eJournals unsere jugend 61/6

unsere jugend
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0342-5258
Ernst Reinhardt Verlag, GmbH & Co. KG München
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2009
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Die Sache mit dem Helfen. „Alles könnte anders sein - und fast nichts kann ich ändern“ (N. Luhmann)

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2009
Günter Zach
Helfen kann eine bereichernde und manchmal sogar eine regelrecht beflügelnde Sache sein. Aber zuweilen kann man sich daran auch die Zähne ausbeißen, wie es so schön heißt. Das führt dann zu Trübsal und Verdruss, nicht nur aufseiten von uns HelferInnen. Um auf dem rechten Hilfeweg zu bleiben, bedienen wir HelferInnen uns hoffentlich fleißig der Supervision, aber auch die schützt nicht immer vor Irrungen und Wirrungen im Hilfegeschäft. Auch HelferInnen machen schließlich Fehler. Im besten Fall können wir daraus nur lernen.
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274 uj 6 (2009) Unsere Jugend, 61. Jg., S. 274 - 281 (2009) © Ernst Reinhardt Verlag München Basel hilfearbeit Die Sache mit dem Helfen „Alles könnte anders sein - und fast nichts kann ich ändern“ (N. Luhmann) Günter Zach Helfen kann eine bereichernde und manchmal sogar eine regelrecht beflügelnde Sache sein. Aber zuweilen kann man sich daran auch die Zähne ausbeißen, wie es so schön heißt. Das führt dann zu Trübsal und Verdruss, nicht nur aufseiten von uns HelferInnen. Um auf dem rechten Hilfeweg zu bleiben, bedienen wir HelferInnen uns hoffentlich fleißig der Supervision, aber auch die schützt nicht immer vor Irrungen und Wirrungen im Hilfegeschäft. Auch HelferInnen machen schließlich Fehler. Im besten Fall können wir daraus nur lernen. Worum es mir in den nachfolgenden Zeilen geht, ist, etwas von der Besonderheit und Komplexität der jugendamtlichen Hilfearbeit aufzuzeigen. Daran anschließend möchte ich noch ein paar Gedanken darüber äußern, welchen hausinternen Beitrag die Institution Jugendamt leisten muss, damit wir HelferInnen gute Hilfearbeit für Eltern, Kinder und Jugendliche leisten können. Besonderheiten im jugendamtlichen Hilfeauftrag Zunächst gelten auch für die Hilfearbeit des Jugendamtes alle Grundsätze der helfenden Arbeit und der helfenden Beziehung. Ohne Letztere ist nun einmal keine persönliche Hilfearbeit zu bewerkstelligen. Hilfe für Eltern, Kinder und Jugendliche ist ohne eine vertrauensvolle und tragfähige Beziehung zwischen HelferIn und KlientIn nicht möglich, darüber braucht man sicherlich nicht zu streiten. Beide müssen sich quasi auf Augenhöhe begegnen können. Schließlich sind unsere KlientInnen keine Objekte jugendamtlicher Bevormundung oder gar Herrschaft. Dies soll auch durch entsprechende gesetzliche Regelungen im SGB VIII garantiert sein (z. B. WunschundWahlrecht, Beteiligungsrecht, Datenschutz). Vertrauen - sicher die tragende Säule der helfenden Beziehung - kann aufseiten der Klientel nur dann entstehen, indem wir HelferInnen die Grundsätze der helfenden Günter Zach Jg. 1947; Sozialpädagoge, Mitarbeiter des Sozialen Dienstes im Jugendamt Kreis Bergstraße uj 6 (2009) 275 hilfearbeit Beziehung beachten und nicht etwa überschreiten. Einige dieser Grundsätze oder Hilfeprinzipien sollen deshalb an dieser Stelle benannt werden: Ein grundlegendes Hilfeprinzip besagt, dass man tatsächlich nur dort helfen kann, wo jemand um Hilfe nachfragt. Ebenso gilt, dass alle Entscheidungen im Hilfeprozess bei den Hilfesuchenden zu verbleiben haben, d. h. dass der/ die HelferIn nichts gegen den Willen seiner KlientInnen veranstaltet. Darüber hinaus müssen Hilfeaufträge gut ausgehandelt sein, damit es nicht etwa in die falsche Richtung geht. Gleichzeitig sind wir uns bewusst, dass die eigentliche Hilfearbeit von unseren AdressatInnen erbracht werden muss. Und weiter: Gute Lösungsideen sind das eine, ihre Umsetzung das andere bzw. zwischen Ziel und Zielerreichung gähnt so mancher Abgrund. Daraus ergibt sich logisch, dass Hilfesuchende jederzeit die Möglichkeit haben müssen, aus einem helfenden Prozess auszusteigen, denn sonst müsste man ja paradoxerweise von einer „Zwangshilfe“ sprechen. Das für den helfenden Prozess so notwendige und unverzichtbare Vertrauen kann schließlich nur dort entstehen, wo alle Entscheidungsmacht aufseiten der Klientel verbleibt. Anders formuliert: Hilfe kann nur in einem herrschaftsfreien Raum gedeihen. Verstehen, Einfühlen und Mitgehen der HelferInnen mit ihren KlientInnen sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung für das Gelingen eines Hilfeprozesses. Und hat man es mit einem Familiensystem zu tun - und dies ist in der Jugendamtsarbeit überwiegend der Fall -, muss natürlich das Neutralitäts- und Allparteilichkeitsprinzip Geltung haben, sofern man hier etwas erkennen, verstehen und bewegen will. Nicht zuletzt gilt für die Hilfearbeit, dass die HelferInnen in ihren Hilfeabsichten jederzeit transparent sein müssen. Dies bedeutet, dass der/ die HelferIn nicht etwa eigene oder gar Aufträge Dritter gegenüber den Hilfesuchenden verfolgen darf. Dies wäre mit dem Hilfeethos, das auf Transparenz, Berechenbarkeit und Humanität gründet, nicht vereinbar. Unterhalb dieser grundlegenden Hilfeprinzipien ist keine vernünftige, d. h. fachgerechte Hilfearbeit zu leisten, auch nicht vom Jugendamt - selbst wenn das manche Menschen oder Institutionen nicht wahrhaben wollen. Dies mag damit zusammenhängen, dass die Institution Jugendamt eine staatliche Behörde ist, von der man eigentlich andere Arbeitsprinzipien mit entsprechenden Vorgehensweisen erwartet, die sich in der Regel eben nicht durch Beziehungsarbeit sowie einen individuellen Aushandlungsmodus auszeichnen. Andererseits fungiert das Jugendamt durchaus als eine von ihrer Klientel unabhängige Aufsichtsbehörde in Sachen Erziehung, und zwar immer dann, wenn es um den Kinderschutz bei Kindeswohlgefährdung geht. Dieser dem Jugendamt übertragene Kinderschutzauftrag gem. § 8 a SGB VIII hebelt - wenn es darauf ankommt - alle von mir eben genannten hehren Hilfeprinzipien wieder aus oder schränkt diese zumindest in erheblicher Weise wieder ein. Aber dazu später noch etwas mehr. Aber auch Optik und Ausstattung der Jugendämter lassen in der Regel leider keinen Unterschied zu einer sonstigen Verwaltungsbehörde erkennen - ganz im Gegensatz etwa zu Erziehungsberatungsstellen. Hinzu kommt, dass in der Öffentlichkeit das Jugendamt leider fast nur über den sogenannten „Wächteramtsauftrag“ (was für ein abschreckendes Wort! ) bekannt ist und ungleich weniger über alle sonst geleistete vielfältige Erziehungshilfearbeit an und für Eltern, Kinder und Jugendliche. Der Kinderschutzauftrag dominiert das Bild vom Jugendamt als einer repressiven, d. h. Kinder wegnehmenden und damit 276 uj 6 (2009) hilfearbeit Angst auslösenden Institution, ähnlich wie Polizei und Justiz, mit der man am besten nichts zu tun haben sollte. Andererseits drohen überforderte Eltern ihren Kindern mit dem Jugendamt, sind dann aber auch durchaus erleichtert, wenn das Jugendamt sie durch „Fremdunterbringung“ ihrer Kinder von ihrer Erziehungsverpflichtung nach Art. 6 GG entbindet. Für die betreffenden Kinder und Jugendlichen sieht das aber oftmals völlig anders aus. Die Monopolstellung des Jugendamtes bringt dabei ebenfalls kein entlastendes Moment im Hinblick auf das ohnehin schwierige und eher negativ besetzte Doppelgesicht dieser Institution. Dieses rührt natürlich daher, dass sich elterliche Erziehungsverantwortung nötigenfalls vor dem Jugendamt zu rechtfertigen hat. Aber auch jenseits des Kinderschutzauftrags ist jegliche Hilfeleistung durch das Jugendamt an fortlaufende Kontrolle gebunden. Leistungsgewährung ist an Leistungsberechtigung - so das Amtsdeutsch - gebunden, die über die regelmäßige Hilfeplanung ihre Legitimation begründen muss. Die Gewährung von Hilfeleistung unterliegt dabei einem sogenannten Aushandlungsprozess zwischen „AntragstellerIn“ und „Fachkraft“, denn es gibt weder gesetzliche noch fachlich festgeschriebene Normen oder Kriterien, die die Hilfevergabe nach dem SGB VIII verbindlich regeln. Dies gibt auf der einen Seite viel (subjektiven) Entscheidungsspielraum aufseiten der Behörde - der von den Jugendämtern aber sehr unterschiedlich genutzt wird -, auf der anderen Seite aber wenig Berechenbarkeit und Transparenz nach außen. Auch diese Situation erleichtert nicht unbedingt den Zugang zum Jugendamt, was gerade einem frühzeitigen präventiven Hilfeansatz sicherlich kaum dienlich sein kann. Eine fehlende Öffentlichkeitsarbeit der Jugendämter vermag an diesem Negativbild leider nichts zu ändern, ganz abgesehen von entsprechend nachteiliger Berichterstattung in den öffentlichen Medien, die das Bild des Jugendamtes in letzter Zeit noch zusätzlich in den Keller gefahren hat. Inanspruchnahme von Jugendhilfe bedeutet Öffnung der Privatsphäre gegenüber der Behörde Jugendamt. Diese Öffnung fällt niemandem leicht, stellt sie doch die Zulassung der Überprüfung elterlicher Erziehungskompetenz dar. Diese Überprüfung kommt im Grunde einer Mängelüberprüfung gleich, denn Jugendhilfeleistungen erhalten nur diejenigen Eltern, bei denen gewisse erzieherische Defizite oder Mängellagen festgestellt wurden. Eine solche amtliche Überprüfung ist für die Eltern immer auch mit Gefühlen des Versagens und der Scham verbunden. Für die praktische Hilfearbeit bedeutet dies leider, dass sich viele Eltern erst dann an das Jugendamt wenden, wenn zu Hause kaum oder schon gar nichts mehr geht. Ein derart notgedrungenes oder nicht mehr zu umgehendes Aufsuchen des Jugendamtes kommt einem sogenannten Zwangskontext gleich. Insbesondere Jugendliche, die von ihren Eltern mehr oder weniger zum Jugendamt geschleppt werden, verbinden das Jugendamt dann zunächst einmal nur mit einer Angst auslösenden Aufsichtsinstanz denn mit einer möglichen Hilfestelle. Überflüssig zu sagen, dass Zwangskontexte für niemanden einfach sind, auch nicht für uns HelferInnen. Umso mehr käme es aus helfender Sicht und Erfahrung darauf an, insbesondere gegenüber Dritten deutlich zu machen, dass etwa aufgezwungene „Maßnahmen“ nicht geeignet sind, echte Prozesse von Verhaltensänderung - und um nichts weniger und zugleich Anspruchsvolleres geht es dabei letztlich - bei unseren AdressatInnen herbeizuführen. Aufgezwungene Maßnahmen bewirken lediglich Wideruj 6 (2009) 277 hilfearbeit stand und Ablehnung. Hilfe und damit Veränderungsprozesse können schlechterdings nicht angeordnet werden. Aber das macht schließlich auch den Profi im zugegebenermaßen oftmals desillusionierenden Hilfegeschäft aus: das Wissen um die eigene Reichweite oder auch Ohnmacht. Unsere AdressatInnen sind nun einmal nicht bloße Objekte unseres helfenden Auftrags. Dies begrenzt andererseits auch unsere Verantwortung für andere Menschen, die selbstverständlich in der konkreten Fallarbeit immer wieder neu ausgelotet und bestimmt werden muss. Natürlich - schön grün sind alle Theorien und guten Vorsätze. Die Niederungen der alltäglichen Hilfepraxis sind dagegen oft sehr grau. Da ist die für uns HelferInnen immer wieder anzutreffende Uneinsichtigkeit und Unzugänglichkeit von Eltern oder auch Jugendlichen gegenüber einem notwendigen Hilfeangebot nur sehr schwer aushaltbar und will uns schier in Hilflosigkeit und Resignation treiben. Doch es gibt nun einmal Menschen, die keine Hilfe annehmen können oder wollen. Auch hierfür ist von uns HelferInnen zumindest Respekt gefordert. Die Gründe sind oftmals vielfältig und komplex, und manchmal gründet eine ablehnende Haltung in früheren negativen Hilfeerfahrungen mit dem Jugendamt. Ablehnung von Hilfe entsteht allermeist dort, wenn wir HelferInnen von unserer Klientel vorschnell etwas erwarten oder gar verlangen, was diese zu leisten oder zu geben nicht in der Lage sind. Gelingende Hilfeprozesse benötigen Zeit sowie viel Geduld auf allen Seiten, und Rückschläge sind dabei nicht die Ausnahme, sondern eher üblich. Sicherlich: Im Hinblick auf das Wohl ihrer Kinder müssen wir Eltern eventuell auch die Grenzen ihres Rechtes auf Erziehung aufzeigen. Doch wo liegen da im Einzelfall wirklich die Grenzen? Konkret heißt dies: Wie viel an Nachteil oder auch an Leid müssen wir Kindern quasi von Amts wegen im Hinblick auf ihre Eltern zumuten? Die Rolle des Jugendamtes als „Schicksalsmacht“ gegenüber Eltern und Kindern sollte meines Erachtens möglichst klar und eher restriktiv umgrenzt bleiben, stellt doch die Wegnahme von Kindern den überhaupt schwersten denkbaren Eingriff dar. Staatlich angeordnete „Ersatzerziehung“ kann immer nur letztes Mittel sein, denn schließlich sind Eltern nicht „einfach ersetzbar“. Gerade auch angesichts von vermehrten Erwartungen oder Forderungen an das Jugendamt nach mehr Eingriffen gegenüber Eltern oder auch nach Wegschluss von schwierigen, desintegrierten Kindern und Jugendlichen ist deutlich zu machen, dass derartige Ansinnen mit dem Hilfegedanken des SGB VIII nichts zu tun haben. Nicht zuletzt aus entsprechenden Erfahrungen heraus sollte die öffentliche Jugendhilfe Tendenzen nach rücksichtslosem, autoritärem Durchgreifen entgegentreten. Eine harte Hand stellt keine adäquate Problemlösung dar, noch wäre sie mit einem humanen, d. h. an den Interessen und Rechten von Eltern, Kindern und Jugendlichen ausgerichteten Hilfeverständnis vereinbar. Eine Pädagogik der Gewalt war schon immer zum Scheitern verurteilt - dafür gibt es genügend leidvolle Zeugnisse. Viel wichtiger wäre es, alle pädagogischen Einrichtungen einschließlich der Schule derart auszurüsten, dass sie Kindern und Jugendlichen eine echte Chance für gute Entwicklungs- und Entfaltungsmöglichkeiten bieten können, insbesondere dort, wo Eltern dies nicht zu leisten vermögen. Helfen und Kinderschutz Die Aufgabe der Kindeswohlsicherung nach § 8 a SGB VIII stellt an uns HelferInnen besonders hohe fachliche wie persönliche Anforderungen, handelt es sich doch 278 uj 6 (2009) hilfearbeit um ein hochkomplexes und zudem schnell vielfältig aufgeladenes Feld jugendamtlicher Hilfearbeit. Die bekannte Grundproblematik besteht zunächst darin, dass der Begriff der Kindeswohlgefährdung weder vom Gesetz noch von fachlicher Seite hinreichend oder gar verbindlich geklärt ist, wohl auch nicht geklärt werden kann. Diese Unbestimmtheit des Gegenstandes erleichtert allerdings nicht gerade unser Auftreten und Verhandeln mit den Eltern. Unterschiedliche Gerichtsurteile und fachliche Bewertungen im Hinblick auf das, was das Jugendamt hier letztlich zu tun oder (bei den Eltern) zu lassen hat, haben zusätzlich einiges an Unsicherheiten bei uns Fachkräften ausgelöst bzw. hinterlassen. Sicherlich müssen wir HelferInnen bei der Erledigung der Kinderschutzaufgabe immer auch Unsicherheiten und eine umgrenzte Risikobereitschaft in Kauf nehmen bzw. eingehen, das liegt quasi in der Natur der Sache. Schließlich sind weder Menschen noch Hilfeprozesse wirklich zu steuern oder sicher zu kalkulieren. Nur hinterher sind wir hoffentlich klüger. Dennoch sollte auch die eigene Absicherung auf dem oftmals heiklen und auch strafrechtlich relevanten Feld des Kinderschutzes nicht außer Acht gelassen werden, wenngleich diese nicht unser helfendes Tun dominieren darf. Das würde uns selbst nur in Lähmung versetzen - und gelähmte HelferInnen wären schlecht für den Kinderschutz. Die spezifische Problematik, die sich für uns HelferInnen aus dem § 8 a SGB VIII ergibt, besteht darin, dass wir im Eigenauftrag handeln müssen, was mit dem helfenden Selbstverständnis wie oben beschrieben eigentlich nicht vereinbar ist. Dieser amtliche Eigenauftrag fungiert im Grunde stellvertretend für Eltern, die - aus welchen Gründen auch immer - nicht für das elementare Wohl ihrer Kinder sorgen können. Zwangsläufig beinhaltet dieser Auftrag noch einmal in ganz anderer und erheblich empfindlicherer Art und Weise Kontrolle, Druck und Zwang für die betreffenden Eltern. Denn nötigenfalls stehen wir unangemeldet und in Begleitung der Polizei vor der Haustür. Und wenn sich Eltern unserem Hilfeanliegen für ihre Kinder widersetzen, dann rufen wir obendrein noch das Familiengericht an. Da sind wir dann in der Rolle der unerwünschten ErmittlerInnen, die dem Familiengericht das Versagen elterlicher Erziehungsverantwortung mitzuteilen haben. Wie erleben uns da die betreffenden Eltern? Kann da so etwas wie Vertrauen überhaupt aufkommen oder erwartet werden, das doch eigentlich in der persönlichen Hilfearbeit als absolut unentbehrlich gilt? Und wehe, das Familiengericht schmettert uns ab! Dann stehen wir tatsächlich völlig im Hilfeabseits, und um den Kinderschutz ist es dann auch erst einmal geschehen. Spätestens an dieser Stelle wird uns HelferInnen die Vertracktheit des jugendamtlichen Hilfeauftrags in seiner widersprüchlichen Anlage deutlich vor Augen geführt. Deshalb ist es für uns zunächst einmal ganz unerlässlich, dass wir die mit dem Kinderschutzauftrag unauflöslich verbundene Doppelfunktion von Hilfe und Kontrolle in uns selbst austragen, ausbalancieren. (Sicherlich kann man überlegen, ob im Bereich des § 8 a SGB VIII nicht eine personelle Trennung zwischen Hilfe und Kontrolle vorgenommen werden sollte, nicht zuletzt auch zur Verdeutlichung der sogenannten roten Linie gegenüber den betreffenden Eltern.) Dennoch sind widersprüchliche Doppelrollen generell nicht gerade sehr attraktiv oder gar gesund und erfordern deshalb ein großes Maß an psychischer Kraft und Belastbarkeit von uns HelferInnen. Deshalb ist hier von Anfang an unbedingte Transparenz sowohl im eiuj 6 (2009) 279 hilfearbeit genen wie auch im Interesse der betreffenden Eltern unerlässlich. Auftrag, Funktion und Rolle müssen jeweils klar benannt und transportiert werden, andernfalls gäbe es nur noch mehr Schwierigkeiten und Verwirrung auf dem ohnehin schon genügend unübersichtlichen und strapaziösen Feld der Kinderschutzarbeit. Auch die Arbeit des Kinderschutzes gem. § 8 a SGB VIII soll zunächst oder möglichst in Kooperation mit den betreffenden Eltern stattfinden. Schließlich sollen Eltern auch eine Chance zur Hilfe und damit zur Korrektur ihrer elterlichen Erziehungsverantwortung eingeräumt bekommen. Außerdem sind wir uns bewusst, dass positive Veränderungen zum Wohle der betreffenden Kinder nur dann eine Chance haben, wenn es zwischen Eltern und HelferInnen zu einem echten Hilfebündnis kommt. Dies ist allerdings ohne ein gewisses gegenseitiges Vertrauen nicht herstellbar. (Eltern sind nach dem Gesetz jedoch nicht verpflichtet, zum Wohle ihrer Kinder mit dem Jugendamt zu kooperieren.) Aufgrund dieses Zwangskontextes ist es natürlich besonders schwer, beurteilen zu können, ob Eltern für unser ihnen angetragenes Kindeswohlanliegen überzeugt werden können. Dauerhafte und verlässliche Lösungen sind aber ohne hinreichend motivierte Eltern nicht zu erreichen bzw. zu erwarten. Deshalb kommt es hier - auch unter Berücksichtigung von anzutreffenden Widerständen - darauf an, Eltern wieder für ihren ureigenen Wunsch nach Wohlergehen ihrer Kinder zu motivieren. Kinderschutz positiv formuliert heißt, Eltern im Sinne der Selbstwirksamkeit und damit letztlich der Unabhängigkeit von Hilfe und Kontrolle durch das Jugendamt zu unterstützen. Aus Hilfesicht muss deshalb der Erhalt des Zugangs zu den Familien oberste Priorität behalten. Der Kinderschutzauftrag kann aber mit diesem Grundsatz in Kollision geraten und damit uns HelferInnen vor sehr schwierige wie schwerwiegende Entscheidungen stellen. Ein zu frühes wie auch ein zu spätes Aufgeben dieses so zentralen Prinzips der Hilfearbeit lässt vielleicht am deutlichsten etwas von dem Dilemma des jugendamtlichen Doppelauftrags aufscheinen. Unumstritten ist auch, dass Kindeswohlgefährdungen oftmals nur unter erheblichen fachlichen wie persönlichen Anstrengungen gesichert festgestellt werden können. Dies bindet natürlich erheblich zeitliche wie personelle Ressourcen. Es geht dabei um das oftmals schwierige Feld der sogenannten Zuordnungsproblematik, da die Übergänge etwa zwischen Kindeswohlbeeinträchtigung und Kindeswohlgefährdung häufig recht fließend sind. Darüber hinaus ist die Faktenlage oftmals sehr widersprüchlich und entzieht sich der direkten Beobachtung und damit der einfachen Überprüfung durch Dritte. Neben den - häufig nur sehr schwierig zu gewinnenden - objektivierbaren Feststellungen spielen auf dem Gebiet des Kinderschutzes auch Eindrücke und Einschätzungen der jeweiligen HelferInnen eine große Rolle, und diese bleiben zu einem guten Teil subjektiv. Dies bezieht sich auch auf die zu stellende Prognose im Hinblick auf die elterlichen Kompetenzen und Ressourcen, die notwendige Veränderung im Interesse ihrer Kinder absehbar herbeiführen zu können. Bleiben hier erhebliche Zweifel, so müssen diese gegen die Eltern ausschlagen bzw. macht es natürlich keinen Sinn, etwas von Eltern zu erwarten oder gar zu fordern, was diese ohnehin nicht zu erfüllen in der Lage sind. Erschwerend kommt dabei hinzu, dass wir dies in jedem Einzelfall eruieren müssen, da Menschen nun einmal nicht gleich 280 uj 6 (2009) hilfearbeit sind oder gleich handeln. Von daher können wir uns auch auf keinerlei Routinen zurückziehen. Zudem zeichnet sich menschliches Verhalten nicht unbedingt durch Konstanz oder Stringenz aus, sodass auch die von uns verlangten Prognosen letztlich immer ein Stück weit anfechtbar bleiben müssen. Das Auf und Ab in Hilfeprozessen führt uns dies immer wieder deutlich vor Augen. Schließlich können wir HelferInnen nur eingeschränkt entsprechende Beobachtungen machen, zumal kindeswohlgefährdende Handlungen kaum vor den VertreterInnen des Jugendamts geschehen. Die staatliche Eingriffs- oder Wegnahmeschwelle gegenüber Eltern sollte dennoch hoch bleiben, d. h. dort, wo es Eltern trotz aller Hilfebemühungen nicht verlässlich gelingt, für das elementare physische wie psychische Wohl und das Gedeihen ihrer Kinder zu sorgen, dort wäre auch die Grenze des Elternrechts auf Erziehung und Pflege ihrer Kinder erreicht. Schließlich wollen wir HelferInnen doch nicht mehr mit den Eltern kämpfen müssen als absolut notwendig und unumgänglich, ist doch der persönliche wie berufliche Verschleiß auf dem Gebiet des Kinderschutzes in der Regel ohnehin schon hoch genug. Und schließlich wissen wir doch auch um die Nachteile und Risiken, die mit sogenannten „Fremdunterbringungen“ für die betroffenen Kinder verbunden sind. Trotz oder auch wegen aller auf dem Felde des Kinderschutzes bestehenden fachlichen wie rechtlichen Problematiken ist die Aufgabe des Kinderschutzes zu bewältigen. Dies ließe sich auch durch die Praxis belegen. Bloß kommen die gelungenen Fälle - und dies ist die weitaus überwiegende Zahl - nicht an das Licht der Öffentlichkeit. Dennoch bleibt jeder misslungene Fall ein Fall zu viel. Interne Voraussetzungen für das Gelingen guter Hilfearbeit Wie ich hoffentlich deutlich machen konnte, ist der Hilfeauftrag des Jugendamts höchst vielschichtig und komplex, wobei es der dem Jugendamt übertragene Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung noch einmal besonders in sich hat. Wesentliches Merkmal der jugendamtlichen Hilfearbeit bestimmt sich meines Erachtens daraus, dass sich diese weitgehend in sogenannten Zwangskontexten abspielt und zum Zwecke ihrer amtlichen Legitimität an fortlaufende Kontrolle gebunden ist. Einfluss und Auswirkungen von Politik und Bürokratie auf das helfende Geschehen sind sicherlich ebenfalls nicht zu unterschätzen. Dieses Thema müsste aufgrund seines „Eigengewichts“ aber gesondert abgehandelt werden. Zum Schluss will ich an dieser Stelle noch ein paar wesentliche interne Voraussetzungen oder Bedingungen benennen, die entscheidend dazu beitragen können, wie gut der gesetzliche Hilfeauftrag des Jugendamtes von uns Fachkräften erfüllt bzw. bewältigt werden kann. Zunächst ist natürlich wichtig, dass ein auf allen Ebenen des Jugendamtes abgesichertes und akzeptiertes Fachverständnis mit entsprechend verlässlichen Verfahrensregelungen vorhanden ist. Praxisorientierung und Praxistauglichkeit sind dabei ebenfalls von grundlegender Bedeutung. Sollte es hier Lücken oder Unsicherheiten geben, so stünde es schlecht um die zu schützenden Kinder. Allerdings nützen auch die besten Verfahrensregelungen nur dann etwas, wenn sie von den AkteurInnen kreativ und flexibel genutzt werden können. Natürlich benötigt gute Hilfearbeit auch eine kompetente und jederzeit verlässliche Unterstützung seitens der Leitungsverantwortlichen. Darüber hinaus muss Leitung für die Schaffung eines insuj 6 (2009) 281 hilfearbeit pirierenden, kreativen und tragfähigen Arbeitsklimas sorgen. Mitarbeiterschaft und Leitung müssen im Gespräch sein und bleiben. Leere Rituale haben dabei selbstverständlich keinen Platz. Wissen wir doch aus unserer täglichen Arbeit mit Familien, was diese blockiert oder gar auseinandersprengt: Herrschaft, Tabuisierungen, Weghören und Sprachlosigkeit. Deshalb ist Pflege der MitarbeiterInnen von so großer Bedeutung, ist doch ohne eine entsprechende Motivation und ein entsprechendes persönliches Engagement der MitarbeiterInnen keine gute Hilfearbeit zu leisten bzw. zu erwarten. Arbeitskultur und Arbeitsklima sind dabei bekanntlich wichtige Gradmesser, die einen entscheidenden Hinweis auf das Geschehen der Arbeit und die Verfassung der MitarbeiterInnen geben. Und nicht zuletzt: Ohne die entsprechende materielle Voraussetzung (Räumlichkeiten, Stellen, Finanzen) kann ebenfalls keine gute Hilfearbeit geleistet werden. Dennoch bleiben wir uns bewusst, dass das Gelingen von Hilfe letztlich nicht nur vom Können und der Motivation der HelferInnen und den zur Verfügung stehenden Mitteln abhängt. Für Letzteres tragen natürlich die jeweils für die Jugendhilfe politisch Verantwortlichen vor Ort in ganz besonderer Weise Verantwortung. Sie sollten wissen, aber auch gegebenenfalls daran erinnert werden, dass die MitarbeiterInnen die entscheidende Ressource des Jugendamtes für eine gute und effektive Hilfearbeit sind. Ihr Können und ihre Motivation entscheiden letztlich darüber, welche Art von Hilfearbeit das Haus verlässt. Der Autor Günter Zach Wittmannstraße 41 64285 Darmstadt Berufsbegleitend studieren - auch ohne Abitur - am IfPM in Bad Dürrheim Staatl. anerkanntes Bachelor-Studium für Erzieher/ innen und andere Berufsgruppen Pädagogik + Management + Kommunikation + Bildungstransfer Nächster Studienbeginn: Oktober 2009 in 78073 Bad Dürrheim Infoveranstaltung: Mo., 8. Juni 2009 19: 30 Uhr Haus des Gastes Bad Dürrheim Bewerbertag: 25. Juli 2009 Jetzt bewerben! Sie können das! Institut für Pädagogikmanagement der Steinbeis-Hochschule Berlin Schabelweg 4-6 . D-78073 Bad Dürrheim Telefon: 07726 / 37878-280 E-Mail: studium@steinbeis-ifpm.de Alle Informationen auch im Internet: www.steinbeis-ifpm.de Anzeige