eJournals unsere jugend 59/7+8

unsere jugend
4
0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
71
2007
597+8

Zwischenruf: Super Nanny - populäre oder professionelle Erziehungssendung?

71
2007
Heidi Nielsen
Ich habe sie nur einige Male gesehen, die Super Nanny. So mag es sein, dass ich nur einen Teil ihrer Qualitäten kenne und mir dennoch erlaube, auf den Zwischenruf-Beitrag von C.W. Müller in Unsere Jugend 5/2007 zu antworten.
4_059_2007_7+8_0007
Ich habe sie nur einige Male gesehen, die Super Nanny. So mag es sein, dass ich nur einen Teil ihrer Qualitäten kenne und mir dennoch erlaube, auf den Zwischenruf-Beitrag von C. W. Müller in Unsere Jugend 5/ 2007 zu antworten. Super Nanny betrachte ich als Reality- TV im Wohnzimmer für alltägliche Sprachlosigkeiten im Zusammenleben von Kindern und Eltern und in der Aufgabe, Kinder zu erziehen. Zielgruppe dieser Sendung sind offenbar Familien, nicht Profis, die sich mit Familiendynamik und Erziehungsleistung beschäftigen. Auch wenn die Super Nanny eine professionelle Kollegin ist, ist diese Sendung für mich keine Dokumentation (eine Sendung, die über wissenschaftliche Erschließung und Bewahrung von Informationsquellen informiert), die den professionellen Wissensdurst inspiriert. Vielmehr ist es eine Unterhaltungssendung, die sich mit Alltagsphänomenen in Familien beschäftigt und Eltern anregt, aus einer zusätzlichen Perspektive über ihr Familienleben nachzudenken. Ich stimme dem Kollegen zu, dass im Verlauf der Sendung deutliche Veränderungen bei den beteiligten Personen im Sinne einer positiven Wendung zu sehen sind. Worin ich nicht zustimme, ist die vermutete Nähe zum strukturellen systemischen Ansatz von Minuchin. Der Fokus von Frau Saalfrank liegt mir dabei zu sehr auf der Rolle der Eltern. Gerade in der systemischen Arbeit werden Subsysteme als bedeutende Variante in der Gestaltung des Systems betrachtet. Eine Mutter ist nicht nur eine Mutter, sie ist ebenso eine erwachsene Frau, deren Fähigkeiten als Mutter durchaus auch davon abhängen, inwieweit sie Kontakt zu ihren altersgemäßen Bedürfnissen hat und diese in ihr Leben integrieren kann. Allein dass sie angemessen auf die Bedürfnisse ihrer Kinder eingehen kann, halte ich für keine solide Lösung. Sind doch diese Bedürfnisse einem dauerhaften Veränderungsprozess ausgesetzt - und wie sieht es dann mit den Wahlmöglichkeiten der Eltern aus, wenn sich ein solcher Wandel vollzieht? Die leichte tiefenpsychologische Schwingung der Sendung, wenn die Eltern bemerken, dass sie selbst von ihren Eltern nicht ausreichend unterstützt, wahrgenommen oder versorgt wurden, finde ich beklemmend und hoffe dann nur, dass die ZuschauerInnen da nicht hängen bleiben und ein interessantes Erklärungsmodell für eigene Phantasielosigkeit aufbauen. So könnte man noch mehr Nörgeleien finden und dabei den Faden verlieren. RTL kündigt die „Super Nanny“ als Doku-Soap an. Also eine Dokumentation in der Tradition einer Seifenoper - Serien, die dazu dienen, ein werbefreundliches 338 uj 7+8 (2007) super nanny Unsere Jugend, 59. Jg., S. 338 - 339 (2007) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Zwischenruf: Super Nanny - populäre oder professionelle Erziehungssendung? Heidi Nielsen Heidi Nielsen Diplom-Pädagogin und Supervisorin Umfeld zu schaffen. Der Trend, Alltagsthemen mit ExpertInnen in Serien zu vermarkten, ist nicht neu (Familiengericht, Mein Baby, Elternsprechstunde u. a. m.), und er folgt dem Bedürfnis nach Orientierung in Alltagsfragen. Viele Eltern haben das Bedürfnis, mit mehr Wissen Erziehung auszuüben. Dafür spricht, dass bei www. google.de nach der Anfrage „Ratgeber Erziehung“ 1.260.000 Suchergebnisse gelistet sind und 1.330.000 für „Ratgeber Eltern“. Es gibt einen guten Grund, warum ExpertInnen sich diese Sendung ansehen sollten. Sie findet Anklang, also konstituiert sie Erziehungsverständnis, und sie suggeriert Perfektion (Untertitel der Sendung ist „Das perfekte Kindermädchen“). Da Fachleute in der Arbeit mit Familien seit vielen Jahren aus der Perspektive der Lebenswirklichkeit dieser Familien die Grundlagen für ihre Interventionen entwickeln, ist es durchaus angemessen zum weitergehenden Verständnis dieser Perspektive, wieder etwas Neues für die eigene Arbeit kennenzulernen. Und neben der Flut von Ratgebern und Doku-Soaps die Eltern in ihrem Wissensdrang anzuerkennen und zu unterstützen und vielleicht auch die Idee zu säen, dass eine Beziehung zu Kindern aufzubauen sehr viel mehr zum Frieden in einer Familie beitragen kann, als eine perfekte Erziehung zu erlernen. Super Nanny hat eine großartige Fähigkeit, Verhalten anzusprechen. Sie redet Klartext und ist darauf bedacht, dabei im Kontakt zu bleiben. Allein diese Fähigkeit kann ein gutes Lernmodell für etliche Profis in der psychosozialen Arbeit sein. Aus meiner langjährigen Tätigkeit als Supervisorin für sozialpädagogische FamilienhelferInnen weiß ich, wie schwer es oft für ExpertInnen ist, Schwierigkeiten beim Namen zu nennen, wenn das Verstehen desolaten Verhaltens so hoch sensibilisiert ist, dass die Unterstützung dadurch auf der Strecke bleibt. FAB e.V., der Verein für Familienarbeit und -beratung in Berlin, hat vor zwei Jahren Katharina Saalfrank zum Gespräch unter FachkollegInnen eingeladen und Interessantes dabei erfahren. So werden die Familien auch nach den Sendungen mit weiteren Angeboten wie Beratung versorgt, und sie werden in soziale Netzwerke integriert. Ich würde die Super Nanny nicht als Vorbild empfehlen. Dennoch lohnt es aus meiner Sicht auch für ExpertInnen, sich diese Sendung einmal anzusehen. Mit welcher Entschlossenheit hier Familien nach einem Strohhalm greifen, um miteinander weiterzukommen, das allein sollten sich SozialpädagogInnen anschauen, damit sie diese Sehnsucht der Familien in ihrer sozialen Arbeit nicht aus dem Auge verlieren. Die Autorin Heidi Nielsen Winterfeldtstraße 97 10777 Berlin nandana_nielsen@web.de super nanny uj 7+8 (2007) 339