eJournals unsere jugend 60/3

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
31
2008
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„Wir werden dir schon helfen!“ Zwangskontexte im Rahmen von Kinder- und Jugendhilfe

31
2008
Sabrina Hoops
Hanna Permien
Der folgende Beitrag nimmt die "Jugendhilfelandschaft" unter der "Zwangs-Perspektive" in den Blick und konzentriert sich auf einige zentrale Befunde und Erfahrungen aus der qualitativen Studie "Freiheitsentziehende Maßnahmen" des Deutschen Jugendinstitutes (DJI) (Hoops/Permien 2006). Dabei wird insbesondere beleuchtet, für welche Zielgruppe Freiheitsentziehende Maßnahmen in Erwägung gezogen werden, wie die Jugendlichen die Unterbringung, respektive deren charakteristische (Zwangs-)Merkmale erleben und welche längerfristigen Effekte die Freiheitsentziehende Maßnahme auf die Entwicklung der Jugendlichen hat.
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98 uj 3 (2008) zwangskontexte „Wir werden dir schon helfen! “ Zwangskontexte im Rahmen von Kinder- und Jugendhilfe Sabrina Hoops/ Hanna Permien Der folgende Beitrag 1 nimmt die „Jugendhilfelandschaft“ unter der „Zwangs-Perspektive“ in den Blick und konzentriert sich auf einige zentrale Befunde und Erfahrungen aus der qualitativen Studie „Freiheitsentziehende Maßnahmen“ 2 des Deutschen Jugendinstitutes (DJI) (Hoops/ Permien 2006). Dabei wird insbesondere beleuchtet, für welche Zielgruppe Freiheitsentziehende Maßnahmen in Erwägung gezogen werden, wie die Jugendlichen die Unterbringung, respektive deren charakteristische (Zwangs-)Merkmale erleben und welche längerfristigen Effekte die Freiheitsentziehende Maßnahme auf die Entwicklung der Jugendlichen hat. Die Diskussion um Zwangskontexte in der Sozialen Arbeit, respektive in der Kinder- und Jugendhilfe, hat seit geraumer Zeit Konjunktur. Von sogenannter „Gewalterziehung“ ist bisweilen die Rede, aber auch von Familien, denen ohne eine kontrollierende und nachgehende Hilfe die „schwierigen“ und mit anderen Methoden „nicht mehr erreichbaren“ Kinder mehr und mehr entgleiten und denen quasi geholfen werden „muss“. Die Aufregung, mit der mancherorts die Debatte geführt wird, verkennt, dass gewisse Zwangs- oder Kontrollaspekte in der Erziehung, den wichtigen Postulaten Freiwilligkeit und Partizipation zum Trotz, sehr häufig gerade bei der Initiierung einer Hilfe - aber auch bei ihrer Durchführung - ein Bestandteil der Realität Sozialer Arbeit schlechthin sind. Die implizite Doppelbotschaft, die in obiger Überschrift zum Ausdruck kommt, stellt sich in Freiheitsentziehenden Maßnahmen nach § 1631 b BGB besonders deutlich dar, ist doch der Zwangskontext in solchen Settings, wenngleich er nur einen und auch nur einen temporären Aspekt darstellt, sogar pädagogisches Programm. Zwang in der Erziehung: umstritten, aber auch unvermeidbar? Soziale Arbeit in Zwangskontexten mag zwar nicht der Idealvorstellung professioneller pädagogischer Arbeit und auch nicht dem Hilfeverständnis der KlientInnen entsprechen, gleichwohl findet sie statt: Gemeint ist hier allerdings keine als unrechtmäßigen Eingriff in freiheitliche Grund- 1 Ein Projektbericht kann kostenlos bezogen werden über permien@dji.de. Weitere Informationen unter: www.dji.de/ freiheitsentzug 2 Das Projekt „Freiheitsentziehende Maßnahmen im Rahmen von Jugendhilfe, Psychiatrie und Justiz“ wurde von 2003 bis 2007 vom DJI durchgeführt und mit Mitteln des Bundes, des DJI und aus neun Bundesländern finanziert. Unsere Jugend, 60. Jg., S. 98 - 112 (2008) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel uj 3 (2008) 99 rechte zu bewertende, gewaltförmige „Zwangserziehung“, sondern vielmehr Interventionen, die z. B. auf externes Drängen hin oder in Folge von gesetzlichen Vorgaben zustande gekommen sind und in denen ein „Hilfebündnis“ und eine beständige Motivation der KlientInnen zur Mitarbeit oft erst mühsam hergestellt werden kann (Kähler 2005). Zwangskontexte in der Sozialen Arbeit beschränken sich dabei nicht auf Freiheitsentziehende Maßnahmen nach § 1631 b BGB, die in diesem Beitrag im Mittelpunkt stehen, sondern sie gehen weit darüber hinaus: Die Grundannahme der Freiwilligkeit bei der Inanspruchnahme gerade erzieherischer Hilfen ist oft relativ und trifft die Realität nicht selten nur unzureichend. Das gilt selbst für die Erziehungsberatung. Nicht nur in Multiproblemfamilien und in Gefährdungskontexten sind Hilfen oftmals zunächst unerwünscht, und insbesondere das Jugendamt wird von den (möglichen) AdressatInnen nicht selten primär unter Kontrollaspekten wahrgenommen (Conen 1996). Dazu ein Beispiel: „Halten die mich eigentlich für unfähig? “ ist nicht selten die erste elterliche Reaktion - hier zum Ausdruck gebracht von der Mutter eines dreizehnjährigen Jungen, der zum zweiten Mal bei einem Kaufhausdiebstahl erwischt worden war, und der nun ein Brief des Jugendamts ins Haus flattert, in dem der Familie ein Beratungsangebot gemacht wird, das die Mutter als „ganz merkwürdig“ empfindet. D. h.: Auch in guter Absicht unternommene und vermeintlich niedrigschwellige Versuche des Jugendamts, Familien in vermuteten massiven Krisen Unterstützung anzubieten, können fehlschlagen, wenn sie ausschließlich und dauerhaft als Einmischung in Privatangelegenheiten und als Bedrohung erlebt werden. Gerade diese Familien benötigen oftmals aber Hilfen und müssen als „KlientInnen“ gewonnen werden. Denn die Jugendhilfe hat nicht nur die Aufgabe, Kinder, Jugendliche und ihre Familien in sozialen Problemlagen zu unterstützen, sondern muss auch das Kindeswohl schützen (s. § 8 a SGB VIII). Damit steckt die Jugendhilfe in der Tat in einem Dilemma zwischen Hilfe und Kontrolle, muss den Spagat leisten zwischen „kundenorientierten Dienstleistungsaufgaben“ und „wächterorientierten Eingriffsaufgaben“ (Schone 2001, 65). Das gilt nicht nur gegenüber den Eltern, sondern auch gegenüber den Kindern. So ist etwa in einem Heim oder einer Jugendwohngruppe eine Pädagogik ohne Regeln, ohne Kontrolle und Konsequenzen nicht vorstellbar - gleichzeitig können diese aber zum Problem werden, wenn sie zu Reaktionen führen, die ein gemeinsames, zielorientiertes Arbeiten ausschließen, weil sich die AdressatInnen innerlich verweigern und zurückziehen. Soll eine für notwendig und sinnvoll erachtete Hilfe aber nicht nur eingeleitet, sondern auch erfolgreich durchgeführt werden, muss der fachliche Anspruch auf Freiwilligkeit sowie Dialogorientierung re- Sabrina Hoops Jg. 1970; Dipl.-Pädagogin, wissenschaftliche Referentin in der Abteilung Jugend und Jugendhilfe am Deutschen Jugendinstitut in München Dr. Hanna Permien Jg. 1947; Dipl.-Psychologin, wissenschaftliche Referentin in der Abteilung Jugend und Jugendhilfe am Deutschen Jugendinstitut in München zwangskontexte 100 uj 3 (2008) lativiert und es muss versucht werden, auch „unmotivierte“ KlientInnen als Verbündete im Veränderungsprozess zu gewinnen. Im Dauerspagat zwischen helfender Beziehung und Kontrollauftrag muss also dafür Sorge getragen werden, dass auch eine Hilfe, die nur vordergründig „freiwillig“, letztlich aber vorrangig aufgrund von Leidensdruck oder angstvoller Willfährigkeit zustande kam, angenommen werden kann und dass Widerstände aufgegriffen, problematische Reaktionen bearbeitet und erfolgreiche Entwicklungsprozesse initiiert werden. In besonderem Maße betrifft das beschriebene Doppelmandat der Kinder- und Jugendhilfe eine Zielgruppe, deren Haltung zu einer - dringend notwendig und auch geeignet erscheinenden - Hilfe von Widerstand und fehlender Einsicht geprägt ist (Wiesner 2002): Die Rede ist von Kindern und Jugendlichen in besonders problembelasteten Lebenssituationen, bei denen die offene Pädagogik an ihre Grenzen gestoßen ist und eine temporäre Freiheitsentziehung als Bedingung jeglicher Hilfe zur Erziehung betrachtet wird, auch wenn Freiheitsentzug dabei immer nur die ultima ratio sein kann. Hier bündelt sich das Dilemma einer Pädagogik, die mit deutlichen Elementen von Zwang nicht nur selbst- und fremdgefährdendem Verhalten entgegenwirken, sondern ebenso die Rechte der AdressatInnen schützen und sie „durch Freiheitsentzug zur Freiheit erziehen“ will. Zwar stellen rein statistisch gesehen temporär und individuell Freiheitsentziehende Maßnahmen - um die es im Folgenden gehen wird - mit aktuell 279 auf 22 Einrichtungen verteilten Plätzen im Gesamtspektrum öffentlicher Erziehung in Deutschland eine nur marginale Größe dar. Allerdings scheint es derzeit eine zahlenmäßig schwer belegbare Tendenz zur Zunahme von Einrichtungen zu geben, die mit fakultativem oder temporärem Freiheitsentzug („Timeout“) arbeiten oder „verbindliche Betreuung“ durch Freiheitsbeschränkung sicherstellen. Wie diese Zwangskontexte wirken - nicht nur mit Blick auf die Effekte, sondern auch mit Blick auf das subjektive Erleben der AdressatInnen -, ist allerdings noch weitgehend unbekannt (zu „Timeout“ vgl. Evers/ Schwabe 2006). Daher sind die nachfolgend präsentierten Ergebnisse der DJI-Studie „Freiheitsentziehende Maßnahmen“ auch vor diesem Hintergrund aufschlussreich. Zwischen alten Polarisierungen und neuer Vielfalt: „Zwangskontexte“ haben viele Gesichter! Die aktuelle Geschichte der Fachdiskussion zu pädagogischen Settings mit Zwangskontexten zeigt: Obwohl es zu jeder Zeit Kinder und Jugendliche gab, die freiheitsentziehend untergebracht wurden, gehörte die Auseinandersetzung darüber nach der „Heimrevolte“ um 1970 bis etwa 1998 zu den grundlegenden Tabus der Fachszene. Entsprechend polarisiert wurden die Debatten um geschlossene Unterbringung (kurz „GU“) bestritten, sofern sie denn überhaupt geführt wurden. Während die eine Seite geschlossene Heime bzw. Heimgruppen als „Kinderknäste“ brandmarkte, warb die andere Seite mit der Möglichkeit, die besonders „Schwierigen“ zumindest unter „(sicherem) Verschluss“ zu halten, falls man sie nicht durch die geschlossene Unterbringung doch noch in den „(pädagogischen) Griff“ bekäme. Doch inzwischen und zum Abschluss knapp vierjähriger intensiver fachlicher Auseinandersetzung mit dem Thema „Freiheitsentziehende Maßnahmen (FM)“ im Rahmen des DJI-Forschungsprojekts hat sich die Debatte um das Pro und Contra zwangskontexte uj 3 (2008) 101 von längerfristiger „geschlossener Unterbringung“ deutlich versachlicht (Hoops/ Permien 2006; Neumann 2003). Dennoch sind nach wie vor zwei gegensätzliche Positionen feststellbar, wobei - je nach gesellschaftlicher Stimmungslage - mal die eine, mal die andere die Oberhand gewinnt. Die Freiheitsentziehende Maßnahmen ablehnende Position hält daran fest, dass Erziehung nicht mit Freiheitsentzug kompatibel sei. Sie betrachtet die „schwierigen“ Jugendlichen vor allem als Opfer ihrer schwierigen Lebensumstände und fordert vehement eine an den individuellen Ressourcen auch dieser Jugendlichen orientierte Erziehung in und zur Freiheit. Diese Forderung hat in der Tat zur Entwicklung von vielen Alternativen zu Freiheitsentzug geführt - allerdings darf nicht übersehen werden, dass keineswegs alle betroffenen Jugendlichen in den Vorteil möglicher Alternativen kommen. Gegen diese Position wird, z. T. befördert durch die Medien, in der Öffentlichkeit immer wieder eine Freiheitsentziehende Maßnahmen befürwortende Position vertreten. Hier erscheinen diese Jugendlichen oftmals eher als „Täter“ (und zunehmend auch „Täterinnen“), für die eine härtere Gangart, z. B. über eine Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters, die Abschaffung der Jugendstrafe, geschlossene Unterbringung oder „Trainingscamps“ gefordert wird. Unterdessen haben sich in der Heimerziehung bemerkenswerte Entwicklungen vollzogen, die die alte Polarisierung zwischen „offen“ und „geschlossen“ faktisch überholt haben, wenngleich der Zwangkontext selbst im Grundsatz nach wie vor Bestand hat. Denn zwischen diesen beiden Polen hat sich in der Jugendhilfe, aber auch in der Jugendpsychiatrie ein Kontinuum von Maßnahmen und Settings etabliert, die von „offen“ über „offen mit der Möglichkeit zu kurzfristiger Isolierung“ und „zu bestimmten Tageszeiten geschlossen“ oder „fakultativ geschlossen“ bis hin zu „individuell geschlossen“ reichen. In den Konzepten von teilgeschlossenen Gruppen und (halb-)offenen Intensivangeboten findet sich in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen sowohl in teilgeschlossenen Settings als auch in den möglichen „Alternativen“ ein intensives Beziehungsangebot, kombiniert mit stark strukturierten Tagesabläufen und verhaltensmodifikatorischen Konzepten mit Stufenplänen, die u. a. den Einsatz unmittelbarer Konsequenzen auf Fehlwie auf erwünschtes Verhalten vorsehen, sowie Sozialtrainings für die Jugendlichen, Elemente von Erlebnispädagogik oder auch Berufspraktika außerhalb der Einrichtung. Diese neue Vielfalt eröffnet neue Denk- und Handlungsoptionen. Klärungsbedürftig sind jedoch in jedem Einzelfall die rechtlichen Voraussetzungen. So stellt sich, z. B. mit Blick auf das zeitweise Abschließen der Türen während des Tages oder den Einsatz von Isolierungen im Rahmen kurzfristiger „Time-outs“ in grundsätzlich offen geführten Einrichtungen, die Frage, ob es sich dabei um eine bloße pädagogisch zu rechtfertigende Freiheitsbeschränkung oder bereits um einen gerichtlich zu genehmigenden Freiheitsentzug handelt. Freiheitsentziehende Maßnahmen - für wen und warum? So unterschiedlich Mädchen und Jungen in freiheitsentziehenden Settings der Jugendhilfe im Einzelfall sind, so ist doch die Lebenssituation aller vor einer Heimunterbringung dadurch charakterisiert, dass die bisherigen Strategien der Lebensbewältigung - eingestuft als selbst- und oftmals auch fremdgefährdendes Verhalten - nicht zu einer „normalen“, „normgerechten“ Bewältigung ihrer Entwicklungsaufgaben beigetragen haben. D. h., der familienrichzwangskontexte 102 uj 3 (2008) terlichen Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung nach § 1631 b BGB gehen oft schon lange Abweichungs- und Hilfekarrieren voraus. Die Probleme der massiv grenzüberschreitenden Jugendlichen sind gravierend und oft komplex: Die Palette reicht meist von Schulverweigerung, familiären Schwierigkeiten, nächtlichem „Herumtreiben“, Straftaten bis hin zu (drohender) Prostitution und exzessivem Suchtverhalten. Ihr Fehlverhalten hat das soziale, auch professionelle, Umfeld wie Familie, offene Jugendhilfe und (Förder-)Schule überfordert und nicht selten zu psychiatrischen Diagnosen geführt. Deshalb sollen nun Zwang und zeitweiliger, individuell gestaffelter Freiheitsentzug den Schutz- und Erziehungsauftrag von Personensorgeberechtigten und Kinder- und Jugendhilfe gewährleisten. Wenngleich es keine eindeutige Indikation für Freiheitsentziehende Maßnahmen gibt - da zumindest theoretisch immer noch eine Alternative zu Freiheitsentzug denkbar ist -, hat sich in der Praxis eine Eingrenzung auf bestimmte, wenn auch nicht völlig unumstrittene Kriterien für die Erwägung und Durchführung von Freiheitsentziehenden Maßnahmen durchgesetzt: Demnach bleiben Zwangskontexte in der Jugendhilfe „ultima ratio“, die ausschließlich dann in Frage kommen, wenn für ernsthaft gefährdet erscheinende Jugendliche, die keine Einsicht in ihren Hilfebedarf zeigen, alle vor Ort erreichbaren Alternativen ausgeschöpft sind. Konkret geht es dann oftmals darum, • Entwicklungsmöglichkeiten auch bei mangelnder Einsicht der Jugendlichen zu sichern: „Ich war der Meinung, bei ihm muss noch was zu machen sein. Ich wollte, dass er noch mal mit klarem Kopf und ohne seine Drogenclique darüber nachdenken kann, ob er nicht doch was ändern will.“ (Fachkraft Jugendamt) • Schutz zu bieten: „Viele Mädchen sehen dann doch, dass das Heim für sie auch ein Schutz ist! “ (Fachkraft Heim) • Grenzen zu setzen, die Eltern, Schule, offene Jugendhilfe nicht mehr setzen können: „Wer setzt denn sonst Grenzen? Wir können doch nicht warten, bis die Justiz eingreift! “ (Fachkraft Heim) • die Jugendlichen auf gesellschaftlich akzeptierte Ziele zu orientieren und z. B. Erfolge in der Schule und soziale Anerkennung zu erreichen, die das Selbstwertgefühl stärken: „Dann hat sie endlich mal die Möglichkeit zu erfahren, dass sie etwas kann.“ (Fachkraft Heim) • Ressourcen zu aktivieren: „Er hat eigentlich ganz viel Sozialkompetenz, draußen ist er immer angeeckt, und hier hat er sich wirklich auch um andere gekümmert und war auch recht beliebt.“ (Fachkraft Heim) Ob es dann tatsächlich zu einer Unterbringung kommt, ist damit allerdings noch offen und hängt von weiteren Faktoren ab, u. a. davon, ob einer der knappen Plätze erreichbar ist und auch, ob sich das Heim zu einer Aufnahme entscheidet (Hoops/ Permien 2006). Wie erleben Jugendliche den Zwangskontext? Probleme bei der Heimeinweisung und zu Beginn der Unterbringung Fall 1: Susi kommt mit 15 Jahren in die Freiheitsentziehende Maßnahme. Zuvor war sie aus etlichen offenen Einrichtungen als „untragbar“ entlassen worden und lebte zwischendurch wochenlang „auf der Straße“. Sie lässt sich von ihrem Jugendamt zu einem Vorstellungsgespräch in einer teilgeschlossenen Einrichtung überreden, muss dann aber gleich dort bleiben. Sie fühlt sich hintergangen, insbesondere von ihrer Mutter, die die Unterbringung „hinter ihrem Rücken“ beantragt habe. Sie gibt aber auch zwangskontexte uj 3 (2008) 103 zu, dass sie freiwillig nie einer Unterbringung zugestimmt hätte. Von ihrer Anfangszeit berichtet sie im Erstinterview: „Ich hab mich gewehrt, ich hab gedroht, weil ich gehofft habe, dass sie mich wieder rauswerfen und sagen, mit der kann man nicht zusammenarbeiten. Drei Monate hab ich das gehofft! “ Wegen ihrer massiven Aggressivität und ihrer Drohungen, sich selbst oder den Betreuenden etwas anzutun, bekommt sie in den ersten sechs Wochen mehrfach Zimmerarrest und wird einmal sogar für wenige Stunden in den Isolationsraum gebracht. Fall 2: Als Ronaldo mit 14 Jahren in die Freiheitsentziehende Maßnahme kommt, hat er seit Monaten keine Schule mehr besucht. Den Grund dafür kann er nicht benennen: „Weiß nicht, war halt, hatte keine Lust.“ Nach einigen gescheiterten Unterbringungen in offenen Einrichtungen lebte er wieder bei der Mutter, die ihm allerdings weder Grenzen setzen noch Orientierung bieten kann. Tage- und nächtelang saß er vor der Playstation, nahm Drogen und war zeitweise höchst aggressiv. Als der richterliche Beschluss vorliegt und ein Platz gefunden ist, verweigert er sich. Es kommt zu einem „Abtransport durch die Polizei“. Gleich am zweiten Tag nutzt Ronaldo die Gelegenheit, durch ein offenes Fenster zu entweichen, wird allerdings sehr bald wieder aufgegriffen und in die Einrichtung zurückgebracht. Zur „Entweichprävention“ verbringt er fortan einige Nächte in der „Iso-Zelle“, dem Isolierraum des Heims. Wie die Interviews und die Fragebogenauswertung zeigen, reagieren die meisten der befragten Jugendlichen anfangs mit großem Widerstand auf die Einweisung: Sie können die Hilfe, die von Eltern und Jugendhilfe als „letzte Chance“ für sie gedacht ist, anfangs meist nur als Strafe wahrnehmen und wehren sich mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln (vgl. Permien 2006). Da die Jugendlichen im Vorfeld der Unterbringung und der Hilfeplanung oft kaum einbezogen werden - sei es, weil die Jugendlichen sich entziehen oder weil man sie bewusst nicht einbindet, um zu vermeiden, dass sie „ganz abtauchen“ -, kommt für viele der Jugendlichen die Einweisung „überraschend“ und als „Schock“. Dies gilt auch dann, wenn sie angekündigt oder mit ihr gedroht wurde, was viele dieser Jugendlichen ignorieren. Allerdings gibt es auch Einzelne, die sich unter dem Druck ihrer gravierenden Probleme „freiwillig“ für eine Unterbringung entscheiden. Die Einweisungsproblematik führt oftmals dazu, dass sich die Jugendlichen kein realistisches Bild davon machen können, was sie in einer Freiheitsentziehenden Maßnahme erwartet. Im Gegensatz zu anderen Fremdunterbringungen können die Jugendlichen sich das Heim nicht aussuchen, sie können dort nicht „Probewohnen“, und sie können sich nach eigenen Aussagen auch dann, wenn es tatsächlich zu einem Vorstellungsgespräch im Vorfeld der Freiheitsentziehenden Maßnahme gekommen ist, nicht vorstellen, was „individuelle Teilgeschlossenheit“ bzw. „schrittweise Öffnung“ im Alltag bedeutet. Die meisten erleben die abrupte Trennung von Eltern und anderen vertrauten - wenn auch fragwürdigen - Lebensbezügen als „furchtbar“. Die konzeptionell festgelegten anfänglichen Ausgangs- und Kontaktsperren und die strengen Regeln stoßen meist auf Unverständnis und Ablehnung. Die sonst in der Kinder- und Jugendhilfe üblichen Prinzipien der „Lebensweltorientierung“, der Wohnortnähe und der Einbeziehung der Eltern als „KoproduzentInnen“ der Hilfe besitzen bei Freiheitsentziehenden Maßnahmen nur eine sehr eingeschränkte Gültigkeit. Für die untergebrachten Jugendlichen bedeutet dies eine „unausweichliche“ Konfrontation mit der fremden neuen Umwelt, den Betreuenden und der Heimgruppe. Die Interviews machen zudem deutlich, dass schon länger untergebrachte MitbewohnerInnen den „Neuen“ zwangskontexte 104 uj 3 (2008) nicht selten zunächst kräftig zusetzen. Ronaldo z. B. gelingt es trotzdem ganz gut, sich bald eine gute Position in der Gruppe zu erobern, Susi aber hat damit erhebliche Probleme, sie bleibt bis zum Schluss „Außenseiterin“ und ist häufig auch „Sündenbock“ der Gruppe, so die übereinstimmende Wahrnehmung von Susi und ihrer Betreuerin. Die strukturellen Bedingungen von Freiheitsentziehenden Maßnahmen führen somit dazu, dass vor allem in der Anfangsphase der Unterbringung den Elementen Zwang und Konfrontation eine zentrale Rolle im Erziehungsalltag zukommt. Dies mag angesichts der Problematik der Jugendlichen unvermeidbar sein, erschwert aber - zumindest zunächst - die Kooperation erheblich. Nach Aussagen der Mehrzahl der Jugendlichen führt dies zu erhöhten Belastungen, zu erheblichem Misstrauen gegenüber den Betreuenden und verschärft, wie bei Susi und Ronaldo, oft genau das Problemverhalten, das eigentlich abgebaut werden soll. Wer z. B. Ronaldo in den ersten Wochen zu nahe kommt, wird bedroht: „Sechs Erzieher haben sich nicht getraut, mich zu isolieren.“ Wie geht es nach der Eingewöhnungsphase weiter? Gute Angebote, aber (zu) starre Regeln und (zu) harte Konsequenzen? Die meisten am Ende der Unterbringung befragten Jugendlichen schätzen rückblickend die im Rahmen der Freiheitsentziehenden Maßnahme angebotenen und in jeder Einrichtung etwas unterschiedlichen Freizeit- und Lernangebote sehr. Viele Jugendliche bezeichnen Ausflüge, Heimfeste und Ferienfreizeiten sogar als ihre beste Erfahrung in der Freiheitsentziehenden Maßnahme. Auch die heiminterne Schule erfährt oft hohe Wertschätzung. So begeisterte sich Susi für das Trampolinspringen und ist sehr stolz auf ihren Schulabschluss. Auch Ronaldo hatte erstmals positive Schulerlebnisse. Andererseits sehen sich die Jugendlichen mit einem strengen Regelwerk konfrontiert. Im Bemühen der Einrichtung, „Struktur“ und „Basics“ des üblichen Sozialverhaltens zu vermitteln, müssen Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren, die sich oft weit über ihr Alter hinausgehende Freiheiten genommen haben, sich nun plötzlich an Regeln halten, die ihre Freiräume und damit auch ihre Selbstverantwortung drastisch auf das Niveau von höchstens 10-Jährigen absenken. Die Ergebnisse aus Interviews und Fragebogenerhebung zeigen aber, dass viele Jugendliche dem engen Rahmen und den strengen Regeln und Konsequenzen auch positive Bedeutung beimessen, da sie dadurch lernen konnten, dass es auch für sie Grenzen gibt, dass sie nicht „einfach tun können, was sie wollen“ und dass ihr Handeln nicht ohne Konsequenzen bleibt. Insofern bieten die Regeln und Konsequenzen zusammen mit dem festen Tagesablauf aus Sicht der Jugendlichen einerseits Orientierung und Verlässlichkeit und fördern andererseits durch ihr Abschreckungs- und Strafpotenzial zumindest Selbstbeherrschung, aber auch die Fähigkeit, sich an Regeln zu halten, auch wenn die Jugendlichen diese nicht immer als sinnvoll oder für sich passend akzeptieren. Fall 1: Susi lehnte sich immer wieder gegen die „dummen“ Regeln auf: „Warum darf man z. B. nicht mehr als sechs Zigaretten rauchen, ich bin doch schon 17? “ Insbesondere wehrte sie sich heftig gegen jegliche Kritik an ihrem Verhalten, die sie zunächst nur als Abwertung ihrer ganzen Person begreifen konnte. Entsprechend musste sie sich mit oftmals harten Konsequenzen wie Zimmerarrest arrangieren, z. B. wenn sie ausrastete oder weggelaufen war. Sie zwangskontexte uj 3 (2008) 105 sagt im Zweitinterview, viele der Regeln, die sie in der Freiheitsentziehenden Maßnahme weder akzeptieren noch einhalten konnte, gebe es gar nicht in der Wohngemeinschaft, in der sie jetzt lebt. Aber sie meint, „ich musste unter Zwang lernen, mich überhaupt mal an Regeln zu halten“ - woanders hätte sie das nie gelernt. So rechtfertigt sie im Nachhinein, dass sie sich bei Fehlverhalten nicht nur entschuldigen musste, sondern dass ihr als Konsequenz z. T. auch zusätzliche Putzarbeiten, Zimmerkontrollen, zeitweise Ausgangssperren oder Kürzungen der Telefonzeiten auferlegt wurden. Regeln und Konsequenzen und ein geregelter Tagesablauf können nach Meinung der Jugendlichen wie der Betreuenden also durchaus neue Lernmöglichkeiten eröffnen: Sie können erleben, dass Konfliktaustragung möglich ist, ohne das Gegenüber zu verletzen, und sie machen die Erfahrung, dass man sich für Fehlverhalten entschuldigen und einen verursachten Schaden wieder gutmachen kann und muss. Es gibt aber auch Konsequenzen, die, das zeigen sowohl die Ergebnisse der Interviews wie der Fragebogenerhebung, von vielen Jugendlichen abgelehnt werden. Das sind v. a. längere Isolierung im Time-out-Raum, längerer Zimmerarrest und längere Ausgangssperren. Diese werden von den Jugendlichen vor allem als Strafe und z. T. als Demütigung erlebt. Ronaldo, der nach eigener Einschätzung von der Unterbringung stark profitiert hat und „froh um die Erfahrung insgesamt“ ist, schlägt vor: „Diese dreckigen Isos - abschaffen müsste man die! “ Auch bei Susi hat sich die Ablehnung von Isolation und Zimmerarrest nach einem Jahr zusätzlich verstärkt. Sie meint im Zweitinterview: „Und im Heim hat man Zimmer gekriegt, drei Tage lang … durftest du da schmoren wie ne Bescheuerte, durftest gar nichts machen, und hinterher wurde gar nicht groß darüber gesprochen. Also man ist zwar bestraft worden, aber direkt auf die Situation bezogen wurde da kaum was gemacht.“ Zudem erscheinen diese Konsequenzen eher „inkonsequent“, da sie weder die erhofften neuen Einsichten fördern noch zum Erwerb und Training der erwünschten neuen Kompetenzen führen und damit auch die Erfahrung von Selbstverantwortung und Selbstwirksamkeit verhindern. Durch diese Art von Konsequenzen scheint viel wichtige Zeit zum Lernen und zur Neuorientierung verloren zu gehen. Als Strafen und „Verhinderungspädagogik“ sind längere Isolation und längere Ausgangssperren daher nur für das Setting Freiheitsentziehender Maßnahmen funktional, denn sie unterbrechen das Fehlverhalten und verhindern Konflikteskalationen. Vor allem aber konditionieren sie die Jugendlichen auf Gehorsam - auch wenn sie zum „Nachdenken“ anregen sollen. Solche und andere als „zu hart“ oder „unsinnig“ erlebten Konsequenzen können statt oder neben positiven Lerneffekten auch durch Angst bedingte Überanpassung, „innere Emigration“ und Verstellung, Rebellion und verstärkte Aggressivität oder gar einen „Kampf gegen das System“ provozieren. Beziehungsarbeit im FM-Setting: strukturell belastet - aber möglich und von zentraler Bedeutung! Die Herstellung einer pädagogischen Beziehung mit den Jugendlichen wird in der Jugendhilfe allgemein, besonders aber auch von Betreuenden in Freiheitsentziehenden Maßnahmen und den dort betreuten Jugendlichen selbst, als zentrales Element des pädagogisch-therapeutischen Settings betrachtet. Solche Beziehungen unterliegen in Freiheitsentziehenden Maßnahmen allerdings - trotz des günstigen Personalschlüssels, der eine sehr dichte Betreuung gewährleistet - erheblichen strukturellen Belastungen: Denn anders als in offenen Einrichtungen können in Freiheitsentziehenden Maßnahmen die Betreuenden ihre Autorität gegenüber den Betreuten nicht nur aus ihrer Rolle als Erwachsene und als PädagogInnen ableiten, sondern auch aus ihrer strukturell vorgegebenen Rolle als „AufpasserInnen“ und „BewacherInnen“, zwangskontexte 106 uj 3 (2008) die nicht nur die Autorität haben, die Jugendlichen für Fehlverhalten zu „bestrafen“, wie es manche Jugendliche formuliert haben, sondern auch über Einschluss oder Öffnung zu entscheiden. Dennoch, so zeigen die Ergebnisse der DJI-Studie, schätzen viele, wenn auch nicht alle Jugendlichen zumindest gegen Ende derUnterbringungszeit, die zeitlich allerdings sowohl individuell wie auch konzeptionell stark differieren kann, die intensive Betreuung und die Erfahrung von Wertschätzung, Unterstützung, Fairness, Verständnis, Verlässlichkeit sowie Vertrauenswürdigkeit seitens der Betreuenden als positiv und wichtig für ihre eigene Entwicklung ein. Die meisten Jugendlichen sind sich sicher, dass sie durch die Beziehungen vor allem zu den BezugsbetreuerInnen, aber auch zu den anderen Betreuenden und den Jugendlichen viel oder doch zumindest einiges für den Umgang mit anderen Menschen gelernt haben. Auch viele Betreuende sind überzeugt, dass sie zu vielen Jugendlichen tragfähige und vertrauensvolle Beziehungen aufbauen konnten und dass manche Jugendlichen in Freiheitsentziehenden Maßnahmen erstmals Verlässlichkeit und gegenseitiges Vertrauen in Beziehungen zu Erwachsenen erlebt und für ihre Entwicklung genutzt hätten. Denn erst auf dieser Basis sei es gelungen, Sozialverhalten und Selbstreflexion der Jugendlichen positiv zu beeinflussen. Andererseits verhalten sich die Betreuenden in den Augen der Jugendlichen nicht immer korrekt. Die Kritik der Jugendlichen lautet: • Manche Betreuenden würden „gleich eine Strafe geben, statt erstmal zuzuhören, was passiert ist“, • sie seien auch „manchmal ganz schön ungerecht“ und hätten „Lieblinge“, • manche machten „nur ihren Job“, • und es wird auch Angst vor möglicher Willkür geäußert: „Die könnten mit uns machen, was sie wollen.“ Über konkrete Beispiele von Willkür und Machtmissbrauch wird aber sehr selten berichtet. Diese Sicht der Betreuten auf ihre BetreuerInnen mag in Freiheitsentziehenden Maßnahmen nicht viel anders sein als in offenen Einrichtungen. Doch fällt auf, dass viele der in Freiheitsentziehenden Maßnahmen betreuten Jugendlichen in den Interviews davon sprechen, dass sie sehr lange gebraucht haben, bis sie erkannten, dass die Betreuenden ihnen nicht gleichgültig oder böswillig gegenüberstehen. Manche berichten auch, dass sie gar kein Vertrauen aufbauen konnten. Auch wenn diese Probleme mit den negativen Vorerfahrungen der Jugendlichen selbst begründet werden können, so ist nicht auszuschließen, dass ein persistierendes Misstrauen durch eine zwangsweise Unterbringung und eine Doppelrolle der Betreuenden verstärkt wird. Die geschilderte Bandbreite der Beziehungen findet sich auch bei Susi und Ronaldo. Fall 1: Susis Rückblick auf ihre Zeit in Freiheitsentziehender Maßnahme ist im Zweitinterview deutlich ablehnender als im Erstinterview. Sie konnte die Diskrepanz zwischen dem - begrenzten - Vertrauen, das sie zu den Betreuenden in der Freiheitsentziehenden Maßnahme nach langem Widerstand mühsam aufgebaut hatte, und deren Macht, sie gegen ihren Willen einzusperren, für sich nicht klären: „Direkt klar gekriegt habe ich das nicht, aber man musste sich irgendwo auf die Betreuer einlassen. Hätte ich das nicht getan, wäre ich wahrscheinlich immer noch in der Geschlossenen. Egal, ob man’s will oder nicht, man muss halt machen, was die wollen, und fertig, auch wenn man keinen Sinn darin sieht.“ Ihre Betreuerin berichtet, dass Susi viel Zeit benötigte, bis sie in den Betreuenden weniger GegnerInnen als vielmehr HelferInnen sah, die es gut mit ihr meinen. Dazu kam, dass Susi große Ambivalenzen gegenüber einer engeren Beziehung hatte, also Nähe suchte und sie zwangskontexte uj 3 (2008) 107 dann wieder nicht ertrug, und dass sie sich auf für sie belastende Themen wie das Verhältnis zu ihren Eltern nur sehr ungern einließ. Es sei aber in der Freiheitsentziehenden Maßnahme trotz allem gelungen, ihr zu vermitteln, dass sie als Mensch gemocht werde, auch wenn ihr Verhalten oft kritisiert werden musste. „Also wenn früher ein Konflikt oder ein Abschied oder so was war, ist sie immer abgehauen. Das konnte sie hier nicht so leicht. Das ist halt der ‚Vorteil‘ von einer geschlossenen Unterbringung. Sie musste das jetzt hier aushalten mit uns, und wir hielten sie aus. Und dann merkt sie aber, es geht! “ Fall 2: Ronaldo ist es gelungen, in einem Erzieher das männliche Vorbild zu finden, das er in seinem Leben zuvor nie hatte: „Ich hab halt jemanden gebraucht, dem ich vertrauen konnte.“ Sein Betreuer fungiere für ihn - auch wenn er nicht Dienst hätte - als „Mann im Ohr“, der ihm helfe, das Richtige zu tun. Auch mit den anderen BetreuerInnen kommt er bald gut zurecht, und er genießt, dass er von den Erwachsenen ernst genommen wird. Seine ausgeprägte Kommunikationskompetenz kommt ihm dabei sehr entgegen. Ronaldo fühlt sich im Heim wohl. Mit den Regeln kann er „gut leben“. Da er schnell Fortschritte gemacht hat und daher auch bald Ausgang und andere Freiheiten genießt, möchte er, so berichtet er im Erstinterview, „freiwillig noch länger da bleiben“. Er hat Angst, dass es ihm „draußen“ nicht so gut geht, und auch sein Betreuer ist zwar stolz auf den „großen Sprung“, den Ronaldo in der Zeit seiner Unterbringung machen konnte, aber skeptisch, ob die positive Entwicklung anhält. Die Ergebnisse der Interviews und der Fragebogenerhebung weisen insgesamt deutlich darauf hin, dass die Intensität und die Qualität der Betreuung in Freiheitsentziehenden Maßnahmen, die von vielen Jugendlichen lobend hervorgehoben werden, den genannten strukturellen Belastungen für den Beziehungsaufbau offenbar entgegenwirken können, wenn auch ein gewisser Teil der Jugendlichen sich nicht, (zu) wenig oder in einer zu stark identifizierenden Weise auf das Beziehungsangebot einlässt. Beziehungen sind also - sowohl aus Sicht der Betreuenden wie der Betreuten - keineswegs unmöglich, sondern eher „das Herzstück“ der Freiheitsentziehenden Maßnahmen. Am Ende von Freiheitsentziehenden Maßnahmen steht eine überwiegend positive Bilanz: „Es war hart, aber ich habe viel gelernt.“ Trotz aller Härten der Freiheitsentziehenden Maßnahmen, die die Jugendlichen zum Zeitpunkt der Untersuchung am Ende ihrer Unterbringung benennen, antworten 85 % der Jugendlichen in der Fragebogenerhebung, die Zeit in der Freiheitsentziehenden Maßnahme habe ihnen „viel“ gebracht, und 83 % meinen, sie hätten „viel“ gelernt, und zwar v. a. bezüglich des Umgangs mit anderen Menschen und mit ihren Eltern, zudem würden sie weniger oft „ausrasten“, hätten weniger Straftaten begangen und könnten mit Alkohol und Drogen besser umgehen. So sagt z. B. Susi, die sehr stolz ist auf ihren guten Hauptschulabschluss: „Ich hab’ die Geschlossene gebraucht, aber wünschen tu ich’s keinem! “ Die Betreuenden schätzen die Fortschritte der Jugendlichen deutlich „vorsichtiger“ und entsprechend niedriger ein, sind aber ganz überwiegend der Meinung, dass der Freiheitsentzug die geeignete Maßnahme für die beurteilten Jugendlichen war. Übergänge: Entlassung und Neubeginn als Krise und Chance Die Follow-Up-Befragung 10 bis 14 Monate nach der Entlassung der Jugendlichen gibt einige interessante Hinweise zur Frage des Transfers und der Weiterentwicklung des Gelernten im Sinne eigener Ziele der Jugendlichen, wenn der Druck und der Zwang der Freiheitsentziehenden Maßnahmen nachlassen. zwangskontexte 108 uj 3 (2008) Von den 36 Jugendlichen in Freiheitsentziehenden Maßnahmen war für 34 eine weitere stationäre Erziehungshilfe geplant, die auch von allen Jugendlichen begonnen wurde, zwei kehrten zu ihren Müttern zurück. Nach ca. einem Jahr befanden sich nur noch 17 Jugendliche in den anschließenden Erziehungshilfen oder auch, z. T. nach Unterbrechungen, in anderen Maßnahmen. Ein Junge wurde, nach Aufenthalt bei seinen Eltern und im Jugendstrafvollzug, erneut freiheitsentziehend untergebracht. Zwei Mädchen konnten von einer Wohngruppe in eine Verselbstständigungsgruppe bzw. ins Betreute Einzelwohnen überwechseln. 13 dieser Jugendlichen gingen zur Schule, vier machten eine Ausbildung oder ein soziales Jahr. Unter den 19 Jugendlichen, die zum Zeitpunkt der Follow-Up-Befragung eine Maßnahme abgebrochen haben oder gleich zu ihrer Familie zurückgekehrt sind, ist die Zahl derer, die noch oder wieder eine Schule besuchten oder in eine Arbeit eingestiegen sind, wesentlich geringer. Nur drei von ihnen besuchten eine Schule, ein Junge hat darüber hinaus eine Arbeit, zwei Jugendliche haben derzeit einen Gelegenheitsjob, eine Ausbildung machte keiner. Auch ihre Lebensverhältnisse waren teilweise sehr prekär: Drei Mädchen konnten nach Abbruch ihrer Folgemaßnahmen - sowie der damit verbundenen Schul- und Ausbildungsarrangements - nicht nach Hause zurückkehren, sondern waren (wieder) auf der Straße bzw. ohne festen Wohnsitz, eine davon lebte in einer Jugendpension, zwei Jungen waren in Haft, einer davon war vorher ebenfalls obdachlos, einer wohnte vorher bei seiner Mutter. Über die Lebensumstände von zwei Mädchen konnten wir nach Abbruch der Folgemaßnahme nichts mehr erfahren. Neun Jugendliche leben wieder bei ihren Müttern, ein Mädchen lebt bei ihrem Vater, eine bei ihrer Großmutter. Ein Junge ist bei seiner Freundin und deren Mutter untergekommen. Die - doch recht häufige - Rückkehr zur Familie bzw. die Einquartierung bei der Freundin war meist Folge von Abbrüchen der Anschlussmaßnahmen. Die frühesten Abbrüche erfolgten bereits nach wenigen Tagen, der späteste erst nach knapp einem Jahr und kurz vor der regulären Beendigung der Maßnahme. Dabei wurde ein Teil der Maßnahmen von seiten Abb. 1: Verbleib der Jugendlichen nach der Freiheitsentziehenden Maßnahme Verbleib der Jugendlichen Mädchen Jungen Insgesamt 23 13 36 Anschlussmaßnahme nach FM stationäre Erziehungshilfen 22 12 34 Mutter/ Eltern 1 1 2 Aufenthalt nach 10 -14 Monaten: stationäre Erziehungshilfen 11 6 17 Mutter/ Vater/ Oma 7 4 11 kein fester Wohnsitz 3 - 3 Haft oder U-Haft - 2 2 Freundin - 1 1 unbekannt 2 2 zwangskontexte uj 3 (2008) 109 der Einrichtungen vorzeitig beendet, weil die Jugendlichen mit der größeren Freiheit nicht umgehen konnten und wesentliche Regeln verletzten oder wieder straffällig wurden. Ein Teil der Abbrüche wurde aber auch von den Jugendlichen selbst provoziert: So manche dieser Jugendlichen waren jugendhilfemüde und wollte „einfach endlich nach Hause“ und wieder ohne strenge Regeln leben: Sie waren also eher auf Rückkehr und Rückzug und weniger auf „Zukunft“ orientiert. Manche auch haben den Wechsel von der Freiheitsentziehenden Maßnahme in die Folgemaßnahme nicht verkraftet und weisen den ehemaligen Betreuenden die besseren Qualitäten zu: In der Freiheitsentziehenden Maßnahme hätten sie mehr Verständnis, Wertschätzung, Vertrauen und auch Schutz erfahren als in den Folgeeinrichtungen. Die Gründe hierfür dürften in der Qualität und Intensität der Betreuung liegen, die offene Einrichtungen schon wegen der geringeren Personaldichte kaum leisten können, aber auch darin, dass vermutlich gerade diese vormals oft stark beziehungsgestörten Jugendlichen den Betreuerwechsel bei Beendigung der Freiheitsentziehenden Maßnahme z. T. nur sehr schwer bewältigen können. Die Gestaltung der „neuen“ Beziehungen hängt allerdings stark von Art und Konzept der Folgeeinrichtung und den dort arbeitenden Personen sowie der individuellen „Passung“ zwischen PädagogInnen und Jugendlichen und deren Zufriedenheit mit ihren aktuellen Lebensumständen ab. Insgesamt ist diese Bilanz, die die Follow-Up-Befragung ermöglicht hat, jedoch als eine Momentaufnahme zu betrachten: Das Leben der meisten der befragten Jugendlichen ist noch sehr stark in Bewegung. So manche haben noch keinen dauerhaften oder förderlichen Lebensort gefunden, für viele steht ein erneuter Wechsel mit weiteren Anforderungen an ihre Selbstständigkeit an, wenn die derzeitige Erziehungshilfe ausläuft, manche sind akut von einem (weiteren) Absturz bedroht (z. B. falls ihre Mütter in den Interviews gelegentlich geäußerte Drohungen wahr machen und sie „vor die Tür setzen“ oder falls in noch anstehenden Gerichtsverfahren Haftstrafen über sie verhängt werden). Abschließend soll der Blick nochmals auf das Leben von Susi und Ronaldo gerichtet werden. Fall 1: Susi nutzt, nach zwei Jahren in der FM und bei der Entlassung fast 18 Jahre alt, ihre wieder gewonnene Freiheit vor allem dazu, in der neuen Einrichtung ihre Ausbildung zu machen und Kontakte nach „draußen“ aufzubauen. Anfangs hatte sie mit den neuen Betreuenden und auch mit der Gruppe dieselben Probleme und Konflikte wie in der Freiheitsentziehenden Maßnahme. Die Übergangsprobleme waren so stark, dass sie sogar zeitweise in die Freiheitsentziehende Maßnahme zurückkehren wollte. Ihre Auflehnung hält sie allerdings soweit in Grenzen, dass sie einen Abbruch der Maßnahme vermeiden kann. Da sie besser als früher in der Lage ist, die Konsequenzen ihres Handelns zu bedenken, verhält sie sich so, dass sie die Fortsetzung ihrer Ausbildung, die ihr sehr wichtig ist, nicht gefährdet. In der Ausbildung hat sie erstaunlich wenige Probleme, fühlt sich dort allgemein anerkannt und von einer Anleiterin besonders gut unterstützt. Auch ihre Betreuerin berichtet, dass die AusbilderInnen mit Susi sehr zufrieden seien. Es scheint also, dass Susi sehr viel Selbstvertrauen daraus zieht, dass sie in der neuen Umwelt die von ihr selbst angestrebte Zukunftsperspektive aktiv und erfolgreich umsetzen und dadurch schließlich selbstständig und unabhängig werden kann. Da ihre Zukunftspläne mit denen der Jugendhilfe und ihrer Eltern weitgehend konform gehen, erfährt sie auch von dieser Seite inzwischen viel Anerkennung. In ihrem Zweitinterview stellt sie ihr aktuelles Leben in der Folgemaßnahme als weitgehend problemlos dar. Dem widerspricht ihre Betreuerin: „Susi will unbedingt perfekt dastehen, deshalb fällt es ihr umso schwerer, sich mit ihren Fehlern auseinanderzusetzen.“ zwangskontexte 110 uj 3 (2008) Fall 2: Ronaldo ist nach 21 Monaten in Freiheitsentziehender Maßnahme in die Wohnung seiner Mutter zurückgekehrt. Obwohl eine stationäre Anschlussmaßnahme für ihn dringend empfohlen wurde, hat er sich bei seiner Entlassung dagegen entschieden. Er wollte es „alleine schaffen“, berichtete er im Zweitinterview. Drei Monate geht er selbstständig zur Schule, wird sogar zum Klassensprecher gewählt, doch dann hat er plötzlich wieder „keine Lust mehr“: Er ist zudem der Meinung, dass ihm für seinen Berufswunsch „Audioingenieur“ „ein Hauptschulabschluss eh’ nichts nutzt“. Er widmet sich seinem größten Hobby, der Musik, und hofft, dass er eines Tages eine private Schule besuchen kann, die ihm diese Ausbildung ermöglicht. Rückblickend meint er aber doch, dass eine weitere Betreuung Vorteile gebracht hätte: „Vielleicht wäre es für mich besser gewesen, weil dann hätte ich jetzt einen richtigen Abschluss und hätte dann meinen Quali und es wäre besser gewesen, wäre ich in eine Wohngruppe gegangen. Aber ich wollte halt irgendwie nicht.“ Erst anderthalb Jahre nach der Entlassung aus dem Heim „platzt der Knoten“, und er beginnt tatsächlich - ohne Schulabschluss - eine Ausbildung zum Tontechniker auf einer privaten Schule, die er regelmäßig besucht und die ihm die Mutter, die in der ganzen Zeit an sein Talent geglaubt hat, durch Überstunden finanziert. Zum Jugendamt hat er nur noch sporadischen Kontakt, da er sich nicht in der Lage sieht, „zu jemand Neuem jetzt wieder Vertrauen aufzubauen“. Fazit Die Situation der Jugendlichen nach einem Jahr stellt sich - auch in deren eigenen Bewertungen - keinesfalls in allen Fällen positiv oder auch perspektivisch erfolgversprechend dar. Doch immerhin die Hälfte kann wieder offene Einrichtungen für sich nutzen - was vor der Freiheitsentziehenden Maßnahme nicht mehr der Fall war. Einige haben zumindest ganz hoffnungsvolle, wenngleich nicht immer sehr realistisch erscheinende Zukunftsperspektiven entwickelt und verbuchen zumindest Teilfortschritte der Freiheitsentziehenden Maßnahme, z. B. bezüglich geringerer Aggressivität, Straffälligkeit und Drogengebrauch. Zudem sieht die Mehrzahl der Jugendlichen den Erfolg, dass sie ohne Freiheitsentziehende Maßnahme längst völlig „abgestürzt“ wären, sie würdigen also zumindest die Schutzfunktion von Freiheitsentziehenden Maßnahmen. Nur in wenigen Fällen meinen die Betreuenden oder die Jugendlichen selbst, die Freiheitsentziehende Maßnahme habe gar nichts gebracht oder sei sogar nachteilig gewesen, und nur selten scheint ihre Situation ein Jahr nach der Entlassung genauso oder sogar verschärft problembelastet. Die Ergebnisse zeigen, dass Freiheitsentziehende Maßnahmen insbesondere dann positive und dauerhafte Effekte aufweisen können, wenn Jugendliche diese als Hilfe für sich anerkennen und mitgestalten, d. h. die Maßnahme nicht nur als Zwang erfahren, sondern die drastische Grenzsetzung durch den Freiheitsentzug als Chance nutzen lernen, „etwas zu erreichen“. Dazu müssen sie ihren anfänglichen Widerstand zumindest teilweise aufgeben und das Angebot, sich die Freiheit schrittweise zurückzuerobern, als eine „Bewährungsprobe“ annehmen können. Die Interviews legen nahe, dass dies den Jugendlichen umso eher gelingt, je mehr sie den Verlust der „Freiheit“ durch subjektive Gewinnerfahrungen ausgleichen können. Während jedoch die Zwangsmaßnahme sofort erlebt wird, kann die „Wiedergutmachung“ erst im pädagogischen Prozess hergestellt werden. Diese Kompensation bezieht sich, wie einige der Jugendlichen schildern, öfter auf schulische Erfolge, aber auch auf in der Freizeit neu erworbene Fähigkeiten. Auch die Beziehungen zum Betreuungspersonal und die in diesem Rahmen erworbene größere Sozial- und Konfliktkompetenz beschreiben die Jugendlichen oft als Gewinn. Manchmal seien diese Beziehungen sogar zwangskontexte uj 3 (2008) 111 besser und belastbarer als in offenen Hilfemaßnahmen. Die These, unter Zwang könnten sich keine tragfähigen pädagogischen Beziehungen entwickeln, kann somit durch die bisherigen Ergebnisse der Befragung der Jugendlichen wie der Betreuenden nicht bestätigt werden, sie stützen vielmehr die Vermutung, dass nachhaltige, situativ und individuell angepasste Grenzsetzungen im pädagogischen Prozess einer Freiheitsentziehenden Maßnahme, gekoppelt mit stetigen Beziehungsangeboten durch verlässlich und authentisch erlebte Fachkräfte, einen subjektiv spürbaren Gewinn oft erst ermöglichen. Wenn sich die Jugendlichen auf den Hilfeprozess einlassen bzw. sich ihm anpassen können, betonen sie - zunächst unabhängig von objektiven Erfolgskriterien - den subjektiven Gewinn und ihre sozialen Lernerfahrungen während der Freiheitsentziehenden Maßnahme. Der Zwangscharakter tritt dann zunehmend in den Hintergrund, und es findet bei vielen Jugendlichen ein gewisser, den Hilfeverlauf durchaus begünstigender Identifikationsprozess mit dem Heim statt, aus dem sie sich gleichwohl auch wieder lösen können müssen. Bei allen Risiken des strukturell angelegten und pädagogisch nutzbar gemachten Machtgefälles zwischen Betreuungspersonal und Jugendlichen, die der Zwangskontext in besonders hohem Ausmaß beinhaltet, soll an dieser Stelle einmal mehr auf die klassischen pädagogischen Chancen hingewiesen werden, die mit Freiheitsentziehenden Maßnahmen strukturell verbunden sind: nämlich die Dialektik von Schließung und Öffnung, von Hilfe und Kontrolle, die schon seit jeher zu den Merkmalen der Sozialen Arbeit gehört (vgl. Winkler 2006, 255). Die Ergebnisse des DJI-Projekts geben nun einerseits deutliche Hinweise darauf, dass es ohne eine mit temporärem, am individuellen Fall sich orientierenden Freiheitsentzug oder mit ähnlich einschneidenden Interventionen verbundene Hilfe für viele der in die Studie einbezogenen Jugendlichen kaum eine alternative Erfolgshoffnung geben dürfte. Andererseits mussten die Jugendlichen - durch den Verzicht auf Freiheit und das Sich-Einlassen auf eine zunächst vorwiegend als Kontrolle und Zwang erlebte Hilfe - einen hohen Preis in Kauf nehmen: Denn ein Freiheitsentzug gegen den Willen der Jugendlichen setzt anfangs explizit außer Kraft, was sonst allgemein als Basis für den Erfolg einer Hilfe gilt: „ihre Mitwirkungsbereitschaft und ihre Partizipation an der Entscheidung über Art, Ort und Dauer der Hilfe“ (vgl. Hoops/ Permien 2006, 120). Daher muss die Unterbringung so gut wie möglich eingeleitet, begleitet und reflektiert werden, damit die von den Jugendlichen zunächst oftmals als massiven Eingriff empfundene Einweisung nicht nachhaltig als bloßer Willkürakt wahrgenommen wird, sondern „Erziehung wieder möglich macht“. „Gelingt es uns, Zwang und potentielle Freiheit methodisch zusammenzubringen, dann können wir auch ein legitimes pädagogisches Angebot für diejenigen Kinder und Jugendlichen entwickeln, die uns bisher ratlos machen. Das pädagogische Allheilmittel zu erwarten, grenzt jedoch an prometheischen Größenwahn und sollte von uns als unberechtigte Erwartung zurückgewiesen werden“ (vgl. Neumann 2003, 157). Literatur Conen, M. L., 1996: „Wie können wir Ihnen helfen, uns wieder loszuwerden“ - Aufsuchende Familientherapie mit Multiproblemfamilien. In: Zeitschrift für systemische Therapie, 2. Jg., H. 3, S. 178 - 185 Evers, T./ Schwabe, M., 2006: Time-out-Räume bzw. Auszeiträume in der Jugendhilfe. In: EREV-Schriftenreihe, 47. Jg., H. 4, S. 56 - 71 Hoops, S./ Permien, H., 2006: „Mildere Maßnahmen sind nicht möglich! “ - Freiheitsentziehende Maßnahmen nach § 1631 b BGB in Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie. München zwangskontexte 112 uj 3 (2008) Kähler, H., 2005: Soziale Arbeit in Zwangskontexten. Wie unerwünschte Hilfe erfolgreich sein kann. München Neumann, G., 2003: Zwang in der Erziehung: legitimes Mittel oder schwarze Pädagogik? In: Evangelische Jugendhilfe, 80. Jg., H. 3, S. 150 - 158 Permien, H., 2006: „Es war Schocktherapie“ - Wirkungen und Nebenwirkungen freiheitsentziehender Maßnahmen aus der Sicht der Jugendlichen. In: EREV-Schriftenreihe, 57. Jg., H. 4, S. 8 - 30 Schone, R., 2001: Familien unterstützen und Kinder schützen - Jugendämter zwischen Sozialleistung und Intervention. In: Sozialpädagogisches Institut im SOS-Kinderdorf (Hrsg.): Jugendämter zwischen Hilfe und Kontrolle. München, S. 51 - 89 Wiesner, R., 2002: Freiheitsentziehung in pädagogischer Verantwortung? In: EREV-Schriftenreihe, 43. Jg., H. 3: Wenn Pädagogik an Grenzen stößt. Freiheitsentziehende Maßnahmen in der Jugendhilfe und die Rechte von Kindern und Jugendlichen, S. 90 - 105 Winkler, M., 2006: Widersprüchliche Überlegungen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen. In: Witte, M./ Sander, U. (Hrsg.): Erziehungsresistent? Problemjugendliche als besondere Herausforderung für die Jugendhilfe. Baltmannsweiler, S. 231 - 260 Die Autorinnen Sabrina Hoops Dr. Hanna Permien Deutsches Jugendinstitut Nockherstraße 2 81541 München hoops@dji.de permien@dji.de zwangskontexte Besuchen Sie uns auf dem 21. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaften (DGfE) mit dem Thema „Kulturen der Bildung“. Vom 16. bis 19. März 2008 findet an der TU Dresden der 21. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaften (DGfE) statt. Wir freuen uns über Ihren Besuch an unserem Verlagsstand im 1. Obergeschoss des Hörsaalzentrums. Nähere Informationen erhalten Sie unter www.dfeg2008.de a www.reinhardtverlag.de