eJournals unsere jugend 59/9

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2007
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Den Übergang vom Kindergarten in die Grundschule gemeinsam gestalten: ein Kooperationsmodell

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2007
Diana Ludwig
Der Schulanfang stellt für die ErstklässlerInnen mit ihren unterschiedlichen Lernvoraussetzungen eine große Herausforderung dar. Die Neugestaltung der Schuleingangsphase soll dazu beitragen, der zunehmenden Heterogenität in den Lebenswelten der SchulanfängerInnen gerecht zu werden. Denn der Übergang vom Kindergarten zur Grundschule nimmt gegenwärtig eine zentrale Rolle in der frühpädagogischen Forschung ein.
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Die verschiedenen Erfahrungen und Lebensumstände in der Vorschulzeit von Kindern bedingen unterschiedliche Entwicklungsmöglichkeiten. Deshalb bestehen bereits zu Schulbeginn zwischen den Kindern deutliche Unterschiede. Ziel einer veränderten Gestaltung der Schuleingangsphase ist es, diese Heterogenität anzunehmen und als Chance für die individuelle Entfaltung jedes Kindes zu begreifen (Carle 2004). Außerdem wird beabsichtigt, Rückstellungen zu minimieren, indem allen Kindern die Chance eröffnet werden soll, in der Schule so gefördert zu werden, dass sie erfolgreich lernen können. Mit der Reformierung der Schuleingangsphase haben sich das Sächsische Staatsministerium für Kultus (SMK) und das Sächsische Staatsministerium für Soziales (SMS) diesen Herausforderungen gestellt. Erste Schritte wurden 2003 mit dem Inkrafttreten einer gemeinsamen Vereinbarung zur Kooperation von Kindergarten und Grundschule realisiert. Außerdem wurden folgende rechtliche Rahmenbedingungen, die für die Verbesserung der Schuleingangsphase von Bedeutung sind, mit dem Schuljahr 2004/ 2005 geschaffen: die Neufassung des Schulgesetzes, die Neuregelung der Schulordnung für Grundschulen, die Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über Stundentafeln für Grundschulen sowie die Einführung der neuen Grundschullehrpläne (SMK 2005). Gegenwärtige Sozialisationsbedingungen der Kindheit Typisch für die Lebensphase Kindheit ist das Durchlaufen der Institutionen Kindergarten und Schule. Die Individualität jedes einzelnen Kindes spielt in diesen Einrichtungen eine immer größere Rolle, sodass ein Großteil der aktuellen pädagogischen Überlegungen hierauf aufbaut. Bedingt durch die wachsende Differenzierung der gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Sozialisationsbedingungen entsteht für die Kinder eine Heterogenität ihrer Lebenswelten. Zudem nehmen bisherige gesellschaftliche und soziale Selbstverständlich- 370 uj 9 (2007) schule und schulsozialarbeit Unsere Jugend, 59. Jg., S. 370 - 378 (2007) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel Den Übergang vom Kindergarten in die Grundschule gemeinsam gestalten: ein Kooperationsmodell Diana Ludwig Der Schulanfang stellt für die ErstklässlerInnen mit ihren unterschiedlichen Lernvoraussetzungen eine große Herausforderung dar. Die Neugestaltung der Schuleingangsphase soll dazu beitragen, der zunehmenden Heterogenität in den Lebenswelten der SchulanfängerInnen gerecht zu werden. Denn der Übergang vom Kindergarten zur Grundschule nimmt gegenwärtig eine zentrale Rolle in der frühpädagogischen Forschung ein. keiten ab. In den letzten Jahrzehnten entstanden durch sinkende Geburtenraten, die zunehmende Zahl an Einkindfamilien und hohe Scheidungsraten neue Familienformen (Pelzer/ Katjivena 2005). Infolgedessen treten die Kinder mit sehr unterschiedlichen Erfahrungen in den Kindergarten und die Schule ein. Ebenso wie die Kindertageseinrichtung ist die Grundschule ein zentraler Ort, an dem die Kinder einen kontinuierlichen Alltag erleben können - besonders die Kinder, die zu Hause zerrissene Familienstrukturen, problematische Arbeits- und Wohnverhältnisse sowie einen ungleichen Zeitrhythmus der Eltern erleben. Innerhalb der Grundschule und der Kita erfahren sie für einige Stunden täglich Regelmäßigkeiten. Für diese Kinder besteht die Notwendigkeit, dass der/ die LehrerIn ebenso wie der/ die ErzieherIn dem Kind als konstante Bezugsperson zur Verfügung steht. Daraus ergeben sich wiederum neue Anforderungen an die Grundschule, die über das Vermitteln von Wissen und Werten hinausgehen. Denn sowohl die LehrerInnen als auch die ErzieherInnen müssen sich in ihrem professionellen Handeln zusehends mit der bestehenden „Entwicklungsschere“ unter den Kindern auseinandersetzen. Die Einrichtungen der öffentlichen Erziehung, z. B. Kindertageseinrichtung und Schule, haben die Aufgabe, adäquat auf die veränderten Sozialisationsbedingungen zu reagieren und unter den Kindern eine bestmögliche Chancengleichheit herzustellen. Infolgedessen gewinnt die kompensatorische Erziehung in Kindergarten und Grundschule immer mehr an Bedeutung. Nicht nur die kindlichen Rechte, sondern auch die positiv zu gestaltenden individuellen Sozialisationsbedingungen für Kinder geraten in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren zunehmend ins Blickfeld. Dies wird beispielsweise durch die Einrichtung spezieller Studiengänge an Fachhochschulen, die sich auf den Bereich der Elementarpädagogik spezialisieren, realisiert. Und spätestens mit dem Erscheinen des Entwurfes des Sächsischen Bildungsplans ist das „neue Bild vom Kind“ nicht nur in Kindertageseinrichtungen und entsprechenden Fort- und Weiterbildungen ein zentrales Thema. Ein zeitlicher Überblick über die Schuleingangsphase Gemäß § 5 Abs. 1 SOGS (Schulordnung Grundschulen) umfasst die Schuleingangsphase die Anmeldung, die Schulaufnahmeuntersuchung, die Ermittlung der Lernausgangslage und den Anfangsunterricht. Die Schuleingangsphase bezieht sich somit auch auf die Zeit vor der Einschulung des Kindes. In diesem Zusammenhang kommt einem gelingenden Übergang vom Kindergarten in die Grundschule sowie der Zusammenarbeit mit den Eltern eine hohe Bedeutung zu. Aber nicht nur die Kooperation der Grundschule mit den Eltern bzw. den Kindergärten dient der Verbesserung der Schuleingangsphase. Auch die Schaffung eines regionalen Netzwerkes, das die Grundschule bei der Umsetzung der verbesserten Schuleingangsphase unterstützt, ist hierbei von Vorteil (vgl. Stieve 2006). Die Neugestaltung der Schuleingangsphase stellt die Schulen vor neue Herausforderungen und verlangt eine gut gestaltete Organisation (Christiani 2004). Für viele Schulen ist in diesem Zusammenhang eine Umstrukturierung des Schulkonzepts notwendig. Diese bezieht sich, gemäß § 1 Abs. 3 des Schulgesetzes für den Freischule und schulsozialarbeit uj 9 (2007) 371 Diana Ludwig Jg. 1982; Diplom-Sozialpädagogin (BA), tätig im Hort der Grundschule Kuntzehöhe (Plauen) staat Sachsen, auf pädagogische, didaktische und schulorganisatorische Grundsätze im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ressourcen. Das schuleigene Konzept zur Gestaltung der Schuleingangsphase (einschließlich Anfangsunterricht) wird in das Schulprogramm integriert (SMK 2005). Dabei ist zu beachten, dass das pädagogische Konzept für Außenstehende, besonders für die Eltern, transparent dargestellt wird. In diesem Zusammenhang sollte die Grundschule verstärkt Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Der Kindergarten soll die Kinder auf die Schule vorbereiten - ohne das schulische Lernen vorwegzunehmen. Im Rahmen des Institutionenwechsels vom Kindergarten zur Grundschule spielt daher die Durchführung des Schulvorbereitungsjahres in Kindergärten eine zentrale Rolle und ist durch die Schulvorbereitungsverordnung (SächsSchulvorbVO) des SMS und des SMK vom Februar 2006 schriftlich geregelt. Diese Verordnung besagt, dass das Schulvorbereitungsjahr das letzte Kindergartenjahr umfasst (§ 1 Abs. 2 SächsSchulvorbVO). Die Maßnahmen des Schulvorbereitungsjahres sind mit denen der Schuleingangsphase abzustimmen (§ 1 Abs. 3 SächsSchulvorbVO). Die Schuleingangsphase liegt in der Verantwortung der Grundschule und erfolgt auf der Grundlage eines schuleigenen Konzeptes (Sächsischer Bildungsplan 2006). Die Kindertageseinrichtung orientiert sich bei der Förderung der Kinder im Schulvorbereitungsjahr an den im Sächsischen Bildungsplan aufgeführten Bildungsbereichen: somatische Bildung, soziale Bildung, kommunikative Bildung, ästhetische Bildung, naturwissenschaftliche Bildung und mathematische Bildung (§ 2 Abs. 1 SächsSchulvorbVO). Die Verantwortung zur Durchführung entsprechender Angebote obliegt somit der Kindertageseinrichtung bzw. den dort agierenden pädagogischen Fachkräften. Auch die Kindertageseinrichtung hat die Aufgabe, die Maßnahmen der Gestaltung des Schulvorbereitungsjahres konzeptionell festzuhalten. Schulvorbereitungsjahr und Schuleingangsphase fließen zeitlich und inhaltlich ineinander und können nicht unabhängig voneinander, sondern nur miteinander verwirklicht werden (Sächsischer Bildungsplan 2006). Dabei sollen die pädagogischen Fachkräfte in den Kindertageseinrichtungen mit den LehrerInnen zusammenarbeiten (§ 3 Abs. 1 SächsSchulvorbVO), wobei die Vereinbarung „Zur Kooperation von Kindergarten und Grundschule“ die Grundlage gemeinsamen Handelns bildet. Beide müssen ihre Verantwortung wahrnehmen, um einen Übergang ohne schwerwiegende Brüche zu gewährleisten (Christiani 2004). Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtung und Grundschule Der Übergang vom Kindergarten zur Grundschule ist für das Kind oftmals nicht nur mit (Vor-)Freude auf seine neue soziale Rolle als Schulkind verbunden, sondern gleichzeitig auch mit einer Reihe neuer Herausforderungen und Veränderungen. Das Kind sollte in der Lage sein, sich diesen Umstellungen anzupassen, damit ein erfolgreicher Schulstart gelingen kann. Ziel beider Einrichtungen ist es daher, das Kind bei seinem Übergang in die Grundschule zu begleiten und ihm die dafür notwendige Unterstützung zu geben. Die Neukonzipierung der Schuleingangsphase soll dazu beitragen, eventuelle Schwierigkeiten beim Institutionenwechsel abzubauen (SMK 2005). Kindergarten und Grundschule sind demzufolge gleichermaßen dafür verantwortlich, diesen Übergang für das Kind zu erleichtern, und sind durch gesetzliche Bestimmungen zu einer Zusammenarbeit verpflichtet (§ 5 Abs. 4 SchulG, § 5 Abs. 2 SOGS und „Gemeinsame Vereinbarung des SMS und SMK zur Kooperation von Kindergarten und Grundschule 2003“ u. a.). Um eine erfolgreiche Kooperation zwischen Kindertageseinrichtung und Grundschule zu gewährleisten, sind ein gemeinsames Bild vom Kind, gegenseitiger Respekt, Wertschätzung, Bereitschaft zur Kooperation sowie ein gemeinsames Grundverständnis über Bildung sehr wich- 372 uj 9 (2007) schule und schulsozialarbeit tig, d. h. beide Institutionen sollten in eine Richtung arbeiten. Eine erfolgreiche Kooperation erfordert jedoch auch entsprechende Rahmenbedingungen. Um die institutionelle Zusammenarbeit so lebendig wie möglich zu gestalten, können vielfältige Kooperationsformen in Anspruch genommen werden, z. B. regelmäßige Gespräche, die gemeinsame Durchführung eines Schnuppertages in der Grundschule bzw. von Kennenlern-, Spiel- und Lerntagen, die Gestaltung gemeinsamer Feste und Feiern, die gemeinsame Planung, Durchführung und Auswertung von Elternabenden und Elterngesprächen zur Schuleingangsphase, gemeinsame Fortbildungsveranstaltungen. Dabei haben beide Seiten entsprechende Erwartungen, was den Umgang mit dem Kind, aber auch den Umgang miteinander anbelangt. In einer Studie von Kammermeyer wurden im Jahr 2000 LehrerInnen und ErzieherInnen 12 Schulfähigkeitskriterien vorgelegt, die nach der Wichtigkeit geordnet werden sollten (Einsiedler 2001). Diese Studie zeigte auf, dass sich beide Berufsfelder signifikant in der Wichtigkeit, die sie den Schulfähigkeitskriterien beimessen, unterscheiden. Daher ist es nötig, Grundlagen für ein kooperatives Handeln zu schaffen. Die Verwirklichung gemeinsamer Fortbildungsveranstaltungen kann beispielsweise dazu beitragen, einen Einblick in die tägliche pädagogische Arbeit des anderen zu bekommen. Auf diese Art und Weise lernen die PädagogInnen die Anforderungen an das jeweils andere Berufsfeld besser kennen, können Vorurteile revidieren sowie Verständnis für den anderen aufbringen. Ungünstige Bedingungen können die Zusammenarbeit zwischen Kindergarten und Grundschule erschweren. Zu einem Problem kann sich beispielsweise die Tatsache entwickeln, dass sich die Einzugsbereiche von Kindergarten und Grundschule nicht decken, was eine unübersichtliche Kooperationsstruktur zur Folge haben kann. Schwierig gestaltet sich die Kooperation auch dann, wenn die Kompetenzen des anderen unterschätzt oder im schlimmsten Fall infrage gestellt werden. Sollte das der Fall sein, lässt sich kein gemeinsamer Konsens über die pädagogische Arbeit mit dem und vor allem zugunsten des Kindes finden. Stabile und dauerhafte Kooperationen zwischen Kindergärten und Grundschulen erfordern einen Dialog auf „gleicher Augenhöhe“ zwischen den VertreterInnen beider Institutionen (Sächsischer Bildungsplan 2006). Um die gemeinsamen Kooperationsvorhaben koordinieren und planen zu können, haben einige Kindertageseinrichtungen spezielle Kooperationskalender entwickelt, die das Kooperationsgeschehen zwischen Kindergarten und Grundschule festhalten. Es ist Aufgabe der verantwortlichen Kooperationsbeauftragten beider Institutionen, dafür Sorge zu tragen, die im Kalender festgehaltenen Maßnahmen umzusetzen. Dieser Kooperationskalender enthält alle wichtigen Daten ihrer Zusammenarbeit und wird jährlich zum Schuljahresbeginn terminlich sowie inhaltlich aktualisiert bzw. reflektiert. Anhand einer empirischen Untersuchung im Rahmen meiner Diplomarbeit an zehn Grundschulen entstand der Eindruck, dass lediglich ein Teil der Einrichtungen derzeitig über einen Kooperationskalender verfügt. Die Kooperationsbemühungen haben jedoch nicht erst durch die schriftlich fixierten Empfehlungen des SMK - in Form des Ringordners zur „Verbesserung der Schuleingangsphase“ - an Bedeutung, Fortschritt und Brisanz gewonnen. Den aktuellen regionalen Befragungsergebnissen zufolge besteht in bestimmten Einrichtungen derzeit noch Handlungs- und Aufklärungsbedarf - nicht nur in Bezug auf den Kooperationsplan, sondern auch im Hinschule und schulsozialarbeit uj 9 (2007) 373 blick auf die fachliche Diskussion bzw. den Austausch innerhalb und zwischen den Institutionen Kindertageseinrichtung und Grundschule. Unzureichende Information und widersprüchliche Meinungen tragen nicht zur Förderung einer konstruktiven Kooperation bei, sondern erschweren diese. Denn der Übergang vom Kindergarten zur Grundschule sollte ganz im Sinne des Kindes stehen und für jedes Kind optimal gestaltet werden. Das kann jedoch nur durch einen gemeinsamen Konsens über das Leben und Lernen mit und zwischen den Kindern geschehen. Aber nicht nur die Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule schafft die Voraussetzungen für einen gelingenden Übergang des Kindes zwischen diesen beiden Institutionen. In diesem Kontext spielt auch die aktive Einbeziehung des Elternhauses eine besondere Rolle. Dass die Eltern auch den Wunsch nach Kooperation äußern, wird durch die Untersuchung der Bertelsmann Stiftung und der Heinz Nixdorf Stiftung deutlich (Stieve 2006). Kooperation mit den Eltern in der Schuleingangsphase Die Eltern sind die wichtigsten Erziehungspartner der pädagogischen Fachkräfte und sollten daher aktiv in das pädagogische Geschehen einbezogen werden. Ebenso wie die Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule ist die Zusammenarbeit zwischen Grundschule und Elternhaus in Sachsen gesetzlich geregelt, z. B. § 45 SchulG, § 5 Abs. 2 SOGS. § 6 Sächs KitaG beinhaltet entsprechend die Mitwirkungsrechte der Eltern am pädagogischen Geschehen in der Kindertageseinrichtung. Das Thema Elternarbeit sollte sich sowohl im Konzept des Kindergartens als auch im schuleigenen Konzept widerspiegeln. Die Zeit des Übergangs ist in der Elternarbeit ein besonders sensibler Bereich, der gezielter Maßnahmen bedarf, die in der Regel in der Regie des Kindergartens stehen, aber auf die unterstützende Hilfe durch die Grundschule angewiesen sind (Hacker 1996). Nicht nur für die Kinder ist der Schulbeginn mit Veränderungen in vielerlei Hinsicht verbunden. Auch für die Eltern ergeben sich in dieser Zeit Unsicherheiten und Fragen. An dieser Stelle ist es Aufgabe der Kindertageseinrichtung, Ausschnitte aus der Kindergartenarbeit in ihrer schulvorbereitenden Bedeutung zu erläutern. Den Müttern und Vätern sollten bezüglich der Schulvorbereitung hilfreiche Tipps und Ratschläge zum erfolgreichen Schulstart ihres Kindes gegeben werden (SMK 2005). Dabei kann auf Fragen eingegangen werden, worin beispielsweise die Vorteile der Neuerungen der Schuleingangsphase liegen, wie die ersten Schulwochen verlaufen, welche Erwartungen die Eltern an ihre Kinder haben sollten und welche nicht (SMK 2005). Schulvorbereitende Maßnahmen sollten in dem Kooperationsplan von Kindergarten und Grundschule festgehalten werden. Das vor der Einschulung entstandene vertrauensvolle Kooperationsklima sollte in der Grundschule fortgesetzt werden, um den Übergang in die Grundschule für das Kind zu erleichtern. Während die Kinder ihren ersten Schultag oftmals gar nicht erwarten können, sehen die Eltern die Einschulung oft mit gemischten Gefühlen. Sie verlangen Anpassung, überwachen die Hausaufgaben und haben an ihr Kind oft zu hohe Erwartungen (Pelzer/ Katjivena 2005). Initiierte Einzelgespräche mit den betroffenen Eltern können an dieser Stelle der nötigen Aufklärung dienen und hilfreich sein, um den Erziehungsberechtigten zu verdeutlichen, dass es ihre Aufgabe ist, das Leistungsvermögen ihres Kindes realistisch einzuschätzen. Es sollte auch darauf 374 uj 9 (2007) schule und schulsozialarbeit geachtet werden, das Elternhaus nicht zu „verschulen“. Die Kinder sollten zu Hause in erster Linie einen liebevollen Ausgleich zum Schulstress erhalten. Die Kooperation zwischen Elternhaus und Grundschule wird umso bedeutsamer, je mehr sich die Erziehungsbereitschaft und -möglichkeiten der Eltern verringern, ihre Bildungserwartungen aber gleichzeitig steigen (Fölling-Albers 1992). Hilfreich kann es sein, wenn sich die Eltern und die LehrerInnen über gemeinsame (Erziehungs-) Vorstellungen austauschen, um eine erfolgreiche Zusammenarbeit zu gewährleisten und das Kind somit nicht durch gegensätzliche Aussagen und Handlungen zu verunsichern. Elternarbeit gewinnt auch bezüglich der bestmöglichen Förderung der Kinder an Bedeutung. Die Erziehungsberechtigten sollten regelmäßig erfahren, in welchen Bereichen verstärkter Förderbedarf ihres Kindes besteht, sodass auch sie ihr Kind dahingehend aktiv unterstützen können. Dies gilt ebenso für die Elternarbeit im Kindergarten. Denn um Chancengerechtigkeit in der Schule zu erreichen, ist eine intensive Förderung benachteiligter Kinder vor Schuleintritt unabdingbar (Griebel/ Niesel 2003). Die LehrerInnen sollten den Erziehungsberechtigten das methodische und didaktische Vorgehen in ihrer Arbeit mit den Kindern erläutern und wichtige inhaltliche Aspekte des Unterrichts mit den Eltern besprechen. Somit wird diesen das pädagogische Arbeiten der LehrerInnen transparent gemacht. Wichtig ist es außerdem, dass Kindergarten und Grundschule den Eltern verdeutlichen, dass sie Hand in Hand arbeiten und den Erziehungsberechtigten bei auftretenden Fragen und/ oder Problemen gleichermaßen zur Verfügung stehen (SMK 2005). Die Eltern sollten über ihre Rechte und Pflichten aufgeklärt werden und erfahren, welche Mitwirkungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten es gibt (SMK 2005). Aber allein die Kenntnis über diese Möglichkeiten reicht nicht aus, um einen gelingenden Kooperationsprozess zwischen Elternhaus und Grundschule einzuleiten. Viel wichtiger ist es, dass sie die Mitwirkungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten, vor allem im Hinblick auf die Entwicklung ihres Kindes, tatsächlich nutzen. Die Zusammenarbeit zwischen Eltern und Schule sowie Eltern und Kindergarten erfordert demzufolge ein wechselseitiges Öffnen der jeweiligen Erziehungsinstanz. Das ist besonders im Hinblick auf die veränderten Lebenswirklichkeiten der Kinder wichtig. LehrerInnen/ ErzieherInnen und Erziehungsberechtigte können durch Offenheit, Ehrlichkeit und gegenseitige Aufklärung über gegenwärtige Situationen voneinander lernen und das Kind unterstützen. Denn die Zusammenarbeit zwischen Kindertageseinrichtung, Grundschule und Elternhaus ist ein wesentlicher „Faktor bei der Übergangsbewältigung“ (Griebel/ Niesel 2003). Trotz eventuell unterschiedlicher Vorstellungen und Ansichten seitens der Eltern, Schule, Kindergarten oder Hort sollten alle Parteien stets darum bemüht sein, einen Konsens zu finden, um eine optimale Erziehung, Bildung, Betreuung, Entwicklung und Förderung der Kinder zu gewährleisten. Zur Gestaltung des Anfangsunterrichts Jede Schule hat die Aufgabe, ein entsprechendes Konzept zu den inhaltlichen, zeitlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen des Anfangsunterrichts zu erstellen (§ 5 Abs. 3 SOGS). Der Anfangsunterricht umfasst die Klassenstufen eins und zwei, die dabei eine pädagogische Einheit bilden. Der Anfangsunterricht sollte so konzipiert sein, schule und schulsozialarbeit uj 9 (2007) 375 dass er die individuellen Entwicklungsvoraussetzungen der Kinder berücksichtigt und den Kindern somit ein Hineinwachsen in die Schule erleichtert. Die Grundschule muss an der Biografie jedes einzelnen Kindes anknüpfen und es „da abholen, wo es steht“. Bei der Gestaltung des Unterrichts sollte dem unterschiedlichen Lerntempo und den unterschiedlichen Ausgangsbedingungen der Kinder Rechnung getragen werden, indem Unterrichtsangebote differenziert werden (SMK 2005). Der Unterricht ist so zu gestalten, dass jedes Kind Lernangebote entsprechend seinen Lernvoraussetzungen erhält (SMK 2005). Formen des offenen Unterrichts wie Werkstattangebote, Tages- und Wochenpläne oder Arbeit in Lerngruppen sind Grundlagen der Unterrichtsplanung. Die LehrerInnen sollten den Entwicklungsstand jedes Schulanfängers und jeder Schulanfängerin hinsichtlich der sechs Entwicklungsbereiche erfassen, um ein differenziertes Unterrichtskonzept vorbereiten und umsetzen zu können (SMK 2005). „Förderung statt Selektion“ ist die Maxime der neuen Schuleingangsphase. Anstatt zu selektieren und schulpflichtige Kinder vom Schulbesuch zurückzustellen, geht es vielmehr darum, förderbedürftigen Kindern rechtzeitig vor Schulbeginn notwendige Lernangebote zu machen, die sich an den Bedürfnissen der Kinder orientieren. Ziel ist, kein Kind aufgrund des Ausprägungsgrades seiner Schulfähigkeit auszugrenzen, sondern vielmehr kompensatorisch auf Entwicklungsrückstände einzugehen. Gegenwärtig werden ca. 10 bis 14 % aller schulpflichtigen Kinder in der Bundesrepublik Deutschland als nicht schulfähig zurückgestellt. Die Zurückstellung vom Schulbesuch erfolgt dann, wenn zu erwarten ist, dass das Kind aufgrund seiner geistigen, körperlichen und psychischen Entwicklung nicht in der Lage ist, am Unterricht erfolgreich teilzunehmen. Da die Schulfähigkeit als Prozess verstanden wird, der mit der Einschulung nicht abgeschlossen sein muss, sondern auch im Laufe des ersten Schuljahres noch hergestellt werden 376 uj 9 (2007) schule und schulsozialarbeit Quelle: privat kann, ist es verstärkt Aufgabe der Lehrkräfte, den Entwicklungsstand der SchulanfängerInnen frühzeitig konkret zu analysieren. Dazu bedarf es vertiefter Kenntnisse über diagnostische Verfahren (SMK 2005). Um erfolgreich an den jeweiligen Lernausgangslagen der Kinder ansetzen zu können, erweist es sich als sinnvoll, in bestimmten Unterrichtsphasen eine/ einen ZweitlehrerIn einzusetzen. Da sich mit der Anwendung der differenzierten und individualisierten Lernformen auch die Anforderungen an die LehrerInnen ändern, sollten ihnen Fortbildungsveranstaltungen angeboten werden (SMK 2005). Das selbstständige Lernen der Kinder erfordert von den LehrerInnen, ihr eigenes Handeln zurückzunehmen und zunehmend beobachtende und helfende Funktionen zu erfüllen. Demzufolge implizieren die Verbesserungen der Schuleingangsphase einen verstärkten Veränderungsprozess - auch für die LehrerInnen. Aber nicht nur die Förderung jedes einzelnen Kindes, die sich an dessen Stärken orientieren sollte, spielt im Schulalltag eine zentrale Rolle, sondern auch die Tatsache, dass das Kind entsprechend gefordert wird. Kinder brauchen Herausforderungen in vielfältigen Bereichen, an denen sie reifen und lernen können. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass vor allem Kinder mit einem Leistungsvorsprung nicht auf Kosten der anderen im Unterricht einen Stillstand erfahren. Um dies zu vermeiden, müssen die LehrerInnen demzufolge im Unterricht mit neuen und individuellen Lernformen arbeiten. Wenn sich die Grundschule aktiv dem Differenzierungsprozess stellt, indem sie die Tendenz zur Anwendung offenerer Lernformen annimmt und weiter entwickelt, könnte sie sich damit von der Tendenz zur Auslese, die in deutschen Grundschulen besteht, entfernen. Denn differenzierende Maßnahmen bedeuten nicht mehr Selektion, sondern verstärkte individuelle Hilfeleistung zum Ausgleich von Lernrückständen. Somit hätte die Grundschule die Möglichkeit, allen Kindern entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zum Erfolg zu verhelfen. Die Gestaltung des Schuleintritts des Kindes und ein fließender Übergang vom Kindergarten zur Grundschule sind sehr bedeutungsvoll. Die Art und Weise, wie das Kind den Schulbeginn empfindet, prägt sein zukünftiges Bild von der Schule und dem dort stattfindenden Leben und Lernen. Demzufolge bietet sich mit der Schuleingangsphase die Möglichkeit, das Hineinwachsen in diesen neuen Lebensabschnitt optimal zu gestalten, was idealerweise mit einem positiven Bild von Schule für das Kind einhergeht. Dabei sollten die bisherigen Erfahrungen, die das Kind sowohl im Elternhaus als auch im Kindergarten gemacht hat, berücksichtigt und zum Vorteil des Kindes einbezogen werden. Die Gestaltung der Schuleingangsphase stellt für alle Beteiligten eine gemeinsame Herausforderung dar, die nur gelingen kann, wenn eine interdisziplinäre Zusammenarbeit stattfindet und die Motivation zur Erreichung der Ziele, insbesondere der optimalen Förderung jedes einzelnen Kindes, von allen Seiten entsprechend vorhanden ist. Literatur Bekanntmachung der Neufassung des Schulgesetzes für den Freistaat Sachsen vom 16. Juli 2004. www.sachsen-macht-schule.de/ recht/ schulgesetz_04.pdf, 20. 4. 2006, 37 Seiten Carle, U./ Bertold, B., 2004: Schuleingangsphase entwickeln, Leistung fördern. Wie 15 staatliche Grundschulen in Thüringen die flexible, jahrgangsgemischte und integrative Schuleingangsphase einrichten. Hohengehren schule und schulsozialarbeit uj 9 (2007) 377 Christiani, R. (Hrsg.), 2004: Schuleingangsphase: neu gestalten. Berlin Einsiedler, W. u. a. (Hrsg.), 2001: Handbuch Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik. Bad Heilbrunn/ Obb Fölling-Albers, M., 1992: Schulkinder heute. Auswirkungen veränderter Kindheit auf Unterricht und Schulleben. Weinheim Griebel, W./ Niesel, R., 2003: Die Bewältigung des Übergangs vom Kindergarten in die Grundschule. In: Fthenakis, W. E. (Hrsg.): Elementarpädagogik nach PISA. Freiburg Hacker, H., 1992: Vom Kindergarten zur Grundschule. Bad Heilbrunn/ Obb. Ludwig, D., 2006: Die Schuleingangsphase in Sachsen - eine Analyse ausgewählter theoretischer und praktischer Aspekte am Beispiel einer Integrativen Kindertageseinrichtung und einer Grundschule. Diplomarbeit Staatliche Studienakademie Breitenbrunn Pelzer, M./ Katjivena, A., 2005: Die SuperMamas. Einsatz im Kinderzimmer. Der Erziehungsratgeber. Reinbek bei Hamburg Sächsisches Staatsministerium für Kultus (Hrsg.), 2005: Verbesserung der Schuleingangsphase. o. O. Sächsisches Staatsministerium für Kultus, 2004: Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus über Grundschulen im Freistaat Sachsen (Schulordnung Grundschulen - SOGS). www.sachsen-macht-schule.de/ recht/ sogs.pdf, 17. 2. 2006, 13 Seiten Sächsisches Staatsministerium für Soziales (Hrsg.), 2006: Der Sächsische Bildungsplan - ein Leitfaden für pädagogische Fachkräfte in Kinderkrippen und Kindergärten. o. O. Sächsisches Staatsministerium für Soziales/ Sächsisches Staatsministerium für Kultus, 2003: Gemeinsame Vereinbarung zur Kooperation von Kindergarten und Grundschule vom 13. 8. 2003. Dresden Stieve, C., 2006: Übergang Kita - Grundschule: Eltern wünschen sich Kooperation. Ergebnisse einer Elternbefragung des Modellprojekts Kind & Ko der Bertelsmann Stiftung und der Heinz Nixdorf Stiftung. In: KiTa aktuell, H. 11, S. 224 - 227 Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus zur Durchführung und Finanzierung des Schulvorbreitungsjahres in Kindertageseinrichtungen (Schulvorbereitungsverordnung - SächsSchulvorbVO) vom 6. 2. 2006 (Entwurf) Die Autorin Diana Ludwig Mommsenstraße 23 08060 Zwickau dianaludwig@web.de 378 uj 9 (2007) schule und schulsozialarbeit