die Wahl des Kurssettings ist das Alter der Studierenden. „Some authors emphasize that the use of digital technologies for remote learning should be based on the participants’ age and psychological characteristics“ (Dikaya et al., 2021, pp. 2). Ältere Studierende neigen dazu, Online-Kurse zu wählen (Mattes et al., 2003). Das Durchschnittsalter von Studienanfänger*innen an deutschen Hochschulen lag im Jahr 2020/ 21 bei 19 Jahren. 83,5 Prozent der Studierenden war jünger als 23 Jahre (Statistisches Bundesamt, 2021). Daher kann davon ausgegangen werden, dass ein höheres Semester im Regelfall mit einem höheren Alter der Studierenden einhergeht. Dieser Umstand schlägt sich in der Formulierung der entsprechenden Hypothese (H5) nieder. Einfluss Persönlichkeitsmerkmale auf Vorlesungssetting 137 Hypothesen Aus den beschriebenen Befunden werden folgende fünf Hypothesen abgeleitet, die es zu untersuchen gilt. H1: Studierende, die das Präsenzangebot wählen, sind in höherem Maße extrovertiert als Studierende, die sich für das Online-Angebot entscheiden. H2: Studierende, die an der digitalen Veranstaltung teilnehmen, sind in höherem Maße gewissenhaft als Studierende in der Präsenzveranstaltung. H3: Studierende, die das Online-Angebot nutzen, prokrastinieren in höherem Maße als Studierende in der Präsenzveranstaltung. H4: Studierende, die an der digitalen Veranstaltung teilnehmen, zeigen ein stärker ausgeprägtes Selbstkonzept als Studierende in der Präsenzveranstaltung. H5: Studierende in höherem Semester beziehungsweise ältere Studierende bevorzugen das Online-Kursangebot. Methode Beschreibung der Stichprobe Im Rahmen einer Schulpädagogik-Vorlesung an der Universität Augsburg wurden knapp 1200 Studierende befragt. 483 Studierende nahmen an der Befragung teil. Die Vorlesung, auf die sich der Fragebogen bezog, wurde im Untersuchungs-Semester sowohl digital als auch in Präsenz angeboten. Zur Klassifikation der Probanden wurden Fragen zur Freiwilligkeit der Kurswahl in den Fragebogen integriert. Bei der Auswertung der Ergebnisse sind nur diejenigen Probanden von Interesse, die sich freiwillig für den Besuch der Veranstaltung im jeweiligen Modus, digital oder in Präsenz, entschieden haben. Die Stichprobe ist somit auf 294 beziehungsweise 291 Fälle beschränkt. 96 der 294 Befragten nahmen freiwillig an der digitalen Veranstaltung teil, während 198 freiwillig an der Präsenzveranstaltung teilnahmen. 219 der Teilnehmenden waren weiblich, 75 männlich (weitere Informationen siehe Tabelle 1). Erhebungsmethode und Umgang mit fehlenden Werten Die Studierenden wurden mit einem Fragebogen zur Erfassung der Dimensionen Extraversion, Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Verträglichkeit und Neurotizismus im Rahmen des Big-Five-Fragebogens befragt. Der hier verwendete BFI-10 gilt als ökonomisches Erhebungsverfahren, aufgrund dessen sich die Gesamtpersönlichkeit darstellen lässt. Der BFI-10 gilt außerdem als reliabel und valide (Rammstedt, Kemper, Klein, Beierlein & Kovaleva, 2014). Außerdem wurden das Selbstkonzept in Bezug auf Begabung und das Prokrastinationsverhalten erhoben. Die Items zur Erfassung des Selbstkonzepts messen Kognitionen hinsichtlich der selbst wahrgenommenen eigenen Leistungsfähigkeit im Vergleich mit anderen (Fend & Prester, 2014). Prokrastination, als relativ stabile Verhaltensdisposition, wurde mit dem Prokrastinationsfragebogen für Studierende (PFS) (Glöckner-Rist, Engberding, Höcker & Rist, 2014) erfasst. Außerdem wurde das Semester erfasst, in dem sich die Befragten zum Zeitpunkt der Erhebung befanden. Aufgrund einer mittleren Korrelation (r = .37, p < .01) kann die Höhe des Semesters als Indikator für das Alter der Studierenden gewertet werden. Im Datensatz fehlten bei den Items zur Messung der Prokrastination jeweils drei Fälle, woraus drei fehlende Skalenmittelwerte resultierten. Ein MCAR- Test nach Little fiel nicht signifikant aus ( χ ² = 21.84, df = 16, p = .148). Da die Werte somit als gänzlich zufällig fehlend angesehen werden können, wurden Fälle mit fehlenden Werten bei der Datenauswertung listenweise ausgeschlossen. Für die Skala Prokrastination liegen folglich 291 statt 294 Beobachtungen vor. Variable M SD Schiefe Kurtosis Minimum Maximum Semester Alter 1.51 20.78 .96 4.27 2.00 3.41 4.48 13.62 1 17 7 47 Tab. 1: Informationen zur Zusammensetzung der Stichprobe bei n = 294 Anmerkungen: n = Stichprobengröße, M = Mittelwert. SD = Standardabweichung. 138 Tobias Böttger, Michael Poschik, Klaus Zierer Ergebnisse Faktorielle Validität Zur Prüfung der faktoriellen Validität des Messmodells wurde eine konfirmatorische Faktorenanalyse unter Verwendung eines robusten Schätzverfahrens durchgeführt. Die Überprüfung der Güte des Messmodells ergab eine gute Modellpassung [ χ 2 (150) = 253.74, p < .01, χ 2 / df Verhältnis = 1.69; CFI = .95; TLI = .93; SRMR=0.06; RMSEA=0.05 (.04, .06; 90% CI)] (zur Beurteilung der Indizes siehe Brown, 2006; Byrne, 2001). Auf Grundlage dieses Befundes scheint es legitim, den theoretischen Grundlagen der verwendeten Instrumente gemäß, aus den entsprechenden Items Skalen zu bilden und Mittelwerte zu berechnen. Deskriptive Statistik Die im Rahmen der Erhebung eingesetzten Skalen wiesen eine Reliabilität im Bereich zwischen .24 und .89 auf. Während die internen Konsistenzen der Skalen Selbstkonzept und Prokrastination somit als gut einzustufen sind, ist dies bei den Skalen des BFI-10 nicht der Fall. Die Reliabilität der Skalen Neurotizismus und Offenheit ist niedrig und die der Skalen Extraversion und Gewissenhaftigkeit fragwürdig. Die interne Konsistenz der Skala Verträglichkeit ist inakzeptabel (Blanz, 2015). Aiken und Groth-Marnat (2006) zufolge sind nur die Skalen Extraversion und Gewissenhaftigkeit für Gruppenuntersuchungen geeignet, da ihre Reliabilität den Schwellenwert von .60 überschreitet. Fehlende Werte traten lediglich bei den Items der Skala Prokrastination auf (Tabelle 2). Interferenzstatistische Befunde Zur Prüfung der zuvor formulierten Hypothesen wurden t-Tests durchgeführt. Aufgrund der unzureichenden Reliabilität der Skalen Neurotizismus, Offenheit und Verträglichkeit wurden diese vom Mittelwertvergleich ausgenommen. Signifikante Mittelwertunterschiede zeigten sich für die Skalen Selbstkonzept, Extraversion, Gewissenhaftigkeit und für das Item, mit welchem die Höhe des Semesters erhoben wurde. Einzig im Falle des Semesters waren die Varianzen in den beiden untersuchten Gruppen dem Levene- Test zufolge nicht gleich. Dementsprechend wird hier die korrigierte Teststatistik berichtet (Tabelle 3). Bezogen auf das Selbstkonzept und die Gewissenhaftigkeit fielen die Mittelwerte in der Gruppe der Studierenden, die freiwillig das digitale Angebot nutzten, signifikant höher aus. Extraversion war unter den Studierenden, die sich freiwillig für das Präsenzangebot entschieden hatten, signifikant höher ausgeprägt. Es zeigte sich außerdem, dass sich Studierende, welche die digitale Vorlesung besuchten, in einem höheren Semester befanden als Studierende aus der anderen Gruppe. Bezogen auf die Prokrastination ließ sich kein signifikanter Unterschied Bereich Skala n Items n M SD α mögl. tat. BFI-10 - Neurotizismus - Extraversion - Offenheit - Verträglichkeit - Gewissenhaftigkeit 2 2 2 2 2 294 294 294 294 294 3.02 3.47 3.64 3.43 3.46 0.91 0.90 0.99 0.78 0.87 .54 .68 .57 .24 .60 1 -5 1 -5 1 -5 1 -5 1 -5 1 -5 1 -5 1 -5 1 -5 1.5 -5 Selbstkonzept Begabung Prokrastination (PFS 4) 6 4 294 291 3.34 2.85 0.91 0.97 .89 .89 1 -5 1 -5 1 -5 1 -5 Tab. 2: Psychometrische Eigenschaften der Skalen des BFI-10, Selbstkonzept Begabung und Prokrastination Anmerkungen: n Items = Anzahl der Items. n = Stichprobengröße. M = Mittelwert. SD = Standardabweichung. α = Cronbachs α . mögl. = möglich. tat. = tatsächlich. Einfluss Persönlichkeitsmerkmale auf Vorlesungssetting 139 feststellen. Der Test weist eine geringe Power auf, die Beta-Fehlerwahrscheinlichkeit liegt bei etwa 65 Prozent. Interpretation der Ergebnisse Aufgrund der zuvor berichteten Mittelwertvergleiche können nicht alle Hypothesen angenommen werden. Zunächst war es aufgrund mangelnder Reliabilität nicht möglich, die Skalen Neurotizismus, Offenheit und Verträglichkeit des BFI-10 im Rahmen der Mittelwertvergleiche zu berücksichtigen. Es zeigte sich, dass Studierende in der Präsenzveranstaltung in höherem Maße extravertiert waren als Studierende in der digitalen Variante. Die Hypothese (H1) konnte folglich bestätigt werden. Vor dem Hintergrund der zuvor thematisierten Heterogenität der Forschungsbefunde zum Thema Extraversion und Kurswahlpräferenz spricht der hier gefundene Unterschied für die Ergebnisse von Studien, die einen Zusammenhang zwischen einem hohen Maß an Extraversion und der Präferenz von Präsenzveranstaltungen nahelegen (z. B. Anitsal et al., 2010; Russel, 2002; Mattes, Nanney & Mary, 2003). Hypothesenkonform war auch der Befund bezüglich der Gewissenhaftigkeit der Studierenden (H2). Solche, die das digitale Angebot nutzten, waren gewissenhafter als die Studierenden in der Präsenzvorlesung. Dieses Ergebnis lässt sich theoretisch auf das höhere Maß an Selbstdisziplin zurückführen, welches digitale Lehrveranstaltungen erfordern können (Dikaya et al., 2021). Die Hypothese, dass Studierende, die das Online-Angebot nutzen, in höherem Maße prokrastinieren als Studierende in der Präsenzveranstaltung (H3), konnte nicht bestätigt werden. Schon im Zuge der Erläuterung theoretischer Hintergründe fielen die uneinheitlichen Studienergebnisse zum Thema Extraversion und Kurswahlverhalten auf. Der hier berichtete Befund entspricht tendenziell dem von Elvers, Polzella und Graetz (2003), die ebenfalls keine Unterschiede hinsichtlich der Prokrastinationstendenz bei Digital- oder Präsenzstudierenden finden konnten (Elvers et al., 2003). An dieser Stelle muss auf die geringe Power des zugrunde liegenden Tests verwiesen werden, die mit einer hohen Irrtumswahrscheinlichkeit einhergeht. Bestätigen ließ sich die Hypothese, dass Studierende, die das Online- Format wählten, ein höheres Selbstkonzept aufwiesen als solche, die das Präsenzangebot wählten (H4). Das Ergebnis steht im Einklang mit den im Theorieteil dargestellten Forschungsbefunden zu diesem Persönlichkeitsmerkmal. Die Hypothese, dass Studierende im höheren Semester beziehungsweise ältere Studierende das Online- Kursangebot bevorzugen (H5), konnte ebenfalls bestätigt werden. Dieses Ergebnis lässt sich auf den im Theorieteil dargestellten Zusammenhang zwischen der Ausprägung des Selbstkonzeptes und dem Alter beziehungsweise der Höhe des besuchten Semesters zurückführen. Merkmale wie Selbstkonzept und Alter beziehungsweise die Höhe des besuchten Semesters konfundieren. So geht mit dem Besuch eines höheren Semesters in der Regel ein höheres Selbstkonzept einher. Diese beiden Faktoren sollten folglich nicht getrennt voneinander betrachtet werden. freiwillig digital freiwillig Präsenz t df p 95 % KI d Skala/ Item M SD n M SD n UG OG Selbstkonzept Begabung 3.57 .93 96 3.23 .88 198 3.07 292 .002 .12 .56 0.38 Prokrastination 2.72 .98 96 2.91 .97 198 -1.59 289 .113 -.43 .05 0.20 Extraversion 3.28 .91 96 3.56 .89 198 -2.48 292 .014 -.50 -.06 0.30 Gewissenhaftigkeit 3.61 .81 96 3.38 .89 198 2.12 292 .035 .02 .44 0.26 Semester 1 1.82 1.11 96 1.36 .84 198 3.58 148.63 .000 .21 .71 0.47 Tab. 3: Vergleich der Skalenmittelwerte bei unabhängigen Stichproben Anmerkungen: KI = Konfidenzintervall. UG = untere Grenze. OG = obere Grenze. d = Cohens d. n = 87. 1 Varianzen sind nicht gleich laut Levene-Test. 140 Tobias Böttger, Michael Poschik, Klaus Zierer Limitationen Aufgrund der kleinen Stichprobengröße und der Beschränkung der Untersuchung auf nur einen Fachbereich an einer Universität können die vorgelegten Ergebnisse nicht als repräsentativ angesehen werden. Die Reliabilität der Skalen Neurotizismus, Offenheit und Verträglichkeit erwies sich als unzureichend für weitere Untersuchungen. Die Skalen Extraversion und Gewissenhaftigkeit wurden zur Ermittlung möglicher Gruppenunterschiede herangezogen, wobei deren interne Konsistenz zumindest fragwürdig war. Die Angst vor Ansteckung vor oder Übertragung von Corona wurde im Fragebogen nicht direkt berücksichtigt. Allerdings wurden durch Erfassung der Freiwilligkeit der Wahl des Modus mögliche Zwangslagen in Betracht gezogen. Der Test bezüglich möglicher Unterschiede in Bezug auf das Prokrastinationsverhalten scheint aufgrund seiner geringen Power wenig aussagekräftig. Diskussion Die vorliegende Studie konnte zeigen, dass Studierende in der Online-Veranstaltung weniger extravertiert, gewissenhafter und im höheren Semester waren als Studierende, die die Präsenzveranstaltung besucht haben. Außerdem verfügten die Studierenden, die das Online- Angebot nutzten, über ein stärker ausgeprägtes Selbstkonzept als Studierende in der Präsenzveranstaltung. Hinsichtlich der Prokrastinationstendenzen fanden sich zwar keine Unterschiede zwischen beiden Modi, die Zuverlässigkeit dieses Ergebnisses ist jedoch zumindest zweifelhaft. Weitere Untersuchungen sind nötig, um den hier berichteten Befund abzusichern. Im Rahmen der Untersuchung fiel außerdem die geringe Reliabilität des BFI-10 in der Kurzversion auf und es wird daher empfohlen, für weitere Studien Persönlichkeitstests mit mehreren Items durchzuführen, um Fehlerwahrscheinlichkeiten zu verringern und die interne Konsistenz einiger Skalen (Neurotizismus, Offenheit, Verträglichkeit) zu steigern. Studien, die das Verhältnis von Persönlichkeitseigenschaften und Professionalisierung der Lehre behandeln, gibt es schon seit den 70er Jahren (Stanton, 1974). Das Wissen um Persönlichkeitsmerkmale von Studierenden und deren Wechselwirkung mit den Gegebenheiten in einer Lehrveranstaltung kann helfen, die Qualität der Lehre zu steigern (Bhagat & Chang, 2019; Komarraju & Karau, 2005; Dikaya et al., 2021). Die vorliegende Studie soll einen Beitrag zur Verbesserung des Lehrangebotes unter Berücksichtigung der persönlichen Prädispositionen der Teilnehmenden leisten. Das höhere Maß an Extrovertiertheit, welches Studierende zeigen, die die Präsenzveranstaltung präferierten, kann zum Beispiel durch Gruppendiskussionen oder Partnerarbeit genutzt werden. Diese Sozialformen sprechen extrovertierte Persönlichkeiten an (Strasnik, 1974; Fjelkner, Hakanson & Rosander, 2019) und wirken möglicherweise lernförderlicher für diese (Lin & Overbaugh, 2007; Biner et al., 1995). Demgegenüber könnte dem geringeren Maß an Extrovertiertheit, wie es bei Studierenden in der Online-Variante der Veranstaltung zu finden ist, begegnet werden, indem digitale Interaktionsmöglichkeiten geschaffen werden. Dies kann durch Chats und Foren erreicht werden. Aufgrund der Persönlichkeitsmerkmale der Studierenden im Online-Format scheint hier jedoch unter Umständen eine gewisse Hilfestellung durch den Dozierenden nötig, die zum Beispiel durch Moderation und die Anregung von Austausch realisiert werden könnte (Fjelkner et al., 2019). Im Rahmen der Präsenzveranstaltung ließe sich die Gewissenhaftigkeit der Studierenden, die bei Teilnehmenden an der Online-Variante der Vorlesung stärker ausgeprägt war, durch Vermittlung selbstregulativer Strategien steigern (Arias et al., 2017). Denkbar wären diesbezüglich regelmäßige Hausaufgaben, deren Erledigung im Rahmen der Präsenzveranstaltung regelmäßig überprüft und begleitet werden, während im Online-Format diesbezüglich mehr Freiraum gewährt werden kann. Einfluss Persönlichkeitsmerkmale auf Vorlesungssetting 141 Das geringere Selbstkonzept von Studierenden in der Präsenzveranstaltung kann gezielt gestärkt werden, indem den Fähigkeiten der Teilnehmenden entsprechende Aufgaben gestellt und Erfolgserlebnisse geschaffen werden (zur Stärkung des Selbstkonzeptes siehe z. B. Langenkamp, 2018). Bei Studierenden, die das Online-Angebot nutzen, kann von einem stärker ausgeprägten Selbstkonzept ausgegangen werden. Diese Studierenden können zum Beispiel mit anspruchsvolleren Aufgaben konfrontiert werden. Die Studienergebnisse legen nahe, dass ein Online-Angebot besonders für Studierende höheren Semesters attraktiv sein kann. In Hinblick auf den Zusammenhang zwischen dem Alter der Studierenden beziehungsweise der Höhe des besuchten Semesters und anderen Persönlichkeitsmerkmalen scheint es demgegenüber sinnvoll, besonders für unerfahrene Studierende Präsenzangebote zu schaffen. Persönlichkeitstests können dabei helfen, den Studierenden für sie förderliche Lernsettings (Präsenzveranstaltung oder Online-Kurs) vorzuschlagen. Durch eine Diversifikation der Lehre, wobei sowohl Präsenzals auch Online-Kurse angeboten werden, können die individuellen Bedürfnisse der Studierenden besser erfüllt werden. Sowohl die digitale Lehre als auch Präsenzveranstaltungen haben ihre Berechtigung und bergen das Potenzial, die Lehre bedarfsgerecht zu gestalten. Literatur Aiken, L. R. & Groth-Marnat, G. (2006). 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(978-3-497-03027-9) kt a www.reinhardt-verlag.de Cybermobbing heißt das Phänomen, wenn Kinder und Jugendliche über Neue Medien wie Internet und Handy, insbesondere soziale Netzwerke, von Mitschüler: innengedemütigtwerden-mitmassiven Folgen für die Opfer, aber auch die Täter: innen. „Medienhelden“ ist ein evaluiertes Manual für den Unterricht. Lehrkräfte können es ohne zusätzlichen Aufwand im Unterricht als Curriculum umsetzen oder als Projekttag durchführen. Das Programm baut auf wissenschaftlichen Erkenntnissen auf und bietet pädagogische Methoden an, um Cybermobbing vorzubeugen und wichtige Kompetenzen zu stärken. Unverzichtbar für die zeitgemäße Medienarbeit in der Schule!