unsere jugend
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Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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Bildungsförderung in der Jugendhilfe zwischen Erziehung und Betreuung - Angebotsentwicklung in der Großstadt, dargestellt am Beispiel Hamburg
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Vera Birtsch
Die Kinder- und Jugendhilfe bietet im Rahmen ihrer Handlungsfelder wie auch an Schnittstellen zu Schule oder Gesundheitshilfe eine differenzierte Landschaft an Bildungsmöglichkeiten für alle Altersgruppen, für Eltern und Familien. Sie orientiert sich dabei an unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnissen.
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412 uj 10 (2008) Unsere Jugend, 60. Jg., S. 412 - 424 (2008) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel bildung Bildungsförderung in der Jugendhilfe zwischen Erziehung und Betreuung - Angebotsentwicklung in der Großstadt, dargestellt am Beispiel Hamburg Vera Birtsch Die Kinder- und Jugendhilfe bietet im Rahmen ihrer Handlungsfelder wie auch an Schnittstellen zu Schule oder Gesundheitshilfe eine differenzierte Landschaft an Bildungsmöglichkeiten für alle Altersgruppen, für Eltern und Familien. Sie orientiert sich dabei an unterschiedlichen Lebenslagen und Bedürfnissen. Ausgangslage Bildung entscheidet über Lebensperspektiven und Teilhabechancen eines jeden Menschen, und sie entscheidet über die Zukunftsfähigkeit einer Gesellschaft. Die in Deutschland mehr als in anderen Ländern vorfindbare Koppelung von Bildung und sozialer Herkunft schwächt die Chancen der Kinder aus den sogenannten bildungsfernen Schichten und bedroht zugleich die Zukunftschancen des Landes. Entsprechend ist die Diskussion, wie diese Verbindung durchbrochen und die Talente und Begabungen aller Kinder besser gefördert werden können, seit Jahren entbrannt, und auch die Jugendhilfe hat sich im Verlauf der Debatte neu auf konkrete Bildungsziele hin ausgerichtet. Jugendhilfe leistet heute in ihren Handlungsfeldern einen wichtigen und umfassenden Beitrag zur Bildungsentwicklung von Kindern und Jugendlichen. Sie orientiert sich dabei an den gesellschaftlichen Notwendigkeiten, Kinder und Jugendliche möglichst optimal auf eine Zukunft unserer globalisierten Gesellschaft vorzubereiten, in der umfassende Bildung und qualitätsvolle Ausbildung mehr denn je die Voraussetzung für Erwerbstätigkeit und gleichzeitig für Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sein werden. Der Schwerpunkt Bildung ist für die Jugendhilfe nicht neu, ist doch zumindest mit Verabschiedung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes im Jahr 1990 diese Zielsetzung eindeutig in den Ziel- und Aufgabenkatalog aufgenommen worden. Seitdem gilt es, drei gleichgewichtige Zielrichtungen zu berücksichtigen und je nach Angebot in spezifischer Schwerpunktsetzung auszutarieren. Dr. Vera Birtsch Jg. 1948; Studium der Psychologie, Soziologie und Politikwissenschaft, Dr. phil., Leiterin der „Leitstelle für Integration und Zivilgesellschaft“ in der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz der Freien und Hansestadt Hamburg uj 10 (2008) 413 bildung Erst in den letzten Jahren ist deutlich geworden, dass Bildung erstens in den Aufgabenkatalog jedes Handlungsfeldes gehört, dass zweitens auch die Erziehung eines Kindes im Fokus stehen muss und die Eltern mit einzubeziehen sind und dass drittens Betreuungsaufgaben in der Regel mit Bildungs- und Erziehungsaufgaben gekoppelt sind. Damit wird jugendhilfeintern umgesetzt, was u. a. im OECD-Bericht (2004, 23ff) als besondere Stärke des deutschen Konzepts kindlicher Bildung herausgestellt und auch vom 12. Kinder- und Jugendbericht (2006, 103ff) betont wurde: die Trias von Bildung, Betreuung und Erziehung. Im Zusammenhang mit der allgemeinen Bildungsdebatte lohnt es sich, die Chancen der Bildungsförderung im breiten Feld der Jugendhilfe einmal genauer zu untersuchen. Was der Begriff der „Kommunalen Bildungslandschaften“ meint, soll mit Blick auf die konkrete Jugendhilfestruktur einer westdeutschen Großstadt erörtert werden (vgl. Deutscher Verein 2007). 1 Prüft man die Handlungsfelder der Kinder- und Jugendhilfe daraufhin, was sie zur Bildungsentwicklung der Kinder beitragen, stellt man im großstädtischen Raum fest, dass sie häufig über eine differenzierte Landschaft von Angeboten für alle Altersgruppen und für Eltern verfügen. Die Träger richten ihre Angebote auf unterschiedliche Lebenslagen aus, und die Fachkräfte arbeiten an verschiedenen Schnittstellen zu den Schulen, den Gesundheits- und Sozialhilfen und vieles andere mehr. Der Bildungsauftrag der Jugendhilfe ist am detailliertesten im Bereich der Kindertagesbetreuung ausgearbeitet. Hierfür existieren in allen Bundesländern Leitlinien bzw. Bildungsempfehlungen. Zwischen den Fachkräften der Kindertagesbetreuung und den Lehrkräften hat sich im städtischen Bereich an vielen Standorten eine lebhafte Zusammenarbeit entwickelt, aber es gibt auch Skepsis und Zurückhaltung. Ein wesentlicher Punkt von Unsicherheit und Diskussion ist, was in den Handlungsfeldern unter Bildung verstanden werden soll, welche Ziele verfolgt werden und wie die jeweiligen Rollen in der Zusammenarbeit verteilt sind. Kurz gesagt, geht es darum, welcher Bildungsbegriff der fachlich-praktischen Arbeit zugrunde gelegt wird. Hierzu hatte das Bundesjugendkuratorium bereits 2002 in einer ersten These festgehalten: „Bildung ist der umfassende Prozeß der Entwicklung und Entfaltung derjenigen Fähigkeiten, die Menschen in die Lage versetzen, zu lernen, Leistungspotenziale zu entwickeln, zu handeln, Probleme zu lösen und Beziehungen zu gestalten“ (Bundesjugendkuratorium 2002, 1). Diese Definition zeigt - ebenso wie der 12. Kinder- und Jugendbericht (vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2006) -, dass für die Jugendhilfe ein breit angelegter Bildungsbegriff zugrunde zu legen ist. Dieser meint vor allem das Erlernen von sozialen Fähigkeiten, Kulturtechniken, Schlüsselkompetenzen und Kompetenzen alltäglicher Lebensgestaltung, muss aber auch die Vermittlung von Wissen und Werten umfassen. Bildung in der Jugendhilfe heißt häufig auch Persönlichkeitsbildung und überschneidet sich mit der Erziehungsaufgabe. Der Bildungsbegriff, den die Expertenkommission des 12. Kinder- und Jugendberichts präferiert, ist darüber hinaus aber 1 Die Grundlage für diesen Artikel wurde in einer Arbeitsgruppe der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit, Verbraucherschutz, Hamburg, zum Thema „Bildungsförderung in der Jugendhilfe“gelegt. Dabei haben mitgearbeitet V. Birtsch, S. Ellerbrock, C. Georgi, H. Himmler, L. Krätzschmar, G. Müller, S. Neuwirth, U. Meyer-Rumke, R. Schilde, G. Spieker und A. Borchers vom IES Hannover. 414 uj 10 (2008) bildung auch dynamisch angelegt: Die Bildungsentwicklung eines Kindes beginnt nach diesem Verständnis nicht erst im Schulbzw. Vorschulalter, sondern bereits deutlich früher. Die Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten korrespondiert im frühen Kindesalter sehr eng mit der Differenzierung der Sinneswahrnehmung, der motorischen Entwicklung sowie der Entwicklung des Neugierverhaltens. Pädagogische Förderkonzepte in der Kindertagesbetreuung sollten sich in dieser Altersphase des Kindes also sehr eng an Modelle der Entwicklungspsychologie anlehnen. Dabei ist z. B das Konzept der „Selbstsozialisation“ von Bedeutung, hat der Säugling nach den Ergebnissen der Bildungsforschung doch bereits starke aktive Anteile an der Gestaltung der Eltern-Kind- Interaktion (vgl. Gloger-Tippelt 2002, 477ff). Auch im frühen Kindesalter entwickeln sich die Bildungsprozesse als „selbstaktive“ Bestrebungen des Kindes. Hier wie später sollte der äußere Rahmen für die Bildungsentwicklung des Kindes möglichst anregungsreich gestaltet und gleichzeitig die inneren Faktoren (Neugierverhalten, Vertrauen in die Welt etc.) so gestärkt werden, dass sie förderlich und nicht bremsend wirken. Die Bildungsentwicklung negativ beeinflussen können äußere Bedingungen dadurch, dass sie z. B. Ängstlichkeit oder Unwohlsein verstärken und damit Kinder indirekt in ihrer Eigeninitiative, sich die Welt zu erobern, behindern. Bildung ist nach dieser Interpretation also immer auch als ein „sozialer Prozess“ zu sehen, in dem pädagogische Fachkräfte mit Kindern, Jugendlichen und den Eltern in Interaktion stehen und an dem auch andere Erwachsene sowie Gleichaltrige aktiv beteiligt sind (vgl. Fthenakis 2003, 29ff). Familien sind damit nicht nur „Orte des Aufwachsens“, sondern immer auch eigene Lernwelten. Sie sind Orte informeller Bildung - vor, neben und außerhalb der Schule - und wirken in dieser Funktion mit anderen wesentlichen Lernwelten, Peer Groups, dem Quartier, in dem Familien leben und ihre Kinder aufwachsen, und nicht zuletzt auch mit Einrichtungen der Jugend- und Familienhilfe zusammen. Die Bildungsentwicklung von Kindern optimal zu fördern, bedeutet für die Fachkräfte deshalb auch, neben den z. T. differenzierten Förderaktivitäten, die den Kita- Alltag bestimmen, die Eltern in ihrer Förderrolle zu unterstützen. Dabei sollen Eltern und Kindern positiv emotional-soziale Erfahrungen ermöglicht werden, die - wie oben angedeutet - die Grundlage für eine gute Bildungsentwicklung sind. Nachdem es - dem dynamischen Bildungsbegriff folgend - im Kleinkindalter also vorrangig um kognitiv-sensomotorische Verhaltensbereiche sowie emotionale Grunderfahrungen geht, erhalten in den folgenden Altersabschnitten explizit geplantes Handeln und die Vermittlung sprachlich-semantischen Wissens eine größere Bedeutung, bevor im Schulalter Kulturtechniken und Medienfertigkeiten einbezogen werden (vgl. Gloger-Tippelt 2002, 481ff). Mit der Entwicklung des Kindes verändern sich also auch die Methoden der pädagogischen Förderung einschließlich der Gestaltung der Lernumgebungen. Die sind in der Krippe andere als in der Elementargruppe des Kindergartens und dort wieder andere als in der Grundschule. Würden sich Fachkräfte der Jugendhilfe mit Lehrkräften im Schulbereich auf einen solchen Bildungsbegriff einigen, wäre das oftmals nicht erreichte Kooperationsverhältnis „auf Augenhöhe“ vermutlich leichter herstellbar. Die verschiedenen Vorgehensweisen erscheinen dann nämlich nicht konkurrierend, sondern sich ergänzend. uj 10 (2008) 415 bildung Im Folgenden soll nun die Rolle der Jugendhilfe in der Unterstützung der Bildungsentwicklung von Kindern und Jugendlichen, orientiert am Ablauf der kindlichen Entwicklung, näher betrachtet werden. Dabei wird es auch darum gehen, die Aktivitäten der Fachkräfte im Zusammenhang mit Erziehungs- und Betreuungsaufgaben zu diskutieren. Die Familie ist erster Bildungsort Die Grundlagen für die kognitive, emotionale, soziale und sprachliche Entwicklung von Kindern werden in der Familie gelegt. Sie ist damit der erste Bildungsort. Die Kommunikation in der Familie, die dort bereitgestellten Anregungen, Erfahrungs- und Lernangebote bilden den Rahmen für die kindliche Aneignung der Welt. Auch sind es zunächst die Eltern, die ihre Kinder an andere Erfahrungsräume und Bildungsangebote heranführen. Die soziale Lage der Familie, vorhandene Migrationserfahrungen oder besondere Belastungen, das Bildungsniveau und anderes mehr haben Einfluss auf kindliche Bildungsprozesse. Auch die familiären Strukturen (z. B. Alleinerziehende, Umfang der Erwerbstätigkeit der Eltern, Vorhandensein von Geschwisterkindern etc.) beeinflussen die Lernmöglichkeiten von Kindern. Das Aufwachsen in der Familie bietet Kindern und Jugendlichen mithin Spielräume, die sowohl Chancen als auch Risiken mit sich bringen können. Erschwerte Bedingungen haben vor allem Kinder, die aus bildungsfernen Familien stammen und/ oder einen Migrationshintergrund haben. Aber auch Eltern ohne besondere Problemlagen ihrer Lebenssituation sind heute bei der Erziehung zunehmend auf Unterstützung angewiesen. Besonders im städtischen Raum zeigen sich im Zusammenhang mit zunehmender Mobilität der Menschen und dem Verlust eines stützenden familiären Umfelds große Unsicherheiten bei Müttern und Vätern in der Bewältigung der Erziehung ihrer Kinder. Es kann hin und wieder beobachtet werden, dass artikulierte Ansprüche auf optimale Förderung der Fähigkeiten und Talente der Kinder aufseiten der Eltern mit einem Erziehungsverhalten gepaart sind, das die für kognitive Entwicklung notwendigen Strukturierungshilfen vermissen lässt. So sehen sich Eltern heute häufig als „Verhandlungspartner“ ihrer Kinder, was die Kinder aber in ihren entwicklungsbedingten Entscheidungsmöglichkeiten überfordern kann. Die aus positiver Überzeugung eingeräumten Spielräume sind für Kinder dann aber weniger hilfreich als irritierend und können zu Verhaltensproblemen führen. Im städtischen Raum zeigen sich diese Probleme in größerer Dichte, da hier die Anteile von alleinerziehenden und geschiedenen bzw. getrennt lebenden Eltern größer sind als in ländlichen Räumen. Diesen Hilfestellungen anzubieten, ist eine zentrale Aufgabe der Einrichtungen der Eltern- und Familienbildung mit dem Ziel, Eltern bei der Erziehung und Förderung ihrer Kinder zur Seite zu stehen und die Familien in ihren unterschiedlichen Lebenslagen zu begleiten. Die Angebote der Familienbildung sind darauf ausgerichtet, die Eltern-Kind-Bindung zu stärken sowie Eltern Anregungen zur Förderung ihrer Kinder und zur Gestaltung des Familienalltags zu geben. Überwiegend wird Familienbildung in speziellen Einrichtungen geleistet und ist gleichzeitig Bestandteil einer Reihe weiterer Beratungsangebote zur allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie. Beispielhaft lässt sich das an der Großstadt Hamburg verdeutlichen. Sie zeigt eine breit 416 uj 10 (2008) bildung gefächerte Angebotspalette: In Elternschulen und Familienbildungsstätten, Erziehungsberatungsstellen, Kinder- und Familiehilfezentren, Mütterzentren sowie einer Vielzahl von Projekten der sozialräumlichen Angebotsentwicklung erhalten Familien Anregung, Unterstützung und Beratung. Viele dieser Einrichtungen bieten eine große Zahl von Veranstaltungen, Kursen und offenen Treffs sowie Einzelberatungen an. Die Angebote der Familienbildung und -förderung in Hamburg sind besonders darauf ausgerichtet, Familien in schwierigen Lebenssituationen zu unterstützen, und deshalb in der Mehrzahl in Stadtteilen mit hoher sozialer Belastung angesiedelt. Dort wird Eltern Hilfestellung in Fragen der Erziehung und des Umgang mit ihren Kindern angeboten, es finden Elterntrainingsprogramme statt, z. B. „Starke Eltern - starke Kinder“. Bei der Weiterentwicklung der Angebote in Deutschland in jüngerer Zeit handelte es sich vor allem um die Optimierung der bestehenden sozialen Infrastruktur für Familien. Die an vielen Orten in Deutschland entstandenen „Familien-“ oder „Eltern-Kind-Zentren“ wurden vom Deutschen Jugendinstitut in ihren Gestaltungsformen untersucht (vgl. Diller 2006). Dabei ging es überwiegend um die Weiterentwicklung von Kindertageseinrichtungen durch Integration zusätzlicher familienorientierter Angebote. Angestoßen wurde diese Entwicklung durch die in Großbritannien entstandenen Early Excellence Centers, die Eltern bezüglich der Bildungsprozesse der Kinder fördern und gleichzeitig verschiedene Dienstleistungsangebote für Familien integrieren. Im Ergebnis zeigte die Untersuchung eine große Formenvielfalt mit breiter Angebotspalette. Sie reicht von fallbezogenen Kooperationen zwischen Allgemeinem Sozialen Dienst (ASD), Familienhilfe, Beratungsstellen und Familienbildung über Kooperationsbeziehungen zwischen Einrichtungen verschiedener Träger bis zur Integration der unterschiedlichen Angebote „unter einem Dach“. In Hamburg wurden 2007 „Eltern- Kind-Zentren für junge Familien“ eingeführt, die Kindertagesbetreuung und Elternbildung und -beratung in Stadtteilen mit einer hohen sozialen Belastung stärker miteinander verzahnen. Sie bieten Eltern Hilfestellung in Fragen der Erziehung und des Umgangs mit ihren Kindern, offene Eltern-Kind-Clubs und stellen neue Lern- und Erfahrungsräume für kleine Kinder bereit. Besondere Bedeutung haben auch Entlastungsangebote für Familien im Alltag, wie das Projekt „Wellcome - Praktische Hilfe nach der Geburt“. Hier unterstützen freiwillige Mitarbeiterinnen Familien, die auf kein familiäres oder nachbarschaftliches Netzwerk zurückgreifen können. Neue niedrigschwellige Angebote, wie z. B. Familienhebammen und Projekte zur „Prävention von Vernachlässigung und frühe Hilfen für Risikofamilien“, sollen Familien in besonders belasteten Situationen Rückhalt geben und damit auch dazu beitragen, dass es nicht zu Situationen kommt, von denen eine Kindeswohlgefährdung ausgehen könnte (vgl. Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz 2007, 26ff). Das Beispiel Hamburgs zeigt, dass die Infrastruktur für Familien differenziert ausgebaut ist. Die Angebote könnten aber eine weitaus größere Wirkung erzielen, wenn sie besser miteinander vernetzt wären. Diese Verknüpfung der Einrichtungen ist bisher nur in einzelnen Regionen gut etabliert. Zentrale Bedeutung für solche Netzwerke haben Kindertagesstätten. In Hamburg sind sie nahezu tägliche Anlaufstelle für 77 % der Eltern mit 3-jährigen Kindern und damit vertraute Orte für Familien im Stadtteil. Wenn es gelänge, Anuj 10 (2008) 417 bildung gebote der Familienbildung und -förderung in größerem Ausmaß als bisher in den Kitas anzubinden, würden sie auch von mehr Eltern in Anspruch genommen werden. Dies wären dann vermutlich auch Eltern, die den Weg zur Familienbildung bisher nicht gefunden haben, die von den Förderangeboten aber deutlich profitieren könnten. Vor allem in sozial belasteten Stadtteilen wäre eine solche Entwicklung wichtig. Dabei wird in Hamburg - wie bundesweit - das Problem zu lösen sein, dass die Einrichtungen der Familienbildung zwar über eine hohe fachliche Kompetenz im Umgang mit Eltern verfügen, die Struktur dieser Einrichtungen (hinsichtlich Dichte und Ausstattung) aber im Vergleich mit den Einrichtungen der Kindertagesbetreuung so schwach ist, dass die förderliche Netzwerkarbeit auch für die Bedarfsregionen nicht ausreichend etabliert werden kann. Kindertagesstätten sind Bildungseinrichtungen Kindertagesstätten bieten in Deutschland vielfältige Lernanreize. Für sie gelten bundesweit inzwischen Rahmenrichtlinien und Empfehlungen zur Bildungsförderung. Anreize werden häufig über Projektarbeit, durch eine die Neugier und den Forschergeist anregende Gestaltung der Außen- und Innenräume, durch die Art der Gestaltung des Alltags und durch die Kindergemeinschaft selbst gesetzt. Kitas sind der Ort, an dem Kinder - begleitet durch Fachkräfte - Herausforderungen und Erfolge erleben können. Kitas setzen damit in vielfältiger Form ihren Bildungs- und Erziehungsauftrag um, der ihnen im Kinder- und Jugendhilfegesetz als Aufgabe übertragen wurde (vgl. § 22 SGB VIII). In Hamburg konnte, beginnend mit dem Jahr 2004, der Rechtsanspruch für Kinder aller Altersgruppen vor der Einschulung erheblich ausgeweitet werden. Heute hat jedes Kind ab dem dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt einen Anspruch auf Förderung in einer Kindertageseinrichtung für täglich 5 Stunden inklusive eines Mittagessens. Darüber hinaus haben alle Kinder von Geburt an bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres einen Rechtsanspruch auf eine bedarfsgerechte Betreuungsleistung bis zu 12 Stunden, wenn ein alleinerziehender Elternteil oder beide Eltern berufstätig sind, studieren oder eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme durchlaufen, an einer Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit teilnehmen oder einen Deutsch-Sprachkurs für MigrantInnen bzw. einen Integrationskurs besuchen. Alternativ kann der Rechtsanspruch durch Tagespflege in Anspruch genommen werden. Ferner besteht ein Rechtsanspruch auf bedarfsgerechte Betreuungsleistung für Kinder mit dringlichem sozialpädagogischem Bedarf, auch unabhängig von der aktuellen elterlichen Berufssituation. Mit diesen Festlegungen unterstützt Hamburg die Vereinbarkeit von Beruf und Familie und leistet einen Beitrag zum Kinderschutz. Kindertagesstätten finanzieren sich in Hamburg über die Einlösung von „Kita- Gutscheinen“. Eltern erhalten einen Gutschein mit einem bedarfsgerechten Betreuungsumfang und lösen ihn in der Kita ihrer Wahl ein. Die Träger von Kindertageseinrichtungen haben sich seitdem zunehmend gut auf die Bedürfnisse von Eltern und Kindern eingestellt und ihre Angebote an der Nachfrage ausgerichtet. Die erweiterten Rechtsansprüche führten zu einer gestiegenen Nachfrage, in deren Folge eine Ausweitung der Platzkapazitäten durch Erweiterung oder Neugründung von Einrichtungen erfolgte. Die Versor- 418 uj 10 (2008) bildung gungsgrade lagen im Jahr 2007 für die unter 3-jährigen Kinder bei 22 %, für die 3bis 6 ½-Jährigen bei 90 % und für die Hortkinder bei 22 %. Die für die westlichen Bundesländer relativ hohe Versorgungsquote gilt prinzipiell für alle drei Stadtstaaten und auch für viele Großstädte. In den westlichen Flächenländern liegt sie dagegen nur bei 8 % und in den östlichen Flächenländern bei 37 %. Hamburg regelt die Grundsätze des Bildungsauftrags für alle Kindertageseinrichtungen in einem landeseigenen Gesetz. Für alle im Gutscheinsystem geförderten Einrichtungen gelten die Bestimmungen der „Hamburger Bildungsempfehlungen für die Bildung und Erziehung von Kindern in Tageseinrichtungen“, die in Abstimmung mit den Verbänden und der „Vereinigung Hamburger Kindertagesstätten gGmbH“ entwickelt wurden. In diesem Rahmen gestalten die Träger und Einrichtungen ihr Angebot nach eigenen Schwerpunkten und Konzepten (z. B. Bewegungs- Kita, Bilinguale Konzepte). Die Hamburger Bildungsempfehlungen formulieren als Bildungsziele in den Gruppen Ich-Kompetenz, soziale Kompetenz, Sachkompetenz und Lernkompetenz (vgl. Freie und Hansestadt Hamburg 2005, 26ff). Sprachförderung durchzieht als elementare Aufgabe von Kindertageseinrichtungen alle Bildungsbereiche. Für Kinder mit besonderem Sprachförderbedarf bieten Kitas darüber hinaus intensivierte Fördermaßnahmen nach anerkannten Verfahren auf der Grundlage von diagnosegeleiteten Sprachstandserhebungen an. Die individuelle Bildungsplanung setzt nicht erst im Kindergartenalter ein, sondern greift, sobald ein Kind in einer Krippe betreut wird. Beobachtung und Dokumentation sind dabei wichtige Instrumente, um das einzelne Kind aufmerksam wahrzunehmen, seinen Entwicklungsstand, seine Interessen und seine Fragen an die Welt zu kennen und darauf abgestimmte Angebote zu entwickeln. Sie sind eine Grundlage zur Reflexion und zur konstruktiven Zusammenarbeit mit Eltern. Quelle: privat uj 10 (2008) 419 bildung In diesem Zusammenhang sind weiterhin ergänzende niedrigschwellige Angebote zu erwähnen, die es im städtischen Raum in unterschiedlichen Formen gibt. In Hamburg sind es als Angebot der offenen Kinder- und Jugendarbeit für Kinder im Vorschulalter die bezirklichen Spielhäuser. Sie erfüllen mit ihren Angeboten der frühen Sprachförderung und Musikerziehung bzw. ihrem vielfältigen Spielangebot ebenfalls Bildungs- und Integrationsaufgaben. Insbesondere wird 3bis 6-jährigen Kindern eine flexible Kinderbetreuung angeboten. Ziel ist hierbei vor allem die Einbindung von bildungsfernen Familien und Familien mit Migrationshintergrund, um sie aktiv zu unterstützen und Kinder wie Eltern in weiterführende Angebote wie Sprachförderung, Kita, Vorschule u. v. m. zu vermitteln. Die Spielhäuser arbeiten eng mit Einrichtungen der Familien- und Gesundheitsförderung zusammen. Der Übergang zwischen Kindertagesstätte und Schule Für viele Kinder gelingt der Übergang von der Kita in die Grundschule leicht. Sie sind dem Setting der Kindertragesbetreuung in der eigenen Entwicklung entwachsen, freuen sich auf die neuen Anforderungen in der Schule und können sich dort leicht eingliedern. Die Eltern unterstützen im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Wechsel in die Schule. Auf der anderen Seite gibt es jedoch eine nicht unerhebliche Zahl von Kindern und Eltern, die unsicher und ängstlich sind. Die Kinder haben eventuell Entwicklungsverzögerungen, z. B. in der Sprachentwicklung, im kognitiven oder sozialen Bereich. Für diese Kinder kann es schwierig sein, sich auf das teilweise ungewohnte methodische Konzept der schulischen Lehrkräfte einzustellen. Für sie wird der Übergang erleichtert, wenn die Fachkräfte der Kitas und der Schulen sich auf ein integriertes Bildungskonzept verständigen und den Übergang durch Absprachen und ergänzende Hilfen organisiert haben. Zu dieser Organisation des Übergangs gehört auch, die in den Kitas geknüpften „Erziehungspartnerschaften“ (vgl. Rößler/ Heitkötter 2006) mit den Eltern in die Schule zu überführen und dort weiter zu festigen. Ein auf diese Weise organisiertes Übergangsmanagement wirkt sich auch auf den weiteren Weg der Kinder in der Schule aus. Es ergeben sich insgesamt mehrere Möglichkeiten der Synergie: • Beseitigung der Hürden für Kinder und Eltern beim Übergang von der Kindertagesbetreuung mit ihren offenen Förderangeboten in die Schule mit den dort geltenden Pflichten und Leistungsanforderungen, • Kontinuität in der individuellen Förderung auch im Schulsystem, • Nutzen der Vertrautheit mit der Kita für den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses für Kinder und Eltern mit den Lehrkräften der Schule, • Übertragen der Settings der Kitas für nonformelles Lernen in die Grundschule. Ist die Kooperation von Kindertageseinrichtung und Schule eingeübt, ergäben sich also leicht weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit, die für beide Bereiche zur Verbesserung ihrer jeweiligen Arbeit führen könnten. Das gilt auch für die Gestaltung der Ganztagsschule. Die Ganztagsschule ist das Projekt, das unabhängig von der Entwicklung der Schulstrukturen die größten Chancen auf mehr Bildungsgerechtigkeit in Deutschland verspricht. Ungeklärt ist dabei aller- 420 uj 10 (2008) bildung dings die Rolle der Kinder- und Jugendhilfe. Vor Ort zeigt sich, dass sie weitaus stärker die nicht-unterrichtlichen Angebote der Ganztagsschule zur Verfügung stellen könnte, als dies bisher der Fall ist. „Die Kooperationen zwischen Schule und Jugendhilfe begrenzen sich eher auf bilaterale Kontakte mit einzelnen Akteuren und Einrichtungen, weniger auf eine flächendeckende, konzeptionell ausgerichtete Gesamtstrategie einer Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule aus dem Blickwinkel der Kinder und Jugendlichen“ (Rauschenbach 2008, 6). Auch die in Hamburg in den letzten Jahren durchgeführten Projekte haben gezeigt, dass es einer längeren Praxis und zahlreicher gemeinsamer Erfahrungen bedarf, bis sich eine „Kooperation auf Augenhöhe“ praktizieren lässt. Diese Kooperation allerdings würde in einer integrierten lokalen Bildungslandschaft ein über den bloßen Erwerb von Wissen und Kulturtechniken hinausreichendes Verständnis von Bildung begründen. Aufgabe wäre es für Schulen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, ein übergreifendes Konzept von Bildung, Erziehung und Betreuung für Kinder, Jugendliche und ihre Familien in ihrem Einzugsgebiet zu konkretisieren und zu erproben. Die Kooperation von Kindertageseinrichtungen und Grundschulen ist in Hamburg für die Träger von Kindertageseinrichtungen mit ihrem Beitritt zum Landesrahmenvertrag (vgl. Hamburger Kinderbetreuungsgesetz 2004) verpflichtend geregelt. Er enthält Verpflichtungen u. a. zur Berichterstattung gegenüber den Schulen beim Übergang des Kindes. Aufseiten der Schule gibt es derzeit jedoch noch keine entsprechende Verpflichtung zur Kooperation. Dennoch bestehen vielerorts gute Kontakte zwischen Kitas und Grundschulen. Bildungsförderung in der offenen Kinder- und Jugendarbeit Für die offene Kinder- und Jugendarbeit, die in zahlreichen bezirklichen Einrichtungen, auf Bau- und Abenteuerspielplätzen, in Mädchentreffs und in Spielhäusern angeboten wird, wurde im Unterschied zur Kindertagesbetreuung in Hamburg eine Vereinbarung über die auf freiwilliger Basis stattfindende Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Ganztagsschulen geschlossen. Sie setzt die Kooperationsleistungen der Kitas mit den Schulen fort. Diese Zusammenarbeit soll Lern- und Erfahrungsräume der SchülerInnen verbreitern und insbesondere Kindern und Jugendlichen in schwierigen Lebenslagen, aus bildungsfernen Elternhäusern und junge Menschen mit Integrationsbedarf fördern. Über den Zeitraum von über sechs Jahren wurden Erfahrungen im Modellprojekt „Proregio“ bezüglich der Zusammenarbeit von Jugendhilfe und Schule gesammelt. In dieser Zeit haben sich an diversen Standorten Qualitätskriterien für die Kooperation von Jugendhilfe und Schule herauskristallisiert, wie z. B. die Erarbeitung eines Kooperationsprofils. Regelmäßige Fachgespräche zwischen den Partnern sowie die gegenseitige Teilnahme mit beratender Stimme an den die Kooperation betreffenden Konferenzen und Gremien sind ein Qualitätsmerkmal weiterentwickelter Kooperationsstrukturen. Folgenden besonderen Angeboten bzw. Arbeitsansätzen kommt eine hohe Bedeutung zu: • Vor- und Nachmittagsangeboten mit Schwerpunkten der individuellen Förderung, • Ferienangeboten, • Beteiligungsbzw. Partizipationsprozessen - integriert in den Schulalltag, • aktiver Eltern- und Familienarbeit und • der Kooperation zwischen Lehrern und Eltern zur Konfliktbewältigung. uj 10 (2008) 421 bildung Die Erfahrungen dieses Projektes wurden in der Zwischenzeit auf noch breiter gefächerte Kooperationsprojekte übertragen. Bundesweit existieren inzwischen umfangreiche Erfahrungen über die Zusammenarbeit zwischen Jugendarbeit und Schule, ohne dass es allerdings, wie bereits berichtet, zu abgesicherten Strukturen gekommen wäre. Auch die Jugendverbandsarbeit leistet, dem anfangs formulierten breiten, dynamischen Bildungsbegriff folgend, einen wichtigen Beitrag zur Bildungsentwicklung von Kindern und Jugendlichen. Auch wenn für die Arbeit der Jugendverbände andere Rahmenbedingungen gelten als für die offene Kinder- und Jugendarbeit, bieten sich den dort engagierten JugendgruppenleiterInnen vielfach Chancen zu umfangreichen sozialen Erfahrungen und beachtlichen Fortschritten in der Persönlichkeitsentwicklung. Junge JugendgruppenleiterInnen berichten ebenso wie die begleitenden Fachkräfte von großen Erfahrungsgewinnen bei den Vorbereitungen von Gruppenaktivitäten, der Planung und Durchführung von teilweise mehrwöchigen Ferienfreizeiten. Besondere Kompetenz der Jugendhilfe im Umgang mit benachteiligten Kindern und Jugendlichen Kinder, die aus dem täglichen Schulunterricht herauszufallen drohen, benötigen die besondere Aufmerksamkeit von Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen. Wenn schulische Probleme mit individuellen, familiären oder sozialen Problemen einhergehen, können Angebote der Jugendhilfe Kindern und Jugendlichen helfen, schulisch erfolgreicher zu sein und ihre Schulpflicht zu erfüllen. Methoden und Möglichkeiten der Zielgruppenansprache, über die das Fachpersonal der Jugendhilfe verfügt,könnengezielt eingesetzt werden, um bildungsferne Familien zu erreichen, die aufgrund eigener schulischer oder biografischer Erfahrungen nicht ausreichend in der Lage sind, ihre Kinder schulisch zu unterstützen (vgl. Thimm 2000). Quelle: privat 422 uj 10 (2008) bildung Für die Jugendhilfe ist die Unterstützung der Erfüllung der Schulpflicht ein wichtiges Erziehungsziel, das u. a. die übergeordneten Ziele der Förderung der Entwicklung und der Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit konkretisiert. Ein Beispiel für Erfolg versprechende Projekte ist in Hamburg das „Schulbezogene Netzwerk“. Dessen Ziele und Gestaltungsprinzipien lassen sich wie folgt zusammenfassen: Alle Beteiligten aus den Bereichen Schule und Jugendhilfe öffnen sich in ihrer Aufgabenwahrnehmung - gezielt und in enger Abstimmung - für die Arbeit mit einzelnen Kindern und Jugendlichen, die aus der Schule herauszufallen drohen oder herausgefallen sind. Ihre Bemühungen zielen auf die Unterstützung sowohl der schulischen Integration der Kinder als auch der sozialen Integration ihrer Familien. Trotz bestehender beruflicher Orientierungsangebote ist der Weg in eine Ausbildung oder zielgerichtete Qualifizierung für junge Menschen mit unzureichendem oder fehlendem Schulabschluss oftmals ein Problem. Sie benötigen „personale“ und damit soziale Unterstützung insbesondere bei der Berufswahl und der Suche nach dem richtigen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. Hier ist im Rahmen der Jugendberufshilfe der Ansatz der Kompetenzagenturen zu nennen, die in Hamburg und andernorts über einen längeren Zeitraum den Integrationsprozess begleiten und Hindernisse überbrücken helfen. An der Schnittstelle zu Jugendberatung und Angeboten der offenen Jugendarbeit bzw. „Häusern der Jugend“ sind sie wegen ihrer gleichfalls individuumsbezogenen Arbeit ein wirkungsvoller Ansatz. Im Netzwerk der regionalen Akteure nehmen sie eine koordinierende und vermittelnde Rolle ein. Zukunftsaufgabe: Netzwerkarbeit im Sozialraum Die Betrachtung der Angebotslandschaft einer Großstadt am Beispiel Hamburg zeigt, dass die Jugendhilfe im städtischen Raum ein gut ausgebautes und differenziertes Angebotssystem präsentieren kann und durchaus Züge der gegenwärtig propagierten „Bildungslandschaft“ trägt. Konzepte zur Bildungsförderung in der Kindertagesbetreuung sind ausgehend von den in allen Ländern vorhandenen Bildungsleitlinien vielfach bereits in der Umsetzung. In den anderen Arbeitsfeldern der Jugendhilfe ist die Bildungsorientierung der Angebote erkennbar, sie könnte sich - orientiert an einem breiten und dynamischen Bildungsbegriff, wie er hier erörtert wurde - aber noch weiter ausdifferenzieren. Bildungsarbeit in der Kinder- und Jugendhilfe steht in der Regel in engem Zusammenspiel mit Erziehung und Betreuung, d. h. der sozio-emotional unterstützenden Sorge (care) für die Kinder, in enger Zusammenarbeit mit den Eltern. Die Arbeit mit den Eltern zielt im Bereich der Kindertagesbetreuung auf „Erziehungspartnerschaften“ und auf den Aspekt der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wie dieses Zusammenspiel aber besser organisiert und in der praktischen Arbeit noch effizienter bewältigt werden kann, ist noch eine offene Frage - auch im Zusammenhang mit dem Ausbildungsstand und den Personalstandards in den Einrichtungen der Kinderbetreuung. An den bisher beschriebenen Arbeitsergebnissen der Eltern-Kindbzw. Familienzentren ist jedoch abzulesen, dass positive Effekte möglich sind und dass auch Familien erreicht werden können, die bisher wenig Kontakt zu den Unterstützungsangeboten der Kinder- und Jugendhilfe, nicht einmal zur Kindertagesbetreuung, hatten. uj 10 (2008) 423 bildung Bei der Betrachtung der Jugendhilfeangebote im großstädtischen Raum zeigt sich immer wieder, wie wichtig die sozialräumliche Dimension ist. In der Großstadt ergeben sich kulturelle Vielfalt und große Unterschiede zwischen den sozialen Milieus und den Wohnquartieren. Städtische Räume mit guten Beschäftigungsmöglichkeiten und attraktiven Kultur- und Freizeitangeboten ziehen junge und z. T. auch besonders begabte Menschen besonders an. Gleichzeitig häufen sich in einigen Stadtteilen soziale Benachteiligungen, so dass sich die Gegensätze verschärfen. Als Aufgabe für die Jugendhilfe ergibt sich daraus, in den Handlungsfeldern, in denen sie mit Kindern aller Elternhäuser des sozioökonomischen Spektrums arbeitet, Fördermöglichkeiten anzubieten, die jedem Kind gerecht werden können, insbesondere aber die zu unterstützen, die Handicaps für ihre Entwicklung haben. Das gilt vor allem auch für die Angebote der Familienförderung. Gerade diese müssen angesichts der allgemeinen Erziehungsunsicherheit junger Eltern für alle offen sein. Besonders wichtig aber sind deren Unterstützungsangebote für diejenigen, die als MigrantInnen oder wegen besonderer Belastungen und schwieriger Lebenslagen selbst nicht ausreichend in der Lage sind, als Familien ihren Kindern die erforderlichen Lernvoraussetzungen zu bieten. Kindertagesbetreuung, Schule und offene Kinder- und Jugendarbeit bilden für die Schulzeit die Stützpfeiler des Kooperationsnetzes, die sich mit weiteren Einrichtungen und Diensten verknüpfen sollten. Eine wesentliche Zukunftsaufgabe in den städtischen Räumen besteht deshalb darin, den Fokus bei der Weiterentwicklung der Angebote stärker auf die Situation in den Stadtteilen und Quartieren zu richten. Parallelstrukturen sollten aufgelöst, der auf einzelne Institutionen begrenzte Blick, auch der nur auf die eigene Profession gerichtete, sollte überwunden werden. In „lokalen Bildungsgemeinschaften“ müssen öffentliche und freie Träger ihre Kooperationen untereinander ausbauen und verbindlich gestalten. Orientierungslinie kann auch dabei die moderne soziale Stadtteilentwicklung sein. Sie versteht sich heute nicht mehr nur als defizitbestimmte Strategie, die sozial „abgekoppelte Gebiete“ wieder an die Gesamtentwicklung einer Stadt anhängen will. Stattdessen werden am Sozialraum orientierte integrierte Handlungsansätze gefordert, welche die verschiedenen Handlungsfelder der „sozialen Stadt“ wie Bildung, Kultur, Integration, Gesundheit, Wohnen, Familie und Lokale Ökonomie in gebietsbezogenen Problemlösungsstrategien wirksam miteinander verknüpfen. Dabei sollen auch Selbsthilfe und Eigeninitiative der Betroffenen unterstützt werden. Insgesamt zeigt sich hier ein Entwicklungsmodell, das auch für die Weiterentwicklung der Jugendhilfe interessant ist - gerade dann, wenn es um die Verknüpfung von Bildung, Erziehung und Betreuung geht. Literatur Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz, 2007: Familien stärken - Kinder schützen. Lebenslagen von Familien und Kindern in Hamburg. Kinder- und Jugendbericht 2002 - 2007. Hamburg Bundesjugendkuratorium, 2002: Bildung ist mehr als Schule. Leipziger Thesen zur aktuellen bildungspolitischen Debatte. www.bundesjugendkuratorium.de, 27. 7. 2008, 3 Seiten Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) (Hrsg.), 2006: Zwölfter Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation junger Menschen und die Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Berlin Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., 2007: Diskussionspapier des Deutscher Vereins zum Aufbau kommunaler Bildungslandschaften. Berlin Deutsches Jugendinstitut (Hrsg.)/ Diller, A., 2006: Eltern-Kind-Zentren. Grundlagen und Rechercheergebnisse. München 424 uj 10 (2008) bildung Freie und Hansestadt Hamburg, Behörde für Soziales und Familie, 2005: Hamburger Bildungsempfehlungen für die Bildung und Erziehung von Kindern in Tageseinrichtungen. Hamburg Fthenakis, W., 2003: Zur Neukonzeptualisierung von Bildung in der frühen Kindheit. In: Fthenakis, W. (Hrsg.): Elternpädagogik nach PISA. Wie aus Kindertagesstätten Bildungseinrichtungen werden können. Freiburg Gloger-Tippelt, G., 2002: Kindheit und Bildung. In: Tippelt, R.: Handbuch Bildungsforschung. Opladen, S. 477 - 494 Hamburger Kinderbetreuungsgesetz (KibeG) 2004. www.hamburg.de/ fachinformationen OECD, 2004: Die Politik der frühkindlichen Betreuung, Bildung und Erziehung in der Bundesrepublik Deutschland. Ein Länderbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). www. bmfsfj.de, 27. 7. 2008, 4 Seiten Rauschenbach, T., 2008: Gerechtigkeit durch Bildung? In: DJI Bulletin Nr. 81, S. 4 - 7 Rößler, B./ Heitkötter, M., 2006: Begleitstudie: Die Rolle der Familienbildung in Familienzentren. In: Paritätisches Bildungswerk (Hrsg.): nah dran - Familienbildung in Familienzentren. Eine Arbeitshilfe für die Zusammenarbeit mit Familienzentren und Kindertageseinrichtungen. Wuppertal Thimm, K., 2000: Schulverweigerung. Zur Begründung eines neuen Verhältnisses von Sozialpädagogik und Schule. Münster Die Autorin Dr. Vera Birtsch Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit, Verbraucherschutz, Hamburg vera.birtsch@bsg.hamburg.de 2007. 173 Seiten. 14 Tab. UTB-S (978-3-8252-2929-0) kt € [D] 14,90 | € [A] 15,40 | SFr 27,90 Die Schulsozialarbeit hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen - nicht nur die PISA- Debatte und der Ausbau der Ganztagsschulen haben dazu geführt. Was aber macht Schulsozialarbeit aus? Welche Ansätze haben sich in der Praxis bewährt? Welche Schlüsselkompetenzen sind für das Arbeitsfeld unerlässlich? Karsten Speck klärt über zentrale Begriffe auf, skizziert den Rahmen für das Arbeitsfeld - von rechtlichen Fragen über Finanzierung, Träger, Handlungsprinzipien und Wirkungen der Schulsozialarbeit bis hin zu notwendigen Standards und Fragen der Qualitätsentwicklung. a www.reinhardt-verlag.de
