unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
31
2008
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Kindschaftsrecht in Jugendhilfe und Justiz - Teil 4: Die Beistandschaft
31
2008
Barbara Mutke
Britta Tammen
Im Rahmen der Untersuchung "Fortentwicklung der Jugendhilfepraxis zum Kindschaftsrecht" wurde der Frage nachgegangen, wie sich die Situation seit der Kindschaftsrechtsreform in den Arbeitsbereichen der Kinder- und Jugendhilfe und der Justiz darstellt und in welcher Weise die Gesetzesänderungen umgesetzt worden sind.
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uj 3 (2008) 129 Kindschaftsrecht in Jugendhilfe und Justiz Teil 4: Die Beistandschaft Barbara Mutke/ Britta Tammen Im Rahmen der Untersuchung „Fortentwicklung der Jugendhilfepraxis zum Kindschaftsrecht“ wurde der Frage nachgegangen, wie sich die Situation seit der Kindschaftsrechtsreform in den Arbeitsbereichen der Kinder- und Jugendhilfe und der Justiz darstellt und in welcher Weise die Gesetzesänderungen umgesetzt worden sind. Wie in den letzten Ausgaben von Unsere Jugend bereits näher ausgeführt, nahm das an der TU Berlin und Hochschule Darmstadt durchgeführte Forschungsprojekt neben den Neuregelungen zur Verfahrenspflegschaft, dem erweiterten Beratungsauftrag der Jugendhilfe und den Neuregelungen zum Umgangsrecht auch die Umsetzung der Beistandschaft in den Blick. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die wesentlichen Ergebnisse im Bereich der Beistandschaft. 1 Mit dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes wurde als weitere zentrale Neuerung das Beistandschaftsgesetz erlassen. Auch dieses trat zum 1. Juli 1998 in Kraft und schaffte sowohl die gesetzliche Amtspflegschaft (§§ 1706 - 1710 BGB a. F.) in den alten Bundesländern als auch die bisherige freiwillige Beistandschaft(§§ 1685,1686,1689 - 1692 BGB a. F.) ab. Neu war an dieser Regelung, dass die Beistandschaft nunmehr ausschließlich freiwillig in Anspruch genommen werden kann, nur auf Antrag eines Elternteils eintritt und auch von Eltern beantragt werden kann, die nach einer Trennung oder ScheidungUnterstützung benötigen. SeitInkrafttreten des Kinderrechteverbesserungsgesetzes im Jahr 2002 kann die Beistandschaft auch von gemeinsam sorgeberechtigten Elternteilen beantragt werden, wenn sich die Kinder überwiegend bei ihnen aufhalten. Durch das Beistandschaftsgesetz wurden im achten Sozialgesetzbuch (SGB VIII) Informationspflichten (§§ 18, 52 a SGB VIII) des Jugendamtes neu eingeführt. Dabei hat das Jugendamt der Mutter eines nichtehelichen Kindes von Amts wegen Beratung und Unterstützung in einem persönlichen Gespräch anzubieten. Vor allem in Bezug auf die Unterhaltssicherung und Vaterschaftsfeststellung muss es auf die Möglichkeit hinweisen, dass für die Erfüllung dieser Aufgaben eine Beistandschaft beantragt werden kann. Ferner hat das Jugendamt über die Bedeutung der Vaterschaftsfeststellung sowie über deren Durchführung und die Möglichkeit der gemeinsamen Sorge zu informieren. 1 Die Basis für die dargestellten Ergebnisse bildet eine schriftliche Befragung an 122 Jugendämtern. Ferner wurden rund 50 Interviews mit MitarbeiterInnen des ASD, RichterInnen, AnwältInnen, Beiständen und VerfahrenspflegerInnen geführt (vgl. ausführlich in Münder/ Mutke u. a. 2007, 76ff). recht Unsere Jugend, 60. Jg., S. 129 - 140 (2008) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel 130 uj 3 (2008) Zentral war für den Gesetzgeber in diesem Zusammenhang, dass das Jugendamt von sich aus tätig wird. Durch den neuen § 52 a SGB VIII wird der Beistandschaft somit ein spezifisches jugendhilferechtliches Beratungsangebot vorgeschaltet. Der Gesetzgeber will mit der neuen Beistandschaft „die Unterstützung allein sorgender Eltern durch das Jugendamt sichern, jedoch ohne hoheitliche Eingriffe und ohne Eingriffe in das Recht der elterlichen Sorge“ (Lakies 1998, 276). Dieses Freiwilligkeitsgebot hat also rechtlich zur Folge, dass es vonseiten der Sorgeberechtigten keinerlei Verpflichtung gibt, das Angebot auch anzunehmen. Der Gesetzgeber überlässt es der Mutter, ob sie das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung bzw. die Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche (hier betrifft dies gegebenenfalls auch Väter) auch verwirklicht. Für die Fachkräfte der neuen Bundesländer brachte diese Neuregelung keine Änderung mit sich, konnten sie doch zu diesem Zeitpunkt bereits auf jahrzehntelange Erfahrungen zurückblicken: In der DDR wurde die gesetzliche Amtspflegschaft bereits im Jahr 1950 abgeschafft (Seidenstücker 1992, 31). Im Gesetz der DDR vom 27. 9. 1950 über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau wurde in § 17 formuliert: „Die nicht-eheliche Geburt ist kein Makel. Der Mutter eines nicht-ehelichen Kindes stehen die vollen elterlichen Rechte zu, die nicht durch die Einsetzung eines Vormundes für das Kind geschmälert werden dürfen. Zur Regelung der Ansprüche gegen den Vater sollen die unteren Verwaltungsbehörden nur noch als Beistand der Mutter tätig werden.“ Im Zuge des Beitritts der neuen Bundesländer zur Bundesrepublik wurde darauf verzichtet, die gesetzliche Amtspflegschaft für das Beitrittsgebiet einzuführen, sodass diesbezüglich bis zum Juli 1998 für Ost und West unterschiedliche Gesetzeslagen galten. Die Fachdiskussion im Vorfeld Im Vorfeld der Einführung des neuen Kindschaftsrechts wurde der Wegfall der bis dahin verpflichtenden gesetzlichen Amtspflegschaft für alle Kinder unverheirateter Mütter in den westlichen Bundesländern in einschlägigen Veröffentlichungen durchaus kontrovers diskutiert. Die Befürworter sahen darin eine positive Regelung, die veränderten Lebenswirklichkeiten Rechnung trage, welche eine „Zwangspflegschaft“ nicht länger rechtfertige (vgl. Wiesner 1998, 134). Mit diesem Schritt erkenne „der Gesetzgeber die Mütter als selbständig denkende Frauen an, die verantwortlich mit den Rechten ihrer Kinder umgehen“ (Wolf 1998, 40). Erfahrungsberichte aus den neuen Bundeslän- Barbara Mutke Jg. 1966; Diplom- Pädagogin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz e.V. Britta Tammen Jg. 1965; Vertretungsprofessur für Verwaltungsrecht und Sozialrecht an der Hochschule Neubrandenburg - University of Applied Sciences recht uj 3 (2008) 131 dern stützen diese Einschätzungen: Zum Teil wurde aus Jugendämtern in den neuen Bundesländern berichtet, dass eher zurückhaltend mit der Einrichtung von Beistandschaften umgegangen werde, da sich Vaterschaftsfeststellung und die Einlösung der Unterhaltspflicht vielfach bereits im Beratungsgespräch nach § 52 a SGB VIII regeln lasse. Dies bedeute, dass auf keinen Fall „nach jeder Geburt eines Kindes, dessen Eltern nicht miteinander verheiratet sind, eine Beistandschaft einzurichten ist. Aus unserer Erfahrung können wir feststellen, dass die Mehrzahl der Vaterschaftsanerkenntnisse mit Verpflichtung zum Unterhalt nach dem Beratungsgespräch erfolgt und auch in Zukunft erfolgen wird“ (Reichel/ Trittel 1998, 114). AutorInnen aus den alten Bundesländern wiesen verschiedentlich auf die Gefahr hin, dass durch den Wegfall der bis dato gesetzlich eintretenden Amtspflegschaft und die damit nunmehr verknüpfte alleinige Verantwortung der Mutter für die Durchführung der Vaterschaftsfeststellung bzw. die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen möglicherweise erhebliche Nachteile für die betroffenen Kinder entstehen könnten: dass Kinder ihr Recht auf Kenntnis ihrer Abstammung, aber auch finanzielle Ansprüche nicht geltend machen könnten, wenn ihre Mutter dies nicht wolle. Denn als Beistand sei man abhängig von den Wünschen und Vorstellungen des Inhabers der elterlichen Sorge, abhängig von Aushandlungsprozessen mit ihm. „Diese Aushandlungsprozesse können zu jedem Zeitpunkt von dem Inhaber der elterlichen Sorge abgebrochen werden, egal ob die Interessen des Kindes verletzt werden, das Interesse der Mutter gibt den Ausschlag.“ Beachtet werde dabei nicht, „dass die Mutter nicht immer als objektive Betrachterin Entscheidungen trifft, sondern auch persönliche Interessen im Vordergrund stehen können“ (Morawetz 1999, 205). Es wurde auch darauf aufmerksam gemacht, dass es das neue Gesetz insbesondere Vätern erleichtere, Einfluss oder gar Druck auf die Mütter auszuüben, um auf die Durchsetzung ihrer Rechte und die des Kindes zu verzichten. Befürchtet wurde, dass insbesondere hilfsbedürftige Mütter in schwierigen Lebenslagen vermehrt dem Druck des Vaters ausgesetzt seien und sie insofern die neue Gesetzgebung nicht stärke bzw. ihre Unabhängigkeit fördere, sondern - ganz im Gegenteil - ihre Stellung gegenüber dem Vater eher schwäche (vgl. Will 1998, 403). Als mögliche Folge wurde prognostiziert, dass gerade die Kinder, für die eine Beistandschaft zum Schutz ihrer Rechte besonders notwendig wäre, vielfach nicht ausreichend vertreten und insofern nach der neuen Rechtslage benachteiligt wären. Die quantitative Entwicklung der Beistandschaften Im Hinblick auf die mehrfach geäußerte Befürchtung, dass bedingt durch das Freiwilligkeitsgebot der Beistandschaft nur noch wenige Mütter (bzw. Väter) dieses Angebot nach der Kindschaftsrechtsreform in Anspruch nehmen würden, lässt sich mit den Daten des Statistischen Bundesamtes (2007) ein erster Überblick über die quantitative Entwicklung der Beistandschaften in den Jahren 1991 bis 2006 gewinnen. Bei der Graphik auf der folgenden Seite handelt es sich um absolute Zahlen. Zunächst fällt der Anstieg der gesetzlichen Amtspflegschaft in den alten Bundesländern in den Jahren 1991 bis 1997 ins Auge: Eine Zunahme gesetzlicher Pflegschaften um rund 150.000, die allerdings nicht sonderlich verwundert, da bekannt ist, dass die Zahl der Kinder nicht-verheirateter Eltern seit Jahrzehnten kontinuierlich steigt. Im Jahr 1997 standen in den westlichen Bundesländern 650.612 Kinder recht 132 uj 3 (2008) und Jugendliche unter gesetzlicher Amtspflegschaft. Bezogen auf die Gesamtheit der Minderjährigen in Westdeutschland im Jahr 1997 bedeutet dies, dass ca. 5% aller Kinder und Jugendlichen unter gesetzlicher Amtspflegschaft standen. Im Jahr 1998 - das Jahr der Abschaffung der gesetzlichen Amtspflegschaft - erhöhte sich die Zahl der Beistandschaften im Westen von 51.055 auf 622.240. Diese beachtliche Zahl erklärt sich dadurch, dass man - obwohl die Beistandschaft ein freiwilliges Angebot für Eltern ist - zunächst sämtliche gesetzliche Amtspflegschaften per Gesetz (Art. 223 Einführungsgesetz BGB) in Beistandschaften überführte. Bis zum Jahr 2001 sank die Zahl der Beistandschaften in den westlichen Ländern kontinuierlich auf 532.604, stieg erstmalig im Jahr 2002 wieder an (536.219) und lag im Jahr 2006 schließlich bei 554.755 Beistandschaften. Bezogen auf die Gesamtzahl der Minderjährigen bedeutete das, dass im Jahr 2006 in den westlichen Bundesländern 4,6 % aller Minderjährigen von einem Beistand vertreten wurden. Ein noch deutlicherer Trend zeichnet sich in den neuen Bundesländern ab: Hier hat sich die Anzahl der Beistandschaften in den Jahren von 1991 (33.152) bis 2000 (92.283) verdreifacht. Im Jahr 2001 sank der Wert allerdings fast um 30.000 ab, was hauptsächlich damit zusammenhängen dürfte, dass das Statistische Bundesamt ab diesem Jahr die Werte für Ost-Berlin nicht mehr in den Gesamtwert für die östlichen Bundesländer mit einbezieht, sondern Gesamt-Berlin gesondert aufführt. Insofern beruht die Abnahme in diesem Jahr vor allem auf den vergleichsweise hohen Werten, welche das Land Berlin 2 (siehe Abb. 2) verzeichnet. In 2 Im Jahr 2001 waren für die östlichen Bundesländer (ohne Berlin) 63.099 Beistandschaften verzeichnet, für Gesamt-Berlin 68.217. Abb. 1: Quantitative Entwicklung der Beistandschaften 1991 bis 2006 (ohne Daten für Berlin), Eigene Darstellung auf der Datenbasis des Statistischen Bundesamtes (1991 bis 2006) Fachserie 13, Reihe 6.1.3, Wiesbaden 1992 bis 2007 recht uj 3 (2008) 133 den Jahren von 2001 (63.099) bis 2006 (70.382) stieg die Zahl der Beistandschaften weiter an, sodass im Jahr 2006 mit 3,7 % rund ein Prozent weniger junge Menschen in den östlichen Bundesländern (ohne Berlin) unter Beistandschaft standen als in den westlichen Bundesländern. Insgesamt betrachtet zeigt die quantitative Entwicklung, dass für das gesamte Bundesgebiet im Zeitraum von 1998 bis 2006 ein leichter Rückgang von Beistandschaften zu verzeichnen ist. Die Befürchtung, derzufolge nunmehr in hohem Maße auf die Beistandschaft verzichtet und Rechte von Kindern vermehrt verletzt würden, hat sich - zumindest aus der Perspektive der Kinder- und Jugendhilfestatistik - nicht bestätigt. Was den quantitativen Umfang betrifft, so ergeben sich allerdings länderspezifisch erhebliche Unterschiede, die in Abbildung 2 sichtbar werden. Sie zeigt die Anzahl der Beistandschaften pro 10.000 Minderjährige in den 16 Bundesländern. Auffallend ist zunächst, wie breit der quantitative Umfang der Beistandschaften in den einzelnen Bundesländern streut. Ganz besonders stechen hier die Angaben des Landes Berlin ins Auge, das zweieinhalb mal so viele Beistandschaften verzeichnet wie der Bundesdurchschnitt und fünfmal mehr Beistandschaften als das Land Thüringen. Mit 1.153 Beistandschaften bezogen auf 10.000 Kinder und Jugendliche steht hier beinahe jeder 8. Minderjährige unter Beistandschaft. Bemerkenswert ist auch, dass vier der fünf neuen Bundesländer (eine Ausnahme bildet hier nur Brandenburg) besonders geringe Beistandschaftszahlen verzeichnen. Das Aufgabenfeld der Beistände Fachkräfte des Jugendamtes, die Beratungsleistungen im Bereich des neuen Beistandschaftsgesetzes übernehmen, sind in der Abb. 2: Anzahl der Beistandschaften 2006 im bundesweiten Vergleich Eigene Darstellung auf der Datenbasis des Statistischen Bundesamtes Fachserie 13, Reihe 6.1.3, Wiesbaden 2007 recht 134 uj 3 (2008) Regel in der Abteilung Amtspflegschaft/ Amtsvormundschaft/ Beistandschaft tätig und werden nachfolgend (sprachlich vereinfachend) als „Beistände“ bezeichnet, auch wenn sie in der Praxis oft zugleich als AmtspflegerInnen und Amtsvormünder tätig sind. Bei einem Überblick über die zentralen Tätigkeitsfelder der Beistände zeigen sich folgende Schwerpunkte: Alle in der Untersuchung erfassten Fachkräfte sind mit der Führung von Beistandschaften betraut, nahezu alle (94 %) sind für die Beratung unverheirateter Mütter nach § 52 a SGB VIII zuständig, über 80 % für Beurkunden und rund drei Viertel der Fachkräfte gleichermaßen auch für Vormundschaften und Pflegschaften. Bezüglich der Frage der gleichzeitigen Zuständigkeit für Vormundschaften/ Pflegschaften und Beistandschaften lässt sich ein erheblicher Unterschied zwischen den alten und den neuen Bundesländern erkennen. Während 85 % der Fachkräfte aus den alten Bundesländern für diesen Bereich zuständig sind, sind dies nur 52 % der MitarbeiterInnen aus den neuen Ländern. Da die heutige Abteilung Beistandschaft in den alten Ländern aus der früheren Amtspflegschaft hervorgegangen ist, die Teil des Arbeitsbereichs der Pflegschaft war, ist dort auch heute noch ein enger Zusammenhang zum Bereich der Pflegschaft und Vormundschaft gegeben. In den neuen Ländern konnte sich die Beistandschaft dagegen ohne derart gewachsene Strukturen entwickeln. Da sich inhaltlich ein Zusammenhang dieses Rechtsinstituts mit der Pflegschaft und der Vormundschaft nicht zwingend aufdrängt, haben sich Zusammenhänge im Sinne von Aufgabenwahrnehmungen durch dieselben Personen auch nur teilweise - in rund der Hälfte der Fälle - entwickelt. Um einen Eindruck darüber zu gewinnen, in welchem Umfang die Fachkräfte mit der Übernahme von Beistandschaften betraut sind, wurde in der Untersuchung abgefragt, wie viele Beistandschaften die Fachkräfte am Jahresende 2003 führten. Da einige der befragten Beistände teilzeitbeschäftigt waren und zudem in der Regel nur einen Teil ihrer Arbeitszeit für die Bearbeitung von Beistandschaften zur Verfügung hatten, wurden die angegebenen Fallzahlen auf Vollzeitstellen hochgerechnet, die ausschließlich das Führen von Beistandschaften umfassen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich hier zwischen den einzelnen Fachkräften erhebliche Disparitäten bzgl. der Fallbelastung zeigen: Bundesweit am stärksten vertreten ist mit 28,3% die Gruppe der Fachkräfte, die zwischen 201 bis 300 Beistandschaften führten. Fast ebenso groß ist mit 26,3% die Gruppe mit 101 bis 200 Fällen. Dabei bestehen erhebliche Unterschiede zwischen alten und neuen Bundesländern: Während in den alten Bundesländern nur rund 4 % der Befragten weniger als 100 Beistandschaften führen, fielen in den neuen Bundesländern 43,5 % in diese Rubrik. Mehr als 300 Beistandschaften führten in den alten Bundesländern 37,3 % der Befragten, hingegen in den neuen Bundesländern lediglich 13 %. Dieser quantitative Unterschied ist durchaus beachtlich, kann aber nicht als eindeutiger Hinweis darauf gedeutet werden, dass die Fachkräfte in den neuen Bundesländern entsprechend mehr Arbeitszeit für das Bearbeiten von Beistandschaften zur Verfügung haben. Vielmehr bestätigen diese Fallzahlen offenbar, was aus der Fachdiskussion bereits ansatzweise bekannt ist: Die Fachkräfte in den neuen Bundesländern scheinen mit der offiziellen Bestellung von Beiständen zurückhaltender umzugehen als ihre KollegInnen in den alten Bundesländern und versuchen vornehmlich im Beratungsgespräch mit der Mutter Lösungsstrategien zu entwickeln. recht uj 3 (2008) 135 Die qualitative Entwicklung der Beistandschaft Der bereits bemerkte leichte Rückgang der Beistandschaftszahlen ist sicherlich auch damit zu erklären, dass, wie Roos (2000, 540) anmerkt, insbesondere die Fälle weggefallen seien, in denen kein Handlungsbedarf an Vaterschaftsfeststellung oder der Geltendmachung von Unterhaltszahlungen (mehr) bestand: sogenannte „stille“ Akten, die in der Praxis kaum noch Arbeit bereiteten. Dennoch ergäbe sich für den realen ArbeitsumfangkeinenennenswerteAbeitserleichterung. Denn mit der Erweiterung der Anspruchsberechtigten ist zugleich der Umfang der Anträge zur Einrichtung einer Beistandschaft für ehelich geborene Kinder angestiegen. Insofern erfolgte eine Verschiebung des Personenkreises, der das Angebot der Beistandschaft in Anspruch nimmt: „Wir hatten seinerzeit, vor der Reform, eine Quote von ehelichen Kindern von vielleicht 5 %, jetzt haben wir ungefähr die Hälfte. Das hat sich sehr gewandelt.“ (Standort A-Beistand1 90/ 92) In diesem Zusammenhang betonen die Beistände, dass sich die zu klärende private, aber auch rechtliche und finanzielle Lage nach Scheidungen nicht selten besonders kompliziert darstelle. Dies vor allem dann, wenn es sich um Scheidungsfälle aus zurückliegenden Jahren handele, deren unterhaltsrechtliche Situation Klärungsbedarf aufweise. Die sog. „neuen“ Fälle, die Beistandschaften, die infolge einer Scheidung eingerichtet werden, bringen nicht selten einen erheblichen Mehrbedarf an Beratung und Schriftwechsel mit sich: In der Regel erhöhen sich die Anforderungen an die Beratungsleistung sowohl in Bezug auf Umgangsregelungen, welche im Rahmen hoch eskalierter Konflikte besonders anspruchsvoll zu moderieren sind, als auch in Bezug auf die Bearbeitung komplizierter unterhaltsrechtlicher Fragestellungen. Berufliche Qualifikation der Beistände Die vorliegende Untersuchung zeigt, dass die meisten Fachkräfte der Abteilung Beistandschaft über eine Ausbildung zum/ zur VerwaltungsfachwirtIn oder zum/ zur Verwaltungsangestelltenverfügen.Ausbildungen als SozialpädagogInnen, DiplompädagogInnen oder RechtspflegerInnen sind demgegenüber selten. Auffällig sind die Unterschiede zwischen Fachkräften der alten und der neuen Bundesländer. Mit 12,5 % sind SozialarbeiterInnen bzw. SozialpädagogInnen unter den Beiständen in den neuen Bundesländern mehr als doppelt so häufig vertreten wie in den alten Bundesländern (5,3 %), Beistände mit Doppelqualifikationen in Pädagogik und Verwaltung finden sich in den neuen Bundesländern sogar zu 12,5 %, wohingegen Beistände mit Doppelqualifikation in den alten Bundesländern quantitativ keine Rolle spielen. Die häufigste Ausbildung in den neuen Bundesländern ist aber, wie auch in den alten Bundesländern, die zum/ zur Verwaltungsangestellten (58,3 %). In den alten Bundesländern verfügen sogar über drei Viertel der Beistände (77,3 %) über eine Ausbildung zum/ zur VerwaltungsfachwirtIn. Auch der deutlich höhere Anteil von Fachkräften mit pädagogischer Ausbildung in den neuen Bundesländern ist auf die unterschiedliche historische Entwicklung zurückzuführen: Die heutige Form der Beistandschaft hat in den alten Bundesländern die bis 1998 bestehende Amtspflegschaft abgelöst. In diesem Bereich waren ganz überwiegend Verwaltungskräfte beschäftigt, die mit dem Inkrafttreten des Beistandschaftsgesetzes 1998 von AmtspflegerInnen zu Beiständen wurden. In den neuen Bundesländern ist ein derartiger Hintergrund nicht gegeben, da die Amtspflegschaft im Hinblick auf ihre berecht 136 uj 3 (2008) reits geplante Abschaffung im Rahmen der Kindschaftsrechtsreform bei dem Beitritt der neuen Länder zur Bundesrepublik dort nicht mehr eingeführt wurde. Insofern fehlte es im Gegensatz zu den alten Ländern an einem bereits tradierten Berufsbild und -stand, wodurch der Tätigkeitsbereich offener für (sozial)pädagogische Berufsgruppen war. Der „neue“ Beratungsauftrag War es vor der Gesetzesänderung zunächst nur notwendig, nicht verheiratete Mütter bei der Geburt über den Eintritt der gesetzlichen Pflegschaft zu informieren, sind die Fachkräfte nun verpflichtet, gem. § 52 a SGB VIII über die Möglichkeit einer Beistandschaft zu informieren, gewissermaßen dafür zu „werben“. Es liegt auf der Hand, dass die neue Rechtslage ein verändertes Selbstverständnis der MitarbeiterInnen und folglich auch eine veränderte Aufgabenwahrnehmung erfordert. Beistände sind aber nur sehr selten ausschließlich mit der Führung von Beistandschaften betraut, sondern führen - wie bereits dargestellt - darüber hinaus in der Regel zahlreiche bestellte Vormundschaften und Pflegschaften bzw. sind zugleich mit unterschiedlichsten weiteren Aufgaben befasst (vgl. Hansbauer/ Mutke/ Oelerich 2004, 122ff). Das bedeutet, dass die meisten Beistände weiterhin ihre hoheitlichen Aufgaben in anderen Bereichen wie gewohnt wahrnehmen, allerdings in einem Arbeitsbereich den (in diesem Bereich neuen) Dienstleistungsgedanken verinnerlichen müssen. Dieser veränderte Beratungsauftrag im Rahmen der Beistandschaft erfordert folglich auch neue Kompetenzen seitens der Fachkräfte. Ein Großteil der Beistänrecht de verfügt über eine Ausbildung im Verwaltungsbereich (vgl. Hansbauer/ Mutke/ Oelerich 2004, 107ff) und hat nur selten eine originär pädagogische Ausbildung, ebenso selten pädagogische Zusatzausbildungen, die den Grundstock für qualifizierte Beratungsprozesse legen könnten. Beratung im Sinne einer Dienstleistung war demnach bisher keineswegs das „Hauptgeschäft“ der Beistände, sie müssen sie aber seit dem Inkrafttreten des KindRG in zunehmendem Maße wahrnehmen. Die Beratung müsse hierbei an den Bedarfs- und Interessenlagen der Minderjährigen und ihrer Eltern ausgerichtet sein, wobei das Selbstverständnis der Beistände sowohl die Interessenvertretung des Kindes als auch das Anstreben von Akzeptanz der gefundenen Lösungen bei allen Beteiligten umfassen solle (Wiedau/ Pfütz/ Haak-Dohmen 2005, 503). Der Beratungsauftrag der Beistände gewinnt mit einem solchen Selbstverständnis eine besondere Aufwertung, sodass jüngst von VertreterInnen der Landesjugendämter der Leitsatz „So viel Beratung wie möglich, so viel Beistandschaft wie nötig“ geprägt wurde (ebd.). Dass sich die fachlichen Anforderungen auch aus der Sicht der Beistände teils erheblich verändert haben, zeigen die Ergebnisse der Befragung der Beistände: Die Mehrzahl der Fachkräfte ist der Ansicht, dass die qualitativen Anforderungen an die Beratungstätigkeit seit Inkrafttreten des Beistandschaftsgesetzes sehr viel anspruchsvoller geworden sind. Ein erheblicher Unterschied zeigt sich in der Einschätzung von immerhin mehr als einem Drittel (37,1 %) der Fachkräfte aus den neuen Bundesländern, die der Meinung sind, dass die Anforderungen gleich geblieben sind, was darin begründet sein dürfte, dass dort bereits vor 1998 vorhandene Dienstleistungsangebote weitestgehend fortbestehen. uj 3 (2008) 137 Eine ähnliche Aussage ergibt sich bei der Beantwortung der Frage, ob sich der zeitliche Umfang, der für Beratungen aufzubringen ist, seit Inkrafttreten des Beistandschaftsgesetzes verändert hat. Hier sind 74,7 % der Fachkräfte aus den alten Bundesländern der Ansicht, dass der zeitliche Umfang stark angestiegen ist, während dies nur 55 % der MitarbeiterInnen aus den neuen Ländern meinen. Vor dem Hintergrund, dass die Mehrheit der Beistände die Anforderungen an die Beratungstätigkeit nach der Reform deutlich höher einschätzt, scheint sich die These zu bestätigen, dass sozialpädagogische Kompetenzen an Praxisrelevanz gewonnen haben. Auf die Frage, ob sich die fachlichen Anforderungen in der Zusammenarbeit mit den KlientInnen nach der Reform verändert haben, antwortete eine Fachkraft aus dem Bereich Beistandschaft: „Fachlich insofern, als wir von unserer eigentlichen Ausbildung her gar nicht befähigt sind. Es hat uns ja niemand beigebracht, wie man berät, wie man zuhört, wie man auf jemanden zugeht, damit er sich öffnet.“ (Standort B-Beistand2 271/ 280) So unterschiedlich sich die fachlichen Voraussetzungen der einzelnen MitarbeiterInnen und die jugendamtsinternen Traditionen in den einzelnen Jugendämtern darstellen, so unterschiedlich gestaltet sich auch das individuelle Aufgabenverständnis der Beistände: Manche Beistände legen Müttern beinahe regelhaft nahe, formell eine Beistandschaft einzurichten. Sie favorisieren gewissermaßen eine präventive Beistandschaft, um bereits im Vorfeld etwaigen Konflikten der Eltern entgegenzuwirken. Andere Beistände versuchen die Einrichtung einer formellen Beistandschaft eher zu vermeiden und versuchen bevorzugt, Fragen der Vaterschaftsfestellung bzw. der Regelung des Unterhalts im Rahmen von Beratungsgesprächen zu klären. Teils werden - vermutlich auch bedingt durch personelle Engpässe - regelrechte Hürden gegenüber dem Wunsch der betroffenen Eltern aufgebaut, eine Beistandschaft zu beantragen. Wird die Zielgruppe tatsächlich erreicht? Die im Vorfeld der Kindschaftsrechtsreform diskutierte Befürchtung - das Jugendamt könne seine Schutzfunktion ab der Geburt eines Kindes nicht mehr ausreichend wahrnehmen und fortan erst dann tätig werden, wenn „das Kind schon in den Brunnen gefallen ist“ - hat sich nach den vorliegenden Ergebnissen eher nicht bestätigt. Im Rahmen der Untersuchung wurden die Fachkräfte gebeten einzuschätzen, wie hoch der Anteil der Mütter sei, den sie aufgrund des Freiwilligkeitsgebotes der Beistandschaft nicht erreichen. Die Mehrheit der befragten Fachkräfte schätzt den Anteil der Mütter, die nicht erreicht wurden, niedrig bzw. sehr niedrig ein. Hoch bzw. sehr hoch wird dieser Anteil aber immerhin von 17,9 bzw. 10 % der Befragten eingeschätzt. Dabei bewerten die Fachkräfte aus den neuen Ländern den Anteil der nicht erreichten Elternteile deutlich geringer als ihre KollegInnen aus den alten Ländern. Für diese gravierenden Unterschiede dürften wiederum die unterschiedlichen historischen sozialen Wirklichkeiten verantwortlich sein: Aus der Perspektive der Fachkräfte der alten Bundesländer, die es gewohnt waren, dass alle unverheirateten Mütter kraft Gesetzes eine Amtspflegschaft erhielten, fallen anspruchsberechtigte Personen, die sich nicht für eine Beistandschaft entscheiden, stärker ins Blickfeld. In den neuen Bundesländern wird demgegenüber wahrscheinlich aus einer anderen Perspekrecht 138 uj 3 (2008) tive auf die Akzeptanz der Beistandschaft geschaut. Der Blick fällt dort möglicherweise eher im positiven Sinne darauf, dass es sich um ein Dienstleistungsangebot handelt, das von einem sehr großen Teil des Adressatenkreises angenommen wird, und weniger darauf, dass es einzelne wenige Personen unter den AdressatInnen gibt, die sich gegen die Unterstützung entscheiden. Die zu Beginn beschriebene quantitative Entwicklung der Fallzahlen verwies bereits darauf, dass der befürchtete Einbruch bei der Inanspruchnahme von Beistandschaften nicht erfolgt ist. Eine vergleichbare Entwicklung zeigt die Statistik des Bundesamtes im Übrigen auch für die Vaterschaftsfeststellungen, welche als Folge der befürchteten Verweigerungshaltung von Müttern entsprechend sinken müssten. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass bei der Zählung der Vaterschaftsfeststellungen in den Jahren 1998 bis 2004 nur die bei den Jugendämtern erfassten Fälle gezählt wurden. Seit 1998 ist es auch möglich, die Vaterschaftsfeststellung bei den Standesämtern vornehmen zu lassen, und seit dem Berichtsjahr 2005 werden diese überhaupt nicht mehr in der Statistik des Bundesamtes gezählt. Im Jahr 1999 wurden 110.348 Vaterschaftsfeststellungen bei Jugendämtern gezählt; fünf Jahre später im Jahr 2004 lagen diese leicht darunter, bei 108.697. Bemerkenswert ist dagegen der ebenfalls vom Bundesamt berichtete Wert der nicht festgestellten Vaterschaften: Dieser sinkt kontinuierlich von 5.284 im Jahr 1999 auf 2.879 im letzten Erhebungsjahr 2004. Abb. 3: Einschätzung des Anteils der Mütter, die nicht erreicht werden konnten recht uj 3 (2008) 139 Zusammenfassung und Ausblick Die vorliegende Untersuchung zeigt auf, dass das Ziel des Gesetzgebers, die Autonomie mündiger BürgerInnen mit dem Beistandschaftsgesetz zu stärken, weitgehend eingelöst wurde: Unverheiratete Mütter nutzen das Angebot der Beratung durch das Jugendamt sowie die Möglichkeit einer Beistandschaft nach wie vor. Zusätzlich scheint durch das Kinderrechteverbesserungsgesetz aus dem Jahr 2002 mit der Einführung des Anspruchs auf Beistandschaft für Eltern mit gemeinsamer Sorge ein lange Zeit unberücksichtigt gebliebener Bedarf gedeckt worden zu sein. Das Beratungsangebot wird nun auch von vielen Eltern nach einer Trennung oder Scheidung wahrgenommen, und nicht selten kommen auch Elternteile, deren Scheidung schon einige Jahre zurückliegt, um Fragen des Unterhaltes zu klären. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Mütter - im Gegensatz zu den im Vorfeld bestehenden Befürchtungen - die Rechte ihrer Kinder in aller Regel in hoher Verantwortung wahren und der befürchtete Rückgang an Vaterschaftsanerkennungen nicht eingetreten ist. Das Prinzip der Freiwilligkeit der neuen Beistandschaft ließ (zumindest für die Beistände im alten Bundesgebiet) tradierte Aufgabenverständnisse aufbrechen. Die Beistände füllen ihre neuen Aufgaben mit unterschiedlichsten Akzentsetzungen aus. Die professionelle Rolle wandelt sich von dem/ der ehemaligen AmtspflegerIn, der/ die den Müttern qua Gesetz zugeordnet wurde, zum/ zur persönlichen BeraterIn, der/ die nun im persönlichen Gespräch die Bedarfe der KlientInnen erkennen bzw. in Erfahrung bringen und entsprechend unterschiedlich bedienen soll. Durch die nunmehr starke Ausrichtung auf Informations-, Beratungs- und unterhaltsrechtliche Unterstützungsleistungen im Arbeitsbereich der Beistandschaft, aber auch durch die Freiwilligkeit des Angebotes wandelt sich die Rolle der Beistände zunehmend in die eines Dienstleisters. Festzuhalten bleibt aber auch, dass durchaus bedeutsame Unterschiede sowohl in Bezug auf das eigene Rollenverständnis als auch in Hinblick auf Beratungskompetenzen und -zielsetzungen zwischen den Beiständen feststellbar sind. Diese sind nicht nur auf regionale Unterschiede zurückzuführen, sondern auch innerhalb ein und desselben Jugendamtes feststellbar. Das lässt Rückschlüsse darauf zu, dass persönliche Überzeugungen einen enormen Einfluss auf die Ausgestaltung dieses Tätigkeitsfeldes haben. Die Qualität der Beratung, die Transparenz innerhalb des Arbeitsfeldes der Beistandschaft, wie auch die Schaffung von Zugängen zu anderen Angeboten der Jugendhilfe werden bisher nicht für alle KlientInnen und allerorts gleichermaßen gewährleistet. Vor diesem Hintergrund wären Fort- und Weiterbildungsangebote für die mehrheitlich verwaltungsrechtlich ausgebildeten Fachkräfte besonders im Bereich der kommunikativen Kompetenzen förderlich, um den gesetzlichen Auftrag adäquat erfüllen zu können. Die Fachkräfte sollten zudem auch innerhalb ihres Arbeitsbereiches darin unterstützt werden, im fachlichen Austausch im KollegInnenkreis ihre Fähigkeiten zu vervollkommnen und Arbeitstandpunkte zu ihrem Aufgabenverständnis produktiv auszutauschen. Für viele Eltern(teile) stellt das Angebot der Beistandschaft den ersten Kontakt zum Jugendamt generell und damit zu Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe her. Durch das kostenlose, aber auch thematisch relativ unbelastete Beratungsangebot hat sich die Beistandschaft des Jugendamtes mancherorts bereits zu einem niedrigschwelligen Dienstleistungsangebot der Jugendhilfe entwickelt. Oftmals sehen sich die Beistände aber mit Problemen der Adresrecht 140 uj 3 (2008) satInnen konfrontiert, die nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich liegen. Da Trennungs-, Umgangs-, Erziehungs- und Unterhaltsschwierigkeiten oft gemeinsam auftreten und damit KlientInnen nicht für jedes Problem eine andere Abteilung des Jugendamtes konsultieren müssen, scheint die Erweiterung der originären Beratungsinhalte der Beistandschaft unter modernen Dienstleistungsaspekten zunächst naheliegend. Dies wird aber - je nach Organisationsform und fachlichem Profil der Beistände - nicht allerorts fachlich geboten sein. Insofern ist es unabdingbar, die fachliche Zusammenarbeit zwischen Beiständen und den MitarbeiterInnen des Allgemeinen Sozialen Dienstes zu verbessern und konkrete Absprachen über ihre jeweiligen Rollen zu treffen, damit Beratungsbedarfen von Eltern unbürokratisch und kompetent zeitnah nachgekommen werden kann. Dezidiertes Ziel ist dabei, dienstleistungsfreundliche Übergänge zu anderen Angeboten der Jugendhilfe zu schaffen, damit weitergehende Hilfeleistungen in einem oftmals noch frühen Konfliktstadium angeboten werden können und die Chancen präventiven Handelns nicht ungenutzt bleiben. Literatur Hansbauer, P./ Mutke, B./ Oelerich, G., 2004: Vormundschaft in Deutschland. Trends und Perspektiven. Opladen Lakies, T., 1998: Die Beistandschaft für Kinder von Alleinsorgeberechtigten (§§ 1712 bis 1717 BGB. In: Jugendhilfe, Jg. 35., H. 5, S. 276 - 282 Morawetz, C., 1999: Neues Kindschaftsrecht: Konsequenzen für die Beistandschaft/ Amtsvormundschaft. In: ZfJ, 85. 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