unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2008
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Lesehinweise zu „1968“
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Dieter Kreft
Die Zeitungen und Zeitschriften sind zurzeit voll mit "Stellungnahmen" zu 1968 oder mit "Erlebnisberichten" aus dieser Zeit - und sie könnten vielfach nicht gegensätzlicher sein: etwa Ralf Fücks (Jg. 1951, früher Senator für DIE GRÜNEN in Bremen, heute Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung): "Wir waren die Guten! Demokratisierung der Gesellschaft und offener Diskurs: 1968 war eine politische und kulturelle Zeitwende" und Jörg Schönbohm (Jg. 1937, ehemaliger General der Bundeswehr und heute für die CDU Innenminister des Landes Brandenburg): "1968 - Selbstbetrug einer Generation. Geistig-moralische Ödnis, Multi-Kulti-Träumereien, Mittelmaß: Das Erbe jener Jahre ist der Erosionsprozess unserer Gesellschaft" (beide in: Tagesspiegel Berlin vom 2. bzw. 9. März 2008). Man ist sehr unsicher, zumindest irritiert, ob beide (die hier nur stellvertretend für viele andere genannt sind) wohl in derselben Zeit gelebt haben.
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276 uj 6 (2008) Unsere Jugend, 60. Jg., S. 276 -277 (2008) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel bücherschau Lesehinweise zu „1968“ Die Zeitungen und Zeitschriften sind zurzeit voll mit „Stellungnahmen“ zu 1968 oder mit „Erlebnisberichten“ aus dieser Zeit - und sie könnten vielfach nicht gegensätzlicher sein: etwa Ralf Fücks (Jg. 1951, früher Senator für DIE GRÜNEN in Bremen, heute Vorstand der Heinrich- Böll-Stiftung): „Wir waren die Guten! Demokratisierung der Gesellschaft und offener Diskurs: 1968 war eine politische und kulturelle Zeitwende“ und Jörg Schönbohm (Jg. 1937, ehemaliger General der Bundeswehr und heute für die CDU Innenminister des Landes Brandenburg): „1968 - Selbstbetrug einer Generation. Geistig-moralische Ödnis, Multi-Kulti-Träumereien, Mittelmaß: Das Erbe jener Jahre ist der Erosionsprozess unserer Gesellschaft“ (beide in: Tagesspiegel Berlin vom 2. bzw. 9. März 2008). Man ist sehr unsicher, zumindest irritiert, ob beide (die hier nur stellvertretend für viele andere genannt sind) wohl in derselben Zeit gelebt haben. Um sich ein eigenes Urteil zu bilden, greife man erst einmal zu „Dokumenten“ dieser Zeit: n Michael Ruetz, 1980: Ihr müsst den Typen nur ins Gesicht sehen - APO Berlin 1966 - 1969 (Fotos von Michael Ruetz sowie Texte von Tilmann Fichter und Siegward Lönnendonker). Frankfurt am Main: Zweitausendeins (ein „eindrucksvoller“ Einstieg) n Karl A. Otto, 1989: APO - Die außerparlamentarische Opposition in Quellen und Dokumenten (1960 - 1970). Köln: Pahl-Rugenstein (gut gegliedert, mit vielen Dokumenten, nicht immer leicht lesbar) n Dieter Kunzelmann, 1998: Leisten Sie keinen Widerstand. Bilder aus meinem Leben. Berlin: Transit (exemplarisch für Werdegänge von 1968ern: vom bayerischen Jugendmeister im Tischtennis und Bankkaufmann zum „Revoluzzer“ und Anarchisten) n Uwe Soukup, 2007: Wie starb Benno Ohnesorg? Der 2. Juni 1967. Berlin: Verlag 1900 (eine sehr genaue Rekonstruktion des Geschehens um den 2. Juni 1967 herum; bestens geeignet, um zu verstehen, was alles „1968“ war), und schließlich ganz aktuell n Peter Schneider, 2008: Rebellion und Wahn. Mein 68 - Eine autobiographische Erzählung. Köln: Kiepenheuer & Witsch (reizvoll und interessant, weil sich der 67-jährige Peter Schneider mit dem 27-jährigen „unterhält“ und dafür auf seine Tagebuchaufzeichnungen der damaligen Zeit zurückgreifen kann). Wenn man sich durch diese Titel blätternd durchgelesen hat, sollte man sich der vorzüglichen Stern-Serie 2007/ 2008 „Die 68er“ zuwenden (Stern 50/ 2007 - 2/ 2008), dann weiß man, dass „1968“ eine Chiffre ist für vieles: sowohl ein Aufstand gegen die Alten und den Mief der 1950er Jahre als auch ein kultureller Modernisierungsschub. Und man kann ahnen und vielleicht verstehen, dass „1968“ nicht mit „Entweder-Oder- Kategorien“, sondern nur mit „Sowohl-alsauch-Überlegungen“ zu erfassen ist. Gemieden werden können m. E. die folgenden Titel: n Kai Diekmann, 2007: Der große Selbstbetrug. München: Piper (der Chefredakteur der Bild-Zeitung will „einfach nur Recht haben“ und rechnet ab, statt uj 6 (2008) 277 bücherschau diskussionsfördernd zu kritisieren, so etwa auch Michael Naumann als „Laudator“ des Buches) und n Götz Aly, 2008: Unser Kampf 1968. Frankfurt am Main: S. Fischer (Franziska Augstein in der Süddeutschen Zeitung vom 19. Februar 2008: „Ein Machwerk … albern, degoutant und unverständlich“. Ein geschmackloser, eitler Versuch, die 1968er in die Nähe der „1933er“ zu rücken). Zur eigenen Meinungsbildung (im Sinne von im Nachhinein Ereignisse einer Zeit zu erfassen und für sich ordnend zu bewerten) tragen diese beiden Titel nichts bei; sie wollen schlicht nur doktrinieren. Prof. Dieter Kreft, Mitherausgeber von Unsere Jugend, hat zuletzt in der UJ 5/ 2008 einen Beitrag zu „1968 und die Soziale Arbeit“ veröffentlicht 2008. 158 Seiten. 6 Abb. 5 Tab. (978-3-497-01945-8) kt Wenn Kinder schwer misshandelt werden oder wegen grober Vernachlässigung sogar sterben, sind wir schockiert und fragen: Wie hätte dieses Kind gerettet werden können? Was muss in der sozialen Praxis der Jugendämter beachtet werden, damit das Wohl eines Kindes geschützt wird? Die unterschiedlichen Aspekte dieses Handelns untersuchen ausgewiesene Experten in diesem Lehrbuch und klären über den rechtlichen Rahmen auf, zeichnen ein fachliches Profil und skizzieren die notwendige Organisationsstruktur bei Kriseninterventionen. Ein handlungsorientiertes Lehrbuch zu den Regeln der Kunst bei Kriseninterventionen - damit vernachlässigte Kinder in Zukunft frühzeitig Hilfe bekommen. a www.reinhardt-verlag.de
