eJournals unsere jugend 60/11+12

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2008
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Informationen und kritische Anmerkungen zum Kinderförderungsgesetz (KiföG)

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2008
Gabriele Bindel-Kögel
Am 7.3.2008 hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den Gesetzesentwurf zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz-KiföG) vorgelegt (vgl. BT-Drucksache 16/9299). Er wurde am 26.9.2008 vom Bundestag verabschiedet, der Bundesrat muss noch zustimmen. Das Gesetz soll spätestens zum 1.1.2009 in Kraft treten.
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476 uj 11+12 (2008) Unsere Jugend, 60. Jg., S. 476 - 478 (2008) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel kindertagesbetreuung Informationen und kritische Anmerkungen zum Kinderförderungsgesetz (KiföG) Gabriele Bindel-Kögel Am 7. 3. 2008 hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend den Gesetzesentwurf zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz-KiföG) vorgelegt (vgl. BT-Drucksache 16/ 9299). Er wurde am 26. 9. 2008 vom Bundestag verabschiedet, der Bundesrat muss noch zustimmen. Das Gesetz soll spätestens zum 1. 1. 2009 in Kraft treten. Laut Pressemitteilung des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) vom 28. 9. 2008 enthält das Gesetz u. a. folgende wichtige Regelungen: • Für die Ausbauphase bis zum 31. Juli 2013 werden im Vergleich zum TAG erweiterte, objektiv rechtliche Verpflichtungen für die Bereitstellung von Plätzen eingeführt. Außerdem sollen nicht nur berufstätige Eltern einen gesicherten Betreuungsplatz für ihr Kind bekommen, sondern auch schon diejenigen, die eine Arbeit suchen. • Ab dem 1. August 2013, nach Abschluss der Ausbauphase, soll der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für alle Kinder vom vollendeten ersten bis zum vollendeten dritten Lebensjahr eingeführt werden. • Die Bundesregierung setzt auf ein vielfältiges Betreuungsangebot. Deshalb sollen 30 Prozent der neuen Plätze in der Kindertagespflege geschaffen werden. • Das Gesetz stellt sicher, dass alle Träger von Einrichtungen, die die fachlichen und rechtlichen Voraussetzungen für den Betrieb der Einrichtung erfüllen, bei der Finanzierung gleichbehandelt werden. So kann auch das Engagement von Unternehmen, die Betriebskindergärten einrichten, und anderen privaten Anbietern in den Ausbau einbezogen werden. • Der Bund beteiligt sich mit insgesamt vier Mrd. Euro an den Ausbaukosten von 12 Mrd. Euro. • Ab 2013 soll für diejenigen Eltern, die ihre bis drei Jahre alten Kinder nicht in Tageseinrichtungen betreuen lassen wollen oder können, eine monatliche Zahlung (zum Beispiel Betreuungsgeld) eingeführt werden. Der Gesetzesentwurf kann im Internet z. B. unter www.bmfsfj.de eingesehen werden. Dr. Gabriele Bindel-Kögel Jg. 1954; Diplom- Pädagogin, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Berlin uj 11+12 (2008) 477 kindertagesbetreuung Während der Entwurf insgesamt begrüßt wird, haben sich kritische Diskussionen an der im Gesetz geplanten Berücksichtigung privatgewerblicher Träger beim Ausbau der Kindertagesbetreuung entzündet (gegenwärtig sind privat-gewerbliche Anbieter bundesrechtlich von der Subventionierung nach § 74 SGB VIII ausgeschlossen), sowie bezüglich des geplanten Betreuungsgeldes für Eltern, die ihre Kinder bis zu drei Jahren nicht in einer Tageseinrichtung betreuen lassen. Während Bundesfamilienministerin von der Leyen argumentiert, dass der enorme Ausbau der Kindertagesbetreuung anders nicht zu schaffen sei, warnt die Mehrzahl der großen Wohlfahrts-, Fach- und Berufsverbände vor einer zunehmenden Ungleichbehandlung von Kindern und den Risiken einer „Kommerzialisierung“ der Kinder- und Jugendhilfe. In diesem Zusammenhang wird z. B. vom Paritätischen Gesamtverband, dem Bundesverband des Diakonischen Werkes und dem Deutschen Juristinnenbund darauf verwiesen, dass die geplante gesetzliche Bestimmung überflüssig sei, weil schon jetzt per Landesrecht die Möglichkeit besteht, mit privaten Trägern Entgeltverträge abzuschließen. Abgelehnt wird insbesondere, dass die Möglichkeit eröffnet wird, öffentliche Gelder zur Förderung der Gewinnerzielung einzusetzen. Des Weiteren wird auf die Gefahr der Ungleichbehandlung von Kindern verwiesen: „Die Verfolgung gemeinnütziger Ziele bedeutet insbesondere, dass die Leistungen eines Trägers allen Kindern gleichermaßen zugute kommen müssen, dass nicht die Gewinnerzielung, sondern die Betreuung und Förderung der Kinder an erster Stelle stehen, und dass keine Gewinnanteile ausgeschüttet werden dürfen“ (vgl. Diakonisches Werk 2008, 5). Weil sich die gewerblichen Kindertagesstätten auf Angebote für zahlungskräftige Eltern konzentrieren können, werden von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) „nobel ausgestattete Einrichtungen für die High Society“ befürchtet und eine Verschärfung der ohnehin bestehenden sozialen Selektionsprozesse (vgl. GEW 2008, 3). Der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV), der sich seit Jahren für eine flächendeckende kostenfreie ganztägige öffentliche Betreuung und Bildung von Kindern einsetzt, kritisiert, „dass eine öffentliche Förderung privat gewerblicher Tageseinrichtungen von diesem Ziel wegführt“ (vgl. VAMV 2008, 3). Der Caritasverband nimmt eine andere Position ein. Er verweist zwar auch darauf, dass wegen der bereits bestehenden Möglichkeiten der Förderung privater Träger auf Landesebene eine Gesetzesänderung nicht zwingend erforderlich sei, spricht sich aber nicht grundsätzlich gegen die öffentlich geförderte Kinderbetreuung durch privat-gewerbliche Anbieter aus, sondern entscheidend sei die Qualität. „Wenn der Ausbau unter klaren Qualitätsvorgaben erfolgt, kann dies zu mehr Trägervielfalt und Wahlfreiheit der Eltern führen. Deshalb fordert der Deutsche Caritasverband, dass im Hinblick auf die Qualität der Kinderbetreuung alle Anbieter im Interesse des Kindeswohls auf allgemein geltende Qualitätsstandards verpflichtet werden müssen“ (Deutscher Caritasverband 2008, 2). Auch Münder (2008, 120) lenkt den Blick auf die Qualität der Leistung: „Denn wir wissen alle, dass der Status (sei es öffentlich-rechtlich, privat-rechtlich in der Form gemeinnützig oder gewerblich) nicht garantiert, dass die Qualität der Leistung gesichert ist.“ Er verweist darauf, dass mit dem SGB VIII ein Instrumentarium geschaffen sei, die Qualität der Leistungen auch in Tageseinrichtungen zu sichern (§§ 78 a ff und § 24 Abs. 4 SGB VIII). Dabei sei die Qualitätssicherungsfrage - inklusive der Frage nach der Sanktionierung bei Nichteinhaltung der Qualität - noch viel zu wenig ernsthaft diskutiert. 478 uj 11+12 (2008) kindertagesbetreuung Darüber hinaus stellt Münder (2008, 131 - 133) kritische Fragen bezüglich der Realisierung des Gesetzesentwurfes: • Bedarfsfragen: „Das Gesetz geht davon aus, dass eine Vorsorgungsquote von 35 % bundesweit durchschnittlich für Kinder unter drei Jahren ein bedarfsgerechtes Angebot darstellt. Woher weiß man das? “ (Münder 2008, 131) • Personalfragen: Bis 2013 werden 420.000 Plätze benötigt, daraus resultiert ein erheblicher Personalbedarf, geschätzt werden zwischen 50.000 und 100.000 zusätzliche Stellen, wie soll dies erreicht werden? • Qualifizierungsfragen: Wie soll das geplante (ggf. akademische) Ausbildungsniveau einer solch hohen Anzahl von Personen überhaupt erreicht werden? Literatur Deutscher Caritasverband, 2008: Referatsentwurf eines Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz - Kifög). Stellungnahme des Deutschen Caritasverbandes. www.jugendhilfeportal.de/ wai1/ showcontent.asp? ThemaID=5594, 28. 8. 2008, 8 Seiten Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche in Deutschland e.V. (Bundesverband), 2008: Stellungnahme des Diakonischen Werkes der EKD (DW EKD) zum Referatsentwurf eines Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz - Kifög). www.jugendhilfeportal.de/ wai1/ showcontent.asp? ThemaID=5594, 28. 8. 2008, 7 Seiten Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (Hauptvorstand), 2008: Stellungnahme zum Referenten-Entwurf für ein Kinderförderungsgesetz - KiföG). www.jugendhilfeportal.de/ wai1/ showcontent.asp? ThemaID=5594, 28. 8. 2008, 5 Seiten Münder, J., 2008: Ausbau der Tagesbetreuung, Subvention für alle? In: neue praxis, 38. Jg., H. 2, S. 129 - 133 Verband alleinerziehender Mütter und Väter (Bundesverband e.V.), 2008: Stellungnahme des Verbandes alleinerziehender Mütter und Väter, Bundesverband e.V. (VAMV) zum Entwurf eines Gesetzes zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in der Kindertagespflege (Kinderförderungsgesetz - KiföG). www.jugendhilfeportal.de/ wai1/ show content.asp? ThemaID=5594, 28. 8. 2008, 4 Seiten Interessierte LeserInnen finden weiteres Informationsmaterial zu dieser Diskussion und insbesondere zum umstrittenen Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kinder bis zu drei Jahren nicht in einer Tageseinrichtung betreuen lassen, in den Stellungnahmen und Kommentaren zum Gesetzesentwurf von zehn Wohlfahrts-, Fach- und Berufsverbänden auf der Internetseite des Fachkräfteportals der Kinder- und Jugendhilfe unter www.jugendhilfeportal.de/ wai1/ showcontent.asp? ThemaID=5594 Die Autorin Dr. Gabriele Bindel-Kögel TU Berlin - Fakultät 1 Geisteswissenschaften Institut für Gesellschaftswissenschaften und historisch-politische Bildung Sekretariat FR 4 - 7 Franklinstraße 28/ 29 10587 Berlin mail@gabibindel.de